Telemedizin ist nicht einheitlich und verbindlich definiert. Eine grundlegende Definition findet sich zum Beispiel bei Field [1] oder in der systematischen Nomenklatur in der Medizin (SNOMED). Im SNOMED-Katalog ist Telemedizin definiert als „Erbringen medizinischer Dienstleistungen über eine räumliche Distanz unter Nutzung der Telekommunikation“. Telemedizin kann eine gleichbleibende Qualität der Gesundheitsversorgung in der Fläche sicherstellen. So kann Telematik einen Beitrag dazu leisten, dass die Versorgungsqualität nicht zufälligen Einflussfaktoren wie Ort oder Tageszeit unterworfen ist. Dies ist allerdings nur in einem gewissen Rahmen möglich, der zum Beispiel im Telemedizinzentrum der Uniklinik RWTH Aachen geschaffen werden konnte. Hier werden verschiedenste Bereiche der Medizin zusätzlich telemedizinisch betreut. Dabei ist es erklärtes Ziel, diese Versorgungsformen vom Projektstadium in eine dauerhafte Versorgung und in den Regelbetrieb zu überführen und durch eine Übertragung in mehrere Standorte in die Fläche zu bringen.

Im vorliegenden Beitrag werden neben dem Projekt „Telematik in der Intensivmedizin (TIM)“ die Notfallversorgung durch den „Telenotarzt“ und das Projekt „Telemedizinische intersektorale Rehabilitationsplanung in der Alterstraumatologie (TIRA)“ vorgestellt und die Darstellung durch eine Übersicht über die Literatur ergänzt.

Tele-Intensivmedizin

Intensivpatientinnen und -patienten verursachen durchschnittlich sechsfach höhere Kosten als Patientinnen und Patienten auf einer Normalstation. In der intensivmedizinischen Behandlung sind Zeit und Personal die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die permanente Verfügbarkeit der ärztlichen Experten und Expertinnen sowie einer zeitgerechten Therapie ist daher unerlässlich. Besonders für kleinere Krankenhäuser wird es immer schwieriger, die gesetzlichen Auflagen in der Intensivmedizin zu erfüllen und die benötigten Ressourcen kontinuierlich bereitzustellen. Letztlich kommt es für die ortsnahe intensivmedizinische Versorgung darauf an, die Verfügbarkeit intensivmedizinischer Behandlung weiterhin sicherzustellen und dabei eine qualitativ gleichwertige oder sogar bessere Versorgung zu gewährleisten.

Nicht nur der demografische Wandel, sondern auch die kontinuierlichen Bemühungen, die Behandlungsergebnisse in der Medizin zu verbessern, erfordern innovative, kosten- und personaleffiziente Versorgungsformen. Dies gilt auch in Deutschland zunehmend für die dezentrale Versorgung in der Fläche. Durch diese sich auch global verändernden Rahmenbedingungen hat sich die tele-intensivmedizinische Zusatzversorgung (durch formalisierte Tele-ICU-Programme) in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt.

Ausgangslage

In den USA werden derzeit über 10 % der Intensiv-Betten nicht-staatlicher Krankenhäuser teleintensivmedizinisch betreut. Experten rechnen bei konstanten Wachstumsraten der telemedizinischen Betreuung von derzeit circa 1 % damit, dass der Anteil teleintensivmedizinisch mitbetreuter Betten den Anteil ausschließlich durch Intensivmediziner betreuter Betten (14 %) bis zum Jahr 2016 zahlenmäßig übertreffen wird [2]. Dieses Wachstum wird voraussichtlich durch technischen Fortschritt, sinkende Kosten für die Infrastruktur sowie durch Wettbewerb unterschiedlicher Tele-Intensivmedizin-Anbieter noch weiter zunehmen. Telemedizin in der Intensivmedizin kann auch in Deutschland einen wertvollen Beitrag leisten und hat daher enormes Potenzial. Groß angelegte Studien zeigten, dass sich durch Tele-Intensivmedizin sowohl kritische Situationen, Folgeerkrankungen und die Notwendigkeit der apparativen Beatmung als auch Patiententransporte vermeiden lassen [3]. Dies ist aufgrund einer früheren und konsequenteren Behandlung und Prävention durch eine zusätzliche, tägliche Tele-Visite durch einen Intensivmediziner möglich. Auf diese Weise kann beispielsweise die Sterblichkeitsrate um bis zu 50 % gesenkt werden [4, 5], natürlich ohne den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin vor Ort zu ersetzen. Der wichtigste Aspekt mit Blick auf eine flächendeckende Einführung teleintensivmedizinischer Zusatzversorgungskonzepte, der aus den Erfahrungen großer Teleintensivmedizin-Programme hervorgeht und der auch in Meta-Analysen bestätigt wurde, ist der positive Einfluss der teleintensivmedizinischen Betreuung auf das Behandlungsergebnis [3]. Mit zusätzlicher Teleintensivmedizin wurden, neben der bereits erwähnten signifikant niedrigeren Intensiv- und Krankenhaussterblichkeit, auch kürzere Intensivstations- und Krankenhausverweildauern erreicht [3, 68]. Dies führt insgesamt auch zu einer Reduktion der Behandlungskosten [9]. Diese Ergebnisse, die durch das nachfolgend beschriebene Projekt „Telematik in der Intensivmedizin“ (TIM) noch um bestimmte Aspekte erweitert werden, führten schließlich auch zu einer Empfehlung auf Fachgesellschaftsebene [10].

Das Projekt Telematik in der Intensivmedizin (TIM)

Das Projekt TIM, das vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, NRW (Nordrhein-Westfalen) aus Mitteln des EFRE/NRW-Ziel-2-Programms (IuK & Gender Med.NRW) gefördert wird, ist deutschlandweit das erste komplexe telemedizinische Projekt in der Intensivmedizin. Im Oktober 2012 wurde das Projekt gestartet, das unter der Leitung der Universitätsklinik RWTH Aachen in Kooperation mit dem Franziskushospital Aachen GmbH, dem St. Elisabeth-Krankenhaus Jülich GmbH und weiteren Kooperationspartnern durchgeführt wird. In ihm wird unter dem Motto „Miteinander kompetenter“ die Wirkungsweise von Tele-Intensivmedizin auf die Versorgung schwerkranker Patienten und Patientinnen auf Intensivstationen untersucht. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Früherkennung von lebensbedrohlichen Infektionen. Ein Ziel von TIM ist es zu untersuchen, ob durch regelmäßige telemedizinische Visiten die Diagnostik und Therapie der Sepsis durch Steigerung der Leitlinienadhärenz verbessert werden kann. Jedes Jahr erkranken in Deutschland über 175.000 Patientinnen und Patienten an einer Sepsis [11]. Angesichts dieser hohen Zahl bietet sich ein enormes Potenzial, um die intensivmedizinische Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, zusätzlich Leben zu retten und – durch Vermeidung von Komplikationen – die Lebensqualität zu steigern. Ein weiteres erklärtes Ziel des Projekts ist es, die hochspezialisierte, universitäre Expertise in die Fläche zu bringen, um sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam die Behandlungsergebnisse in der Breite zu verbessern. Des Weiteren kann durch Tele-Intensivmedizin eine wohnortnahe Versorgung ermöglicht werden. Hiervon profitieren schwerstkranke Patientinnen und Patienten, die sonst in eine Uniklinik verlegt werden müssten, und besonders auch deren Angehörige. Außerdem funktioniert eine dauerhafte Überwachung von Intensivpatientinnen und -patienten aus der Ferne automatisiert, einwandfrei und absolut zuverlässig. TIM hat als erstes Tele-Intensivmedizinprojekt in Deutschland gezeigt, dass eine telemedizinische Zusatzversorgung auch in Deutschland realisierbar ist. Über die ärztliche Präsenz in den Kliniken vor Ort wird nicht nur dem Fernbehandlungsverbot Rechnung getragen, sondern auch eine Telemedizinanwendung generiert, die mit den Grundsätzen guter Telemedizin (wie zum Beispiel Akzeptanz durch die beteiligten Ärztinnen und Ärzte; siehe TOP V 113. Deutscher Ärztetag 2010, Bundesärztekammer) konform ist. Über eine geeignete technische Infrastruktur kann in diesem Modell ärztliche Kooperation im Sinne einer kontinuierlichen, qualitätsbasierten Intervention erfolgen. Der Einfluss der Tele-Intensivmedizin auf die Qualität der Versorgung ist groß. Beispielsweise kann durch frühzeitige Interventionen der Progression lebensbedrohlicher Erkrankungen und Infektionen und konsekutiver Organschädigung (zum Beispiel der Niere) entgegengewirkt werden. Im Produktivbetrieb des TIM-Projektes konnte dies bereits in den ersten drei Quartalen des Jahres 2014 bei einer großen Anzahl an Patientinnen und Patienten, die zusätzlich telemedizinisch betreut wurden, unter Beweis gestellt werden. Dabei wurde im Dialog eine Vielzahl an diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen gegeben und über 100 schwere Infektionen wurden detektiert (siehe Tab. 1). Diese positiven Behandlungsergebnisse sind die Folge einer erfolgreichen Umsetzung der teleintensivmedizinischen Kooperation.

Tab. 1 Anzahl der Televisiten, Empfehlungen und Sepsisdetektionen im Projekt „Telematik in der Intensivmedizin“ (TIM-Projekt)

Technische Realisation teleintensivmedizinischer Kooperationen

Diese teleintensivmedizinischen Kooperationen lassen sich im Wesentlichen in zwei Grundstrukturen darstellen. Zum einen als Netzwerk ohne präferierte Kommunikationsrichtungen und Kommunikationspartner und zum anderen als sogenannte „Hub-and-spoke“-Struktur mit einem Schwerpunkt der Kommunikation zwischen lokaler Intensivstation und einer Tele-Intensivmedizin-Zentrale oder Tele-ICU-Zentrale (siehe Abb. 1). Die konkrete Ausprägung der teleintensivmedizinischen Tätigkeit, wie zum Beispiel der Grad der Intervention einer Tele-Intensivstation mit einer lokalen Intensivstation oder die Übertragung von Vitaldaten, ist variabel. Sie reicht von einer gelegentlichen Konsiltätigkeit über tägliche Visiten bis hin zu einer kontinuierlichen elektronischen, algorithmenbasierten Überwachung.

Abb. 1
figure 1

„Hub-and-spoke“-Struktur im Projekt „Telematik in der Intensivmedizin“ (TIM-Projekt); ICU: Intensive Care Unit

Tele-Trauma-Rehabilitation

Im Rahmen des demografischen Wandels kommen auch an der Schnittstelle zwischen Akutmedizin und der folgenden Weiterbehandlung große Herausforderungen auf uns zu. Mit zunehmendem Lebensalter verringern sich Kraft, Wahrnehmung und Koordination und es kommt vermehrt zu Stürzen. Bei deutlich steigenden Zahlen an geriatrischen Frakturen verlangt diese Patientengruppe nach einer spezialisierten Rehabilitationsbehandlung, um anschließend wieder möglichst selbstständig am Leben teilhaben zu können [12]. Zur Sicherstellung eines optimalen Rehabilitationsergebnisses kommt der Zusammenarbeit der verschiedenen Behandlungsträger eine besondere Bedeutung zu [13]. Kooperationen zwischen Akutkrankenhäusern und Reha-Einrichtungen mit wechselseitigen Visiten und Konsultationen gewinnen hier zwar an Bedeutung, sind jedoch aufgrund der räumlichen Distanzen und der Vielzahl der zuweisenden und aufnehmenden Kliniken nur sehr eingeschränkt in der Breite zu etablieren. Im Rahmen des Projekts TIRA konnte zur Überbrückung der räumlichen Distanz, zur Verbesserung der intersektoralen Kommunikation und der engeren zeitlichen und inhaltlichen Vernetzung eine telemedizinische Lösung erarbeitet werden, die aktuell im Rahmen einer Studie erprobt wird.

Das Projekt TIRA ist ein Kooperationsprojekt mit zwei Rehakliniken und einem industriellen Technologiepartner zur Verbesserung der Rehabilitationssteuerung. Das Projekt wird ebenfalls vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, NRW aus Mitteln des EFRE/NRW-Ziel 2 unterstützt. Ein inhaltliches Ziel des Projekts ist die Schaffung einer Plattform für eine individualisierte Planung der Rehabilitationsbehandlung noch vor der Verlegung in die Rehabilitationseinrichtung unter Berücksichtigung der individuellen Ansprüche und Fähigkeiten. Ein weiteres Ziel ist eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit von Rehabilitations- und Akutmedizinern im Verlauf der Behandlung der aufgrund ihrer Multimorbidität oft auch multifaktoriell behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten. Hierzu werden Patientinnen und Patienten, die für eine Rehabilitationsmaßnahme nach einem Trauma vorgesehen sind, bereits während ihres Aufenthalts in der Unfallchirurgie der Uniklinik RWTH Aachen mittels einer standardisierten Videokonferenz untersucht. An den Visiten nehmen neben den Patientinnen und Patienten auch Rehabilitationsspezialisten aus den Rehakliniken Schwertbad Aachen, der geriatrischen Rehabilitation des Luisenhospitals Aachen sowie der behandelnde Unfallchirurg teil. Im Rahmen dieser Evaluation können sich die Rehabilitationsmediziner bereits frühzeitig ein Bild über den Zustand des Patienten oder der Patientin vor dem Unfall (videogestützte Anamnese) machen und – über einen speziell entwickelten telemedizinischen Reha-Score – Informationen zum körperlichen und mentalen Zustand der Patientin oder des Patienten generieren. Erste Ergebnisse zeigen eine deutliche Zunahme der Kommunikationsfrequenz zwischen den beteiligten Behandlerinnen und Behandlern. Rückverlegungen konnten bisher zuverlässig vermieden werden. Insbesondere die Weiterbehandlung von Patientinnen und Patienten mit demenziellen Erkrankungen konnte, aus unserer Sicht, durch die telemedizinische Planung verbessert werden, da der Reha-Score zu einer Verbesserung der Allokation dieser Patientengruppe beitragen kann. Die bessere intersektorale Vernetzung kann genutzt werden, um gemeinsam eine individuelle Lösung zur Weiterbehandlung dieser Patientinnen und Patienten (orthopädische Rehabilitation, geriatrische Rehabilitation, akutgeriatrische Behandlung) zu erarbeiten. Studien bestätigen, dass insbesondere die Gruppe der an Demenz erkrankten Trauma-Patienten von einer intensiven Rehabilitation profitieren kann [14]. Die am Projekt TIRA teilnehmenden Patientinnen und Patienten sind in der Mehrzahl vom Vorteil der Möglichkeiten (zum Beispiel ihre Rehaklinik bereits vor der Verlegung kennenzulernen und den direkten Kontakt zum Operateur auch nach der Verlegung beizubehalten) überzeugt.

Die ökonomischen Auswirkungen der telemedizinischen Rehabilitationsplanung sind bisher noch nicht ausreichend auswertbar. Es deutet sich jedoch an, dass neben Qualitätsvorteilen auch direkte ökonomische Vorteile einer Telemedizin-gestützten Optimierung der intersektoralen Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Rehabilitationsmedizinern entstehen können. Dies wird durch die Vermeidung von kostenintensiven Rückverlegungen und durch eine tendenzielle Verkürzung der Liegezeiten im Akutkrankenhaus ermöglicht.

Telenotarzt

Das Rettungswesen in Deutschland zeichnet sich durch ein exzellentes duales Notfallsystem, bestehend aus Rettungsassistentinnen und -assistenten (zukünftig Notfallsanitätern) und Notärzten aus. Aus vielen Strukturdaten sind Herausforderungen, wie eine zunehmende Verlängerung der Eintreffzeiten der Notärztin oder des Notarztes an Einsatzstellen oder auch der feststellbare Mangel an qualifizierten Notärzten in einzelnen Regionen, erkennbar. Darüber hinaus existieren lediglich in einigen Regionen bzw. Bundesländern entsprechende Qualitätskontrollsysteme für die Notfallmedizin.

Wir wissen aber auch, dass sich der Einsatz telemedizinischer Anwendungen im Bereich der Notfallmedizin bereits als qualitätssteigernd erwiesen hat und medizinische Kompetenz über große Distanzen hinweg verfügbar macht. Sowohl beim Schlaganfall als auch beim Myokardinfarkt haben sich telemedizinische Systeme als behandlungs- und auch als „Outcome“-optimierend dargestellt. Die Übertragung des 12-Kanal-EKG und eine kombinierte Vernetzung der prä- und innerklinischen Versorgung haben nachweislich positive Aspekte für Patientinnen und Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom gezeigt. Auch in der Versorgung des Schlaganfalls konnten im Rahmen des „Stroke-Angel“-Projektes deutliche Optimierungen erzielt werden: Es konnte die Versorgungszeit verkürzt und die Lyserate gesteigert werden. Allen bisherigen Systemen gemein ist jedoch der Nachteil, dass sie jeweils Einzelsysteme sind, die ausschließlich für einen Symptomkomplex hilfreich sind und nicht breiter in der Notfallmedizin eingesetzt werden können. Aus diesem Grund musste ein Gesamtsystem entwickelt werden, das eine innovative Lösung zur telemedizinischen Unterstützung von Rettungsdiensten – unter Verwendung aktueller mobiler Telekommunikationstechnologie – für jeden Notfall möglich macht und sich nicht auf einzelne Krankheitsbilder beschränkt. Nach den telemedizinischen Forschungsprojekten im Rettungsdienst „Med-on-@ix“ und „TemRas“ in den Jahren 2007–2013 wurde – durch ein Spin-off der RWTH – erstmalig ein telemedizinisches Gesamtsystem entwickelt, das telemedizinische Unterstützung von Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern unter Verwendung aktueller mobiler Telekommunikationstechnologie für jeden Notfall möglich macht (telenotarzt.de).

Projektskizze

Das System besteht aus den Komponenten: Telenotarztzentrale, einem medizinischen Netzwerk, einer mobilen Übertragungseinheit sowie einem entsprechend ausgerüsteten Rettungswagen. Das medizinische Netzwerk gewährleistet die sichere, zuverlässige und mobile Übertragung von Patientendaten zwischen der Medizintechnik an der Einsatzstelle (Monitor-Defi-Einheit, Bilder, Stethoskop, usw.) und dem Rettungswagen (Video, ggf. Ultraschall) sowie der Telenotarztzentrale. Die übertragenden Live-Daten ermöglichen es dem Telenotarzt (TNA) mittels einer speziell entwickelten Software, die Diagnosestellung sowie die Beratung des Teams vor Ort hinsichtlich der notwendigen Behandlungsschritte leitlinienorientiert und checklistenbasiert durchzuführen.

Rechtliche Aspekte

Der Einsatz von qualifizierten, nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte ärztliche Leistungen erbringen, soll laut aktuellem Koalitionsvertrag flächendeckend ermöglicht und leistungsgerecht vergütet werden. Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen der Substitution ärztlicher Leistungen sollen aufgelegt und evaluiert werden. Je nach Ergebnis werden sie in die Regelversorgung überführt.

Nach den Regelungen der Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern ist es nicht unzulässig, ärztliche Hilfe in Notfällen auf telematischem Weg aus der Ferne zu leisten. Die Zulässigkeit einer telemedizinischen Maßnahme ist nicht lediglich formal danach zu beurteilen, ob der eine medizinische Leistung erbringende Arzt oder die Ärztin im Rahmen des gesamten Behandlungsgeschehens auch selbst einen räumlichen und persönlichen Kontakt mit dem betreffenden Patienten oder der betreffenden Patientin hatte. Die Einsatzmöglichkeiten einer solchen Maßnahme sind vielmehr danach zu beurteilen, ob es für die konkrete telemedizinisch erbrachte Leistung erforderlich war, dass der Telenotarzt im Rahmen der konkreten Behandlungssituation in einem unmittelbaren räumlichen Kontakt mit dem Patienten oder der Patientin stehen musste. Folglich gibt es grundsätzlich keine Kollision, weder mit dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, noch mit dem Verbot der Fernbehandlung. Nach Aufnahme des „Telenotarztsystems“ in den Rettungsdienstbedarfsplan der Stadt Aachen ist es seit dem 01.04.2014 – refinanziert durch die Kostenträger – regulär auf allen Rettungswagen vorhanden und verdeutlicht durch mittlerweile mehr als 1000 Einsätzen eine hohe Akzeptanz. Aus den in der Regelversorgung erhobenen Routinedaten wird deutlich, dass sich durch den Einsatz von Telemedizin sowohl bei den Notfalleinsätzen (Primäreinsatz) als auch bei Interhospitaltransporten (Sekundäreinsatz) deutliche Optimierungen ergeben. In Primäreinsätzen, aber auch bei Sekundäreinsätzen zeigt sich eine Qualitätssteigerung im Sinne einer sehr hohen Leitlinientreue. Zusätzlich sind Effektivitätssteigerungen im Gesamtsystem Rettungsdienst nachweisbar. Neben einem deutlichen Rückgang an notwendigen Notarztnachforderungen bei Primäreinsätzen zeigt der Routineeinsatz dieses telemedizinischen Systems, dass man einen relevanten Teil der Sekundärtransporte durch telemedizinische Unterstützung sicher durchführen kann. Die Notwendigkeit der Anwesenheit eines „physisch“ begleitenden Notarztes konnte bei Sekundärtransporten um mehr als 30 % gesenkt werden. Die Daten zeigen weiterhin, dass durch die telenotärztliche Versorgung sowohl im Primär- als auch im Sekundäreinsatz die Anamnese- und Dokumentationsqualität steigt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Herz-Kreislauf-Notfälle, akutes Abdomen bzw. Kolikschmerzen, neurologische Notfälle und Trauma/Verletzungen ungefähr drei Viertel des Einsatzkollektivs im Primäreinsatzbereich des Telenotarztes ausmachen und somit den eigentlichen Notarzt stark entlasten.

Der zielgerichtete Einsatz von Telemedizin im Rettungsdienst führt zu einer Steigerung der Versorgungsqualität mit Sicherung einer leitlinienkonformen Versorgung bei zusätzlich optimierter Ressourcennutzung. Eine medizinische Unterstützung auf hohem Niveau wird so auch in entlegenen Gegenden bei einem verkürzten therapiefreien Intervall möglich. Bei sorgfältiger Auswahl nach zuvor definierten Kriterien kann das Verfahren der telemedizinisch unterstützten Sekundärverlegung als effizient und sicher bezeichnet werden. Dies stellt in besonderem Maße das Potenzial des Telenotarztsystems heraus.

Stand der Technik, technische Herausforderung und Hindernisse

Die erforderlichen Übertragungsbandbreiten für stationäre telemedizinische Anwendungen sind nur noch in Einzelfällen problematisch. Die Datenübertragung für mobile Anwendungen erfordert zum Teil hohe technische Aufwände. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der zunehmende Ausbau der Breitbandversorgung in Deutschland, der ein wichtiger Beitrag zur technischen Umsetzbarkeit ist, weiter voranschreitet. Ein wesentlicher Aspekt zur Verstetigung telemedizinischer Projekte und Versorgungsszenarien betrifft ihre Vergütung. Diese ist derzeit noch nicht einheitlich gelöst.

Datenschutzaspekte

Gesundheitsbezogene Daten enthalten persönliche Informationen und müssen daher als sensible Daten angesehen werden. Aus diesem Grund muss der technische Datenschutz den Anforderungen der Datensicherheit und der Vertraulichkeit genügen. Dies bedeutet, dass ein ausreichender Schutz vor unbefugtem Zugriff, insbesondere während des Datentransfers – wie beispielsweise durch Endpunkt-zu-Endpunkt-Verschlüsselung oder Nutzung geschlossener Netze – gewährleistet werden muss. Die Kommunikation zwischen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sollte so erfolgen, dass der unbeabsichtigte Versand an Dritte ausgeschlossen werden kann. Im Fall von TIM und TIRA erfolgt dies durch Verwendung der Datenaustauschplattform „Fallakte plus“. Ein differenziertes Rollenmodell und ein geschlossener Nutzerkreis setzen hier die genannten Anforderungen um. Da telemedizinische Anwendungen – abhängig vom konkreten Fall – als Konsilleistung anzusehen sind, ist ein Informationsaustausch legitimiert. Eine Einwilligung der Patientin oder des Patienten kann dennoch erforderlich sein.

Grundsätzlich existieren jedoch keine Standardlösungen für den zentralen Aspekt des Datenschutzes. Je nach Wahl des Kommunikationsweges kann durchaus auch der Tatbestand der Auftragsdatenverbreitung eine Rolle spielen, der wiederum gesondert einwilligungspflichtig ist. Daher ist eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls in Abstimmung mit den Datenschutzbeauftragten zur Sicherstellung einer datenschutzkonformen und somit rechtssicheren Lösung zwingend erforderlich.

Fazit – Chancen und Risiken

Telemedizin bietet die Möglichkeit, die Behandlungsqualität durch einen gemeinsamen kollegialen Austausch zu sichern. Dies ist in internationalen Projekten und Publikationen belegt. Die Ergebnisse der hier vorgestellten Projekte lassen eine solche Schlussfolgerung auch für Deutschland zu. Durch telematische Netze und Kooperationen kann eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden. Ziel ist es, Telemedizin aus dem Projektstadium in die Regelversorgung zu überführen und durch ihre geografische Ausweitung in die Fläche zu bringen. Dabei ist Telemedizin kein Instrument, um ärztliche Kompetenz zu ersetzen. Vielmehr ermöglicht sie die Sicherstellung oder Verbesserung der Versorgung durch die gemeinsame Expertise und das gemeinsame Handeln in von Ärztinnen und Ärzten definierten Aufgabenfeldern. Tele-Intensivmedizin ist ein Paradebeispiel dafür, dass selbst umwälzende Innovationen im Gesundheitswesen durch alle Akteure zu tragen sind, damit sie erfolgreich implementiert werden können. Ganz nach dem Motto „Gemeinsam besser handeln, gemeinsam besser behandeln“.