Die Kunst zu heilen kann viele Leiden lindern, doch schöner ist die Kunst, die es versteht, die Krankheit am Entstehen schon zu hindern. Max von Pettenkofer

§ 23 Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die Aktivitäten im Rahmen der Regionalen Netzwerke ergänzen sich in ihrem Ziel, dass Krankenhäuser und die Patienten zuweisenden Einrichtungen im Kontext der jeweiligen Zuweiserstrukturen eine konkrete Vorstellung von Art und Umfang des Problems mehrfachresistenter Bakterien (MRE) und vom Risikoprofil der mit MRE kolonisierten Patienten in der Region haben und so bei der Bekämpfung der Weiterverbreitung dieser Erreger bestmöglich zusammenarbeiten können. Diese Aktivitäten sind auch integraler Bestandteil der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie DART.

Am 15. und 16. Dezember 2011 fand das inzwischen 3. Treffen der Moderatoren der Regionalen MRE-Netzwerke in Deutschland statt. Der Gedankenaustausch am Robert Koch-Institut (RKI) gliederte sich in 3 Themenblöcke:

  1. 1.

    Hintergrund – Daten und Fakten,

  2. 2.

    Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) in der medizinischen Rehabilitation und beim Personal,

  3. 3.

    Erfahrungsberichte aus den Netzwerken (Tab. 1, Programm).

Tab. 1 Gemeinsam gegen MRSA/MRE. Programm des 3. Treffens der Moderatoren der Regionalen MRE-Netzwerke

Hintergrund – Daten und Fakten

Erhalt der Therapierbarkeit von Infektionen und Vermeidung einer Eskalation der kalkulierten Therapie

Krankheit wird allgemein als eines der größten Risiken des Wohlergehens des Menschen angesehen. In einer nachhaltigen Gesundheitspolitik haben daher die Prävention sowie die Schaffung bzw. der Erhalt der Therapierbarkeit von Erkrankungen einen hohen Stellenwert. Auf dem Feld der Infektionskrankheiten kommt heute den primär schwer zu behandelnden (z. B. HIV-Infektion) und den durch Resistenzentwicklung schwer behandelbar gewordenen Infektionen – wie z. B. Infektionen von Knochen oder Gelenken mit MRSA oder der Sepsis mit ESBL-bildenden E. coli oder Klebsiellen – eine besondere Bedeutung zu. Das Bevölkerungswachstum in Gebieten der Erde mit ungünstigen hygienischen Verhältnissen, der nicht immer sachgerechte Einsatz von Antibiotika, der rasante Reiseverkehr und die zunehmende Alterung der Gesellschaften in der industrialisierten Welt stellen zudem immer neue Herausforderungen an die Prävention und Behandlung von Infektionen.

Zwischen der Antibiotikaresistenz und der Virulenz eines Erregers einerseits sowie seiner epidemischen Potenz andererseits besteht zunächst keine unmittelbare Verknüpfung. Allerdings können bestimmte Virulenzfaktoren das Verhalten eines Erregers in einer Population maßgeblich beeinflussen. Beispiele sind

  1. a)

    PVL-bildende MRSA, die bei Besiedelung mit einer hohen Manifestationsrate tiefer Abszesse und der Neigung zu Rezidiven assoziiert sind, und

  2. b)

    bestimmte Linien von MRSA mit besonderer Ausbreitungstendenz in Krankenhäusern (haMRSA).

Das hervorstechendste Problem der Antibiotikaresistenz besteht in der Einschränkung der Therapieoptionen bzw. der Beeinträchtigung des Behandlungserfolges. Die moderne Medizin mit ihren vielfältigen Interventionsmöglichkeiten und -angeboten und den Möglichkeiten zur Therapie Schwerstkranker bedarf wirkungsvoller Antiinfektiva. Entsprechend fordert die Gewährleistung der Patientensicherheit eine sachgerechte Prävention nosokomialer Infektionen.

Maßnahmen zur Prävention der Weiterverbreitung von durch Resistenzentwicklung schwierig zu therapierenden Krankheitserregern erfordern, um erfolgreich zu sein:

  1. 1.

    Kenntnisse über Art, Umfang und Dynamik des Problems,

  2. 2.

    die gebotene Aufmerksamkeit,

  3. 3.

    Konzepte zur Beherrschung des Problems auf der Basis von Risikoanalysen (Reservoire, Risikopopulationen, Risikosituationen/Übertragungswege) und schließlich

  4. 4.

    den Willen zur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen über Sektorgrenzen der medizinischen Versorgung hinweg.

Wichtige Aspekte bei der Umsetzung sind

  • persönliches Engagement, Identifikation mit den Zielen, Übernahme von Verantwortung,

  • geeigneter Informationsfluss,

  • fachliche Qualifikation,

  • personelle Ressourcen,

  • Nachhaltigkeit der Aktivitäten (Zielsetzung und Evaluierung; Verankerung in einer Patientensicherheitskultur, Anreize für verantwortungsbewusstes Handeln, geeignete Abbildung von Maßnahmen im Vergütungssystem),

  • zeitnahe Diagnostik und Beratung,

  • Fortbildung.

Art, Umfang und Dynamik des Problems

Kenntnisse über Art, Umfang und Dynamik des Problems leiten sich in Deutschland aus entsprechenden Erhebungsinstrumenten ab. Hierzu zählen:

  • die Meldepflicht für MRSA-Nachweise in Blutkulturen oder Liquor (§ 7 Abschn. 1 Satz 1 IfSG),

  • das vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für die Surveillance nosokomialer Infektionen betreute Erfassungssystem für nosokomiale Infektionen (KISS) mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur Hochrechnung unter Einbeziehung von Daten des Statistischen Bundesamtes (s. EpiBull 36/2010; EpiBull 29/2005),

  • die Antibiotika-Resistenz-Surveillance ARS (https://ars.rki.de) und

  • die Prävalenzerhebungen im Rahmen der Regionalen MRE-Netzwerke.

Diese Instrumente werden in größeren zeitlichen Abständen ergänzt durch nationale Prävalenzerhebungen wie die NIDEP-Studien (1995) oder die zuletzt im Herbst des Jahres 2011 unter der Leitung des NRZ für die Surveillance nosokomialer Infektionen durchgeführte repräsentative Punktprävalenzerhebung zu nosokomialen Infektionen und zum Antibiotikaeinsatz in deutschen Kliniken (EpiBull 19/2011 und 26/2012). Gute Zusammenfassungen der Situation finden sich auch in den Berichten über den Antibiotikaverbrauch und die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in Deutschland (GERMAP 2010; http://www.p-e-g.org).

Eine ausführliche Darstellung des vom Robert Koch-Institut betreuten Antibiotika-Resistenz-Surveillance Systems ARS findet sich im Beitrag von I. Noll et al. im vorliegenden Schwerpunktheft. Die Abb. 1 und Abb. 2 geben einen Überblick über den gegenwärtig im ARS abgebildeten Anteil von Krankenhäusern bzw. Praxen an der jeweiligen Gesamtheit in den Bundesländern.

Abb. 1
figure 1

Antibiotika-Resistenz-Surveillance-System (ARS): erfasste Krankenhäuser

Abb. 2
figure 2

Antibiotika-Resistenz-Surveillance-System (ARS): erfasste Praxen

Alle diese Instrumente weisen darauf hin, dass in Deutschland das Problem antibiotikaresistenter Bakterien in unterschiedlichem Ausmaß insbesondere in der Verbreitung von MRSA, von Extended-Spectrum-β-Lactamase (ESBL)-bildenden E. coli und Klebsiella pneumoniae, von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) sowie von mehrfachresistenten Pseudomonaden oder Acinetobacter spp. besteht. Die größte Verbreitungsdynamik weisen gegenwärtig die Resistenzen bei gramnegativen Darmbakterien auf. Folge eines intensiven Einsatzes von Antibiotika ist auch die zunehmende Zahl an Clostridium difficile (CD)-assoziierten Durchfällen (s. auch Beitrag von von Müller et al. in diesem Heft).

Größte Aufmerksamkeit erfordert die Verbreitung von Carbapenemase-bildenden mehrfachresistenten Bakterien, da hier potenziell keine Therapieoptionen mehr zur Verfügung stehen (s. EpiBull 43/2010 und 17/2012 sowie die Beiträge von Y. Pfeifer und C. Eller bzw. von M. Kaase in diesem Heft). In seinem dieses Thema betreffenden Vortrag stellte Dr. M. Kaase (Bochum, NRZ für Gram-negative Krankenhauserreger) Arbeiten zur Letalität von Infektionen durch Carbapenemase-Bildner sowie Resistenzmechanismen vor. Nach den Ausführungen beruht Carbapenem-Resistenz auf:

  • Porinverlust

bzw. auf der Bildung von:

  • Carbapenemasen unterschiedlicher Klassen, wie z. B. der

    • Ambler-Klasse A oder D oder

    • Metallo-β-Lactamasen.

Pseudomonaden weisen darüber hinaus Besonderheiten auf, die ihnen die Fähigkeit verleihen, umfassende Resistenz ohne eine Aufnahme von Resistenzgenen zu entwickeln. Herr Kaase erläuterte, dass Neu-Delhi-Metallo-β-Lactamasen (NDM-Carbapenemasen) gegenwärtig noch selten in Deutschland beobachtet werden. Zwar sind einige wenige neue Antibiotika in der Entwicklung (Avibactam, unwirksam bei Metallo-β-Lactamasen), CxA-101 (+ Tazobactam, unwirksam bei KPC), Plazomicin (unwirksam bei NDM-Stämmen), doch wird bis zu ihrer Marktreife noch einige Zeit vergehen. Gegenwärtig ist daher die Prävention der Weiterverbreitung vordringlich und eine Meldung entsprechender Isolate wünschenswert. Folglich sollte bei Risikopatienten aus dem Ausland (z. B. Hospitalisierung dort) ein Screening (Rektalabstrich) erfolgen.

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) hat im Verlauf des Jahres 2011 zu diesem Thema wichtige Mitteilungen erarbeitet (EpiBull 36/2011, EpiBull 2/2012) und wird noch im Verlauf des Jahres 2012 eine wichtige Empfehlung zur Prävention der Weiterverbreitung von gramnegativen Problemerregern veröffentlichen (Bundesgesundheitsblatt Oktober 2012).

Die oben genannten Bakterien kommen im unterschiedlichen Ausmaß bei einem bestimmten Prozentsatz der Bevölkerung, insbesondere aber bei Patienten in stationären Einrichtungen der Therapie und Pflege als Besiedler vor. Disponierende Faktoren wie das Eröffnen von Eintrittspforten im Rahmen invasiver Maßnahmen (z. B. Katheter oder Operationen) können dann zum Auftreten von Infektionen führen. Durch die unterschiedlich intensive Anwendung (Anwendungsdichte) von Antibiotika und die ausdrückliche Behandlung von Risikopopulationen unterscheidet sich die Prävalenz von mit MRE besiedelten Personen in unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens. In der Regel ist sie auf Stationen der Hämatoonkologie und den Intensivstationen von Krankenhäusern am höchsten, gefolgt von Einrichtungen für die neurologische Frührehabilitation und schließlich von geriatrischen Einrichtungen und Altenheimen. Bestimmend sind jeweils die Pflegeintensität und der Selektionsdruck durch die eingesetzten Antibiotika.

Anders als bei antibiotikaresistenten Darmbakterien ist bei Besiedelung mit MRSA eine Sanierung der Träger möglich. Die größte Aussicht auf Erfolg hat eine Sanierungsbehandlung in einem Umfeld in Abwesenheit weiterer disponierender Faktoren, d. h. in der Regel im ambulanten bzw. häuslichen Bereich. Hieraus leiteten sich das „Search and Follow“-Konzept der Regionalen Netzwerke zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von MRSA und die Mitte 2011 vorgenommenen Änderungen in § 87 Abschn. 2a SGB V ab (ärztliche Leistungen zur Diagnostik und Therapie von Trägern mit MRSA). Primäres Ziel der Maßnahmen ist die Vermeidung von Infektionen mit mehrfach resistenten Erregern. Eine Reduktion der Verbreitung dient auch dem Ausstieg aus der Resistenzspirale – einer aufgrund steigender Antibiotikaresistenzraten stetig eskalierenden kalkulierten Antibiotikatherapie.

Durch die umfangreichen Untersuchungen im Rahmen von Prävalenzscreenings konsolidiert sich zunehmend die Kenntnis zur regionalen Verteilung von Risikofaktoren für eine Kolonisation mit MRSA. Während sich die vom RKI und von der KRINKO veröffentlichten Risikofaktoren (EpiBull 42/2008) grundsätzlich bei den neueren Erhebungen wiederfinden, lässt sich die Effizienz der Screeninguntersuchungen durch lokale Adjustierung verbessern (siehe z. B. EpiBull 8/2012).

Bedeutsam für eine sachgerechte Einschätzung des Problems sind auch die neueren Erkenntnisse über die Verbreitung mehrfachresistenter Bakterien in der Tiermast.

Frau Dr. Cuny und Frau Dr. Pfeifer vom RKI (FG 13, Wernigerode) stellten auf der Basis molekularepidemiologischer Analysen wichtige Grundlagen zum Vorkommen und zur Verbreitung von MRSA bzw. von ESBL-bildenden gramnegativen Bakterien dar. Danach ging der MRSA-Anstieg in Deutschland zwischen 1990 und 2001 auf MRSA zurück, die typischerweise innerhalb des Gesundheitswesens verbreitet wurden [Hospital-aquired (HA)-MRSA]. Seitdem stagniert die Zahl auf einem im europäischen Vergleich mittleren Niveau (ca. 20%). Demgegenüber sind MRSA-Infektionen, die unabhängig von medizinischen Maßnahmen auftreten, in Deutschland nach wie vor selten. Dabei handelt es sich um sog. Community-aquired-MRSA (CA-MRSA), zumeist in Verbindung mit tiefgehenden Haut-Weichgewebe-Infektionen. Etwa 15% dieser sporadisch auftretenden Infektionen werden durch MRSA verursacht, die ursprünglich mit Masttieren assoziiert sind (LA-MRSA).

In etwa der Hälfte konventioneller Schweinemastanlagen in Deutschland sind die Tiere nasal mit LA-MRSA (Typ ST398) besiedelt. Eine in Deutschland vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) koordinierte Studie wies LA-MRSA auch bei anderen Masttieren wie z. B. Rindern und Geflügel nach. LA-MRSA vom Typ ST398 haben offenbar eine wenig ausgeprägte Wirtsspezifität und wurden auch im Zusammenhang mit Infektionen bei Pferden, kleinen Haustieren und Menschen isoliert.

Die vorliegenden Daten zeigen, dass eine Übertragung von LA-MRSA auf Menschen möglich ist, diese aber gegenwärtig im Wesentlichen mit direktem Tierkontakt in Anlagen der konventionellen Tiermast assoziiert ist und nur in geringerem Maße mit dem Kontakt mit LA-MRSA kolonisierten Menschen im unmittelbaren Wohnumfeld.

Ausgehend von einer nasalen Besiedlung können auch nosokomiale Infektionen mit LA-MRSA auftreten, wie z. B. Infektionen nach Hüftgelenkersatz oder Lungenentzündung bei künstlich beatmeten Patienten und auch Sepsis.

Zu ESBL-bildenden gramnegativen Bakterien berichtete Dr. Pfeifer. Über das Auftreten von Enterobacteriaceae-Isolaten mit Resistenz gegen neuere Cephalosporine wurde zunächst vereinzelt und dann zunehmend seit 1986 berichtet. Die nähere Analyse ergab, dass bereits weit verbreitete β-Lactamasen durch Aminosäureaustausche infolge von Mutationen auch neuere Cephalosporine hydrolysieren konnten. Diese β-Lactamasen haben somit ein erweitertes Substratspektrum (engl. „extended spectrum“, ESBL) im Vergleich zu ihren Vorläufern. In den 1990er-Jahren traten dann Enterobacteriaceae mit phänotypischen ESBL-Eigenschaften und damals neuen β-Lactamasen, den CTX-M-Enzymen, auf. Die ESBL-Gene der CTX-M-Gruppe sind „mobil“, d. h. auf Plasmiden lokalisiert und in verschiedene Plasmide übertragbar. Es handelt sich hierbei vor allem um Plasmide, die einen breiten Wirtsbereich besitzen (d. h., sie können zwischen ganz verschiedenen Enterobacteriaceae-Arten übertragen werden) und die oft noch weitere Gene tragen, die Resistenzen gegen andere Antibiotika vermitteln.

Seit 2004 steigt in mikrobiologisch diagnostischen Proben europaweit und auch in Deutschland die Häufigkeit von Enterobacteriaceae mit ESBL deutlich an. Diese Entwicklung ist mit der weltweit beschriebenen Verbreitung von ESBL der CTX-M-Gruppe assoziiert. Insbesondere werden E. coli mit ESBL als Erreger nicht nur in Krankenhäusern verbreitet, sie können auch bei Infektionen außerhalb dieser Häuser auftreten, unter anderem bei Harnwegsinfektionen. Die Resistenzdaten von ARS und aus derzeitig laufenden Studien in Deutschland an Patienten bei Aufnahme in Krankenhäuser (Aufnahmescreening) deuten darauf hin, dass E. coli mit ESBL als Besiedler bei ca. 4–8% der Bevölkerung vorhanden sind und in die Krankenhäuser „mitgebracht“ werden können.

In Deutschland wurden im Januar 2012 erste Ergebnisse von Untersuchungen auf ESBL in verschiedenen Tierbeständen (Schwein, Rind, Geflügel) veröffentlicht, die im Rahmen des interdisziplinären BMBF-geförderten Forschungsverbundes RESET (http://www.reset-verbund.de/) durchgeführt werden. Danach wurden im Großteil der Schweine- bzw. Geflügelbestände ESBL-E.-coli – darunter ein hoher Anteil an CTX-M-ESBL – nachgewiesen. Es ist bisher aber unbekannt, in welchem Ausmaß dies zur Verbreitung von Enterobacteriaceae mit ESBL beim Menschen beiträgt. Abb. 3 (Quelle Dr. Cuny) zeigt Übertragungswege von MRE zwischen Mensch und Tier.

Abb. 3
figure 3

Übertragung von multiresistenten Erregern (MRE) zwischen Mensch und Tier. MRSA Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, ESBL Extended-Spectrum-β-Lactamase produzierende gramnegative Erreger, VRE Vancomycin-resistente Enterokokken, CD Clostridium difficile, KNS Koagulase-negative Staphylokokken, CA-MRSA Community acquired MRSA, LA-MRSA Livestock associated MRSA, HA-MRSA Hospital acquired MRSA

Aufmerksamkeit

Am 3.08.2011 wurde unter anderem unter dem Eindruck der weiteren Ausbreitung von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen das Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Zentrales Ziel dieser Novellierung ist ein verbesserter Schutz vor Infektionen mit schwierig zu behandelnden Erregern. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden z. B. Änderungen vorgenommen, die die Weitergabe von Meldungen über das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen vom Gesundheitsamt an das Robert Koch-Institut betreffen. Konkretisiert wurden auch die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Leiter von medizinischen Einrichtungen im Bereich der Infektionsprävention und Aspekte des Gebrauchs von Antibiotika (Antiinfektiva) und die entsprechende Erfassung. Der neue und umfangreichere § 23 IfSG nimmt hier eine zentrale Stellung ein. Die Länder wurden beauftragt, durch Rechtsverordnung Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu regeln. Weitere Änderungen betreffen Aspekte der Vergütung von diagnostischen Maßnahmen zur Erkennung von MRSA (§ 87 SGB V) und Maßnahmen zur Sicherung der Hygienequalität (§ 137 SGB V). Für die Umsetzung wesentlich ist die Präsenz von Fachpersonal für die Gebiete „Hygiene“ und „Antibiotikatherapie“ in den jeweiligen Einrichtungen. Hierzu hat sich auch die KRINKO in einer Empfehlung zum Hygienemanagement geäußert. Die Bundesärztekammer hat Anfang 2012 in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften als befristete Übergangslösung Rahmenbedingungen für eine strukturierte curriculäre Fortbildung „Krankenhaushygiene“ erarbeitet, um den Bedarf an in der Krankenhaushygiene qualifizierten Fachärzten mit entsprechenden Kenntnissen und Fertigkeiten fristgerecht decken zu können (s. § 23 IfSG; Überprüfung in 2017). Diese Rahmenbedingungen umfassen z. B.:

  • Teilnahmevoraussetzungen,

  • das Absolvieren eines Curriculums unter Begleitung eines Mentors,

  • eine zeitliche Dauer von 2 Jahren,

  • eine abschließende Prüfung vor der Landesärztekammer.

Allgemein anerkannt kommt der Händehygiene bei der Prävention der Weiterverbreitung von MRE eine zentrale Bedeutung zu. In Fortentwicklung der erfolgreichen „Aktion saubere Hände“ stellte Frau Dr. Reichardt (Charité, Berlin) die neuen diesbezüglichen Module „ambulante Versorgung“ und „Alten- und Pflegeheime“ vor. Auf der ansprechenden Website der Initiative (http://www.aktion-sauberhaende.de) findet sich umfangreiches Informations- und Lehrmaterial zu den konkreten Situationen und Indikationen zur Händedesinfektion, z. B. in der

  • Dialyse,

  • Endoskopie,

  • bei Punktionen,

  • beim Legen von Kathetern,

  • in der interventionellen Radiologie oder

  • bei immobilen Bewohnern von Altenheimen.

Jedes Jahr gibt der 5. Mai Anlass, an die Bedeutung der Händehygiene für die Infektionsprävention zu erinnern (s. auch EpiBull 17/2010 und 17/2012).

MRSA in der medizinischen Rehabilitation

Der Umgang mit Patienten, die mit MRSA besiedelt oder infiziert sind, ist insbesondere in der medizinischen Rehabilitation durch einen Schutzzielkonflikt zwischen dem Anspruch auf die rehabilitativen Maßnahmen und den Forderungen nach der Prävention einer MRE-Übertragung geprägt. Auf der Tagung widmeten sich 2 Beiträge (Dr. H. Hergenröder vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und PD Dr. U. Heudorf vom MRE-Netz Rhein-Main) diesem Problem. Hinsichtlich einer detaillierten Darstellung des Themas sei auf den entsprechenden Artikel in diesem Sonderheft des Bundesgesundheitsblattes von H. Hergenröder et al. hingewiesen. Die Empfehlungen des MRE-Netzes Rhein-Main werden auf den Internetseiten http://www.mre-rhein-main.de/downloads/rehabilitation/Empfehlung_Reha.pdf veröffentlicht. Auch vom Land Niedersachsen wurden Hinweise zum Vorgehen in der medizinischen Rehabilitation erarbeitet.

Sanierung von MRSA-Trägern beim Personal

Ähnlich wie das Thema „MRSA in der medizinischen Rehabilitation“ gibt es für das Problem „MRSA bei Gesundheitspersonal“ keine einfachen Lösungen. In seinen diesbezüglichen Ausführungen stellte Dr. M. Köksal (Groningen) die Ergebnisse einer entsprechenden Studie vor (Personalscreening 2010/2011 bei 739 Mitarbeitern in 9 Krankenhäusern). Dabei wurde bei 23 Mitarbeitern ein wiederholt positives Ergebnis gewonnen. Einen Schwerpunkt seiner Ausführungen bildete die Darstellung eines den Bedürfnissen des Klinikalltages angepassten Sanierungsschemas mit einer Erfolgsquote von 100%. Hierbei wurden dienstfreie Wochenenden bewusst in den Sanierungsplan einbezogen, um so die Ausfallzeiten zu minimieren.

Erfahrungsberichte aus den Netzwerken

Die Erfahrungsberichte aus den Netzwerken umfassten einen großen Block zu den Netzwerken, die auch Teil des umfassenderen EurSafety Health-net sind (http://www.eursafety.eu/).

Frau Dr. I. Daniels-Haardt vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW erläuterte die Geschichte und Erfolge des „Qualitätssiegels“ in der Region [Verbindlichkeit durch Einverständniserklärung der Partner; Sichtbarkeit (Info-Veranstaltungen, Schulungen, Qualitätssiegel für jeweils 2 Jahre); Mehrwert durch Schaffung von Versorgungsnetzen] und der Qualitätsverbünde (nachhaltige Strukturbildung, Verbesserung von Kommunikation und Transparenz; ein Mehr an Patientensicherheit; Verbesserung der sektorübergreifenden Patientenüberleitung) im Rahmen der Netzwerkarbeit.

Dr. C. Groschopp von der Euregio Maas-Rhein machte die Erweiterung der Zielsetzungen im EurSafety Health-net über die Infektionsverhütung hinaus auf die Lebensqualität und Patientensicherheit/Patientenbeteiligung allgemein deutlich, z. B. durch eine Ausdehnung auf die Aspekte Adipositas, Sucht und seelische Gesundheit. Die Arbeit zur MRSA/MRE-Problematik wird in der Maas-Rhein-Region in „Workpackages“ geleistet. Diese umfassen:

  • die Gesamtkoordination (WP1),

  • den Aufbau des Qualitätsnetzwerkes (WP2),

  • die (Molekulare) Epidemiologie von MRE (WP3/4/5),

  • die Surveillance nosokomialer Infektionen (WP6),

  • Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation (WP7).

Die infektiologische Beratung wurde als ein wichtiges Feld der Netzwerkarbeit mit Verbesserungspotenzial identifiziert.

Dr. D. Rocker aus der Ems-Dollart-Region berichtete über die bisherigen Aktivitäten des Netzwerkes, beginnend mit einer Auftaktveranstaltung (März 2010 bzw. August 2010) und Schaffung der Akademie für Patientensicherheit und Infektionsschutz (s. Beitrag unten: Dr. Jörg Herrmann). MRSA-Prävalenzerhebungen bei ca. 5000 Patienten in 33 Krankenhäusern ergaben eine mittlere Prävalenz bei Aufnahme in ein Krankenhaus von 2,6% (0–8,6%, 4939 Patienten/127 × MRSA). Bemerkenswert war dabei der Anteil von LA-MRSA (21%: LA-MRSA; 28% Typ t003, 14% Typ t034, 13% Typ t032). Risikofaktoren für eine MRSA-Kolonisation umfassten eine MRSA-Anamnese, Tätigkeit in der Landwirtschaft, liegende Katheter und das Vorliegen von Wunden.

Dr. A. Jurke vom EurSafety Health-net berichtete über den Antibiotikaverbrauch in Arztpraxen auf Basis einer Auswertung der Abrechnungsdaten der Krankenversicherungen von ambulanten Antibiotikaverordnungen in der Region Westfalen-Lippe (Zeitraum: 2. Hälfte 2009 bis 1. Hälfte 2010) und stellte einen Vergleich mit den Niederlanden her (http://www.swab.nl), die insgesamt [Gesamtverbrauch: 11,24 vs. 14,54 DDD (definierte Tagesdosis)/1000 Versicherte] und spezifisch weniger Cephalosporine im niedergelassenen Bereich verschreiben.

Dr. J. Herrmann (Oldenburg) stellte die „Hygiene-Akademie-Nord“ im Rahmen des EurSafety Health-net sowie das Konzept der „Hygienebeauftragten“ in den Oldenburger Kliniken vor. Wichtige Aufgaben dieser Einrichtung umfassen: Fortbildung und Schulung (Mediatoren), die Umsetzung der Aktion „Saubere Hände“, die Motivation und Sichtbarkeit der Infektionsprävention.

Die MRSA-Netzwerkbildung in Niedersachsen wurde von Herrn Dr. M. Pulz (LGA Niedersachsen) vorgestellt. Das Netzwerk ist am EurSafety Health-net beteiligt. Die Gründung geht auf eine Kooperationsveranstaltung vom 05.02.2009 zurück, die konstituierende Sitzung fand am 18.03.2009 statt. Die Aktivitäten umfassen unter anderem:

  • die Erstellung von Informationsschriften und Schulungspräsentationen,

  • die Erarbeitung von Angeboten für Pflegeeinrichtungen,

  • die Etablierung und Pflege des Resistenzsurveillance-Systems ARMIN (Netzwerk aus 8 Laboren, http://www.armin.nlga.niedersachsen.de).

Untersuchungen zur MRSA-Prävalenz ergaben in Altenheimen (2010, Braunschweig) eine mittlere MRSA-Prävalenz von 7,6% und in Krankenhäusern (2010, Osnabrück; 3300 Patienten) eine mittlere Aufnahmeprävalenz von ca. 3%. Die Netzwerkaktivitäten in Niedersachsen umfassen auch die Netzwerkarbeit in Oldenburg (Dr. J. Herrmann) und Hannover (Prof. I. Chaberny).

Frau Prof. Chaberny (MHH) stellte die Arbeit des im März 2008 gegründeten Netzwerkes vor. Am Netzwerk sind das Gesundheitsamt, die Apotheker-Kammer, die Ärztekammer, die KV, die Techniker Krankenkasse und 5 Klinikverbünde (17 Krankenhäuser) beteiligt. Es startete mit einer Ist-Analyse (MRSA-Punktprävalenzerhebung) und mit der Erfassung des Antibiotikaverbrauchs. In der Folge wurden MRSA-Maßnahmen regional abgestimmt und Informationsveranstaltungen organisiert. Die Punktprävalenzerhebung ergab eine mittlere MRSA-Prävalenz von 3,9% mit einer weiten Streuung von 0,8–12,5% in 17 Krankenhäusern der Region [67% Typ t032 (Barnim Stamm)]. Bei 78% der Getesteten war der Status zuvor unbekannt. Die Erfolge der Maßnahmen wurden publiziert [Chaberny et al. (2008) J Antimicrob Chemotherapie 62:1422–1429].

Dr. D. Reick präsentierte das MRE-Netzwerk Baden-Württemberg. Es wurde bereits Anfang 2008 gegründet und wird gegenwärtig auch von der AOK Baden-Württemberg unterstützt. Seit November 2010 wird eine flächendeckende Umsetzung der Netzwerkbildung angestrebt (Abb. 4). Seit 24.12.2010 existiert eine Krankenhaushygiene-Verordnung, in der die Bildung regionaler Netzwerke in § 2 verankert ist.

Abb. 4
figure 4

MRE-Netzwerke in Baden-Württemberg

Über die Netzwerkbildung im Rahmen der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Multiresistente Erreger (LARE) berichtete Frau Dr. U. Kandler. Die LARE umfasst gegenwärtig 31 Mitglieder. Das Startsymposium erfolgte im Dezember 2009. Die Arbeit wird in den folgenden 7 Arbeitsgruppen geleistet (http://www.lgl.bayern.de):

  • AG Krankentransport,

  • AG Fachinformationen zum Patienten-Management,

  • AG Rehabilitationseinrichtungen,

  • AG Screening und Sanierung (Dokumentationsschema),

  • AG Antibiotic Stewardship,

  • AG Arbeitsschutz und MRE.

Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde umfangreiches Schulungsmaterial erarbeitet.

Über die MRSA-Epidemiologie im Süden von Brandenburg berichtete Dr. T. Juretzek aus dem entsprechenden Netzwerk. Die vorgestellten Daten wurden zwischenzeitlich publiziert (EpiBull 8/2012). Im Rahmen einer Umfrage wurden mehr als 15.000 Patienten befragt und fast 14.000 für die Teilnahme gewonnen. In 9 Krankenhäusern wurden dabei 107 MRSA-Nachweise geführt (0,77%, Spanne: 0,48–1,57%). Bemerkenswert war dabei der relativ hohe Anteil von LA-MRSA.

Die aktuellen Entwicklungen im MRSAar/Netz wurden von Prof. M. Herrmann (Homburg) präsentiert. Das Saarland umfasst ca. 1 Mio. Einwohner, die von 24 Krankenhäusern, darunter ein Universitätsklinikum, versorgt werden (Insgesamt ca. 250.000 Aufnahmen/Jahr). Im Rahmen eines landesweiten umfassenden Prävalenzscreenings wurden Abstriche von Nase/Rachen/Wunden mittels eines geflockten Tupfers in Elutionsmedium gewonnen und maschinell verarbeitet. Parallel wurden Risikofaktoren über Fragebögen erfasst. Bei 20.027 Untersuchungen wurden 436 MRSA isoliert (423 Nase/Rachen; 13 Wunden; Median: 2/100 Aufnahmen; Geriatrie 7,6%; Intensivmedizin 6,3%; Innere Medizin 2,9%). Die isolierten MRSA wurden typisiert. Wichtige Risikofaktoren waren:

  • MRSA-Anamnese,

  • Hautulkus,

  • chronische Pflegebedürftigkeit/Heim,

  • Verlegung aus einem anderen Krankenhaus.

Die Kosten für die Untersuchung wurden mit 5–8 EUR/Aufnahme beziffert. Das Netzwerk legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Erarbeitung von elektronischen Lehr- und Lerntechnologien.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete die Darstellung des Aktionsplans Hygiene in Nordrhein-Westfalen (NRW) durch Frau Dr. R. Kämmerer. Die Aktivitäten resultieren aus einem Paket von Regelungen, Empfehlungen und Maßnahmen:

  • Krankenhaushygieneverordnung (1989/2009),

  • ÖGD-Gesetz (1998),

  • risikoabgestufter Überwachung,

  • IfSG, Medizinproduktegesetz (MPG), Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MP BetreibV),

  • Aktivitäten des LIGA NRW,

  • dem GMK-Beschluss zum Thema „MRE-Netzwerke“,

  • der Projektförderung im Rahmen des EurSafety Health-net,

  • der Einbindung der KRINKO-Empfehlungen, der Aktivitäten des NRZ für die Surveillance nosokomialer Infektionen, der „Aktion saubere Hände“ sowie der Aktivitäten und Ziele von DART

Im September 2010 wurde auf Wunsch der zuständigen Ministerin ein „Aktionsplan Hygiene“ ins Leben gerufen mit Bereitstellung von Mitteln im Juli 2011. Im Dezember 2011 wurde die Entschließung „Prävention nosokomialer Infektionen“ der Landesgesundheitskonferenz verabschiedet. Im Jahre 2012 wird ein Ideenwettbewerb zum Thema ausgeschrieben. Die Preisverleihung findet am 5.12.2012 statt.

Fazit

Zusammenfassend wurde deutlich, dass die Zahl und die Aktivität regionaler MRE-Netzwerke in Deutschland weiter zugenommen haben. Durch die jeweils unterschiedliche Schwerpunktsetzung und den entsprechenden Gedankenaustausch können die Netzwerke wichtige Erfahrungen synergistisch nutzen. Das Robert Koch-Institut bemüht sich aktiv, diesen Prozess zu unterstützen. Aufgrund der umfangreichen Prävalenzerhebungen liegt nun umfassendes Datenmaterial zur MRSA-Problematik in den Regionen vor. Die Aktivitäten der Netzwerke werden auf weitere Aspekte des Antibiotikaeinsatzes und der Antibiotikaresistenz ausgedehnt.