Ländliche Regionen in Deutschland haben in vielen Fällen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an älteren Menschen. In den Stadtstaaten beträgt der Anteil an Menschen im Alter ab 65 Jahre durchschnittlich 19 %, in den Flächenländern im Osten Deutschlands sind dies 23 % (Stand 2008). In der amtlichen Prognose für 2030 erhöhen sich diese Anteile auf 25 % (Stadtstaaten) und 35 % (Flächenländer im Osten) [1]. Ein höheres Alter geht einher mit einer höheren Morbidität und in der Konsequenz mit einer erhöhten Inanspruchnahme medizinischer und pflegerischer Leistungen [2, 3]. Gleichzeitig ist die Bevölkerungsdichte in ländlichen Regionen in der Regel gering, die Entfernung zu den medizinischen Leistungserbringern in vielen Fällen groß, was insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine schwerwiegende Barriere bedeutet. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt die Durchschnittsentfernung zur nächstgelegenen Hausarztpraxis etwa 6 km, zu den Facharztpraxen etwa 15 km. Dies macht sich vor allem bemerkbar, wenn öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) genutzt werden müssen: In der ländlichen Region Vorpommern-Greifswald haben 3 % der Einwohner (etwa 7.000 Menschen) keine ÖPNV-Verbindung zur nächstgelegenen Hausarztpraxis und – je nach Facharztgruppe – 3 bis 5 % keine zu Facharztpraxen [4].

Die Planung und Gestaltung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen ist oft nicht flächendeckend und wohnortnah möglich, da die geringe Bevölkerungsdichte und damit eine zu geringe Patientenzahl einen wirtschaftlichen Betrieb von ambulanten Praxen und Krankenhäusern verhindert. Hinzu kommt, dass in diesen Regionen sowohl die Neubesetzung ambulanter Praxen als auch die Besetzung von Arztstellen in kleineren Krankenhäusern immer schwieriger wird. Eine Ursache ist das Fehlen von Infrastruktur, z. B. von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, kulturellen Angeboten oder Einkaufsmöglichkeiten. Eine weitere Ursache ist der Mangel an beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven. In Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen in den jüngeren Altersgruppen ist die Wiederbesetzung insbesondere von fachärztlichen Praxen auch aus wirtschaftlichen Gründen problematisch.

Diese Entwicklungen erfordern ein Umdenken zur Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung ländlicher Regionen. Es besteht die Notwendigkeit zur Entwicklung und Implementierung von vernetzten, regionalen Versorgungsmodellen. Telemedizinische Funktionalitäten, eingebettet in regionale Versorgungskonzepte, können bestimmte Aufgaben in der Versorgung sinnvoll unterstützen und optimieren. Der vorliegende Beitrag möchte einen Überblick über die Möglichkeiten und Beschränkungen der Telemedizin in der regionalen Versorgung geben.

Was ist Telemedizin?

Nach einer Definition der Bundesärztekammer umfasst die Telemedizin die Anwendung diagnostischer und therapeutischer Methoden unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen unter Überbrückung einer räumlichen oder zeitlichen Distanz zwischen Arzt und Patient oder zwischen zwei einander konsultierenden Ärzten mittels Telekommunikation [5].

Wir würden diese Definition etwas erweitern und nicht nur Interaktionen mit Ärzten, sondern auch mit weiteren Leistungserbringern (z. B. Pflege, Physiotherapeuten, MFAs, Logopädie, Rettungsassistenten) sowie mit spezialisierten Dienstleistern (z. B. kommerziellen Telemedizinzentren) miteinbeziehen. Auch einige Krankenkassen bieten die Teilnahme an einem telemedizinischen Betreuungskonzept an, oft für Patienten mit Herzinsuffizienz.

Beispielsweise können Vitalparameter oder Bilddateien telemedizinisch übertragen werden. In weiteren telemedizinischen Konzepten wird zur Unterstützung der Diagnostik oder Therapie per Videokonferenz oder Telefon mit den Patienten kommuniziert. Ein wichtiger Aspekt ist die adäquate Reaktion auf Auffälligkeiten in den übertragenen Daten. Individualisierte Interventionsalgorithmen oder -schemata, in denen genau festgelegt ist, welche Schritte durch wen bei auffälligen Befunden gemacht werden müssen, sollten integrale Bestandteile telemedizinischer Versorgungskonzepte sein.

Es gibt verschiedene Szenarien, in denen der Einsatz telemedizinischer Funktionalitäten sinnvoll sein kann. Beispiele sind:

  • Engmaschiges Monitoring relevanter Parameter bei chronisch kranken Patienten. Ein Beispiel ist das Monitoring von Herzinsuffizienzpatienten. In Deutschland wurde ein solches bereits in verschiedenen Settings mit unterschiedlich gestalteten Interventionen durchgeführt. Die INH-Studie zeigte zu einer Intervention bestehend aus telefonischem Monitoring durch Pflegekräfte mit insgesamt 715 Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe kein signifikantes Ergebnis bezüglich des kombinierten Endpunktes Mortalität und Krankenhausaufnahme. Es gab jedoch signifikante Verbesserungen bei der Mortalität als Einzelendpunkt sowie bei verschiedenen gesundheitsbezogenen Parametern [6].

    Die Patienten der Interventionsgruppe der TIM-HF Studie mit insgesamt 710 Teilnehmern erhielten eine sehr technisch ausgerichtete Betreuung mit einem EKG- und einem Blutdruckmessgerät sowie einer Waage zur Erfassung des Gewichts. Diese Intervention zeigte für den primären Endpunkt Mortalität keine bessere Ergebnisse im Vergleich zur Kontrollgruppe [7].

    Auch international wurden bereits viele Studien durchgeführt. Es konnte in einigen Projekten eine verringerte Mortalität (alle Ursachen) und eine geringere Zahl an herzinsuffizienzbedingten Krankenhausaufnahmen im Vergleich mit Usual Care in Metareviews nachgewiesen werden. Bei den Kosteneffekten zeigte sich allerdings ein gemischtes Bild [8, 9].

    Vereinzelt gibt es weitere telemedizinische Anwendungen, z. B. bei Diabetespatienten das telemedizinische Monitoring von Glukosewerten [10]).

  • Monitoring der Adhärenz zur Medikationseinnahme oder zu nicht-medikamentösen Therapien. Beispiele sind ein Pilotprojekt für geriatrische Patienten mit einer Mangelernährung, bei denen ein telemedizinisches Monitoring der Adhärenz zu einer hochkalorischen Trinknahrung durchgeführt wurde [11], sowie ein Modell für geriatrische Patienten mit Herzinsuffizienz und komorbidem Diabetes zur Verbesserung der Compliance bei der Vielzahl der hier erforderlichen Medikationen [12].

  • Unterstützung in Fällen, bei denen eine Sicherstellung der Akutversorgung nicht oder nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Etablierte Beispiele für solche Anwendungen sind in Deutschland die regionalen Schlaganfallnetzwerke, z. B. das Projekt TEMPiS in Bayern. Hier werden Krankenhäuser ohne Stroke Unit von Häusern mit einer solchen unterstützt. Dies geschieht durch die Übertragung von Bilddaten, Videokonferenzen und Qualifizierungsmaßnahmen. Das Modell zeigt gute Ergebnisse hinsichtlich der Parameter Mortalität und Behinderung der Patienten [13]. Ein zweites Beispiel ist die telemedizinische Radiologie. Hier kooperieren kleine Krankenhäuser, die keine radiologische Facharztlinie oder diese nicht 24 Stunden täglich vorhalten können, mit größeren Krankenhäusern, um die diesbezügliche regionale Akutversorgung in einer guten Qualität zu erhalten [14, 15].

    Erste Projekte wurden auch in der Rettungsmedizin durchgeführt. Hier sollen die Rettungsmedizin in ländlichen Regionen mit großen Entfernungen durch telemedizinische Assistenz- und Kommunikationssysteme unterstützt und Patientendaten (z. B. EKG-Daten) an das Krankenhaus übermittelt werden, bevor der Patient dort eintrifft [16, 17].

  • Vermeidung von Behandlungsbrüchen, insbesondere bei Übergängen zwischen Sektoren z. B. nach Krankenhausentlassung. Ein Beispiel ist die telemedizinische Betreuung von Patienten mit Depressionen, Angst- und somatoformen Störungen nach Entlassung aus einer Tagesklinik über telefonische Beratungen und SMS-Nachrichten zur Überbrückung der Wartezeiten auf eine ambulante Betreuung [18]).

In einem systematischen Literaturreview zu 68 randomisierten Studien wurde untersucht, ob ein telemedizinisches Monitoring bei älteren Patienten erfolgreich angewendet werden kann. Insbesondere telemedizinische Versorgungskonzepte zu verhaltensbezogenen Endpunkten (z. B. Adhärenz zur Medikation oder Diät oder Selbstwirksamkeit) zeigten gute Ergebnisse. Hier waren Interventionen mit regelmäßigen persönlichen Kontakten zwischen Leistungserbringern und Patienten (Telefon, Videokonferenz) den ausschließlich auf Technik basierten Konzepten überlegen [19].

Internationale Entwicklungen

Die Entwicklung telemedizinischer Leistungen zur Unterstützung der Versorgung findet zum größten Teil in Ländern mit großen ländlichen und entlegenen Regionen statt, z. B. in Australien, in den USA, in Kanada und in den skandinavischen Ländern. Ein aktuelles Review zu Telemedizinanwendungen in ländlichen Regionen in Australien ergab, dass diese (z. B. Videokonferenzen, Telemonitoring) dort den Zugang zur medizinischen Versorgung verbessern können. Weitere Ergebnisse waren eine schnellere Identifizierung von Veränderungen im Gesundheitszustand der Patienten sowie ein besseres Management dieser Änderungen [20].

Eine Befragung von ländlichen Krankenhäusern und ambulanten Zentren der Primärversorgung im Süden der USA zeigte, dass der Umsetzungsgrad telemedizinischer Versorgungskonzepte in den Krankenhäusern signifikant höher war als in den Zentren. Die Krankenhäuser meldeten auch öfter eine für telemedizinische Anwendungen ausreichende technische Infrastruktur sowie einen größeren Bedarf an Qualifizierung in diesem Bereich. Die Autoren der Studie schlussfolgern daraus, dass die Krankenhäuser in den ländlichen Regionen besser auf die Integration telemedizinischer Versorgungskonzepte eingestellt und vorbereitet sind als die ambulanten Zentren [21].

In Norwegen sind telemedizinische Konzepte in der Routineversorgung geografisch gesehen weit verbreitet: 68 % der öffentlich finanzierten Krankenhäuser geben an, in irgendeiner Form Telemedizin in der Routineversorgung anzuwenden. Obwohl der Umsetzungsgrad relativ hoch ist, sehen die Autoren der Studie noch viel Potenzial, da der Anteil der Telemedizin an den ambulanten Patientenkontakten mit durchschnittlich 1 % dennoch sehr niedrig ist. Die Autoren geben als mögliche Gründe für die hohe Verbreitung telemedizinischer Anwendungen in der Routineversorgung Investitionen durch das staatliche Norwegian Health Network zur Entwicklung elektronischer Patientenakten sowie die Bereitstellung der Infrastruktur für Videokonferenzen an. In Norwegen wurde bereits 1996 ein spezielles Abrechnungssystem für telemedizinische Leistungen entwickelt, was eine deutliche Steigerung der Zahl an Anwendungen zu Folge hatte. In den letzten Jahren wird die Abrechnung telemedizinscher Leistungen jedoch restriktiver gehandhabt. Dies – sowie das Fehlen finanzieller Anreize für die Nutzung von Telemedizin in Hausarztpraxen – bedeutet eine Barriere für die Implementierung neuer Anwendungen [22].

Die deutsche Telemedizinlandschaft

Im Rahmen der eHealth-Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit wurde 2012 ein Telemedizinportal initiiert, das Informationen zu etwa 200 Telemedizinprojekten in Deutschland umfasst (http://telemedizin.fokus.fraunhofer.de/, Fraunhofer-Institut FOKUS; Stand Oktober 2014). Obwohl das Portal bei Weitem nicht vollständig ist, geben die Projekte einen Überblick über die Telemedizinlandschaft in Deutschland.

Die meisten registrierten Projekte betreffen den Fachbereich der Kardiologie (74 Projekte). Es folgen die Fachbereiche Allgemeinmedizin (43 Projekte) und Neurologie (37).

Eine Stichwortsuche im Telemedizinportal ergab, dass sich die Mehrzahl der Projekte (174) dem Bereich des telemedizinischen Monitorings zuordnen lassen. Danach folgt die elektronische Fallakte (62 Projekte). Bei 40 Projekten wurde das Stichwort „Management“ angegeben. Die Projekte wurden auch in das Kontinuum zwischen Gesundheitsförderung/Prävention bis hin zur Palliativversorgung eingeordnet. Die meisten Projekte (96) sehen sich demnach in der Diagnostik, 82 Projekte im Bereich der Prävention, 78 Projekte ordneten sich der kurativen Therapie zu. Immerhin 15 Projekte waren in der Palliativversorgung angesiedelt.

Interessant sind die beteiligten Vertragspartner. An 52 der registrierten Projekte sind gesetzliche Krankenkassen beteiligt, danach folgen Ministerien, die bei 44 Projekten als Vertragspartner genannt wurden. Medizinische Leistungserbringer wie Krankenhäuser und Ärzte wurden lediglich in 11 Projekten als Vertragspartner angegeben, Forschungseinrichtungen in 8 Projekten. Die Industrie war an 15 Projekten beteiligt [23].

Dieser Überblick über die im Telemedizinportal registrierten Projekte zeigt, dass die meisten Projekte dem Bereich des telemedizinischen Monitoring in der Kardiologie zugeordnet werden können. Krankenkassen machen zusammen mit den Ministerien den größten Teil der Vertragspartner aus; dabei werden die Ministerien in den meisten Fällen lediglich als Förderer auftreten. Forschungseinrichtungen sind an nur wenigen Projekten beteiligt. Dies sollte – auch wenn im Telemedizinportal wahrscheinlich mehrere Projekte fehlen – mit Blick auf die Schaffung einer Evidenzbasis für die Telemedizin kritisch gesehen werden.

Einbindung der Telemedizin in regionale Versorgungskonzepte

Telemedizin sollte immer Teil eines Versorgungskonzeptes sein, mit definierten Akteuren, Behandlungspfaden und Zuständigkeiten. In regionalen Konzepten sind die Akteure und Behandlungspfade häufig sektoren- und/oder berufsübergreifend. Akteure können z. B. Krankenhäuser, ambulante Praxen oder medizinische Versorgungszentren sein. Aber auch die Einbindung von Rehakliniken, Pflegeheimen, ambulanten Pflegediensten und weiteren Leistungserbringern im Gesundheitssystem ist, je nach Patientengruppe oder Indikation, sinnvoll. Insbesondere in ländlichen Regionen, in denen keine durchgehende flächendeckende, wohnortnahe Versorgung vorhanden ist, sollten Aufgaben und Kompetenzen flexibel mit den dort jeweils vorhandenen Akteuren gestaltet werden können [24].

Die telemedizinische Infrastruktur, Koordination und Organisation kann in einem eigenständigen regionalen Telemedizinzentrum angesiedelt werden. Eine für ländliche Regionen meistens attraktivere Lösung ist die Anbindung an ein Krankenhaus oder medizinisches Versorgungszentrum. Vorteil ist, dass hier die bereits vorhandene Infrastruktur sowie Personalressourcen flexibel und kostensparend integriert werden können.

In manchen Fällen ist die Einbindung von Partnern außerhalb des Gesundheitssystems sinnvoll. Ein Beispiel ist die Kooperation mit der (kommunalen) Wohnungswirtschaft. Unternehmen der Wohnungswirtschaft haben häufig ein großes Interesse daran, ältere Mieter zu gewinnen und zu behalten. Dafür ist es wichtig, Wohnungen altersgerecht zu gestalten und altersspezifische Leistungen anzubieten. Die Beteiligung an telemedizinischen Versorgungskonzepten ist vorstellbar, z. B. durch die Bereitstellung stabiler Internetverbindungen, Übernahme von logistischen Leistungen (Installation, Wartung und Pflege telemedizinischer Geräte), Schulungen in der Benutzung der Geräte oder als Ansprechperson im Interventionsschema bei auffälligen Daten oder unerwünschten Ereignissen.

Eine technische Barriere bei der Implementation regionaler telemedizinischer Versorgungskonzepte kann z. B. eine lückenhafte Abdeckung mit Breitbandnetzwerken sein. Im organisatorischen Bereich sind eine vertrauensvolle Kooperation zwischen den Akteuren sowie eine genaue Festlegung der Zuständigkeiten wichtig. Die Definition allgemeiner regionaler Behandlungspfade sowie patientenindividueller Interventionsalgorithmen („wer macht was bei auffälligen telemedizinisch erhobenen Daten“) bilden die Basis für eine abgestimmte Kooperation.

Qualifizierung

Die Einbindung regionaler Akteure in telemedizinische Versorgungskonzepte bedeutet auch, dass die Beteiligten qualifiziert werden müssen. Hierzu zählen z. B. Ärzte und medizinische Fachangestellte in Praxen, Pflegekräfte in Krankenhäusern und auch die IT-Verantwortlichen im Telemedizinzentrum [25]. Die Qualifikationsthemen hängen von den Aufgaben ab, die in die Versorgungsmodelle übernommen werden, und sollten technische Inhalte umfassen (Installation und Umgang mit verschiedenen Systemen), aber auch didaktische Aspekte (Schulung von Patienten und Angehörigen), rechtliche Themen (z. B. Haftungsfragen, Datenschutz) und ein Kommunikationstraining (z. B. bei telemedizinischen Konzepten, die eine Kommunikation mit Patienten oder Leistungserbringern mittels Telefon oder Videokonferenzsystem beinhalten). Ein Beispiel für ein telemedizinisches Qualifikationsmodul ist die AGnES-Qualifizierung, die für die Übernahme delegierter Tätigkeiten durch medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte bei hausärztlichen Hausbesuchen entwickelt wurde [26]. Telemedizinische Qualifizierungsmodule könnten z. B. im Rahmen der Fort- und Weiterbildung für Ärzte und medizinische Fachangestellte bei den Ärztekammern angeboten werden.

Evaluation

Die Evaluation telemedizinischer Versorgungskonzepte ist ein wichtiges Thema, sowohl für die Akzeptanz der Telemedizin bei Patienten und Leistungserbringern als auch zur Schaffung einer Evidenzbasis als Grundlage für die Translation erfolgreicher Konzepte in die Routineversorgung. Dabei kann „Erfolg“ ganz unterschiedlich definiert werden, d. h. er hängt von den spezifischen Bedingungen der betroffenen Patientengruppe, der Region oder der Leistungserbringer ab. Aufgrund der Diversität der Konzepte in Bezug auf die Ziele, Indikationen, Interventionen, Patientengruppen und beteiligten Akteure sowie aufgrund der Tatsache, dass viele Projekte in einem versorgungsnahen Setting durchgeführt werden, ist eine sorgfältige, a priori geplante Evaluation von großer Bedeutung.

Die Wahl des Evaluations-Designs hängt von den Zielen des Projektes, den Endpunkten der Evaluation sowie vom Setting ab. Mögliche Projektziele sind:

  • Verbesserung von patientenbezogenen Outcomes (z. B. Mortalität, Morbidität, Therapieerfolg, Lebensqualität, Adhärenz).

  • Die Identifikation von Subgruppen, die besonders von der Intervention profitieren.

  • Verbesserung gesundheitsökonomischer Endpunkte (z. B. Krankheitskosten, Krankenhausaufnahmen, Aufenthaltsdauer, Inanspruchnahme medizinischer Leistungen). Dabei betreffen gesundheitsökonomische Aspekte nicht automatisch Einsparungen: Eine mögliche Verbesserung patientenbezogener Outcomes oder die Veränderung von Versorgungsprozessen zur Sicherstellung der regionalen Versorgung kann auch mit Mehrkosten verbunden sein.

  • Verbesserung prozessbezogenen Faktoren (z. B. Zugang zur Zielgruppe, Kommunikation zwischen Leistungserbringern, Grad der und Barrieren zur Umsetzung der Intervention), insbesondere bei Leistungen, bei denen eine Wirksamkeit auf Patientenebene bereits nachgewiesen ist. Ein solches Beispiel ist der telemedizinische Herzschrittmacher. Hier werden keine Nachweise für die Wirksamkeit auf der Patientenebene benötigt, sondern Studien zum Implementierungsgrad, zur Infrastruktur und Organisation, zu Behandlungspfaden und zur Akzeptanz bei Patienten und Ärzten [27, 28].

Insbesondere bei regionalen telemedizinischen Versorgungskonzepten ist aufgrund des versorgungsnahen Settings ein randomisiertes Studiendesign nicht immer möglich. Alternative Designs sind zum Beispiel:

  • Vorher-Nachher-Design (z. B. bei Adhärenzmonitoring);

  • Prozess- und Strukturanalyse in Fällen, in denen die Evidenz zur Wirksamkeit der Behandlung bereits vorliegt;

  • Design mit einer Kontrollgruppe aus Sekundärdaten, z. B. durch Propensity-Score-Matching;

  • Regionale Vergleiche.

Translation in die Regelversorgung

In Deutschland ist die Überführung telemedizinischer Versorgungskonzepte in die Regelversorgung immer noch problematisch. Versorgungsmodelle, die nur Krankenhäuser betreffen, können, wenn es sich aus wirtschaftlicher Sicht für beide Seiten rechnet, auf Basis direkter Verträge finanziert werden. Die Teleradiologie findet z. B. auf der Grundlage der Röntgenverordnung (RöV) statt, die in § 3 Absatz 4 die Bedingungen für die Genehmigung einer telemedizinischen Röntgeneinrichtung festlegt [29].

Eine Kollektivvergütung gibt es im telemedizinischen Bereich nur für die regionalen telemedizinischen Schlaganfallnetze. Seit 2011 gibt es einen OPS-Schlüssel für telemedizinische Konsile zwischen Krankenhäusern mit und ohne Stroke Unit. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft hat dafür Qualitätskriterien mit Blick auf die Verfügbarkeit der Telekonsilärzte und die Qualifizierung des Personals in den telemedizinisch betreuten Krankenhäusern festgelegt [30, 31].

Insbesondere telemedizinische Versorgungskonzepte für Patienten mit Herzinsuffizienz werden von einigen gesetzlichen Krankenkassen über Verträge zur Integrierten Versorgung (IV) (SGB V §§ 140a-d) vergütet. Nachteile dieser Verträge sind, dass sie nur für Versicherte dieser Krankenversicherungen gelten und dass sie nicht deutschlandweit zur Verfügung stehen.

Regionale telemedizinische Versorgungskonzepte haben in vielen Fällen Akteure in unterschiedlichen Sektoren des Gesundheitssystems. Dies erschwert im aktuellen, sektorenorientierten System die Kostenerstattung. IV-Verträge bieten hier zurzeit Möglichkeiten zur Überführung in die Routineversorgung – allerdings mit den bereits genannten Einschränkungen. Für regionale Versorgungskonzepte mit telemedizinischen Funktionalitäten ist auch die Finanzierung über sogenannte Regionalbudgets eine Option. Hier wird für die Finanzierung der Krankheitskosten einer definierten Population oder Indikation in einer Region ein Gesamtbudget bereitgestellt, das es den Akteuren ermöglicht, Behandlungspfade außerhalb der üblichen Finanzierungstrukturen zu definieren und zu vergüten.

IV-Verträge und Regionalbudgets müssen mit den Krankenkassen einzeln verhandelt werden. Es bestehen keine verbindlichen Kriterien oder Verfahren zur Erlangung eines Vergütungsanspruchs. Eine Option zur Verbesserung dieser Situation wäre die Definition von Kriterien, die eine Evaluation erfüllen muss. Das Bundesgesundheitsministerium hat dazu mit einer Reihe von Partnern im Rahmen der eHealth-Initiative im Jahr 2012 einen, allerdings unverbindlichen, Kriterienkatalog erstellt, der als Unterstützung bei der Planung, Durchführung und Evaluation telemedizinischer Projekte dienen soll. Ziel des Katalogs ist, dass Projekte über die Förderlaufzeit hinaus weitergeführt und in die bestehenden Versorgungsstrukturen überführt werden können [32].

Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG) beinhaltet für den Bewertungsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Aufgabe, zu überprüfen, in welchem Umfang ambulante telemedizinische Leistungen erbracht werden können. Das Ergebnis dieser Prüfung sollte bis zum Ende des ersten Quartals 2013 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet sein (§ 87 Abs. 2a SGB V) [33]. Diese Frist verstrich ergebnislos. Im Juli 2013 wurde eine Rahmenvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband zum Umfang der Erbringung ambulanter Leistungen durch Telemedizin geschlossen. In der Vereinbarung werden die Eckpunkte für die Aufnahme telemedizinischer Leistungen in den EBM formuliert (wie z. B. Definition und Einsatz von Telemedizin, Vereinbarkeit mit Fernbehandlungsverbot, Delegation, Qualitätssicherung, Datenschutz und anderes mehr). Mit Blick auf die Abrechnung scheint es, als könnte das telemedizinische Monitoring von Herzschrittmacherpatienten als erste Position im einheitlichen Bewertungsmaßstab eingeführt werden [34].

Das Beispiel Norwegen hat gezeigt, dass eine staatliche Unterstützung, z. B. bei der Bereitstellung von Breitbandnetzen und der Entwicklung regionaler Patientenakten, den Umsetzungsgrad telemedizinischer Anwendungen verstärken kann.

Schlussfolgerungen

Telemedizinische Versorgungskonzepte werden in Deutschland bereits in einigen Bereichen angewendet. Die Anwendung beschränkt sich zum größten Teil aber auf „Klassiker“, wie das Telemonitoring bei Herzinsuffizienzpatienten, auf die Teleradiologie und auf regionale Schlaganfallnetzwerke. Die Entwicklung telemedizinischer Versorgungskonzepte für neue Patientengruppen und Indikationen findet nur in einem bescheidenen Umfang statt, obwohl es in der regionalen Versorgung in ländlichen Räumen einen hohen Bedarf hinsichtlich innovativer Lösungen gibt. Bei der Entwicklung und Implementierung neuer Konzepte ist eine methodisch gut durchgeführte Evaluation mit a priori definierten Endpunkten von großer Bedeutung, insbesondere als Basis für eine Translation in die Routineversorgung. Dabei müssen sowohl die Wirksamkeit der Intervention als auch gesundheitsökonomische Aspekte betrachtet werden.

Die Übernahme telemedizinischer Konzepte in die Routineversorgung ist problematisch. Sektorenübergreifende Finanzierungsmodelle (z. B. das Regionalbudget) sind für regionale telemedizinische Versorgungskonzepte eine gute Option.

Unabhängig davon ist weitere Forschung in versorgungsnahen Settings erforderlich, um die Potenziale der Telemedizin weiter zu entwickeln und telemedizinische Versorgungskonzepte auch im größeren Rahmen evidenzbasiert versorgungsrelevant werden zu lassen.