Im Jahr 1999 sind erstmals Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention erschienen, deren einzelne Empfehlungen mit einer Evidenzkategorie (I bis IV) belegt waren [1].

Bis dahin wurden zur Verdeutlichung und Differenzierung des Empfehlungsgrades (der Verbindlichkeit oder Notwendigkeit von einzelnen Empfehlungen) modale Hilfsverben wie „soll“, „sollte“ oder „muss“ verwendet. Um Anwendern in Klinik und Praxis die wissenschaftliche Grundlage von Empfehlungen zu verdeutlichen und zudem Entscheidungsspielräume aufzuzeigen, entschied sich die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, Evidenzgrade für die einzelnen Empfehlungen, basierend auf wissenschaftlichen Studien oder theoretischer Begründung, anzugeben.

Die Kriterien wurden in Anlehnung an die von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC, Atlanta) verwendeten Kriterien entwickelt und vom Robert Koch-Institut veröffentlicht. In Ergänzung zu den damals von den CDC verwendeten Kategorien wurde eine Kategorie IV eingeführt, um solche Anforderungen zu kennzeichnen, die gesetzliche Bestimmungen zur Grundlage haben (Tab. 1).

Tab. 1 Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (1999)

Einhergehend mit der Eingruppierung in eine Evidenzkategorie wurde, wann immer möglich, die zu dieser Eingruppierung führende Literatur zitiert, um dem Anwender die Möglichkeit zu geben, die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die eigenen Patienten zu überprüfen.

Von 1999 bis 2007 sind 13 verschiedene Empfehlungen, in denen die Evidenzkategorien verwendet wurden, veröffentlicht worden [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15].

Für 839 Einzelempfehlungen wurde dabei eine Kategorie vergeben, wobei zirka 70% der Empfehlungen der Evidenzkategorie IB entsprachen. Die anderen Kategorien wurden mit jeweils zirka 10% nahezu gleich häufig vergeben. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Bereichen. Während in klinischen Bereichen, zum Beispiel für die Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Pneumonien, ein Drittel der Empfehlungen der höchsten wissenschaftlichen Evidenzkategorie IA entsprachen, wurde diese Kategorie für die Empfehlungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten nicht einmal vergeben. Dies spiegelt jedoch auch die Realität und Ethik der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung wider. Während bestimmte Behandlungsmethoden durchaus im Rahmen klinischer Studien verglichen werden können, verbietet es die Ethik, wissentlich suboptimal aufbereitete Medizinprodukte am Menschen zu verwenden, sodass hier nicht klinische Studien, sondern Überlegungen zur besten technischen Praxis im Vordergrund stehen.

Die Evidenz-Kategorisierung hat sich in den zurückliegenden Jahren bewährt. Sie stellen in der täglichen Praxis der Hygiene eine starke Argumentationshilfe bei der Entscheidung für oder gegen die Einführung bestimmter Präventionsmaßnahmen dar.

Dennoch zeigte die Auseinandersetzung mit den Definitionen der Kategorien, dass bestimmte Formulierungen nicht mehr der Arbeitsmethodik der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention bei der Erstellung der Empfehlungen entsprechen und fortentwickelt werden sollten. Hatte man sich 1999 noch entschlossen, den Gültigkeitsbereich für einzelne Empfehlungen in das System der Kategorien zu integrieren („für alle Krankenhäuser“ in Kategorie IA und IB; „Einführung/Umsetzung in vielen Kliniken“ in Kategorie II), so zeigt sich inzwischen, dass diese Einschränkungen nicht dem Inhalt der Empfehlungen entsprechen. Zudem zeigte sich, dass gerade die Vergabe der Kategorie III zu Missverständnissen führte. So war nicht immer klar, ob von der Durchführung einer Maßnahme mit Kategorie III abgeraten wurde oder ob die Evidenz nicht ausreichte, zur Effizienz der Maßnahme Stellung zu nehmen.

Dies hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zum Anlass genommen, die Evidenzkategorien zu überarbeiten und zu konkretisieren, wo Bedarf bestand.

Hierbei wurden die folgenden Bedingungen zugrunde gelegt:

  • Um die Kontinuität der Richtlinie zu wahren, sollte die vorhandene Kategorisierung überarbeitet und so weit als möglich beibehalten werden.

  • Die örtlichen Einschränkungen „alle Krankenhäuser, viele Kliniken“ sollen als Kriterium für die Kategorisierung ersatzlos entfallen.

  • Die Abstufung der Kategorien erfolgt weiterhin nach Verbindlichkeit/Nachdrücklichkeit der Empfehlung (Empfehlungsgrad), wobei die wissenschaftliche Evidenz zur entsprechenden Eingruppierung führt.

Basierend auf diesen Vorgaben, wurden die in Tab. 2 dargestellten neuen Definitionen für die Kategorien erarbeitet. Je höher die wissenschaftliche Beweiskraft der vorhandenen Studien ist, desto nachdrücklicher wird die Umsetzung der Maßnahme empfohlen, da es sich um den derzeitigen Stand wissenschaftlicher Kenntnis und Erfahrung handelt. Mit den römischen Ziffern der Kategorie wird dem Grad der Empfehlung Ausdruck verliehen. Mit dem Buchstaben, der der Kategorie folgt, wird das Niveau der wissenschaftlichen Evidenz beschrieben. Die herangezogenen Studien sollen dabei im Hinblick auf den infektionspräventiven Wert jeweils den Endpunkt Infektion oder Tod des Patienten haben. Das Evidenzniveau A kennzeichnet Maßnahmen, deren Wirksamkeit in systematischen Reviews gut konzipierter Studien oder einzelnen hochwertigen randomisierten klinischen Studien nachgewiesen wurde, während für Maßnahmen, deren Wirksamkeit in weniger hochwertigen/aussagekräftigen klinischen Studien oder aber guten epidemiologischen Studien (zum Beispiel hochwertige Kohortenstudien) oder deren systematischen Reviews gezeigt wurden, das Evidenzniveau B erhalten.

Tab. 2 Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2010)

Die Kommission hat sich entschieden, sowohl bei Vorliegen systematischer Reviews gut konzipierter Studien oder randomisierter klinischer Studien als auch bei gleichzeitigem Vorliegen klinischer oder epidemiologischer Studien und strenger, das heißt plausibler und nachvollziehbarer theoretischer Ableitung, den höchsten Empfehlungsgrad I zu vergeben.

Die umfassendste Änderung ergibt sich für die Kategorie II, die bisher im Wesentlichen über eine Einschränkung des Gültigkeitsbereiches definiert war, die jetzt entfällt. Einschränkungen in der Zielpopulation der Empfehlung werden künftig im Text deutlich gemacht.

Liegen nur hinweisende Untersuchungen oder Studien vor, so sind auch hier strenge (plausible und nachvollziehbare) theoretische Ableitungen erforderlich, um eine Maßnahme zu empfehlen und dies mit Kategorie II zu bewerten.

Die plausiblen und nachvollziehbaren Ableitungen können auf der Basis von theoretischen Überlegungen oder auf der Basis von Analogieschlüssen beziehungsweise Ableitungen aus experimenteller Grundlagenforschung (zum Beispiel Laborexperimente oder Tierversuche) resultieren.

Die Literatur, die zur Vergabe der Kategorien führt, wird immer als entsprechende Referenz angefügt.

Der Text der Kategorie III wurde umformuliert, um zu verdeutlichen, dass hier eine Empfehlung nicht möglich ist, weder für noch gegen die Umsetzung der Maßnahme. Es handelt sich jedoch oft um kontrovers diskutierte Maßnahmen, für die nicht selten eine Reihe von Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen vorliegt. Daher wird eine Stellungnahme hierzu in den Empfehlungen für erforderlich gehalten. Anhand der zitierten Literatur kann entschieden werden, ob die Maßnahme vor Ort sinnvoll ist.

Wie bisher kann von den Vorgaben der Richtlinie grundsätzlich dann abgewichen werden, wenn nach Prüfung alternativer Maßnahmen diese nicht zu einem niedrigeren Schutzniveau für Patient und medizinischem Personal führen. Die entsprechenden Maßnahmen müssen im Fall der Abweichung von der Richtlinie fachlich begründet werden.

Mitglieder der Arbeitsgruppe

Martin Exner, Petra Gastmeier, Heinz-Michael Just, Axel Kramer, Joachim Martius, Martin Mielke, Alfred Nassauer, Roland Schulze-Röbbecke, Constanze Wendt (Leitung der Arbeitsgruppe)