Einleitung

Die Bereitstellung hochqualitativer humaner Bioproben sowie der Zugang zu den jeweils assoziierten Phänotypdaten zählt zu den Schlüsselfaktoren der biomedizinischen Forschung und ist insbesondere für die Anwendung von Omics-Technologien sowie im Rahmen der personalisierten Medizin von größter Relevanz. Obwohl innerhalb der letzten Jahre umfassende Probenkollektive im Rahmen des Biobanking gesammelt wurden, existieren deutliche Unterschiede innerhalb der verschiedenen Biobanken in Hinblick auf deren Infrastruktur sowie den mit der Probengewinnung und -lagerung assoziierten Prozessen. Dies führte zur Sammlung und Lagerung von Biomaterialien heterogener Qualität, wodurch deren Nutzbarkeit für die biomedizinische Forschung und insbesondere deren biobankübergreifende Verwendung, z. B. im Rahmen der Zusammenführung von Proben verschiedener Biobanken, stark eingeschränkt sein kann. Die Probenqualität hat zweifelsfrei einen erheblichen Einfluss auf die Qualität wissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Daher können Unterschiede in der Probenqualität, z. B. zwischen einer Test- und Validationskohorte dazu beitragen, dass sich Daten teilweise nicht reproduzieren lassen. In Fall-Kontroll-Studien können unterschiedliche Probenqualitäten somit in beiden Gruppen zu falschen Assoziationen führen. Dies kann in der Folge dazu führen, dass die biomedizinische Forschung insgesamt erheblich in Frage gestellt wird [13]. Es gilt daher, sowohl internationale, einheitliche, evidenzbasierte Standards bzw. Vorgaben für Biobankingprozesse zu erarbeiten als auch Verfahren zur Kontrolle und Bewertung der Bioprobenqualität zu entwickeln. Im Folgenden sollen die Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Grenzen qualitätsgesicherten Biobankings insbesondere mit Bezug auf die beiden großen Gebiete des Liquid- und Gewebebiobankings diskutiert werden.

Rahmenbedingungen des Biobankings

Im Bereich des qualitätsgesicherten Biobankings gibt es einige wesentliche Prozesse, die standardmäßig – unabhängig von der Art des einzulagernden Biomaterials – von besonderer Bedeutung sind (s.  1). Sie gelten sowohl für das Liquid- als auch das Gewebebiobanking gleichermaßen, und werden daher, den speziellen Aspekten zum Liquid- und Gewebebiobanking vorangestellt, im Folgenden übergreifend angesprochen. Hierzu zählt insbesondere die Dokumentation probenassoziierter Parameter und deren Weitergabe an Biobanken [4]. Datenangaben, die hier erfasst werden müssen, sind die eindeutige Identifikation der Probe und korrekte Zuordnung zum Spender, Daten zum Probenmaterial, die Entnahmezeit, Entnahmelokalisation und -art, die Erfassung klinischer Angaben sowie diagnostische und therapeutische Maßnahmen und natürlich Art und Umfang der Einverständniserklärung des Spenders. Im Hinblick auf den Transport in die Biobank sind u. a. Transportzeit und -temperatur, das Transportmedium sowie die Häufigkeit des Transports der Bioproben relevant [58]. Beim Probeneingang in die Biobank müssen eine eindeutige Probenbezeichnung und die Unversehrtheit der Probencontainer, sowie bei Eingang von gekühlten Proben auch die Eingangstemperatur der Proben, kontrolliert und dokumentiert werden. Grundsätzlich sollten Proben und assoziierte Daten nur von fachgerecht geschultem Personal an eine Biobank übermittelt werden. Auch in Bezug auf den späteren Einlagerungsprozess lassen sich gleichartige Rahmenbedingungen finden. Diese beinhalten u. a. die angemessene Verschlüsselung der Proben- und Spenderdaten, eine adäquate Aufarbeitung der Proben zur sachgerechten Lagerung (z. B. Zahl der Aliquots, Art der Probengefäße) bis hin zur dauerhaften Einlagerung (Lagerungstemperatur, Lagerformat, Zuweisung von Lagerplatz, Eingabe assoziierter Patienten- und Probendaten). Prinzipiell sollte immer eine lückenlose Dokumentation der Probenhistorie von der Probengewinnung, -verarbeitung, -lagerung bis hin zur Probendistribution z. B. durch Zeitstempel und Verwendung barcodierter Probenröhrchen realisiert werden [9]. Wesentlich für die Gewährleistung einer gleichbleibenden hohen Probenqualität ist auch die kontinuierliche Temperaturüberwachung der Lagerung, Registrierung von eventuellen Temperaturschwankungen bis hin zu möglichen kompletten Funktionsausfällen der Probenlager, sodass – im Rahmen eines Notfallmanagements – unmittelbar reagiert werden kann [10].

Abb. 1
figure 1

Biobanking: Prozesse und Variablen. Darstellung einer Auswahl wichtiger Prozesse und Variablen, welche einen Einfluss auf die Qualität von Proben und assoziierten Daten im Liquid- und Gewebebiobanking haben.

Liquidbiobanking

Rahmenbedingungen

Die aus Sicht der Qualität für das Liquidbiobanking wesentlichen Rahmenbedingungen sind zunächst einmal durch den Fokus auf die Einlagerung von flüssigen Biomaterialien gegeben, zu denen aus Blut gewonnenes Serum, bzw. nach Zusatz von verschiedenen Antikoagulantien generiertes Plasma (Heparin-, Citrat-, EDTA-, P100-Plasma) oder aber andere Körperflüssigkeiten wie bspw. Urin oder Liquor, Speichel, Tränenflüssigkeit, Sekrete und spezielle Punktate (Aszites, Pleurapunktat) zählen. Im Vergleich zum Gewebebiobanking führt dies zu einer Reihe von Unterschieden, die für die Etablierung eines qualitätsgesicherten Liquidbiobankings von großer Bedeutung sind. So ist z. B. durch die Homogenität einer flüssigen Probe, im Gegensatz zur Gewebeprobe, eine Aliquotierung in identische Teilproben möglich, von denen sich dann einzelne Aliquots für qualitätssichernde Analysen einsetzen lassen. Hierdurch kann ein repräsentativer Rückschluss sowohl auf die Qualität der parallel generierten Aliquots als auch auf den/die jeweiligen Prozessschritt(e) der gesamten Probenaufarbeitung gezogen werden. Ein weiterer Vorteil homogener Proben besteht in der einfacheren Etablierung automatisierter Prozessschritte, die zur Optimierung der Prozess- und damit auch der Probenqualität eingesetzt werden können. Wesentlich ist hierbei, dass die seit Jahren insbesondere in der Laboratoriumsmedizin aber auch anderen akkreditierten bioanalytischen Bereichen für eine qualitätsgesicherte Analytik zum Einsatz kommenden automatisierten Verfahren direkt, oder nach nur geringer Modifikation und Re-Evaluierung, für die Workflows im Liquidbiobanking zur Anwendung kommen können.  1 stellt einen Standardworkflow für das Liquid- und das Gewebebiobanking dar, der sich in die wesentlichen Teilschritte Probennahme, Probentransport, Probenaliquotierung sowie die eigentliche Probenlagerung, die daran anschließende Probenauslagerung mit zusätzlichen möglichen Realiquotierungs- und Wiedereinlagerungsschritten und den Probenversand unterteilt.

Für die Qualität der einzelnen Teilschritte und damit für die Qualität des Gesamtprozesses und der flüssigen Probe ist es von besonderer Bedeutung, ob Zentrifugation, Aliquotierung und Einlagerung direkt lokal und damit ohne Zeitverzug erfolgen können. Dies ist beispielsweise im Rahmen einer Biobank, die eng an die Routinekrankenversorgung („healthcare integrated biobanking“) gekoppelt ist oder aber in spezialisierten Studienzentren, wie z. B. bei der Nationale Kohorte (NAKO), gegeben. Hier ist häufig auch eine automatisierte Probenaliquotierung möglich. Werden diese Schritte aber z. B. im Rahmen multizentrischer klinischer Studien an einer Vielzahl von Standorten durchgeführt, ist häufig nur eine einfache manuelle Probenbearbeitung wie z. B. das Abtrennen der flüssigen von den korpuskulären Blutbestandteilen möglich. Eine darüber hinausgehende Aliquotierung bzw. Weiterverarbeitung der Proben kann dann häufig erst später, nach Zwischenlagerung und Überführung der Probe in eine zentrale Biobank, erfolgen. Je nach präanalytischen Rahmenbedingungen und technischer Ausstattung lassen sich somit automatisierte Workflows nur in unterschiedlichem Ausmaß zur Optimierung und Standardisierung einsetzen.

Neben Systemen zur automatisierten Aliquotierung mit anschließender Ein-/Auslagerung von mehreren 100.000 bis 1 Mio. individuellen 2D-barcodierten Flüssigbioproben werden zunehmend auch Lagersysteme implementiert, die eine automatisierte Lagerung in der N2-Gasphase erlauben. Durch die Etablierung von vollautomatischen, z. T. auch mit Liquid-handling-Stationen verbundenen, − 80 °C-Probenlagern konnte die Standardisierung im Liquidbiobanking, insbesondere für die im rechten Teil der in  1 dargestellten Aspekte, in den letzten Jahren erheblich verbessert werden. Hiervon haben speziell die Prozessschritte der Aliquotierung, vollautomatischen Probeneinlagerung, Zusammenstellung von Probensubsets und der Probenauslagerung profitiert. Dies gilt nicht in gleichem Maße für die im linken Teil der Abbildung dargestellten präanalytischen Prozessschritte. Probengewinnung und Probentransport stehen hier vielfach nicht unter der direkten Kontrolle der Biobank, was für eine Standardisierung in diesem Bereich hinderlich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass hier häufig sehr heterogene Rahmenbedingungen bestehen. Ein qualitätsgesichertes Liquidbiobanking muss sich daher in Zukunft insbesondere der Standardisierung, Harmonisierung und Qualitätskontrolle der den Probentransport und die Probenannahme beeinflussenden Variablen widmen.

Einfluss (prä)analytischer Variablen auf die Probenqualität

Der Einfluss präanalytischer Variablen auf die Probenqualität ist seit vielen Jahren insbesondere im Rahmen der Etablierung und Validierung von neuen Parametern für die labormedizinische Diagnostik Gegenstand intensiver Untersuchung. Diese Kenntnisse lassen sich auf das Liquidbiobanking anwenden und bieten eine gute Grundlage für die Auswahl der für die Probenqualität besonders kritischen Prozessschritte. Ausgewählte Variablen sind in Tab. 1, modifiziert nach Ellervik et al., dargestellt [11]. Allein im Zusammenhang mit der Blutentnahme gilt es, eine Vielzahl von Störfaktoren zu beachten. So kann schon die Wahl des Blutentnahmeröhrchens [z. B. durch Interferenz mit diesem, Bindung (Separationsgel) des nachzuweisenden Analyten, Freisetzung bestimmter im Stopfen oder Röhrchen enthaltener Substanzen (Polymere)], die Probenqualität entscheidend beeinflussen [12, 13]. Im Zusammenhang mit der Blutentnahme selbst kann, neben der Position bei der Abnahme (Stehen, Sitzen oder Liegen) [14], auch die Dauer der Stauung und die Wahl der Nadelgröße [15], die Unterfüllung von Röhrchen, die Probenzusätze enthalten [16], die Wahl des „falschen“ Probenzusatzes [17] oder aber die Kreuzkontamination durch verschiedene Probenzusätze [18] zu einer veränderten Probenzusammensetzung und damit Probenqualität führen. Ähnlich umfangreich ist der Einfluss durch den Probentransport. Neben der Transportzeit und -temperatur sind hierbei auch die Beschleunigungskräfte z. B. bei Anwendung eines Rohrpostsystems zu beachten. So kann es in Abhängigkeit von den hierbei auftretenden intermittierenden Kräften zur Hämolyse und Freisetzung von intraerythrozytären Bestandteilen, wie z. B. Enzymen (ASAT, ALAT, LDH, SP), Elektrolyten (Na, K), Hämoglobin oder aber auch von Membranbestandteilen, kommen [19]. Dies kann nicht nur zu einer Konzentrationserhöhung der genannten Parameter führen, sondern auch mit der Störung von z. B. fotometrischen Nachweisverfahren (Interferenz 300–500 nm) oder aber von Gerinnungsuntersuchungen verbunden sein. Der Hämolysegrad ist hierbei nicht nur von der Geschwindigkeit, mit der das System betrieben wird, sondern auch von der Konfiguration (Weichen, Kurven, usw.) und insbesondere von der Fragilität der transportierten Proben, die z. B. bei Patienten mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen größer ist als bei chirurgisch-orthopädischen Patienten, und damit von der Patientengruppe von der die Proben stammen, abhängig [20]. Grundsätzlich wird an diesem Beispiel deutlich, dass auch ein vermeintlich standardisierter und schneller Prozessschritt im Liquidbiobanking nicht zwangsweise auch zu einer besseren Probenqualität beiträgt. Dennoch kann generell empfohlen werden, Plasma bzw. Serum so schnell wie möglich nach der Blutentnahme von den zellulären Blutbestandteilen zu separieren, um die durch eine verzögerte Prozessierung hinlänglich bekannten Variationen einer Vielzahl von Parametern möglichst zu unterbinden [21]. Weitere im Workflow nachgeordnete Schritte mit z. T. erheblichem Einfluss auf die Probenqualität umfassen die Probenzentrifugation (einmalige/zweimalige Zentrifugation, Dauer, Beschleunigung, Temperatur, Plättchenanteil), Schritte zur weiteren Probenaufarbeitung (z. B. Präparation von DNA/zellfreier DNA, Exosomen, usw.) und schließlich die Bedingungen zur Probenaliquotierung. Für die eigentliche Probenlagerung ergeben sich dann, im Vergleich zur den bisher genannten Faktoren mit Einfluss auf die Probenqualität, deutlich weniger Möglichkeiten zur Prozessvariation (Temperatur: z. B. − 80 °C oder N2-Gasphase; Lagerungsformat: 2D-barcodierte Schraubröhrchen oder Straws). Dies verdeutlicht, dass unter dem Gesichtspunkt eine optimale und vergleichbare Probenqualität zwischen verschiedenen Liquidbiobanken zu erreichen, der Fokus insbesondere auf der Optimierung, Harmonisierung und schließlich auch externen Qualitätskontrolle der präanalytischen Prozessschritte liegen muss, die vor der eigentlichen Probenlagerung liegen. Auf die hierbei notwendigen Möglichkeiten und Grenzen zur Qualitätssicherung soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden.

Tab. 1 Exemplarische Darstellung ausgewählter präanalytischer Variablen im Biobanking anhand von Blut-, Urin- und Gewebeproben.

Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätssicherung

Eine wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Vorgehensweise bei der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung im Liquidbiobanking besteht zunächst in der Identifizierung der im Gesamtprozess für die Probenqualität besonders kritischen Prozessschritte. Anschließend müssen diese nach evidenzbasierten Kriterien standardisiert und entsprechende Werkzeuge zu deren Kontrolle entwickelt werden. Grundlage hierfür ist die Implementierung und Anwendung von evidenzbasierten Standardarbeitsanweisungen. Mit der Einführung des BRISQ (Biospecimen Reporting for Improved Study Quality) und des SPREC (Standard PREanalytical Code) wurden Systeme etabliert, die es erlauben, die in einer Standardarbeitsanweisung festgelegten präanalytischen Schritte in einem Code zu beschreiben, so dass die für eine Probe charakteristischen Prozessschritte genauer definiert und besser untereinander vergleichbar sind [6, 22]. Nachteilig ist, dass diese Codierung nur die jeweils nach einer Standardarbeitsanweisung offensichtlich durchgeführte Prozedur beschreibt und damit auch nur eine Aussage über die theoretisch zu erwartende Qualität der Probe ermöglicht, soweit die Standardarbeitsanweisung in der Realität auch uneingeschränkt befolgt wurde. Eine Aussage über die tatsächliche Qualität ist hierdurch nicht zulässig. Zeitabhängige präanalytische Faktoren lassen sich alternativ hierzu dadurch überwachen, dass jeder Prozessschritt manuell oder aber z. B. durch den Einsatz von RFID (Radio-frequency identification) mit einem Zeitstempel versehen wird [23]. Durch den hiermit verbundenen hohen organisatorischen und technischen Aufwand ist diese Vorgehensweise aber häufig nur in wenigen Fällen realisierbar. Darüber hinaus werden hierdurch andere präanalytische Störgrößen, wie z. B. die Transporttemperatur, nicht erfasst. Grundsätzlich sollte daher die direkte Überprüfung der Probenqualität angestrebt werden.

Qualitätskontrollmarker als Werkzeuge zur Qualitätssicherung im Liquidbiobanking

Zur direkten Überprüfung der Biomaterialqualität und Prozesskontrolle im Liquidbiobanking bieten sich sog. Qualitätskontrollmarker (QK-Marker) an. Hierbei handelt es sich um in den Proben bestimmbare Analyten, die eine Aussage über die von der Probe tatsächlich durchlaufenen präanalytischen Prozessschritte erlauben. Qualitätskontrollmarker sollten dabei im Idealfall nur von einem präanalytischen Störfaktor beeinflusst werden und unabhängig vom untersuchten Krankheitsbild und anderen klinischen Einflussfaktoren sein. Darüber hinaus sollte die Bestimmung der Qualitätskontrollmarker nur wenig Material benötigen und zu geringen Kosten möglich sein, um die Untersuchung einer möglichst großen Stichprobe einer Probensammlung mit vertretbarem Aufwand zu gestatten. Die in der Infobox 1 aufgeführten hohen Anforderungen an QK-Marker verdeutlichen, dass bei deren Identifizierung mit einem ähnlich hohen Aufwand wie bei der Identifizierung von krankheitsassoziierten Biomarkern zu rechnen ist. In den letzten Jahren wurde die Überprüfung der Biomaterialqualität, insbesondere für Nukleinsäuren, etabliert [24]. Aus Stabilitätsuntersuchungen abgeleitete Veränderungen von diagnostischen Biomarkern auf Proteinebene eignen sich nur bedingt als Qualitätskontrollmarker [25, 26]. Neuere Untersuchungen zeigen, dass sich durch den Zusatz von bestimmten Reporterpeptiden, die zeitabhängig in einer Probe abgebaut werden, zumindest in zukünftigen Probensammlungen Aussagen über z. B. die Zeit von der Zentrifugation bis zum Einfrieren der Proben ableiten lassen [27, 28]. Für bereits gesammelte Proben bietet sich der Einsatz von endogenen QK-Markern an. Vor kurzem wurde gezeigt, dass Veränderungen von Metaboliten definierten präanalytischen Prozessvariationen zugeordnet werden können [29, 30]. So konnten Proben, die mit einer Verzögerung von mehr als 12, 24 oder 36 h nach der Zentrifugation eingefroren wurden, hierbei durch die Bestimmung der Quotienten Glutamin/Serin (< 4,71) und Gesamtlysophosphatidylcholin/Gesamtphosphatidylcholin (> 0,12) zu mehr als 95 % korrekt zugeordnet werden [30]. Wenngleich einige dieser Ansätze sehr vielversprechend und zum Teil auch bereits kommerziell erhältlich sind [9], sind sie bisher nur auf bestimmte Probenmaterialien anwendbar, decken häufig nur einen kleinen Bereich des Spektrums präanalytischer Einflussfaktoren ab und bedürfen insbesondere noch der Validierung im klinischen Einsatz, z. B. in großen multizentrischen Studien. Es ist zu erwarten, dass eine Reihe der im Laborversuch als aussichtsreich erscheinenden Qualitätsmarker durch eine Vielzahl von Erkrankungen oder aber auch therapeutische Interventionen beeinflusst werden, sodass sich nur ein Teil dieser Marker für den Einsatz unter realen Bedingungen eignen wird. Bei der zu erwartenden Identifizierung weiterer QK-Marker ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass Bioproben aus Liquidbiobanken in Zukunft nicht einfach nur als „gut“ oder „schlecht“ definiert werden, sondern so gut charakterisiert werden können, dass sie entsprechend der für ein bestimmtes Projekt benötigten Probenqualität ausgewählt werden können. Proben aus Liquidbiobanken würden damit in Zukunft nach einem SPReQ (Specific Project Required Sample Quality) Code bewertet und eingesetzt werden können.

Infobox 1

Qualitätskontrollmarker zur Prozess- und Qualitätskontrolle im Biobanking

Definition Qualitätskontrollmarker

Parameter, dessen Konzentration in Abhängigkeit von einem oder mehreren Biobankingprozessschritten variiert

Anforderungen

Die Entstehung, Konzentrationsänderung und der Abbau von Qualitätskontrollmarkern sollte unabhängig vom untersuchten Krankheitsbild und anderen klinischen Einflussfaktoren sein

Änderungen sollten die gesamte Bandbreite der möglichen Prozessvariationen widerspiegeln und nicht nur extreme Abweichungen vom optimalen Prozess anzeigen

Sollten für eine breite Anwendbarkeit unabhängig von bestimmten Probenzusätzen ähnliche Verhaltensweisen zeigen

Einfache, kostengünstige und schnelle Quantifizierung

Sehr geringer Probenbedarf

Herausforderungen

Identifizierung nur mit hohem Aufwand möglich (ähnlich wie bei diagnostischen Markern)

Ermöglicht nur Aussage zum tatsächlichen Prozess den die Probe durchlaufen hat = > keine direkte Aussage zur Eignung der Probe für ein definiertes Projekt

Mehrere Qualitätsbiomarker zur Abbildung aller BMB-Prozesse notwendig

Biobanken müssen analytische Kompetenz und Infrastruktur vorhalten

  1. BMB BioMaterialBank

Gewebebiobanking

Rahmenbedingungen

Obwohl gewisse Rahmenbedingungen zwischen Liquid- und Gewebebiobanking vergleichbar sind, gibt es wesentliche Unterschiede, die im zu asservierenden Biomaterial selbst begründet sind. Im Gegensatz zu flüssigen humanen Bioproben ist die Gewinnung von Gewebeproben zumeist an diagnostisch-therapeutische Prozesse im „health-care integrated biobanking“ gebunden (Biobank eng an klinische Routineversorgung gekoppelt). Dies bedeutet, dass Gewebe für Forschungszwecke in der Regel aus Operations- bzw. Biopsiepräparaten gewonnen werden, wobei die klinische Routine und Diagnostik hier klaren Vorrang haben und somit per se eine Limitierung des Gewebes für Forschungszwecke gegeben ist, da im Gegensatz zu flüssigen Biomaterialien meist keine Neugewinnung möglich ist (z. B. durch eine weitere Blutentnahme).

Daher müssen Gewebebanken eingelagerte Proben in adäquater Form aufbereiten und ressourcenschonend für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung stellen. Es gilt daher alle relevanten Aspekte (Lagerungsdauer und -temperatur, Anzahl der ausgelagerten Proben, Material Transfer Agreement, Übergabekonditionen), die die Auslagerung von Gewebematerialien bzw. derer Derivate betreffen, zu überwachen und zu dokumentieren. Sollten Proben versandt werden, so sind auch hier die Transportbedingungen (Temperatur, Dauer, Häufigkeit) bedeutend für die Probenqualität und unterliegen der Zuständigkeit der Biobank.

Einfluss (prä)analytischer Variablen auf die Probenqualität

Der Einfluss (prä)analytischer Faktoren auf die Gewebequalität ist – auch durch die fehlende Notwendigkeit resultierender Erkenntnisse für die Diagnostik – verglichen mit den Fortschritten im Liquidbereich, noch ein weitestgehend unbekanntes Gebiet. Da u. a. die kalte und warme Ischämiezeit, die Wahl des Transportmediums oder auch die Transporttemperatur einen Einfluss auf die Qualität der Gewebeproben haben, können die Vorgaben durch BRISQ und SPREC zu den präanalytischen Eigenschaften von Bioproben in bedingter Form auch im Gewebebiobanking berücksichtigt werden; einige wesentliche Aspekte des Gewebebiobankings sind hierbei jedoch noch nicht suffizient abgebildet [6, 22].

Im Gegensatz zum Liquidbiobanking stellt im Gewebebiobanking die sehr große Heterogenität der Zusammensetzung der Gewebeproben und auch konsekutiv der jeweiligen Probenaliquots eine maßgebliche (analytische) Variable dar. Beispielsweise kann eine Vorbehandlung von Tumorpatienten Einfluss auf die Qualität der Proben nehmen, da eine neoadjuvante Therapie zu einer (für das klinische Setting gewollten) Reduktion der Tumormasse und damit auch zu einer Verringerung der verwertbaren Nukleinsäuren oder Proteine führt. Auch die Organlokalisation des entnommenen Gewebes kann einen Einfluss auf Qualitätsparameter haben, da, je mehr Fett- oder Bindegewebe das jeweilige Organ enthält, die Gesamtmenge der isolierten Nukleinsäuren geringer ausfällt. Daher sollten in der Folge Qualitätsparameter immer relativ zur Herkunft und Art des Gewebes bewertet und nicht als absolut betrachtet werden. Auch um entsprechenden Krankheitsbildern gerecht zu werden und repräsentative Proben einlagern zu können, bzw. eine unnötige Asservierung zu vermeiden, muss eine makroskopische Eingangskontrolle jeder einzelnen Probe und eine Bewertung des Gewebes erfolgen.

Im Zuge des Einlagerungsprozesses nimmt ferner die Wahl des Fixierungsmediums erheblichen Einfluss auf die Gewebequalität, da sich Epitope von Proteinen oder auch die Degradationsrate von Nukleinsäuren je nach Fixierungsmedium unterschiedlich verhalten können. Neben der Kryokonservierung, also dem Schockgefrieren von Gewebeproben, ist die derzeit hauptsächlich zur Anwendung kommende Methode die Fixierung mittels einer phosphatgepufferten Formalinlösung (formalin-fixed, paraffin-embedded – FFPE). Obwohl es sich hier um eine einfache und kostengünstige Methode der Gewebefixierung handelt, hat sich indessen gezeigt, dass die Analyse formalinfixierten Gewebes im Zuge der vermehrt zur Anwendung kommenden molekularen Analysen Limitationen aufweist und daher diese Proben nicht uneingeschränkt verwendet werden können. Bei einer Formalinfixierung gibt es einige Faktoren, die es zu beachten gilt, um ein ideales Fixierungsergebnis zu erzielen [31]. Wesentliche Einfluss- bzw. Störfaktoren stellen z. B. die Konzentration der Formalinlösung (z. B. 4 % vs. 10 % gepuffert), das verwendete Fixierungsvolumen (ideal 10:1 = 10 Teile Formalin und 1 Teil Gewebe) oder auch die Dicke des zu fixierenden Gewebes dar (z. B. Nadelbiopsie vs. Exzisionsbiopsie oder Operationspräparate). Auch die zeitliche Dauer der Formalinfixierung beeinflusst die Gewebequalität mitunter erheblich. Werden diese Faktoren nicht beachtet bzw. nicht standardisiert umgesetzt, kommt es zu einer Unter- oder auch Überfixierung des Gewebes, was in beiden Fällen z. B. zu einer stärkeren Fragmentierung von Nukleinsäuren (insbesondere der RNA) im Vergleich zu kryokonservierten Geweben führt.

Obwohl FFPE-Proben den beschriebenen Einschränkungen unterliegen, bedeutet dies nicht, dass sie ungeeignet für jegliche molekularen Analysen sind. Es hat sich gezeigt, dass in arraybasierten Genotypisierungen vergleichbare Ergebnisse im Bereich der Detektion von Einzelnukleotidvariationen oder dem Verlust der Heterozygotie zu Analysen mit kryokonservierten Gewebeproben erzielt werden können. Auf Ebene der microRNA-Expressionsanalysen konnten ebenfalls gute Korrelationen zu kryokonserviertem Gewebe erzielt werden. Auch Expressionsanalysen sind mittels RT-qPCR, durch die Wahl kleinerer Amplikons (< 200 Basenpaare), durchaus an FFPE-Proben möglich [32, 33]. Neben Formalin existieren seit einiger Zeit weitere alternative Fixierungsmedien, die sich in unterschiedlichster Weise, je nach Anwendung, durchgesetzt haben. Einen guten Überblick hierzu liefern Zhou et al., die neben den alkoholbasierten Methoden u. a. auch auf die Fixierung mittels RNALater näher eingehen [34]. Auch die vor einiger Zeit beschriebene „Hepes-glutamic acid buffer mediated Organic solvent Protection Effect“ (HOPE)-Fixierung soll hier als Alternative erwähnt werden, wobei diese gewisse Beeinträchtigungen zeigt, die einer breiten „routinemäßigen“ Implementation bzw. dem Ersetzen einer Formalinfixierung bisher entgegen standen [35]: Zum einen ist das HOPE-Fixierungsprotokoll zeitintensiv und zum anderen erfolgt keine vollständige Fixierung des Gewebes, was zur Folge hat, dass eine mögliche Infektion mit Viren, Prionen oder Mikroorganismen auch bei langzeitarchiviertem Gewebe nicht ausgeschlossen werden kann.

Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätssicherung

Um die präanalytischen Eigenschaften von Gewebeproben erfassen zu können, bedarf es einer engen Zusammenarbeit und Kommunikation mit den beteiligten Fachkliniken. Es müssen zu dokumentierende Parameter hinsichtlich der Probenentnahme (z. B. warme Ischämiezeit) innerhalb der Klinikroutine und des anschließenden Transports festgelegt werden. Da im klinikassoziierten Gewebebiobanking der unmittelbaren Diagnostik und Therapie Priorität einzuräumen ist, ist es stellenweise möglich, dass biobankrelevante Dokumentations- und Arbeitsprozesse in den Hintergrund treten und damit die Probendaten zum Teil unvollständig sind oder nicht alle Proben harmonisiert entnommen und transportiert werden. Hier gilt es, Abweichungen sorgfältig zu dokumentieren um die Verwendbarkeit der Gewebeproben für Forschungsprojekte beurteilen zu können.

Eine lückenlose Dokumentation aller Parameter der Probengewinnung und -lagerung kann z. B. durch Zeitstempel und eine Barcodierung von Probenröhrchen realisiert werden [9]. Durch eine Temperaturüberwachung der Lagerung wird eine gleichbleibende Gewebequalität unterstützt und auf eventuelle Temperaturschwankungen oder Ausfälle der Probenlager kann – im Rahmen eines Notfallmanagements – unmittelbar reagiert werden [10].

Was die Herausgabe von Gewebeproben betrifft, so stellt die histopathologische Begutachtung der auszugebenden Probe (Ausgangskontrolle) durch einen Facharzt für Pathologie ein wesentliches Werkzeug der Qualitätskontrolle dar. Hierdurch kann eine exakte Beurteilung der Gewebeentität und -dignität sowie die Eignung des Gewebes für das jeweilige Forschungsvorhaben überprüft und der Heterogenität von Gewebeproben Rechnung getragen werden. Durch eine konventionell-lichtmikroskopische Ausgangskontrolle kann eine projektadaptierte detaillierte Angabe z. B. des Prozentsatzes vitaler/avitaler Zellen/Tumorzellen, des Gehalts an nekrotischem oder Bindegewebe etc. erfolgen und dem jeweiligen Projekt können adäquate Gewebeproben zugeordnet werden [36, 37]. In einigen Projektfragestellungen ist es durchaus möglich, dass eine rein morphologische Qualitätsüberprüfung nicht ausreichend ist. Hier können weitere Qualitätskontrollen auf molekularer Ebene realisiert werden, wobei diese entweder routinemäßig an exemplarisch ausgewählten Proben oder projektadaptiert, je nach Fragestellung, für ein bestimmtes Forschungsvorhaben durchgeführt werden können. Hierbei können aus der Routinediagnostik bekannte spezifische Moleküle aus Nukleinsäureisolaten oder aus Gewebehomogenaten auf ihr Vorhandensein überprüft, oder z. B. von bereits extrahierten Nukleinsäuren Qualitätsparameter (z. B. RNA integrity number (RIN) oder DNA-Konzentration) untersucht werden [38]. Es gilt allerdings zu beachten, dass spezielle, für Biobanken etablierte Markermoleküle bisher noch nicht definiert sind. Zudem sind molekularbiologische Qualitätskontrollen zeit- und kostenintensiv. Es ist daher nicht immer möglich, jede Probe molekularbiologisch zu testen; vielmehr sind Art und Umfang der Qualitätskontrolle in Abhängigkeit vom jeweiligen Forschungsvorhaben durchzuführen.

Die Qualität von Bioproben kann weiterhin gesteigert werden, indem alle hier erwähnten Prozesse durch Arbeits- und Verfahrensanweisungen (SOP) beschrieben werden, regelmäßig überprüft werden und sich an den Regeln der „good scientific and laboratory practice“ orientieren sowie bereits vorhandene Richtlinien und Standards berücksichtigen (Tab. 2). Durch eine standardisierte Dokumentation wird zudem eine transparente Nachvollziehbarkeit der Prozesse für alle Beteiligten erreicht.

Tab. 2 Wichtige Normen und Richtlinien, die auf Biobanken anwendbar sind

Qualitätsmarker als Werkzeuge der Qualitätssicherung

Obgleich es v. a. durch die Heterogenität der Gewebe und der Probengewinnung im klinischen Kontext bisher nicht möglich ist, einen festen Satz an Qualitätsparametern zu definieren und einzuhalten, muss es Ziel sein, eine gewisse Vergleichbarkeit von Gewebebiobanken untereinander und ihrer gelagerten Gewebeproben zu erreichen. Eine Möglichkeit wäre hier über gemeinsame Biobankringversuche gegeben, die neben der histopathologischen Bewertung von verschiedensten Gewebeproben durch die unterschiedlichen Biobanken auch die Untersuchung von z. B. RNA-Isolaten auf ihre RIN beinhalten könnten. Durch regelmäßige Ringversuche könnte der aktuelle Stand der Technik sowie eine gewisse Harmonisierung der Methoden in Biobanken erreicht bzw. gehalten werden. Ferner könnten Standards erarbeitet, definiert und etabliert werden, wobei die in der Infobox aufgeführten Anforderungen an eventuelle Qualitätskontrollmarker verdeutlichen, dass hierbei mit enormem Aufwand zu rechnen ist (vgl. hierzu auch den Abschnitt „Qualitätskontrollmarker als Werkzeuge zur Qualitätssicherung im Liquidbiobanking“).

Auch wäre es sicherlich sinnvoll, Gewebematerial anhand seiner Nutzbarkeit in Downstream-Anwendungen für Forschungsprojekte in verschiedene Klassen einzuteilen. So könnten z. B. FFPE-Gewebe, die i. d. R. für immunohistochemische Untersuchungen vieler Proteine sehr aussagekräftige Ergebnisse liefern, hier eine hohe Einteilung erreichen. Für molekularbiologische Expressionsanalysen längerer Transkripte, Phosphorylierungsanalysen oder Next Generation Sequencing hingegen sind diese – aufgrund einer Degradation der Nukleinsäuren oder proteolytischen Abbaus – in den meisten Fällen eher weniger gut geeignet und könnten in eine „niedere“ Klasse eingeordnet werden. Dagegen könnten kryokonservierte Proben für z. B. eine Verwendung in Expressionsanalysen einer höheren Klasse zugeordnet werden, da hier die Degradierung der Nukleinsäuren aufgrund der Konservierungs- und Lagerungsart naturgemäß deutlich geringer ausfällt und in diesem Kontext eine Vielzahl mehr an Untersuchungsmethoden möglich ist.

Grundlage einer solchen Kategorisierung sollte, neben den o. g. möglichen Kontrollverfahren, auch die Rückmeldung in Hinblick auf Qualität und Verwertbarkeit der Gewebematerialien durch die jeweiligen Anwender sein. Durch diese Informationen zur „tatsächlichen praktischen“ Verwendbarkeit bzw. Ausbeute eines Gewebes können zusätzliche Informationen gewonnen werden, die es ermöglichen, die eingelagerten Gewebematerialien exakter zu kategorisieren und gegebenenfalls eine Adaptation der vorgeschalteten Prozesse vorzunehmen.

Ziel aller Qualitätsmarker sollte es am Ende sein, eine Kategorisierung von Geweben bzw. derer Derivate immer in Abhängigkeit von der geplanten Verwendung und ihrer ermittelten Qualitätsparameter (RIN, DIN, Tumorzellgehalt) zu erreichen, die von „high quality“ bis hin zu „low quality“ reicht und beschreibt, welches Gewebe für welche Untersuchungen in welchem Ausmaß geeignet ist. Dies könnte in Analogie zum Liquidbiobanking ebenfalls über einen SPReQ (Specific Project Required Sample Quality)- Code abgebildet werden.

Etablierung internationaler Standards zur Qualitätssicherung für Biobanken im Forschungskontext

Alle existierenden Normen und Guidelines (Tab. 2) decken zusammengenommen die wichtigsten Prozesse und die zugrunde liegenden organisatorischen Aspekte im Liquid- und Gewebebiobanking ab. Jede für sich genommen ist jedoch nicht ausreichend, um die Heterogenität aller existierenden Biobankstrukturen zu beschreiben. Wie aus Tab. 2 zu entnehmen ist, existieren verschiedenste Richtlinien, Vorgaben und Erfahrungsberichte, welche auch Elemente der Qualitätskontrolle abdecken und damit bedingt auf Biobanken im Forschungskontext anwendbar sind [2, 4, 3948]. Die Anwendung bzw. Auslegung dieser Vorgaben erfolgt jedoch sehr individuell und landesspezifisch. Ein gemeinsames international anwendbares Regelwerk, das alle wesentlichen Biobankingprozesse abbildet und die externe Validierung durch unabhängige Institutionen im Rahmen von Zertifizierungen/Akkreditierungen ermöglicht, existiert bisher nicht. Wenngleich innerhalb der vorhandenen Normen und Richtlinien bereits viele Prozesse definiert sind, die u. a. auch auf das Biobanking anwendbar sind, wie bspw. strukturelle Aspekte (Existenz und Eignung der Räumlichkeiten, Ausstattung, Personal sowie Aspekte der Probensammlung, -verarbeitung und -lagerung), besteht, insbesondere im Bereich Datenmanagement, den ethisch-rechtlichen Aspekten – v. a. auch im klinischen Kontext beim Umgang mit Patienten (als Spender) – sowie den zugrunde liegenden IT-Technologien, Harmonisierungsbedarf.

Daher wurde auf Bestreben der Biobankingcommunity ein Normierungsvorschlag bei der ISO (International Standardization Organization) eingereicht und in der Folge eine Working Group (WG) unter Beteiligung der jeweiligen nationalen Institutionen (u. a. Deutsches Institut für Normung) ins Leben gerufen, welche existierende Regularien und Anfordernisse sammeln, vergleichen und harmonisieren sowie durch biobankspezifische Eigenheiten ergänzen soll, um letztlich eine eigene Biobankennorm zu entwickeln. Diese WG setzt sich aus erfahrenen Experten aus akademischer Forschung und Industrie im Bereich des Biobanking und der Qualitätssicherung zusammen [49]. Im Laufe des kommenden Jahres wird mit einer ersten Version dieser Norm zu rechnen sein. In der Folge werden sich Biobanken entsprechenden Zertifizierungs- oder Akkreditierungsverfahren unterziehen können, im Rahmen derer die Verfahren und Prozesse der Biobank durch unabhängige externe Organisationen nach ihrer Normkonformität beurteilt werden können. Dies wird erheblich zur Standardisierung, Interoperabilität und Vergleichbarkeit von Biobanken im nationalen und internationalen Kontext beitragen.

Um diese Biobankennorm letztlich in die Praxis umzusetzen, bedarf es einer breiten Akzeptanz der erarbeiteten Standards. Daher muss die Wichtigkeit harmonisierter Prozesse im Biobanking von Seiten verschiedenster Einrichtungen klar kommuniziert und weitergegeben werden. Dies betrifft sowohl die Fachgesellschaften (wie z. B. die Deutsche Gesellschaft für Pathologie – DGP, die Deutsche Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin – DGKL) als auch Biobankenvereinigungen (z. B. German Biobank Node, Arbeitsgruppen Biobanken der Comprehensive Cancer Center – AG-CCC). Einen weiteren Hebel zur Umsetzung von Qualitätsaspekten stellen die wesentlichen nationalen Förderinstitutionen (Krebshilfe, DFG, BMBF, usw.) dar. Zum Beispiel könnten Qualitätsstandards in Ausschreibungs- und Förderkriterien verankert und finanzielle Mittel nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn entsprechende Qualitätsaspekte und Biobankstrukturen vorab umgesetzt wurden oder bereits existieren. Diese Möglichkeit wurde von verschiedenen Förderinstitutionen, wie der Deutschen Krebshilfe, bereits erkannt und in Kürze wird es daher eine entsprechende Stellungnahme zu den „Anforderungen an Biobanken“ geben.

Auch die Betreiber der einzelnen Biobanken müssen dafür Sorge tragen, dass eine Umsetzung des Qualitätsmanagements sowie der Qualitätskontrolle und -sicherung in ihren Einrichtungen und Standorten akzeptiert und angewandt wird, was im Rahmen von Schulungen und regelmäßigen Infoveranstaltungen in den jeweiligen Klinken organisiert werden kann und muss.

In letzter Instanz hat auch der Biobanknutzer (Wissenschaftler, Studienleiter, Industrie) selbst die Verantwortung, dass seine Forschungs- oder Studienergebnisse auf Proben und Daten basieren, welche rückverfolgbar und qualitätsgesichert erfasst wurden, um in der Folge eine Reproduzierbarkeit seiner Daten gewährleisten zu können. Insbesondere letzteres wird zukünftig auch für die Einreichung von Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften ein immer wichtigeres Kriterium werden und setzt die Verwendung qualitativ hochwertiger Biomaterialien voraus [50].

Fazit

Liquid- und Gewebebiobanken stellen eine unverzichtbare Ressource für die translationale biomedizinische Forschung dar. Die Qualität der Biomaterialien hat hierbei, neben der Umsetzung ethischer und rechtlicher Rahmenbedingungen sowie der erforderlichen Datenschutzaspekte, eine zentrale Bedeutung, um die Nachhaltigkeit und Reproduzierbarkeit der mit diesen Biomaterialien gewonnen Forschungsergebnisse zu gewährleisten. Nach großen Fortschritten im Bereich der Etablierung und dem Aufbau zentraler Biobanken sowie der Einführung automatisierter Verfahren zur Verarbeitung und Lagerung von Proben, muss sich das Biobanking in Zukunft insbesondere auf die Qualitätssicherung, evidenzbasierte Standardisierung und Harmonisierung im Bereich der Präanalytik fokussieren. Zur Verbesserung der Interoperabilität von Biobanken sind daher erhebliche standortübergreifende nationale und internationale Standardisierungsbemühungen erforderlich. Besondere Relevanz hat hierbei die Identifizierung und Validierung von evidenzbasierten Qualitätskontrollmarkern sowie die Entwicklung und Etablierung einer ISO-Norm zur biobankspezifischen Zertifizierung/Akkreditierung. Das Liquid- und Gewebebiobanking wird daher in Zukunft, insbesondere im Hinblick auf die dringend erforderliche Sicherstellung der Probenqualität, nicht nur als Partner für eine Vielzahl von Forschungsprojekten/Forschungsverbünden, sondern auch als eigenständige Forschungsdisziplin zunehmend an Bedeutung gewinnen, um dem Auftrag als qualitätsgesicherte Forschungsressource gerecht werden zu können.