Die Rolle der Länder bei der Sicherstellung der medizinischen Versorgung und des Bevölkerungsschutzes im Pandemiefall geht einerseits aus dem Nationalen Pandemieplan [1] und andererseits aus verfassungsrechtlichen Vorgaben hervor. Die Länder haben an der Erarbeitung des Nationalen Pandemieplanes mitgewirkt und zur Vorbereitung auf eine Influenzapandemie Verfahrensabläufe in ihren Pandemieplänen beschrieben. Darüber hinaus haben sie antivirale Arzneimittel bevorratet und Verträge mit Impfstoffherstellern zur Sicherstellung der Impfstoffverfügbarkeit im Pandemiefall abgeschlossen.

Der nationale Pandemieplan beinhaltet die Annahme, dass bei einer Pandemie 30% der Bevölkerung erkranken könnten, davon etwa die Hälfte wegen eines schwereren Verlaufs einen Arzt aufsuchen müsste und die Todesrate vergleichbar oder höher als bei einer normalen, saisonalen Influenzawelle sein würde.

Der Verlauf der Influenza (H1N1) 2009-Pandemie war deutlich milder und erforderte ein von den Planungsgrundlagen abweichendes Vorgehen, das zum Teil sehr kurzfristig angepasst und umgesetzt werden musste. In dieser Zeit mussten parallel zu den bestehenden Strukturen des Versorgungssystems und parallel zu den bestehenden rechtlichen Vorgaben kurzfristig neue Regelungen etabliert werden. Die Intensität der sich dabei ergebenden Abstimmungsbedarfe mit allen Beteiligten war für die Länder eine große Herausforderung.

Erste Aufarbeitungen des Geschehens zeigen einen Anpassungsbedarf in den Pandemieplanungen in folgenden Punkten:

  • Die regional unterschiedlichen Verläufe erfordern eine Flexibilisierung bei der Anpassung der Strategien.

  • Die Kommunikation mit der Fachöffentlichkeit auf allen Ebenen muss verbessert werden.

  • Die Surveillance zum Beispiel zur Schwere der Erkrankung (Krankenhaussurveillance) und der Mortalität sollte ausgebaut werden.

  • Impfaktivitäten sollten von einer zeitnahen Erfassung der Impfraten begleitet werden, um die Betroffenheit der verschiedenen Risikogruppen in Bezug auf Nebenwirkungen des Impfstoffs frühzeitig erfassen und die Verteilung steuern zu können.

Weitere im aktuellen pandemischen Geschehen mit Influenza (H1N1) 2009 gewonnene Erkenntnisse sollen nach und nach aufgearbeitet, bewertet und bei der zukünftigen Pandemieplanung berücksichtigt werden.

Verlauf der Pandemie

Strategie und Maßnahmen

Die im nationalen Pandemieplan festgelegte Strategie umfasst zunächst den Versuch, über seuchenhygienische Maßnahmen die Geschwindigkeit der Ausbreitung und mithin die autochthone Ausbreitung eines Erregers soweit wie möglich zu verzögern, um Zeit für die Herstellung und Verteilung eines möglichen Impfstoffes zu gewinnen.

Der Verlauf der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 war gekennzeichnet durch eine lange Phase, in der hauptsächlich Fälle aus den USA und Spanien importiert wurden, bis es im Herbst zur schnellen Ausbreitung autochthoner Fälle kam [2].

In der Anfangsphase des pandemischen Geschehens galt es, alle Verdachtsfälle zu erfassen (Meldepflicht), labordiagnostisch abzuklären und durch konsequente infektionshygienische Maßnahmen eine Ausbreitung zu verhindern (sogenannte Containment-Strategie). In jedem Einzelfall hat der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ermittelt, wo die Infektion erworben wurde und wer sich angesteckt haben könnte. Um weitere Ansteckungen zu verhindern, wurden Kontaktpersonen von Erkrankten (sogenannte ansteckungsverdächtige Personen) in der Regel zu Hause isoliert („Quarantäne“). Es wurde die Einnahme antiviraler Medikamente zur Prophylaxe und zur Behandlung labordiagnostisch bestätigter Kranker empfohlen. Alle Influenza-A-Verdachtsfälle wurden anfänglich im nationalen Referenzlabor für Influenza (NRZ) am Robert Koch-Institut (RKI) untersucht – bis eine adäquate Diagnostik in weiteren Laboren der Länder zur Verfügung stand. Die ersten Länder hatten die PCR-Diagnostik ab dem 1.5.2009 etabliert, konnten sich also fast von Beginn an aktiv an der Labordiagnostik beteiligen. In den Monaten Mai bis Juli erfolgte die Diagnostik überwiegend aufgrund einer epidemiologischen Indikation und war eine Entscheidungsgrundlage für Isolierungsmaßnahmen.

Eine fließende Anpassung der Strategie auf Basis der aktuell vorliegenden Daten erfolgte ab Juli 2009 [3]. Die Isolierungsmaßnahmen wurden zunehmend nur noch auf Personen angewandt, die andere besonders gefährdete Personen betreuten, und schließlich, bei steigender Anzahl autochthoner Fälle, wurde nur noch allen Erkrankten empfohlen, bis mindestens einen Tag nach Abklingen der Symptome zu Hause zu bleiben. Auch die Empfehlungen zum Einsatz antiviraler Medikamente wurden angesichts der tatsächlichen Schwere der Erkrankung modifiziert, von der Empfehlung zur prophylaktischen Einnahme für Kontaktpersonen bis zur Empfehlung, nur noch Personen mit einem besonderen Risiko antiviral zu behandeln.

Die strategischen Entscheidungen wurden auf Basis der vom RKI erhobenen Daten beraten und von allen Ländern gemeinsam beschlossen. In der Umsetzung wurden über das Internet, Faxe, Briefe, Telefonkonferenzen, Presse sowie Hotlines alle beteiligten Institutionen und Personen (vor allem Ärzte, Krankenhäuser, Schulen), aber auch die Bürger informiert.

In den Ländern wurde ein zeitlich auseinanderfallender Beginn der Hauptwelle registriert. Beispielsweise erfolgte der Anstieg der autochthonen Fälle in Bayern teilweise mehrere Wochen vor dem Anstieg der Fallzahlen in anderen Ländern (Abb. 1). Rückwirkend betrachtet, wäre die Anpassung der Strategie in den Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten erforderlich gewesen.

Abb. 1
figure 1

Verlauf der Inzidenzraten der gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten Fälle an pandemischer Influenza (H1N1) 2009 im Herbst 2009. Exemplarisch sind die vier bevölkerungsreichsten Bundesländer dargestellt. (Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 10.6.2010)

Um insbesondere in der Anfangszeit Einschleppungen aus Risikogebieten wie Mexiko, USA und Kanada über den internationalen Flugverkehr zu reduzieren, verständigten sich die Ländergesundheitsbehörden mit den Verkehrsressorts des Bundes und der Länder auf folgende Maßnahmen: Nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) Art. 28 hat der Pilot eines Flugzeuges einen Erkrankungsverdacht zu melden. Am Ankunftsflughafen wurde der Erkrankte von einem Arzt untersucht, und bei Erkrankungsverdacht wurden die Mitpassagiere über diesen Verdacht informiert beziehungsweise deren Daten aufgenommen (Aussteigerkarten), um sie später zu verständigen, falls sich der Erkrankungsverdacht bestätigte. Wenn ein ernsthafter Verdacht für eine Ansteckung der Mitpassagiere bestand, mussten diese während der Inkubationszeit isoliert werden. Die Mitpassagiere durften aber so lange weiterreisen, wie sie noch nicht ansteckend waren.

Im Umgang mit der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 wurde nach Realisierung des leichteren Krankheitsverlaufs und der niedrigen Ansteckungswahrscheinlichkeit in Flugzeugen später davon abgesehen, die Mitpassagiere von Erkrankten zu verständigen. Entweder an Bord von Flügen aus Risikogebieten (Länder mit andauernder autochthoner Übertragung gemäß WHO) oder an den deutschen Ankunftsflughäfen wurden Merkblätter zur pandemischen Influenza (H1N1) 2009 und zum Vorgehen in Deutschland verteilt. An den großen Flughäfen wurde ein niederschwelliges medizinisches Beratungs- und Untersuchungsangebot etabliert. Teilweise fand anfänglich auch eine aktive Begehung von Flugzeugen aus Risikogebieten unmittelbar nach der Landung statt. Mit zunehmender Ausbreitung weltweit und innerhalb Deutschlands wurden die Maßnahmen an Flughäfen schrittweise gelockert.

Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung die Maßnahmen an den Flughäfen im Vordergrund standen, intensivierten auch die Hafenärztlichen Dienste ihre Überwachungsaufgaben, berieten die Reedereien, Passagiere, schiffsausrüstenden Apotheken, Betriebsärzte und anderen Hafenbehörden und reagierten auf Krankheitsmeldungen an Bord. Von der Schifffahrtsindustrie wurde früh erkannt, dass durch die Pandemie eine Gefährdung für den internationalen Transport und Reiseverkehr auf See entstehen könnte und Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen: Gerade die großen Passagierschiffe mit ihren multinationalen Besatzungen und Passagieren sind ein Risikoumfeld für Krankheitsausbrüche durch respiratorische Erkrankungen. Trotz der Anwesenheit eines Schiffsarztes sind wegen der hohen Personenzahl an Bord und der eingeschränkten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten besondere Maßnahmen der Surveillance und Prophylaxe erforderlich, um Krankheitsausbrüche früh zu erkennen und zu behandeln. In der Frachtschifffahrt standen Fragen der Diagnostik und Therapie ohne Arzt an Bord und der Schiffsicherheit im Vordergrund. Hier war das Interesse seitens der Reedereien hoch, zu Fragen der Ausrüstung, Diagnostik, Impfung, Meldepflichten und Infektionsschutzmaßnahmen beraten zu werden. Bereits im April 2009 hatte der „Arbeitskreis der Küstenländer für Schiffshygiene“ als Gremium der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine gemeinsame Empfehlung mit dem RKI in Berlin zu diesen Fragen herausgegeben. In den folgenden Monaten kam es zu kleineren Krankheitsausbrüchen auf Frachtschiffen und Passagierschiffen. Von der Kreuzfahrtindustrie wurde ein gesundheitliches Screening bei Reiseintritt implementiert (pre-embarkation screening), das im Jahr 2010 fortgeführt wird. Insgesamt blieben die Verzögerungen beim Schiffsverkehr durch Infektionsfälle an Bord und durch Maßnahmen des ÖGD in Deutschland gering.

Anlässlich von Großveranstaltungen wie der Kieler Woche oder der Leichtathletik-WM in Berlin wurde diskutiert, ob zur Reduktion der weiteren Erregerverbreitung eine Absage der Veranstaltung erwogen werden muss. Dies wurde angesichts des bis dahin nicht schwerwiegenden Erkrankungsverlaufs und der zu diesem Zeitpunkt nur begrenzten Zahl an importierten Infektionen nicht weiter verfolgt. Die Durchführung der international viel beachteten Veranstaltungen bei gleichzeitiger Umsetzung von Maßnahmen des Infektionsschutzes war von den örtlich zuständigen Behörden zu gewährleisten. Im Vorfeld wurden deshalb vielfältige Abstimmungen zwischen Veranstaltern und ÖGD notwendig, in deren Ergebnis beim Auftreten von Verdachts- und Erkrankungsfällen individuelle sachorientierte Entscheidungen getroffen werden konnten.

Erkenntnisse aus verschiedenen Surveillancesystemen

Situation an den Schulen und Auswirkungen der Sommerferien

Nachdem das epidemiologische Geschehen in Deutschland in den Monaten Mai und Juni 2009 durch eine Einschleppung von Einzelfällen, vor allem aus Mexiko und den USA, geprägt war, veränderte sich die Situation mit Beginn der Sommerreisezeit. Plötzlich wurde das Geschehen von der massiven Erregerübertragung unter jugendlichen Touristen auf Mallorca und in vergleichbar beliebten Reisezielen in Spanien dominiert. Eine besondere epidemiologische Rolle spielten folglich die Termine der Sommerferien. Diese unterschieden sich aber zwischen den Bundesländern um bis zu fünf Wochen. Niedersachsen, als Bundesland mit frühem Ferienbeginn noch im Juni 2009, erlebte dadurch bereits ab der 28. Kalenderwoche eine sehr starke Zunahme an Fällen pandemischer Influenza (H1N1) 2009 und vor allem an abklärungsbedürftigen Verdachtsfällen, die mit der Containment-Strategie kaum noch zu bewältigen waren. In anderen Bundesländern, in denen die Ferien noch nicht begonnen hatten, waren die entsprechenden Inzidenzraten zu diesem Zeitpunkt noch deutlich geringer (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verlauf der Inzidenzraten der gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten Fälle an pandemischer Influenza (H1N1) 2009 während der Ferienzeit 2009 nach Bundesland. Exemplarisch sind vier Bundesländer dargestellt, zwei mit frühem Ferienbeginn (Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) und zwei mit spätem Ferienbeginn (Baden-Württemberg und Bayern). In der Legende sind in Klammern die Ferienzeiträume als Kalenderwochen (KW) angegeben. (Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 26.5.2010)

Ende Juli 2009 führten die unterschiedlichen Ferientermine erneut zu sehr differierenden Interessenlagen in den Bundesländern. Zu diesem Zeitpunkt wurden in einigen Bundesländern, die noch kurz vor dem Beginn ihrer Sommerferien standen, Schulschließungen als Reaktion auf Erkrankungsfälle unter den Schülern durchgeführt, um die Zeit bis zu den Ferien zu überbrücken. Über diese Vorgänge wurde bundesweit in Medien berichtet, und auch in den Bundesländern, in denen die Ferien bereits zu Ende gingen, erwarteten Schüler, Eltern und Lehrer prophylaktische Schulschließungen wegen der vielen infizierten Reiserückkehrer. Von den verantwortlichen Behörden wurden prophylaktische Schulschließungen wegen des bereits absehbaren milden Krankheitsverlaufs bei Kindern und Jugendlichen jedoch nicht als verhältnismäßig erachtet. Dennoch war es in diesem Umfeld sehr schwierig, einen möglichst uneingeschränkten und reibungslosen Start des neuen Schuljahres zu organisieren.

Die höchste Belastung der Schulen durch erkrankungsbedingte Abwesenheiten wurde schließlich während der Hauptwelle der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 im November beobachtet (Abb. 3 Beispiel Hessen). In dieser Phase kam es immer wieder zu reaktiven Schließungen einzelner Schulen durch die Schulleitung, weil kein geregelter Unterricht mehr möglich war.

Abb. 3
figure 3

Krankheitsbedingte Abwesenheit von Schülern und Lehrern in Hessen, 45. KW 2009 bis 4. KW 2010, nach Regierungsbezirken. Erhoben wurden die Daten in Grundschulen und Sekundarstufe I für Schüler und Lehrer und in Sekundarstufe II (berufliche Schulen, gymnasiale Oberstufen) für Lehrer

Situation in Kindergärten/Kindertagestätten

Neben der bundesweiten Surveillance auf Basis der Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) und dem System der Sentinelpraxen der Arbeitsgemeinschaft Influenza haben einige Bundesländer in den vergangenen Jahren Surveillance-Systeme für akute respiratorische Erkrankungen bei Kindern etabliert. Diese Systeme basieren überwiegend auf zwei Säulen. Die erste Säule besteht aus einer syndromischen Surveillance in ausgewählten Kindergemeinschaftseinrichtungen durch die Gesundheitsämter, das heißt, wöchentlich wird in den teilnehmenden Kindergärten und Kindertagesstätten die Abwesenheitsquote der Kinder aufgrund respiratorischer Erkrankungen erfragt. Eine virologische Sentinelsurveillance in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Pädiatern oder Hausärzten bildet die zweite Säule. Neben Influenzaviren umfasst der Untersuchungsumfang je nach Bundesland auch weitere respiratorische Viren wie Picorna-, Adeno-, Respiratory Syncytial- (RS-) oder Metapneumoviren [4].

Diese Systeme haben während der Pandemie wertvolle Informationen über das Ausmaß der autochthonen Ausbreitung geliefert. Insbesondere während der Sommermonate, als die epidemiologische Lage durch Infektionen bei jungen erwachsenen Reiserückkehren aus Spanien geprägt war, wurden durch dieses Sentinelsystem noch kaum Infektionen ohne Reisehintergrund erfasst. Somit konnte gefolgert werden, dass in dieser Phase noch keine nennenswerte autochthone Ausbreitung stattfand.

Daneben zeigte das System, dass auf dem Höhepunkt der Pandemie, also in der 47. KW 2009, die Abwesenheitsquote in den Kindergemeinschaftseinrichtungen und die Positivrate der Influenza-Labornachweise nicht höher waren als während der saisonalen Influenzawelle im Januar/Februar 2009 (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Ergebnisse der syndromischen Surveillance akuter respiratorischer Erkrankungen (ARE) in Kindergemeinschaftseinrichtungen (orange) und der virologischen Sentinelsurveillance (blau) in Niedersachsen in der Saison 2008/09 und 2009/10 im Vergleich

Schwere der Erkrankung und Belastung der Versorgungssysteme

Die Handlungsstrategie wurde nach Beobachtung des Anstiegs der autochthonen Erkrankungen in allen Bundesländern dahingehend geändert, die Auswirkungen der Pandemie bestmöglich zu bewältigen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt noch kaum Systeme zur Überwachung der Belastung der Krankenhäuser durch Erkrankungen an pandemischer Influenza (H1N1) 2009 etabliert. In Hessen konnte ein Überwachungssystem bereits kurz vor der 47. Woche 2009 etabliert werden – zu diesem Zeitpunkt war jedoch auch schon der Scheitelpunkt der Erkrankungswelle erreicht. Es zeigte sich, passend zum Scheitelpunkt der Welle, eine höhere Anzahl an Patienten, die wegen eines komplizierteren Verlaufs der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 auf die Intensivstation aufgenommen werden mussten (Abb. 5). Ein Teil dieser Patienten blieb längere Zeit beatmungspflichtig. Anekdotisch ist bekannt, dass in dieser Zeit die Behandlungsplätze für die extrakorporale Membranoxigenierung (ECMO) von Influenza (H1N1) 2009-Patienten stark in Anspruch genommen wurden. Die Betreuung der Patienten war innerhalb des normalen Versorgungssystems möglich. Bei einer schwerer verlaufenden Pandemie mit einer Vielzahl von zeitgleich auftretenden schweren Erkrankungsfällen könnte es jedoch zu Problemen in den Versorgungssystemen kommen.

Abb. 5
figure 5

In hessische Krankenhäuser neu aufgenommene Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion (SARE) oder einer A/H1N1v-Infektionen pro 100 Betten von der 47. KW 2009 bis zur 4. KW 2010. Ebenfalls dargestellt ist die Anzahl der A/H1N1-Neuaufnahmen auf eine Intensivstation pro 100 Intensivbetten und die Anzahl neu beatmungspflichtiger A/H1N1-Fälle pro 100 Beatmungsplätze. Angaben zur Anzahl der vorhandenen Intensivbetten und Beatmungsplätze liegen nicht für alle Krankenhäuser vor. Dies wurde bei den Berechnungen entsprechend berücksichtigt

In Zukunft sollten bundesweit vergleichbare Krankenhaussurveillance- oder Sentinelsysteme als Dauererfassung etabliert werden, um die Belastungen in einer Pandemiewelle deutlich früher zu erkennen.

Antivirale Arzneimittel

Auf Grundlage eines Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom 23. Februar 2006 haben die Länder orientierend an einer fachlichen Empfehlung des RKI antivirale Arzneimittel für Therapiezwecke bevorratet [5]. Diese Bevorratung sollte nur zum Einsatz kommen, wenn der freie Arzneimittelmarkt eine Knappheit erkennen lässt. Die Gesundheitsminister der Länder haben am 25. Juni 2009 bekräftigt, dass die Maßnahme der staatlichen Arzneimittelbevorratung dann in Betracht kommt, wenn eine allgemein die Bevölkerung bedrohende konkrete Infektionskrankheit oder eine damit verbundene Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht anders abgewehrt werden kann [6]. Im Verlauf der Pandemie (H1N1) 2009 wurde die Verfügbarkeit antiviraler Arzneimittel auf dem „freien Markt“ fortlaufend durch die Arzneimittel überwachenden Behörden überprüft, um eventuell entstehende Engpässe rechtzeitig zu erkennen und die staatliche Reserve in den Markt einspeisen zu können. Ein Versorgungsengpass mit antiviralen Arzneimitteln war zu keinem Zeitpunkt erkennbar, sodass die staatlichen Vorräte nicht benötigt wurden. Als antivirale Arzneimittel wurde überwiegend Oseltamivir-Active-Pharmaceutical-Ingredient (API)-Pulver bevorratet, das gegenüber den Fertigarzneimitteln eine deutlich längere Haltbarkeit hat und daher weiterhin als Arzneimittelreserve zur Verfügung steht. Ob es angesichts möglicher Resistenzentwicklungen weiterhin eingesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Die langfristige Verwendung der bevorrateten Fertigarzneimittel wird überprüft.

Impfungen

Zum Zeitpunkt der Entwicklung der Impfstrategie waren der Verlauf der Pandemie und die Erkrankungsschwere nicht klar absehbar. Bei den konzeptionellen Überlegungen zur Durchführung der Impfung mussten sowohl die Impfung der Gesamtbevölkerung als auch die vorrangige Impfung bestimmter Berufsgruppen und besonders gefährdeter Gruppen berücksichtigt werden. International zeigte der Verlauf, dass insbesondere Personen mit bestimmten Risiken (Vorerkrankungen, Schwangerschaft) schwer erkrankten und auch verstarben, sodass diese vorrangig von der Impfung profitieren würden [7].

Basis für die Impfstoffbestellung und die sich anschließenden Regelungen waren die seit 2007 bestehenden Verträge zwischen den Bundesländern und den Impfstoffherstellern zur Impfstoffverfügbarkeit im Influenza-Pandemiefall. Den Verträgen lag die Annahme zugrunde, dass die Gesamtbevölkerung in diesem Fall zweimal geimpft werden muss, um einen ausreichenden Immunschutz zu erreichen. Die Verträge wurden zum Teil mit Ausrufung der Phase 6 durch die WHO aktiviert. Die endgültige Entscheidung über die Menge des zu bestellenden Impfstoffs erfolgte in Abstimmung der Länder mit dem Bund. Basis der Entscheidung war die sich im internationalen Geschehen abzeichnende besondere Betroffenheit von Risikogruppen. Die Abwägung des gesundheitlichen Risikos ließ eine gegenüber der ursprünglichen Planung reduzierte Bestellmenge zu.

Da der Impfstoff nur für die Pandemie zugelassen und mithin auch nur an Regierungen abgegeben worden war, waren die Länder in der Pflicht, das Konzept für die Durchimpfung der Bevölkerung zu erstellen und umzusetzen. Hierfür mussten die Verteilungs-, Vertriebs- und Bestellwege der regulären Arzneimittelversorgung verlassen und mit einer Vielzahl an Sonderregelungen und Vertragsabschlüssen neu organisiert werden. Zu den Aufgaben der Länder gehörten einerseits die Organisation der Verteilung, wie zum Beispiel der Transport des Impfstoffs ins Land, die Lagerung im Land, die Verteilung an die Apotheken und die Ermöglichung der Bestellung, und andererseits die Einbindung der Ärzte, die die Impfung durchführen sollten. Die Pandemieplanung sah eine durch den ÖGD koordinierte Impfung der Gesamtbevölkerung vor, bei der die punktuelle Einbindung niedergelassener Ärzte bereits berücksichtigt worden war. In vielen Ländern erfolgte die Durchführung der Influenza (H1N1) 2009-Impfung überwiegend durch niedergelassene Ärzte, da dies wegen der vorrangigen Impfung von Patienten mit Risikofaktoren sinnvoll erschien.

Aufgrund der produktionstechnisch bedingten späten Verfügbarkeit der Impfstoffe gegen die pandemische Influenza (H1N1) 2009 konnte in Deutschland erst ab dem 26. Oktober 2009 mit den Impfaktionen begonnen werden. Bereits drei Wochen später war der Höhepunkt der Influenzawelle erreicht. Während der ersten Wochen bis zum Abflauen der Erkrankungswelle war die Impfbereitschaft hoch, jedoch stand der Impfstoff aufgrund der beschränkten Produktionskapazität und des weltweiten Bedarfs nur in verhältnismäßig kleinen Mengen pro Woche zur Verfügung. Ab der 43. Kalenderwoche (KW) bis zur 49. KW wurde Impfstoff jeweils für nur knapp 2% der Bevölkerung geliefert.

Die geringen Liefermengen machten in dieser Zeit eine staatliche Lenkung der Verteilung in vielen Bundesländern erforderlich. Die Bestellwünsche aus den Apotheken konnten nicht erfüllt werden, da die wenigen vorhandenen Impfdosen möglichst flächendeckend verteilt werden mussten, um in allen Regionen Impfungen zu ermöglichen. Erschwerend kam hinzu, dass die Länder kurzfristig über die Gebindegröße von 500 Fläschchen informiert worden waren, was eine Verteilung kleinerer Verpackungseinheiten an die Apotheken nicht ermöglichte. Seitens der Apotheken und der Arztpraxen entstand ein großes Informationsbedürfnis über die zukünftig zu erwartenden Liefermengen, da die Bestellabläufe und die Praxisorganisation (Terminvergabe) hieran gebunden waren.

Es war nicht möglich, wenigstens alle Personen, die mit einem besonderen Risiko behaftet waren und die daher prioritär zu impfen gewesen wären, auch in den ersten Wochen zu impfen. Für die praktische Umsetzung war die Bereitstellung des Impfstoffes in 10er-Dosiseinheiten problematisch, da Impftermine oftmals von weniger als zehn Personen gleichzeitig wahrgenommen wurden. Dadurch ergaben sich die Alternativen, Impfstoff zu verwerfen oder Impfwillige wegzuschicken.

Im Dezember 2009 – als ausreichend Impfstoff zur Verfügung stand – sank die Nachfrage jedoch drastisch. Ursache waren vermutlich einerseits die rückläufige Erkrankungswelle, die sinkende Zahl an Berichten über Schulschließungen oder Todesfälle in den Medien und letztlich die verwirrende Diskussion in der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit und Verträglichkeit der Impfung. Tatsächlich zeigen aber die zwischenzeitlich vorliegenden Untersuchungen zu dem in Deutschland eingesetzten Impfstoff „Pandemrix“, dass dieser bei rechtzeitiger Impfung wirksam war [8]. Die von der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA publizierten Ergebnisse zeigen eine mit dem saisonalen Impfstoff vergleichbare geringe Zahl an ernsten Nebenwirkungen, jedoch eine schlechtere Verträglichkeit [9]. Ab Herbst 2010 wird ein trivalenter Impfstoff mit der H1N1-Komponente verfügbar sein.

In Deutschland liegen noch nicht alle Daten zur Impfung gegen die pandemische Influenza (H1N1) 2009 vor. In Hessen wurde ein Datenerfassungssystem zwar rechtzeitig etabliert, jedoch in einem ersten Schritt nur vom ÖGD und deren Impfstellen (Krankenhäuser, Betriebe et cetera) eingesetzt. Das Datenerfassungssystem wurde vom Universitätsklinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main noch vor Festlegung der Informationsbedarfe so konzeptioniert und technisch umgesetzt, dass jederzeit Anpassungen/Optimierungen möglich waren [10]. Das Konzept ist variabel umsetzbar, weil alle Impfstellen über eine gesicherte Intranetverbindung zum Universitätsklinikum vernetzt werden können und damit jede Meldung über ein web-basiertes Datenerfassungsformular (Abb. 6) erfolgen kann. Es wird keine besondere Software benötigt, sondern lediglich ein beliebiger Internetbrowser und ein Internetzugang. Deshalb kann eine Erweiterung oder Verkürzung des Formulars auch während des laufenden Betriebs erfolgen. Ebenso kann eine aktuelle Information (zum Beispiel zur Qualität einer Charge) sofort und zeitgleich alle Impfstellen erreichen. Die Information kann quittungsbedürftig sein, und die Bestätigung wird mit Zeitstempel im Datensatz dokumentiert. Das System ist mandantenfähig, multilingual und auf eine unbegrenzte Anzahl von Benutzern ausgelegt, da die Anzahl der Benutzer (und gegebenenfalls deren Sprache) bei Beginn einer Impfmaßnahme nicht feststeht. Die Daten werden direkt in der zentralen Datenbank abgelegt und können – je nach Zugriffsberechtigung – zu unterschiedlichen Zwecken (Bewertung von Nebenwirkungen, Bewertung der Effektivität der Impfung, Steuerung der Verteilung, Abrechnung et cetera) verwendet werden. Die Daten können „on click“ – also stets aktuell – ausgewertet und sofort grafisch dargestellt werden. Über Kennworte und Passworte mit entsprechendem Rechtesystem besteht ein Schutz vor unzulässigem Zugriff. Das System kann unabhängig von der Organisation einer landesweiten Impfaktion zur Datenerfassung eingesetzt werden.

Abb. 6
figure 6

Dateneingabemaske wie sie in Hessen primär vom Öffentlichen Gesundheitsdienst und dessen Impfstellen (Krankenhäuser, Betriebe) verwandt wurde

Im Ergebnis konnte in Deutschland die Gesamtnachfrage nach einer Impfung mehr als befriedigt werden, die Impfung wurde jedoch im Durchschnitt nur von etwa 7% der Bevölkerung in Anspruch genommen.

Kommunikation der Behörden

Dem Ansturm an Anfragen wurde mit der Einrichtung von Bürger-Hotlines zur pandemischen Influenza (H1N1) 2009 auf verschiedenen Ebenen (Gesundheitsämter, Länder, RKI) begegnet, die über Wochen intensiv in Anspruch genommen wurden. Alle Informationsmaterialien mit Empfehlungen für die Ärzte zur Diagnostik und Therapie der Erkrankung, zum Umgang mit Kontaktpersonen oder zur Meldung wurden regelmäßig an die Ärzteschaft weitergeleitet. Vor Ort wurden viele Informationsveranstaltungen für Bürger angeboten, die jedoch insgesamt wenig Resonanz fanden.

Die Länder hatten im Allgemeinen eine Homepage eingerichtet, die mit anderen großen Institutionen vernetzt war [Landesärztekammer, Kassenärztliche Vereinigung (KV), Krankenhausgesellschaft] und regelmäßig aktualisiert wurde. Teilweise wurden auch direkte Rundbriefe mit Informationsmaterial für die Ärzteschaft versandt. In der Regel waren die KVen eng eingebunden, die zum Teil auch eine Beratung für die Ärzte aufgestellt haben. Die Inanspruchnahme war vor allem während der ersten Impfaktionen sehr groß, da viele Fragen insbesondere zum logistischen Ablauf in den einzelnen Ländern zu klären waren. Technische Einrichtungen wie Internetforen, die in einigen Ländern etabliert wurden, sollten weiter ausgebaut werden. Hier könnten beispielsweise auch Impfstellen oder Impfärzte aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte in den Informationsfluss eingebunden werden.

Um das Vorgehen in den einzelnen Ländern möglichst einheitlich umzusetzen, fand auf Fachebene eine enge Abstimmung mittels regelmäßiger (wöchentlicher) Telefonkonferenzen beziehungsweise Besprechungen sowohl auf der Länderebene als auch mit den Gesundheitsämtern im Land statt.

Diskussion der bisherigen Erkenntnisse

Die im föderalen System vorhandene Möglichkeit, Maßnahmen der regionalen Situation anzupassen, sollte in der Pandemieplanung berücksichtigt werden. Strategiewechsel müssen sowohl der Fachöffentlichkeit als auch der allgemeinen Öffentlichkeit (1) als solche erkennbar sein, (2) transparent und eindeutig kommuniziert werden und (3) auf eine Weise begründet werden, die fachlich untermauert, aber gleichzeitig auch für die allgemeine Bevölkerung verständlich sind.

Die Einzelfallerfassung für die Infektionssurveillance gemäß IfSG bedeutete für die Gesundheitsämter zeitweilig eine erhebliche Arbeitsbelastung, zumal die zu übermittelnden Datensätze um Zusatzinformationen erweitert wurden, zum Beispiel zu Risikofaktoren oder zur Infektionsquelle. Der Übergang zu einer aggregierten Fallübermittlung führte schließlich zu einer deutlichen Arbeitsentlastung bei der Dateneingabe. Allerdings war die für die Übermittlung der Meldedaten verwendete Software weder für die Zusatzinformationen bei den Einzelfällen noch für die Mitteilung aggregierter Fallzahlen konzipiert, sodass hierfür keine entsprechend vordefinierten Datenfelder existierten, sondern Freitext verwendet werden musste. Trotz klarer Formatvorgaben zeigten diese Freitexteingaben eine erhebliche Variabilität. Dadurch ließ sich eine einheitliche Interpretation der Daten durch verschiedene Stellen, also auch durch die Landesbehörden und das RKI, nicht mehr gewährleisten. Dies zeigt, dass man für die Surveillance in einer Pandemie flexiblere EDV-Systeme innerhalb des ÖGD benötigt, die kurzfristig an die wechselnden spezifischen Informationsbedürfnisse angepasst werden können [2].

Eine Surveillance der stationären Behandlungsfälle kann in der Pandemie wertvolle Informationen liefern: einerseits über die Krankheitsverläufe, andererseits über die Belastung des stationären Sektors. Es hat sich gezeigt, dass nur solche Systeme, die bereits im Vorfeld bei den Meldern etabliert sind, verlässliche und ausreichend interpretierbare Erkenntnisse liefern. Zur Interpretation der Daten während einer Pandemie werden außerdem Vergleichsdaten aus der interpandemischen Zeit benötigt. Daher sollten Systeme zur Krankenhaussurveillance (gegebenenfalls in Form von Sentinels) dauerhaft etabliert werden, um in einer Pandemie belastbar und mit geringem Aufwand zu funktionieren.

Das Meldesystem gemäß IfSG erlaubt zwar die Mitteilung der Todesfolge bei Influenza-Fällen, eine allgemein erhöhte Sterblichkeit aufgrund nicht erkannter Influenza-Fälle kann hierdurch aber nicht erfasst werden. Die Daten der amtlichen Mortalitäts- und Todesursachenstatistik liefern solche Informationen, stehen aber nicht zeitnah zur Verfügung. Um kurzfristig die Auswirkungen einer Pandemie auf die Mortalität der Bevölkerung erfassen zu können, sollte daher eine zeitnahe Mortalitätsstatistik etabliert werden.

Welche Maßnahmen wann an welchen Flughäfen etabliert werden sollen, muss strategisch überdacht werden. Grundsätzlich ist die Effektivität von Maßnahmen an Flughäfen beschränkt, da sich viele Menschen, die im Reiseland eine Infektion erworben haben, aufgrund der kurzen Flugzeiten während des Rückfluges noch in der Inkubationszeit befinden und noch keine Symptome aufweisen. Ein Erkennen der Virusträger zu diesem Zeitpunkt ist nicht möglich. Da zu einem frühen Zeitpunkt nach der Infektion noch keine ausreichende Virusvermehrung stattgefunden hat und folglich auch noch keine Symptome sichtbar sind, kann man weder durch Sichtung noch durch objektivere Methoden [Laboruntersuchung (Schnellteste) oder Thermoscanner] erfassen, ob Personen infiziert sind. Es gelangen daher immer infizierte Menschen in das Land, die später erkranken. Auf dem Flug erkennen kann man bereits symptomatische Personen, da hier in der Regel auch eine längere Beobachtungszeit besteht. Fraglich ist also, ob eine zusätzliche „Medizinische Sichtung“ der Passagiere am Zielflughafen angesichts des großen Aufwandes einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt.

Bewährt haben sich die traditionell hohe Präsenz der Hafenärztlichen Dienste im Hafengebiet und auf den Schiffen und die guten Kommunikationsstrukturen und Partnerschaften zum Beispiel mit Hafenkapitänen, Reedern und Schiffsbesatzungen, die aus der Wahrnehmung der Routineaufgaben resultieren. Es hat sich aber auch gezeigt, dass gerade für die Passagierschifffahrt weitere Kapazitäten für den Fall von Krankheitsausbrüchen aufgebaut werden sollten, die die großen Passagierzahlen der Kreuzfahrtschiffe berücksichtigen. Die Designierung von Häfen nach Artikel 20 der Internationalen Gesundheitsvorschriften bietet Gelegenheit, die bestehenden Strukturen anhand der Erfahrungen aus der aktuellen Pandemie zu überdenken.

Die Beispiele zur Situation an den Schulen zeigen, dass unterschiedliche Voraussetzungen in den Bundesländern (in diesem Fall in Bezug auf die Ferien) zu jeweils unterschiedlichen Interessenlagen führen. Dies stand dem Bemühen des Bundes und der Länder gegenüber, durchgängig eine einheitliche Strategie zu verfolgen. Hier könnten bundeslandspezifische Strategien der epidemiologischen Situation besser gerecht werden.

Trotz der sehr intensiven Abstimmungen und Nutzung verschiedener Medien konnte insbesondere kein einheitlicher Informationsstand bei der Ärzteschaft erreicht werden. In der Bevölkerung bestand – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Berichterstattung in den Medien – bis zuletzt eine große Unsicherheit darüber, ob eine Impfung sinnvoll und ungefährlich ist. Die diesbezüglichen Ursachen müssen weiter untersucht werden, und es müssen bessere Wege gefunden werden, um die Ärzteschaft zu informieren und die Bevölkerung aufzuklären.

Die Schwierigkeit, alle Beteiligten gleichermaßen ausreichend zu informieren, wurde auch im Bericht über den vom RKI initiierten Erfahrungsaustausch zur Influenza (H1N1)-Pandemie im März 2010 thematisiert [11]. In einer derartigen Situation einerseits ausführlich über die Lage und die notwendigen Maßnahmen zu informieren und andererseits die Information so aufzuarbeiten, dass sie aufgenommen und umgesetzt werden können, bleibt eine Herausforderung auch im Hinblick auf zukünftige Geschehen.

Wünschenswert ist eine zeitnahe einheitliche Erfassung der durchgeführten Impfungen – wenigstens differenziert nach Geschlecht, Alter, verwendetem Impfstoff und der Angabe, ob es sich um die erste oder zweite Impfdosis handelt. Diese Angaben sind erforderlich, um auftretende Nebenwirkungen belastbar zu bewerten. Die Erfassung weiterer Daten (zum Beispiel Zugehörigkeit zur Berufs- oder Risikogruppe) wäre erforderlich, um zu erkennen, ob eine Impfung effektiv eingesetzt wird, das heißt, ob tatsächlich die Zielgruppen geimpft werden, die geimpft werden sollen. Erfolgt eine solche Erfassung zeitnah, kann die Auswertung auch zur gezielten Steuerung der Impfstoffverteilung verwendet werden. In Zukunft sollten derartige Lösungen unmittelbar mit Beginn einer Impfaktion zur Verfügung stehen und von allen impfenden Ärzten oder Impfstellen genutzt werden können.

Die Darreichung der Impfung in 10er-Dosiseinheiten wird für die Planung zukünftiger Szenarien kritisch hinterfragt werden müssen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird keine andere Darreichungsform in Aussicht gestellt, da die Herstellung von Einzeldosen deutlich länger dauert, weit mehr Lager-, Transport- und Verpackungskapazitäten erfordert und die Möglichkeiten zur Abfüllung sehr begrenzt sind. Die schnelle Verfügbarkeit im Falle einer Pandemie ist jedoch wesentlich.

In einigen Ländern wurden Internetforen etabliert. Diese konnten zum Schließen von Informationslücken beitragen und sollten weiter ausgebaut werden. Hier können beispielsweise auch Impfstellen oder Impfärzte aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte in den Informationsfluss eingebunden werden.

Als weiteres Problem zeigte sich eine sehr große Verunsicherung der Bürger darüber, ob und wo sie sich impfen lassen können. Die zeitnahe Information der Bürger muss – als Bestandteil des Kommunikationskonzeptes der Pandemieplanung – konsequenter umgesetzt werden. Dabei sollte verdeutlicht werden, dass während einer Pandemie nicht immer die gewünschte Datendichte vorliegt. Das „Nichtwissen“ muss offen kommuniziert werden, um den Freiraum für Spekulationen und selbst ernannte Experten zu reduzieren.

Fazit

Die Bewältigung der Pandemie war auch für die Länder und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei der Koordinierung und Organisation eine große Herausforderung. Innerhalb kürzester Zeit waren zahlreiche Regelungen zu etablieren, und Informationen mussten parallel zu einer sehr heterogenen Berichterstattung in der Öffentlichkeit und bei oft unvollständiger wissenschaftlicher Datenlage schnell und fachlich fundiert an die beteiligten Partner weitergegeben werden. Die umfangreiche Vorarbeit bei der Pandemieplanung hat sich als hilfreich erwiesen, auch wenn sie Punkte wie einen atypischen, abgeschwächten Pandemieverlauf nicht berücksichtigte und zahlreiche Regelungen kurzfristig geändert werden mussten. Die Veränderung planerischer Grundlagen und die zahlreichen „Überraschungen“, zum Beispiel bei der Logistik, haben die Grenzen der Planbarkeit eines pandemischen Geschehens gezeigt. Dennoch ist es gelungen, Impfstoff in Deutschland verfügbar zu machen und Impfungen anzubieten. In Zukunft sollten jedoch die Möglichkeiten zur landesweiten zeitnahen Datenerfassung bei solchen Impfaktionen geprüft werden.

Die regionale Flexibilisierung infektionshygienischer Maßnahmen bei unterschiedlichen epidemiologischen Entwicklungen in einem Seuchengeschehen sollte diskutiert und geprüft werden, inwieweit dies künftig im Nationalen Pandemieplan als strategische Option festgeschrieben werden kann. Weiterhin ist zu prüfen, ob und wie unter den Gesichtspunkten Organisationsaufwand, Finanzierung, Datenerfassung und Nachvollziehbarkeit für die Öffentlichkeit der Ablauf einer solchen Impfaktion optimiert werden kann. Die Ergebnisse sollten in den nationalen Pandemieplan einfließen.

Eine erfolgreiche Kommunikation mit allen Beteiligten ist Voraussetzung für die Akzeptanz staatlicher Maßnahmen. Dies muss bei der zukünftigen Pandemieplanung stärker in den Fokus gerückt werden.

Der Diskussionsprozess auf Länderebene ist noch nicht abgeschlossen. Die obersten Landesgesundheitsbehörden haben von der Gesundheitsministerkonferenz den Auftrag erhalten, die Evaluation des Pandemiegeschehens weiter voranzutreiben [12].