Das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) wurde 1996 etabliert, um den an ihm teilnehmenden Abteilungen/Krankenhäusern eine Möglichkeit zur Orientierung über ihre nosokomialen Infektionsraten zu bieten, d. h., es sollte vor allem der internen Qualitätssicherung dienen [1]. Das System wurde gut angenommen, im Laufe der Jahre nahm die Zahl der auf freiwilliger Basis teilnehmenden Abteilungen kontinuierlich zu, und aus den ursprünglich 2 Surveillance-Modulen wurden inzwischen 9 (Tab. 1). Insgesamt nahmen im Januar 2012 1010 Krankenhäuser und 165 ambulante OP-Zentren an mindestens einem KISS-Modul teil. Dabei lieferten 442 Krankenhäuser Daten zu nur einem Surveillance-Modul, 209 zu 2 Modulen, 149 zu 3 Modulen, 124 zu 4 Modulen und 86 Krankenhäuser zu 5 oder mehr Modulen. Die meisten Teilnehmer-Krankenhäuser (511) gehören der mittleren Größenklasse an (200 bis 600 Betten), 337 sind kleine Krankenhäuser (< 200 Betten), und 162 sind große Krankenhäuser (> 600 Betten). Wiederholt konnte gezeigt werden, dass der Vergleich der eigenen Infektionsraten mit den Referenzdaten zusätzliche Präventionsmaßnahmen stimuliert und dazu beiträgt, die Infektionsraten zu reduzieren [2, 3, 4, 5, 6].

Tab. 1 Übersicht über die existierenden KISS-Module und die aktuelle Teilnehmerzahl (Januar 2012)

Inzwischen wird das Interesse der Öffentlichkeit am Thema „Krankenhausinfektionen“ immer größer. Die Patienten wollen wissen, wie ihre Klinik diesbezüglich im Vergleich zu anderen Kliniken steht. Die Öffentlichkeit und die Medien haben ebenfalls ein großes Interesse daran, wie das deutsche Gesundheitssystem in dieser Hinsicht aufgestellt ist.

Der vorliegende Beitrag hat deshalb vor allem das Ziel, Daten aus KISS mit den Daten aus anderen nationalen Surveillance-Systemen zu vergleichen. Der Fokus liegt dabei auf den 3 umfangreichsten Surveillance-Modulen ITS-KISS, OP-KISS und NEO-KISS. Für den Vergleich werden vor allem die Daten des europäischen ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) und des US-amerikanischen NHSN (National Health care Safety Network) herangezogen.

Vergleich zwischen den im ITS-KISS und im US-amerikanischen NHSN ermittelten Infektionsraten auf Intensivstationen

Das älteste und bekannteste nationale Surveillance-System ist das US-amerikanische National Nosocomial Infections Surveillance (NNIS)-System der CDC. Seit 1970 melden verschiedene amerikanische Krankenhäuser ihre nosokomialen Infektionen regelmäßig an dieses. Es hat neben der Zurverfügungstellung von Referenzdaten die Aufgaben, Trends bei Infektionsraten und -arten, bei Risikofaktoren, bei Komplikationen, bei nosokomialen Infektionserregern und bei der Resistenzsituation zu ermitteln, weiter an der Entwicklung effektiver und effizienter Erfassungs- und Auswertungsmethoden für die Infektionskontrolle zu arbeiten und Untersuchungen zur Beschreibung der Epidemiologie neuer Infektionen und Erreger und zur Beurteilung bestimmter Risikofaktoren durchzuführen. Bis 1986 wurde allein die Methode der krankenhausweiten Erfassung angewendet, danach wurden 3 weitere Komponenten eingeführt, die auf der Basis ausgewählter Indikatoren arbeiten: Für Intensivstationen, für neonatologische Intensivstationen und für operierte Patienten [7]. Die krankenhausweite Erfassungsmethode wurde später aufgegeben [8].

Das NNIS-System wurde inzwischen mit 2 weiteren Surveillance-Systemen unter dem Namen „National Healthcare Safety Network „(NHSN) [9] zusammengefasst. Seit Einführung des „mandatory public reporting“ (verpflichtende Surveillance einschließlich Veröffentlichung der Infektionsraten) in vielen amerikanischen Bundesstaaten Mitte des vergangenen Jahrzehnts dient das NHSN für diese Staaten als entsprechende Plattform. Das hat die Zahl der teilnehmenden Krankenhäuser in den letzten Jahren stark erhöht. Gleichzeitig wurde ein erheblicher Rückgang bei den „Device“-assoziierten Infektionsraten beobachtet. Es bleibt offen, ob dieser auf die oben genannte Veröffentlichungspflicht zurückzuführen ist oder ob wirklich signifikante Erfolge bei der Infektionsprävention zu verzeichnen sind. Für Letzteres würden z. B. die Ergebnisse in den viel beachteten Publikationen aus der Region Michigan sprechen, die zeigen, dass sich die Raten an Zentralvenenkatheter (ZVK)-assoziierter Sepsis und an beatmungsassoziierten Pneumonien auf Intensivstationen durch die Einführung eines Bündels an Präventionsmaßnahmen signifikant reduziert haben [10, 11, 12]. Entsprechend wurden in vielen Teilen der USA ähnliche Initiativen gestartet. Zusätzlich ist bei der Interpretation der Daten zu beachten, dass die durch die verpflichtende Teilnahme neu hinzugekommenen Krankenhäuser in der Regel eher kleinere Einrichtungen sind.

Vergleicht man die Infektionsraten für 2 ausgewählte Arten von Intensivstationen (chirurgische, Innere) im NHSN mit denen im ITS-KISS, so fällt auf, dass die beatmungsassoziierten Pneumonie-Raten in den USA im Jahr 2006 etwa das gleiche Niveau erreichten wie die in Deutschland für den Zeitraum von 2006 bis 2010 (Tab. 2). Danach haben sie sich in den USA etwa halbiert. Im Jahr 2006 waren die Raten für eine ZVK-assoziierte Sepsis in den USA noch deutlich höher als in Deutschland, sie liegen aber inzwischen in derselben Größenordnung wie im ITS-KISS.

Tab. 2 Raten für beatmungsassoziierte Pneumonien und ZVK-assoziierte Sepsis für 2 ausgewählte Intensivstationsarten in den USA und in Deutschland. Vergleich der ITS-KISS-Daten 2006–2010 [13] mit den korrespondierenden Daten des NHSN [14, 15]

Auch viele andere europäische Länder haben in den 1990er-Jahren damit begonnen, nationale Surveillance-Systeme für nosokomiale Infektionen aufzubauen. Innerhalb des HELICS-Projektes (Hospitals in Europe Link for Infection Control through Surveillance) wurde versucht, die nationalen Surveillance-Aktivitäten in Europa zu harmonisieren [16, 17]. Im Rahmen eines Nachfolgeprojektes (IPSE, Improving Patient Safety in Europe) wurde dieser Prozess fortgeführt. Inzwischen ist das ECDC für die Vereinheitlichung der Surveillance nosokomialer Infektionen in Europa zuständig.

Das ECDC bietet eine Surveillance nosokomialer Infektionen auf Intensivstationen auf 2 Stufen an: Level 1 bedeutet eine „Unit-based“-Surveillance, Level 2 eine „Patient-based“-Surveillance. Die Level-1-Methode entspricht weitgehend dem Vorgehen beim NHSN und ITS-KISS. Viele europäische Länder haben sich aber für die wesentlich aufwendigere Methode nach Level 2 entschieden. Hierbei wird für jeden Patienten, also auch für alle nicht infizierten Patienten, ein Dokumentationsbogen angelegt, um die vorliegenden Risikofaktoren patientenbezogen zu dokumentieren („patient-based“). Wesentlich zeitsparender ist es, die Daten zur Ermittlung der Nenner nur stations- oder abteilungsbezogen zu dokumentieren („unit-based“). Das bedeutet, dass nur die Gesamtzahl der Patienten mit einem bestimmten Charakteristikum – z. B. die Patienten mit einem bestimmten „Device“ – erfasst wird. Es wird bewusst darauf verzichtet aufzuzeichnen, welche Faktoren bei welchem Patienten vorhanden waren. Zusätzlich wurde entschieden, in das Level-2-Verfahren nur Patienten aufzunehmen, die wenigstens 48 h auf der Intensivstation sind. Das hat aber leider zur Folge, dass die nach der Level-1- und Level-2-Methode erfassten Infektionsraten nicht miteinander vergleichbar sind, da die zugrunde liegenden Nennerdaten hier mit unterschiedlichen Methoden erhoben werden.

Obwohl also das ITS-KISS der mit Abstand größte Lieferant von Surveillance-Daten zu nosokomialen Infektionsraten auf Intensivstationen an das ECDC ist, sind seine Daten zurzeit nicht mit den entsprechenden Daten vieler anderer europäischer Länder vergleichbar. Es ist aber vorgesehen, dass die nach Level 2 erfassenden Länder zukünftig auch die Gesamtzahl der Patiententage (für alle Patienten und nicht nur für die mit einer Aufenthaltsdauer von mehr als 48 h auf der Intensivstation) erheben. Dann wären die Vergleichsmöglichkeiten wieder gegeben.

Es gibt aber noch andere Faktoren, die den internationalen Vergleich der Daten zu den nosokomialen Infektionsraten erschweren, wie beispielsweise unterschiedliche Diagnostikmethoden und Diagnostikintensität. Im Rahmen des EARS-Netzwerkes werden die Raten über die Anzahl der in den einzelnen Ländern abgenommenen Blutkulturen ermittelt [18]. Dabei zeigen sich zwischen den einzelnen Ländern erstaunlich große Unterschiede, und es fällt auf, dass in deutschen Krankenhäusern eher selten Blutkulturen abgenommen werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Anzahl der in einzelnen europäischen Ländern abgenommenen Blutkulturen pro 1000 Patiententage nach den Daten des European Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS) 2010 [18]

Da nach den CDC-Definitionen erst der Erregernachweis in der Blutkultur eine Blutstrominfektion eindeutig anzeigt, wird die Chance, nosokomiale Blutstrominfektionen zu identifizieren, eindeutig höher, wenn viele Kulturen abgenommen werden. Erst kürzlich konnten wir für Deutschland zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Zahl an abgenommenen Blutkulturen und den ermittelten ZVK-assoziierten Sepsisraten besteht [19]. Diese Assoziation ließ sich auch beim europäischen Vergleich der ZVK-assoziierten Sepsisraten auf Intensivstationen belegen [20].

Vergleich zwischen den im OP-KISS, am ECDC und im US-amerikanischen NHSN ermittelten Raten an postoperativen Wundinfektionen

Ähnlich wie die Surveillance-Systeme für Intensivstationen-assoziierte Infektionen haben auch die nationalen Surveillance-Systeme für postoperative Wundinfektionen inzwischen eine europäische Harmonisierung erfahren: Das ECDC kalkuliert seit 2007 regelmäßig vergleichende postoperative Wundinfektionsraten. Der letzte Bericht enthält Daten aus 16 Netzwerken aus 13 europäischen Ländern (Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Litauen, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Großbritannien) und beinhaltet für den Zeitraum 2008/2009 insgesamt 655.637 Operationen, die in 1785 Krankenhäusern durchgeführt wurden [21]. Tab. 3 gibt eine vergleichende Übersicht über die Daten für 6 ausgewählte OP-Arten aus OP-KISS, dem ECDC und aus dem NHSN; dabei erfolgt eine Beschränkung auf die rohen Daten zu den Wundinfektionsraten ohne eine Risikostratifizierung. Aus den USA liegen die letzte Daten zu den postoperativen Wundinfektionsraten aus dem NHSN-Bericht für den Zeitraum von 2006 bis 2008 vor [22].

Tab. 3 Raten für postoperative Wundinfektionen in Deutschland, Europa und in den USA für 6 ausgewählte OP-Arten. Vergleich der OP-KISS-Daten mit den Daten des ECDC [21] und des NHSN [22]

Unter anderem weil ein Teil der europäischen Länder noch kein Surveillance-System für postoperative Wundinfektionen etabliert hat, fällt auf, dass OP-KISS einen großen Teil der Infektionsdaten zu postoperativen Wundinfektionen liefert (24%). Einen größeren Anteil liefert nur Großbritannien mit seinen 4 separaten Surveillance-Systemen in England, Schottland, Wales und Nordirland (zusammen 34%). Dies beruht vor allem darauf, dass in Großbritannien im Jahr 2009 bei orthopädischen Operationen eine verpflichtende Teilnahme an den Surveillance-Systemen sowie eine Veröffentlichungspflicht der Wundinfektionsrate eingeführt wurden. Auf diese Maßnahmen könnten auch die vergleichsweise geringen postoperativen Wundinfektionsraten nach der Implantation von Hüftendoprothesen in Großbritannien zurückzuführen sein.

Während sich nach den OP-KISS-Daten die durchschnittlichen Wundinfektionsraten in Deutschland bei den orthopädischen und abdominalchirurgischen Operationen kaum vom europäischen Durchschnittswert unterscheiden, fallen die deutlichen Unterschiede zu den US-amerikanischen Raten bei der Sectio caesarea auf. Die Wundinfektionsraten nach Cholezystektomien und Kolonoperationen sind in Deutschland höher als in den USA, sehr wahrscheinlich bedingt durch die längeren postoperativen stationären Aufenthaltszeiten der deutschen Patienten.

Beim Vergleich der postoperativen Wundinfektionsraten zwischen den einzelnen Ländern muss man allerdings sehr vorsichtig sein. Trotz einheitlicher Definitionen und Surveillance-Protokolle existieren erhebliche Unterschiede in der Umsetzung der Infektionserfassung:

  • Die Patienten werden nach der Entlassung aus dem Krankenhaus unterschiedlich intensiv nachverfolgt. In Norwegen und in den Niederlanden erhalten sie entsprechende Briefe, um das Krankenhaus im Falle einer Wundinfektion zu benachrichtigen, oder sie werden in einem solchen Fall telefonisch kontaktiert, um ein möglichst komplettes Bild zu erhalten. In England werden nach der Entlassung auftretende Infektionen nur dann erfasst, wenn es aus diesem Grund zu einer Wiedereinweisung in ein Krankenhaus kommt.

  • Die postoperative Verweildauer im Krankenhaus unterscheidet sich zwischen Ländern. Bei längerer Verweildauer ist die Chance höher, Wundinfektionen zu identifizieren.

  • In manchen Ländern nehmen nur sehr wenige Krankenhäuser am Surveillance-System teil; auch dies kann zu einer Verzerrung der Datenlage führen.

  • Obwohl alle Surveillance-Systeme den NNIS-Risiko-Index verwenden, können damit evtl. nicht alle relevanten Unterschiede in der Patientenzusammensetzung in den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden.

  • Die betrachteten Indikatoroperationen können unterschiedlich durchgeführt/ausgeführt werden (z. B. mehr oder weniger partielle statt totale Endoprothesenimplantation mit unterschiedlichem Infektionsrisiko).

  • Es können Unterschiede bei der Interpretation von Wundinfektionsdefinitionen bestehen [außer in Deutschland (jährliche Kasuistiken), wird bisher in keinem anderen Land eine regelmäßige Überprüfung der Interpretation vorgenommen].

  • Die Surveillance kann unterschiedlich organisiert sein (in Großbritannien sind z. B. die Teilnahme an der Surveillance von Wundinfektionen bei Hüft- und Knieendoprothesenoperationen sowie die Veröffentlichung der Infektionsraten verpflichtend).

Vergleich zwischen den im NEO-KISS und im US-amerikanischen NHSN ermittelten Infektionsraten auf neonatologischen Intensivstationen

Auf europäischer Ebene existiert noch kein Surveillance-System für nosokomiale Infektionen bei neonatologischen Intensivpatienten. Aus diesem Grund orientieren sich viele europäische Länder an den deutschen NEO-KISS-Daten.

Das US-amerikanische Surveillance-System für Infektionen auf neonatologischen Intensivstationen ist ein „Unit-based“-System, während NEO-KISS „patient-based“ organisiert ist, d. h., dass nur für Kinder mit einem Geburtsgewicht von < 1500 g ein Erfassungsbogen angelegt wird – dies aber auch dann, wenn sie während ihrer Pflege bis zum Erreichen eines Gewichts von 1800 g keine nosokomialen Infektionen entwickeln [23]. Auch sind die Definitionen für nosokomiale Infektionen in beiden Systemen nicht identisch; die Unterschiede sind aber eher gering, sodass die Vergleichbarkeit der Daten zu den Infektionsraten von dieser Seite nicht aufgehoben ist (Tab. 4, [24]).

Tab. 4 Raten für beatmungsassoziierte Pneumonien und ZVK-assoziierte Sepsis in den USA und in Deutschland bei Neugeborenen für 2 Geburtsgewichtsklassen. Vergleich der NEO-KISS-Daten 2006–2010 [13] mit den korrespondierenden Daten des NHSN 2006 und 2010 [14, 15]

Aufgrund der oben genannten Unterschiede zwischen dem deutschen und amerikanischen Surveillance-System zur Erfassung nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpatienten ist es fraglich, ob ein Vergleich der in diesen ermittelten Infektionsraten überhaupt möglich ist. Auffällig sind die wesentlich höheren ZVK-assoziierten Sepsisraten in deutschen neonatologischen Intensivstationen. Hingegen unterscheiden sich die deutschen und amerikanischen Daten zu den beatmungsassoziierten Pneumonieraten nur wenig voneinander. Auch hier fällt auf, dass die ZVK-assoziierten Sepsis- und die beatmungsassoziierten Pneumonieraten in den USA im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 zurückgegangen sind.

Andere Surveillance-Module

Ab dem Jahr 2000 wurde im Rahmen von KISS die Surveillance nosokomialer Infektionen bei Patienten nach Knochenmark (KMT)- oder peripherer Blutstammzelltransplantation (PBSZT) aufgebaut [25]. Im Jahr 2005 kam das Modul ONKO-KISS_AL hinzu (Surveillance bei Patienten mit akuter myeloischer und akuter lymphatischer Leukämie, die chemotherapeutisch behandelt werden). ONKO-KISS konzentriert sich auf die Erfassung von Sepsis und Pneumonien während der Neutropeniephase (Zeitraum mit dem höchsten nosokomialen Infektionsrisiko für die Patienten). Eine vergleichbare systematische Surveillance im Bereich Hämatologie-Onkologie existiert nach unserer Übersicht weltweit nicht.

Ebenso wie KISS hat auch das US-amerikanische NHSN ein Surveillance-System für Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und die Clostridium-assoziierte Diarrhö (CDAD) eingeführt. Das amerikanische System erfasst auf die Stationen bezogene Daten, während MRSA-KISS und CDAD-KISS die Situation bezogen auf das gesamte Krankenhaus beschreiben. Im Unterschied zu MRSA-KISS und CDAD-KISS hat das NHSN bisher noch keine Ergebnisse zu den entsprechenden Infektionsraten publiziert.

Auch gibt es international kein, dem HAND-KISS analoges Surveillance-System zur Erfassung des Verbrauchs von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln. In England wurde während der „Clean your hands campaign“ ein korrespondierendes System etabliert, das aber nach Abschluss der Kampagne wieder eingestellt wurde. Auch in Frankreich ist die Erfassung des Verbrauchs an alkoholischen Händedesinfektionsmitteln inzwischen ein fester Parameter des Infektionspräventions-Managements. Allerdings publizieren die französischen Kollegen nicht die absolute Verbrauchsmenge pro Station oder Krankenhaus; sie setzen die beobachteten Werte vielmehr in Relation zu Erwartungswerten, woraus abstrakte Kategorien von A bis E resultieren. Erreicht ein Krankenhaus die Kategorie A, so weiß der Patient, dass es im Vergleich zu anderen sehr gute Ergebnisse hat.

Fazit

In den letzten 10 bis 15 Jahren haben viele europäische Länder und die USA ähnliche Surveillance-Systeme für nosokomiale Infektionen, multiresistente Erreger und den Händedesinfektionsmittelverbrauch etabliert. Seit 2006 koordiniert das ECDC die Surveillance nosokomialer Infektionen auf EU-Ebene (Tab. 5).

Tab. 5 Übersicht über die in Deutschland, auf europäischer Ebene und in den USA vorhandenen Module und die methodischen Grundprinzipien der verschiedenen Systeme für die Surveillance nosokomialer Infektionen, multiresistenter Erreger und des Händedesinfektionsmittelverbrauchs in Krankenhäusern

Voraussetzung für die Akzeptanz der Surveillance-Daten in den teilnehmenden Krankenhäusern ist das Vertrauen darauf, dass diese in allen Einrichtungen nach denselben Definitionen und Protokollen und in derselben Qualität erhoben werden. Die Validität der Surveillance-Daten hat deshalb einen hohen Stellenwert. Bisher hat nur KISS ein Verfahren zur routinemäßigen Überprüfung der Diagnostik nach CDC-Definitionen etabliert. Mithilfe eines webbasiertes Trainingssystems kann jeder KISS-Teilnehmer, der Surveillance-Daten für ITS-KISS, OP-KISS oder NEO-KISS liefert, seine Sensitivität und Spezifität bei der Diagnostik nosokomialer Infektionen anhand von Online-Kasuistiken ermitteln. Nach Eingabe in das System erhält er seine entsprechenden Daten sowie zum Vergleich auch die diesbezüglichen Daten der übrigen Teilnehmer.

Trotz weitgehend einheitlicher Definitionen und ähnlicher Surveillance-Protokolle existieren aber zwischen den in den verschiedenen Systemen ermittelten Infektionsraten große Unterschiede. Besonders niedrige oder hohe nationale Infektionsraten lassen jedoch nicht automatisch auf das Niveau der Infektionsprävention in den einzelnen Ländern schließen. Vergleiche sind in der Regel nur dann möglich, wenn man die trotz aller Ähnlichkeiten existierenden methodischen Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen gut kennt und bei der Interpretation berücksichtigen kann.