Vor wenigen Jahren hätte der Versuch, den demografischen Wandel positiv, im Sinne von Chancen für eine Gesundheitswirtschaft zu deuten, allzu optimistisch angemutet. Verweise auf steigende Gesundheitsausgaben im Alter, sinkende Beitragseinnahmen der Krankenversicherung und damit einhergehende Schwierigkeiten, eine hochwertige Gesundheitsversorgung auch zukünftig finanzieren zu können, prägten eine insgesamt eher negative Einstellung zum demografischen Wandel. Das Bild hat sich entscheidend gewandelt. Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Gesundheitswesen werden weitaus weniger als ausschließliche Bedrohung gedeutet. Die intensive Auseinandersetzung mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens und seiner quantitativen und qualitativen Erfassung haben das Augenmerk zunehmend auch auf die Bedeutung der Gesundheit von Menschen für die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einer globalisierten Welt, auf das Gesundheitswesen als großen Arbeitgeber und wichtiges Einsatzfeld für Innovationen gerichtet. Das Gesundheitswesen stellt in diesem Verständnis nicht mehr nur einen Ausgabenfaktor dar, der allein im Jahr 2007 bei knapp 253 Milliarden Euro lag, was im Durchschnitt 3070 Euro je Einwohner entsprachFootnote 1; seine Waren und Dienstleistungen kommen vielmehr Investitionen gleich, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten oder steigern. Von einer guten oder verbesserten Gesundheit gehen wiederum positive Impulse auf die Gesamtwirtschaft aus, weil gesündere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter produktiver sind und – wenn sie gesund altern – dies auch länger bleiben können. Für die Produktion bestimmter Waren und Dienstleistungen der Gesundheitswirtschaft werden zudem Vorleistungen anderer Wirtschaftszweige benötigt, sodass eine Nachfrage nach entsprechenden Gesundheitsgütern positiv auch in diese Bereiche ausstrahlt. Bereits diese allgemeinen Ausführungen zeigen, wie vielfältig die Wirkungen der so verstandenen Investitionen in Gesundheit sein können. Das Gesundheitswesen auf die ausschließliche Rolle eines Ausgabenfaktors reduzieren zu wollen, würde dieser Gesamtwirkung in keiner Weise gerecht.

Der vorliegende Beitrag will die vielfältigen Herausforderungen des demografischen Wandels für das Gesundheitswesen nicht leugnen. Sein vorrangiges Ziel ist es jedoch, die Chancen, die sich aus seinen Wirkungen auf Nachfrage, Angebot und Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft ergeben, zu beleuchten. Der Beitrag nimmt das Thema insofern „positiv“ in den Blick, auch um zu einer ausgewogeneren Diskussion der Chancen und Herausforderungen des demografischen Wandels beizutragen. Dabei wird dem Begriff „Gesundheitswirtschaft“ der Vorzug gegeben, um die Blickrichtung auf die volkswirtschaftlichen Aspekte dieses Wirtschaftszweiges zu lenken. Gesundheitswirtschaft umfasst nach der Definition der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft die Erstellung und Vermarktung von Waren und Dienstleistungen, die der Bewahrung und Wiederherstellung von Gesundheit dienen [1]. Das Institut für Arbeit und Technik ordnet die Branchen zur Senioren- und Gesundheitswirtschaft in konzentrischen Schichten um einen Kernbereich der ambulanten und (teil-)stationären Gesundheitsversorgung an, der eine zentrale Stellung in der Versorgung älterer Menschen einnimmt. Die Branchen reichen vom Apothekenservice über das Gesundheitshandwerk (innere Schichten) bis zu Freizeit- und Wellnessangeboten, Gesundheitstourismus, gesundheitsbezogenen Sportangeboten und Wohnen im Alter (äußere Schichten).

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat Anfang 2008 das Forschungsprojekt „Erstellung eines Satellitenkontos für die Gesundheitswirtschaft in Deutschland“ in Auftrag gegeben. Ziel des Projektes war es, Daten über die volkswirtschaftliche Verflechtung der Gesundheitswirtschaft zu ermitteln und sie in Kategorien der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen abzubilden. Auch diese wachstums- und beschäftigungspolitische Blickrichtung wird zu einer erweiterten Abgrenzung der Gesundheitswirtschaft führen. Die Projektergebnisse wurden am 16. November 2009 veröffentlichtFootnote 2. Die Gesundheitswirtschaft ist insofern keine fest umrissene Branche, sondern ein Konglomerat verschiedener gesundheitsbezogener Zweige. Wesentlich ist, dass der Gesundheitswirtschaft ergänzend jene Bereiche zugeordnet werden, die ohne die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen vermittelt werden, also den direkten Käufen der Konsumentinnen und Konsumenten zuzuordnen sind. Privat erbrachte, unbezahlte Gesundheitsleistungen wie beispielsweise häusliche Pflegearbeit und Selbsthilfe bleiben unberücksichtigt. Da das Gesundheitswesen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen in viel stärkerem Maße mit ethisch-moralischen Fragen konfrontiert ist, werden der demografische Wandel und die Chancen für die Gesundheitswirtschaft im Folgenden nicht ausschließlich unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Effizienz betrachtet.

Potenziale mit Blick auf die Waren- und Dienstleistungsnachfrage

Auch wenn die Daten zur Entwicklung der gesunden Lebenserwartung in Deutschland darauf hindeuten, dass sich der Anteil älterer Menschen mit einem guten oder sehr guten Gesundheitszustand seit Mitte der 1990er-Jahre erhöht hat [2] und diese wünschenswerte Entwicklung künftig anhalten wird, ist von einem zunehmenden Bedarf an Gesundheitswaren und -dienstleistungen in der Bevölkerung auszugehen. Denn nach den Ergebnissen der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird die Zahl der ab 65-Jährigen weiter ansteigen, bis zum Jahr 2030 um ein Drittel: von 16,7 Millionen im Jahr 2008 auf 22,3 Millionen. Ab dem Jahr 2040 wird ein Rückgang erwartet. Die Bevölkerungszahl ab 80 Jahren wird bis zum Jahr 2050 steigen: von 4,1 Millionen im Jahr 2008 auf 10,2 Millionen [3]. Ältere Menschen haben einen höheren Bedarf an gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung als jüngere Menschen, da sie an alterstypischen, chronischen und häufig auch an mehreren, sich mitunter gegenseitig verstärkenden Erkrankungen gleichzeitig leiden.

Im Folgenden wird das Nachfragepotenzial an ausgewählten Beispielen beleuchtet.

Stationäre Krankenhausleistungen

Von den insgesamt 17,9 Millionen stationären Krankenhausfällen im Jahr 2008 waren 7,6 Millionen Fälle (42%) 65 Jahre und älter. Allein im Zeitraum 2000 bis 2008 hat sich die Altersstruktur der Krankenhauspatientinnen und -patienten deutlich hin zu den höheren Altersgruppen verschoben. Dies ist auf den kontinuierlichen Anstieg der Zahl an 65-jährigen und älteren Krankenhausfällen (+1,5 Millionen Fälle beziehungsweise +25%) zurückzuführen. Bei den unter 65-Jährigen ging die Zahl der stationären Krankenhausfälle im betrachteten Zeitraum dagegen um rund 783.000 Fälle (−7%) zurück [4] (siehe auch Abb. 1 und Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (http://www.gbe-bund.de), das umfassende statistische Angaben aus der Krankenhausstatistik und über 100 weiteren gesundheitsbezogenen Datenquellen kostenfrei bereithält).

Abb. 1
figure 1

Altersstruktur der Krankenhauspatientinnen und -patienten in den Jahren 2000 und 2008 (einschließlich Sterbe- und Stundenfälle). Altersspezifische Rate je 100.000 Einwohner. Quelle: Krankenhaustatistik, Diagnosedaten, Statistisches Bundesamt

Zu den voraussichtlichen Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Zahl der stationären Krankenhausfälle haben die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder eine Vorausberechnung durchgeführt [5]. Den unterschiedlichen Einschätzungen darüber, ob die steigende Lebenserwartung mit einem Anstieg der Lebenserwartung in Gesundheit verbunden ist, wurde durch zwei Szenarien Rechnung getragen: durch ein Status-Quo-Szenario, das konstante alters- und geschlechtsspezifische Diagnosefallquoten unterstellt, und durch ein Szenario „sinkende Behandlungsquoten“, bei dem angenommen wird, dass es entsprechend der Erhöhung der Lebenserwartung ab dem 60. Lebensjahr auch zu einer Verschiebung des Zeitraums für das Vorliegen schwerer Erkrankungen kommt. Betrachtet man beide Szenarien als Ober- beziehungsweise Untergrenze der wahrscheinlichen Entwicklung, so liegt der Korridor für voraussichtliche stationäre Krankenhausfälle im Jahr 2030 zwischen knapp 18 und 19 Millionen Fällen. Selbst im optimistischeren Szenario der sinkenden Behandlungsquoten würde sich die Altersstruktur der Krankenhausfälle bis zum Jahr 2030 weiter zugunsten der 65-Jährigen und Älteren verschieben. Ihr Anteil an den stationären Krankenhausfällen könnte dann bei rund 52% liegen (2007: 42%).

Die Inanspruchnahme stationärer Krankenhausleistungen bestimmt sich auch aus der durchschnittlichen Verweildauer der Patientinnen und Patienten. Sie ist im Zeitraum 2000 bis 2008 kontinuierlich zurückgegangen. Der Rückgang fiel bei älteren Menschen deutlicher aus als bei jüngeren. Im Jahr 2008 lag ein Krankenhausaufenthalt für ältere Patientinnen und Patienten bei durchschnittlich 9,6 Tagen. Er war damit 2,5 Tage kürzer als im Jahr 2000. Bei den unter 65-Jährigen ging die durchschnittliche Verweildauer um 1,2 Tage auf 7,2 Tage zurück [4]. Da ältere Menschen aufgrund ihrer Erkrankungsschwere und häufigeren Multimorbidität im Durchschnitt länger im Krankenhaus bleiben müssen als jüngere und ihr Anteil an den Krankenhauspatientinnen und -patienten steigt, könnte sich – demografisch bedingt – die rückläufige Entwicklung bei der durchschnittlichen Verweildauer abschwächen. Nach den Vorausberechnungen der statistischen Ämter würde die durchschnittliche Krankenhausverweildauer unter der Annahme konstanter altersspezifischer Verweildauern allein aufgrund der Alterung der Gesellschaft im Jahr 2030 im Vergleich zu 2005 um 0,5 Tage je Krankenhausfall steigen [5].

Aus den Vorausberechnungen können erste Anhaltspunkte für den künftigen Bedarf an Krankenhauskapazitäten abgeleitet werden. Der Bedarf hängt aber auch entscheidend davon ab, wie sich das in den Krankenhäusern zu behandelnde Erkrankungsspektrum entwickeln wird, ob künftig bislang stationär durchgeführte Krankenhausbehandlungen vermehrt ambulant erbracht und in welchem Umfang davon ältere Menschen profitieren werden.

Die Zahl der ambulanten Operationen, die die Krankenhäuser selbst durchführenFootnote 3 und die erstmals für das Jahr 2002 erfasst wurde, hat sich bis zum Jahr 2008 mit über 1,8 Millionen verdreifacht [6]. Neben dem medizinisch-technischen Fortschritt, der es ermöglicht, Operationen, die vormals einen stationären Aufenthalt erforderlich gemacht haben, auch ambulant durchzuführen, hat dazu auch die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) zur Abrechnung stationärer Krankenhausleistungen beigetragen. Aber auch die Patientinnen und Patienten wünschen mehr ambulante Operationen – beispielsweise um während des gesamten Behandlungsablaufs von nur einem Arzt betreut zu werden [7]. Da das Alter der Patientin/des Patienten kein limitierender Faktor für eine ambulante Operation ist und die Krankenhäuser in Deutschland im internationalen Vergleich eher wenige Leistungen ambulant anbieten, sehen Fachleute Potenzial für eine weitere Steigerung der entsprechenden Fallzahlen [8]. Der erwarteten Zunahme muss durch den Ausbau von Kapazitäten begegnet werden. Gleiches gilt für die Anschlussversorgung insbesondere älterer Menschen, auch nach einem stationären Krankenhausaufenthalt. Durch die sich verkürzende durchschnittliche Krankenhausverweildauer müssen insbesondere ambulante Pflegedienste und Rehabilitationskliniken in die Lage versetzt werden, den Versorgungsbedarf qualitativ hochwertig und effizient zu decken.

Pflegedienstleistungen

Neben körperlichen und seelischen Behinderungen erhöht vor allem das Alter das Risiko, pflegebedürftig zu werden. Im Dezember 2007 waren über 2,2 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Während bei den 70- bis unter 75-Jährigen jede/jeder Zwanzigste (5%) pflegebedürftig war, wurde für die ab 90-Jährigen mit 62% die höchste Pflegequote ermittelt (Abb. 2). Mit dem Alter steigt auch der Anteil der Pflegebedürftigen, die in Pflegeheimen betreut werden: Bei den 60- bis 64-Jährigen betrifft dies rund jede/jeden Vierten, bei den 90-Jährigen und Älteren bereits fast jede/jeden Zweiten.

Abb. 2
figure 2

Anteil der Pflegebedürftigen an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe (Alter und Geschlecht) zum Jahresende 2007 in Prozent. Quelle: Pflegestatistik, Statistisches Bundesamt

Im Zeitvergleich zeigt sich neben einer erhöhten Zahl an Pflegebedürftigen seit Beginn der Erhebung im Jahr 1999 ein Trend zur professionellen Pflege in Pflegeheimen und durch ambulante Pflegedienste. Im Vergleich zu 1999 ist die Zahl der in Heimen betreuten Pflegebedürftigen um rund 24% (+136.100 Pflegebedürftige) und die Zahl der durch ambulante Dienste Versorgten um 21% (+88.900) gestiegen. Die Pflege durch Angehörige beziehungsweise die Zahl der reinen Pflegegeldempfängerinnen und -empfänger stieg nur um 0,6% (+5700). Entsprechend sank auch der Anteil der zu Hause Versorgten von 72% im Jahr 1999 auf 68% im Jahr 2007 [9].

Nach den Ergebnissen einer Vorausberechnung der statistischen Ämter ist für die nächsten Jahre im Zuge der zunehmenden Alterung der Gesellschaft auch ein Anstieg der Zahl an Pflegebedürftigen in Deutschland wahrscheinlich [5]. Bei einem Szenario mit konstanten Pflegequoten sind im Jahr 2030 etwa 3,4 Millionen Pflegebedürftige zu erwarten, im Szenario „sinkende Pflegequoten“ knapp 3 Millionen. Deutliche Verschiebungen sind bei den Altersstrukturen feststellbar: Im Jahr 2030 werden rund 48% beziehungsweise 51% aller Pflegebedürftigen 85 Jahre und älter sein. Der Pflegesektor wird sich insofern auch künftig sehr dynamisch entwickeln. Auch Verbesserungen des Gesundheitszustandes werden die Entwicklung nicht aufhalten können [10].

Die Vorausberechnungen können erste Anhaltspunkte für die künftige Entwicklung des Versorgungsbedarfs mit Pflegeleistungen geben. Der Bedarf wird jedoch nicht nur von der sich verändernden Altersstruktur der Pflegebedürftigen und der Tatsache abhängen, dass ältere Pflegebedürftige eher im Heim versorgt werden. Auch die Entwicklung des familiären Hilfspotenzials wird eine wichtige Rolle spielen. In den letzten Jahren ist die Frauenerwerbstätigenquote ebenso beständig gestiegen wie die Zahl der Einpersonenhaushalte, in denen immer mehr ältere Menschen allein leben. In Zukunft wird eine Fortsetzung des Trends zu kleineren Haushalten erwartet [11]. Auch leben Kinder aufgrund der zunehmenden gesellschaftlichen Mobilität immer häufiger nicht mehr in der Nähe ihrer pflegebedürftigen Eltern. Folglich wird langfristig auch der Anteil älterer Menschen steigen, die über kein familiäres Netzwerk oder keine sonstige informelle Unterstützung verfügen. Dies dürfte die Nachfrage nach Pflegeleistungen professioneller Anbieter erheblich erhöhen. Die Perspektiven für die Anbieter von Pflegeleistungen sind dabei umso positiver einzuschätzen, je mehr es ihnen gelingt, den differenzierten Ansprüchen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen unter anderem in Bezug auf Versorgungsformen, Pflegequalität und Finanzierbarkeit zu entsprechen.

Selbstmedikation

Die privaten Haushalte kaufen Gesundheitswaren und -leistungen auch vollständig auf eigene Rechnung, beispielsweise Arzneimittel zur Selbstmedikation eigeninitiativ und ohne Rezept. Im Jahr 2008 gaben die privaten Haushalte 4,1 Milliarden Euro für rezeptfreie Arzneimittel aus Apotheken und 230 Millionen Euro für freiverkäufliche Arzneimittel aus Drogerie- und Verbrauchermärkten aus. Zwar sind die Umsätze mit Arzneimitteln zur Selbstmedikation in den letzten Jahren rückläufig, was daran liegt, dass freiverkäufliche Arzneimittel aus Drogerie- und Verbrauchermärkten weniger nachgefragt werden. Das Volumen der Selbstmedikation ist dennoch beachtlich. Der Anteil der Selbstmedikation an den Packungseinheiten lag im Jahr 2008 bei 42% [12].

Bei Selbstmedikationen besteht wie bei Arzneimittelverordnungen eine starke Korrelation zum Alter. Gesetzlich Krankenversicherten im Alter von 60 Jahren und älter wurden nach den Ergebnissen des WIdO-Monitors 2006 im Schnitt 15,9 Arzneimittel verordnet. Hinzu kamen im Mittel 7,2 privat gekaufte Präparate zur Selbstmedikation [13]. Älteren Menschen werden damit nicht nur in einem größeren Umfang Arzneimittel verordnet, sie selbst erwerben auch häufiger zusätzliche Arzneimittel. Der Anteil der Männer im Alter von 60 Jahren und älter, die zusätzlich zur Verordnung durch Ärzte Selbstmedikationsprodukte kauften, lag bei 47,0%, der der Frauen sogar bei 63,5% [13]. Da eine zusätzliche Selbstmedikation sowohl die erwünschten als auch unerwünschten Wirkungen verordneter Arzneimittel verstärken kann, sollten im Zusammenhang mit der Selbstmedikation Chancen vorrangig in qualitativer Hinsicht gesehen werden, das heißt, es müssen Lösungen für eine ausreichende Abstimmung der Gesamtmedikation aus Verordnungs- und Selbstmedikation erarbeitet werden. Insgesamt werden die Chancen für den Selbstmedikationsmarkt entscheidend vom Umfang der künftig auf Rezept erhältlichen Arzneimittel abhängen.

Güter der Gesundheitspflege

Nach den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die fünfjährlich (zuletzt 2003 und 2008) über die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland informiert, zählt die Gesundheitspflege zu den Bereichen, in denen SeniorenhaushalteFootnote 4 überdurchschnittlich viel zum Konsum beitragen [14]. Mit 116 Euro monatlich gaben sie im Jahr 2003Footnote 5 einen weit über dem Durchschnitt jüngerer Haushalte (73 Euro) liegenden Betrag für die Gesundheitspflege aus. Die Ausgaben im Bereich der Gebrauchsgüter für Gesundheitspflege (zum Beispiel Hörgeräte, Zahnersatz, Blutdruckmessgeräte) waren in den Seniorenhaushalten im Schnitt um ein Drittel höher als in Durchschnittshaushalten (23 statt 17 Euro monatlich; siehe auch Abb. 3). Hinter den Durchschnittsangaben verbirgt sich eine erhebliche Ausgabenspanne. Besonders deutlich wird das beim Zahnersatz: Seniorenhaushalte, die im Jahr 2003 Ausgaben für Materialkosten beim Zahnersatz (einschließlich Eigenanteil) hatten, zahlten im Mittel 117 Euro pro Monat. Das ist zirka 15-mal mehr als in einem Durchschnittshaushalt, der dafür weniger als 8 Euro monatlich ausgab. Für Verbrauchsgüter der Gesundheitspflege (unter anderem Medikamente einschließlich Eigenanteile und Rezeptgebühren, Salben, Spritzen, Verbandsstoffe) gaben Seniorenhaushalte im Jahr 2003 durchschnittlich 41 Euro im Monat aus, also das 1,5-Fache eines Durchschnittshaushalts (27 Euro pro Monat). Die Ausgaben der Haushalte mit 80-jährigen und älteren Haupteinkommensbezieherinnen und -beziehern lagen in einzelnen Bereichen im Vergleich zum Durchschnitt zum Teil mehr als doppelt so hoch. Ähnliches gilt auch für die Dienstleistungen im Bereich Gesundheitspflege. Im Zeitraum 1993 bis 2003 ist zudem eine sukzessive Verschiebung zugunsten der Ausgabenanteile für Gesundheitspflege vor allem bei den privaten Haushalten mit Haupteinkommensbezieherinnen und -beziehern von 70 Jahren und älter zu beobachten.

Abb. 3
figure 3

Monatliche Konsumausgaben privater Haushalte im Bereich der Gesundheitspflege nach Alter der Haupteinkommensbezieherin/des Haupteinkommensbeziehers 2003 in Euro. Quelle: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, Sonderauswertung, Statistisches Bundesamt

Die Chancen für die Gesundheitswirtschaft, die sich aus einer sich verändernden privaten Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen im Bereich Gesundheitspflege ergeben, hängen entscheidend von den künftigen Präferenzen der Bevölkerung bezüglich ihrer Gesundheitsversorgung, von ihren finanziellen Möglichkeiten und vom Umfang der über die Krankenkassen finanzierten Gesundheitswaren und -dienstleistungen ab. Wie die Ergebnisse einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zeigen, wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung Vielfalt in der Leistungserstellung und ist auch bereit, für zusätzliche Wahlfreiheiten mehr zu bezahlen [15]. Wenn sich das in den letzten Jahren verändernde Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung weiter ausbildet, ist davon auszugehen, dass solche Menschen auch im Alter bereit sind, in ihre Gesundheit zu investieren.

Zusatzversicherungen

Chancen aus dem demografischen Wandel dürften sich auch für die Versicherungswirtschaft insbesondere im Bereich der Zusatzversicherungen bieten. Der Bestand an Zusatzversicherungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Zum Jahresende 2008 gab es nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherung rund 21 Millionen private Zusatzversicherungen und damit 7,1 Millionen Versicherungen mehr (+52%) als Ende 2000 [16]. Als ursächlich werden Einschnitte im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und die Möglichkeiten zur Kooperation zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung genannt (Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2003). Ende 2008 gab es 15,4 Millionen Zusatzversicherungen zur Ergänzung beziehungsweise Verbesserung des Grundversicherungsschutzes (ambulante Tarife, Tarife für Wahlleistungen im Krankenhaus, Zahntarife); dieses entspricht einem Zuwachs von 980.000 Versicherungen gegenüber dem Vorjahr [16]. Hierin spiegelt sich das Bedürfnis der Bevölkerung wider, sich über den gesetzlichen Schutz hinaus individuell abzusichern. Von der Versicherungswirtschaft wurden im Jahr 2008 über Zusatzversicherungen Einnahmen in Höhe von rund 5,9 Milliarden Euro erzielt [16].

Potenziale mit Blick auf das Waren- und Dienstleistungsangebot

Die nachfrageseitigen Wirkungen des demografischen Wandels werden das Waren- und Dienstleistungsangebot der Gesundheitswirtschaft nicht unbeeinflusst lassen und entsprechende Anpassungen bei den Kapazitäten und Produkten in quantitativer und qualitativer Hinsicht erfordern. Darauf wurde in den Ausführungen zu den stationären Krankenhausleistungen und Pflegedienstleistungen bereits eingegangen. Im Folgenden werden darüber hinausgehende Beispiele für Potenziale bei der Angebotsseite angesprochen. Zur begrifflichen Fixierung neuer Wirtschaftscluster, die auf die Belange älterer Menschen und ihre Gesundheitsnachfrage ausgerichtet sind, hat sich mit „Seniorenwirtschaft“ ein eigener Begriff etabliert [17].

Produkte der Seniorenwirtschaft

Die erweiterten Sortimente gesundheitsbezogener, speziell auf ältere Menschen zugeschnittener Produkte stellen eine Antwort auf entsprechende Nachfrageänderungen dar. Die diesbezüglichen Beispiele sind vielfältig. Sie reichen von Rollstühlen, Bewegungsbetten, Gesundheitstoiletten und Sturzsensoren über telemedizinische Überwachungen, künstliche Hüftgelenke und Hörgeräte bis zu Sportkursen für die Zielgruppe 60plus. Der Begriff „ambient assisted living“ wurde dabei für den Einsatz innovativer technischer Hilfsmittel geprägt, die den persönlichen Freiheitsraum und die Autonomie von Menschen mit Assistenzbedarf (unter anderem aufgrund von Behinderungen, Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit) vergrößern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt für den Aufbau entsprechender regionaler Netzwerke altersgerechter Assistenzsysteme Fördermittel bereit [18, 19].

Der demografische Wandel ist insofern eine Chance vor allem auch für die Bereiche Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation. Diese traditionell auf Menschen im beschäftigungsfähigen Alter ausgerichteten Angebote werden zunehmend um entsprechende Angebote zur Gesundheitsversorgung älterer Menschen ausgeweitet. Auch wenn sich genetische Prädispositionen nicht grundsätzlich verändern und sich altersphysiologische Veränderungen des Körpers bestenfalls verlangsamen lassen, sind gesundheitlich relevante Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol und mangelnde körperliche Aktivität wichtige veränderbare Einflussgrößen für gesundes Altern [20]. Entsprechend spielen Angebote für gesunde Personen, die sich fit halten wollen, ebenso eine Rolle wie beispielsweise Gesundheitschecks zur Entdeckung von Krankheitsfrühstadien oder Sportangebote für Patientinnen und Patienten zur Verhinderung bleibender Einbußen. Älteren Menschen wird der Zugang zu diesen Angeboten erleichtert, wenn sie „unter einem Dach“ integriert sind. Wirtschaftliche Potenziale werden insbesondere bei Angeboten für Selbstzahlerinnen und -zahler gesehen, zum Beispiel wenn krankenkassenfinanzierte Präventivangebote in privatfinanzierte Folgekurse münden und mit dem steigenden Interesse der älteren Menschen an Gesundheitsdienstleistungen – insbesondere an der Prävention – diese auch bereit sind, dafür Geld auszugeben.

Chancen für neue Gesundheitsprodukte ergeben sich auch dort, wo bislang ausreichende Angebote fehlen, zum Beispiel im Bereich weiterer Hilfsmittel für ältere und hilfsbedürftige Menschen sowie der physikalischen Therapie, um Pflegefälle zu vermeiden und eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen [21]. Der Entwicklung weiterer gesundheitsbezogener Produkte für ältere Menschen scheint kaum Grenzen gesetzt. Zudem werden die Eigenschaften neuer Produkte mit Blick auf die Zielgruppe aktiv und verstärkt beworben, um die erwünschte Nachfrage zu stimulieren.

Fachübergreifende Kooperationen

Die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz geschaffene Möglichkeit der engeren Kooperation unterschiedlicher ärztlicher Fachgebiete sowie mit nichtärztlichen Leistungserbringern, zwischen medizinischen Fachdisziplinen sowie zwischen Medizin und Pflege dürfte ebenfalls den Interessen gerade auch der älteren Patientinnen und Patienten entsprechen, „aus einer Hand“ versorgt zu werden. Auch wenn die Motive für einen fachübergreifenden Zusammenschluss mehrerer Leistungserbringer beispielsweise in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), in geriatrischen Kliniken, Abteilungen oder in sonstigen kooperierenden und vernetzten Praxisformen mit multiprofessionellen Teams sehr unterschiedlich und breit gefächert sind, so bergen sie auch Chancen zur Überwindung der im deutschen Gesundheitswesen beklagten sektoralen Grenzen. Möglichkeiten zur Berufsausübung im Anstellungsverhältnis und flexible Arbeitszeitmodelle tragen ebenso dazu bei wie die Realisierung von Kostendegressionspotenzialen und Synergieeffekten. Die Anzahl der MVZ steigt stetig an. Im 1. Quartal 2009 gab es in Deutschland 1257 MVZ, in denen durchschnittlich vier bis fünf Ärztinnen und Ärzte arbeiteten [22]. Durch das systematische Zusammenspiel der Akteurinnen und Akteure werden zudem positive Wirkungen auch für das Fallmanagement erwartet.

Individuelle Gesundheitsleistungen

Ein weiteres Beispiel für einen bedeutender werdenden Zweig des Gesundheitsmarktes sind die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Dies sind ärztliche Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zählen und die die Patientin/der Patient beim Arzt zukaufen kann. Sie reichen von Augeninnendruck- und Knochendichtemessungen über Vitaminkuren bis zu reisemedizinischen Leistungen. Das Volumen der IGeL wird – ohne zahnärztliche Leistungen – auf rund eine Milliarde Euro geschätzt [23]. Informationen über die Höhe des Konsums älterer Menschen können nur indirekt aus der Nachfrage abgeleitet werden. Aus den Ergebnissen einer Patientenbefragung im Jahr 2005 wird deutlich, dass älteren Menschen etwas seltener als jüngeren IGeL angeboten werden beziehungsweise sie diese in Anspruch nehmen. Die Frage, ob im Laufe der letzten zwölf Monate in einer Arztpraxis ärztliche Leistungen als Privatleistungen angeboten oder in Rechnung gestellt worden sind, bejahten 26% der 50- bis 65-Jährigen und 22% der 66-Jährigen und Älteren [23]. In diesem Zusammenhang sollte aber auch darauf hingewiesen werden, dass IGeL den eigentlich notwendigen evidenzbasierten Bedarf gerade für ältere Menschen einengen können und die ärztlichen Leistungserbringer schon jetzt überlastet arbeiten. Die Anbieter stehen auch in der Kritik, mithilfe der IGeL die Patientin/den Patienten als eine Einnahmequelle zu erschließen, das heißt, es steht nicht mehr die Krankheit, sondern der Verdienst im Vordergrund.

Grundsätzlich sind Selbstmedikation und IGeL Zweige der Gesundheitswirtschaft, die vom Älterwerden der Gesellschaft profitieren, ohne dass sie zwangsläufig einen Ausgabenfaktor für die Krankenversicherungen darstellen.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich auch in der Gesundheitswirtschaft Angebot und Nachfrage wechselseitig verstärken. Studienergebnissen zufolge soll eine zusätzliche Nachfrage nach Gesundheitswaren und -dienstleistungen in Milliardenhöhe existieren [24]. Um eine Nachfrage in dieser Größenordnung stimulieren zu können, wird es darauf ankommen, die Produkte zielgruppengerecht zu entwickeln und den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden weitestgehend Rechnung zu tragen. Dies schließt die Orientierung an den Bedürfnissen der Angehörigen mit ein.

Potenzial mit Blick auf Forschung und Entwicklung

Die pharmazeutische und medizintechnische Industrie hat mit ihren Produkten in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, den Gesundheitszustand der Bevölkerung erheblich zu verbessern und ihre Lebenserwartung zu verlängern. Wichtige Beiträge leisteten beispielsweise neuartige Diagnose- und Therapieverfahren im Bereich der gegen Tumore gerichteten Medikamente oder der vor lebensbedrohenden Folgeerkrankungen bei Diabetes oder Bluthochdruck bewahrenden Medikamente. Dies sind Erkrankungen, von denen besonders ältere Menschen betroffen sind. Krankheiten wie Demenzen, Parkinson, Herz- und Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen oder Krebs treten im Alter gehäuft auf. Zur Bekämpfung dieser Alterskrankheiten fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung neben umfangreichen krankheitsspezifischen Projekten auch neue, unmittelbar altersbezogene Forschungsvorhaben. Im Fokus stehen weniger einzelne Krankheitsbilder, sondern spezifische Aspekte der Multimorbidität sowie die Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und der Autonomie im Alter [25]. Der Transfer der Forschungsergebnisse in die Patientenversorgung soll durch Kompetenznetzwerke verbessert werden. Die Netzwerke Demenzen, Parkinson, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Rheuma und Depression beschäftigen sich mit Erkrankungen, die insbesondere ältere Menschen betreffen [25]. In dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt „Ältere gezielt erreichen“ steht die systematische Weiterentwicklung zielgruppenorientierter Zugangswege im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Eine angemessene Versorgung älterer Menschen in der letzten Lebensphase im Hinblick auf die ausreichende Gabe von Schmerzmitteln und eine zuwendungsorientierte Medizin und Pflege gilt nach wie vor als eine der größten Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen.

Mit den Innovationen sind – neben der Optimierung der Qualität der Patientenversorgung – auch Chancen verbunden, die Effizienz der Prozesse und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verbessern. Energieeffizientere Neugeräte, die Aufrüstung gebrauchter Geräte mit neuester Technologie oder die Reduzierung der Strahlendosis bei der Computertomographie gelten dafür als Beispiele.

Die pharmazeutische und medizintechnische Industrie sind eng in das System der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden. Die Nachfrage nach neuartigen Medikamenten und medizinischen Apparaten wird daher wesentlich von rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen beeinflusst. Dennoch werden der pharmazeutischen Industrie die besten Zukunftsaussichten bescheinigt, weil die Versorgung mit Arzneimitteln zum Grundbedarf der Menschen zählt und ihr Absatz damit weniger von der wirtschaftlichen Situation beeinflusst wird als der anderer Produkte [26]. Viele therapeutische Innovationen der letzten Jahre beziehen sich auf höhere und hohe Altersgruppen [27]Footnote 6. Neuartige Präparate und neue Darreichungsformen wie im Mund schmelzende Tabletten dürften vor allem auch für ältere Patientinnen und Patienten vorteilhaft sein. Zudem sind immer mehr Menschen bereit, über die Versicherungsleistungen hinaus privat Geld in ihre Gesundheit zu investieren.

Chancen für die Beschäftigung im Gesundheitswesen

Die Leistungserstellung im Gesundheitswesen ist personalintensiv, insbesondere in der unmittelbaren Patientenversorgung. Daher wird der Bedarf an Arbeitskräften im Gesundheitswesen schneller wachsen als in der Gesamtwirtschaft. Vor allem personenbezogene beziehungsweise haushaltsnahe Dienstleistungen in der Pflege und Betreuung alter und kranker Menschen, die bisher vor allem von nicht oder von nur in Teilzeit erwerbstätigen Frauen erbracht werden, bergen Potenzial für mehr Beschäftigung.

Beschäftigte im Gesundheitswesen nach Berufen

Schon heute ist das Gesundheitswesen – gemessen an der Beschäftigtenzahl – die größte Wirtschaftsbranche in Deutschland. Im Jahr 2007 waren 4,4 Millionen Personen und damit etwa jeder zehnte Beschäftigte im Gesundheitswesen tätigFootnote 7. Seit 2000 ist diese Zahl um 281.000 Beschäftigte (+7%) gestiegen. Der Anstieg wäre höher ausgefallen, wenn dem Gesundheitswesen nicht durch die Verlagerung bisher intern erbrachter Dienstleistungen auf externe Anbieter zusätzlich Beschäftigte verloren gegangen wären.

54% der im Gesundheitswesen Beschäftigten arbeiteten 2007 in einem Gesundheitsdienstberuf zum Beispiel als Ärztin/Arzt, psychologische Psychotherapeutin/Psychotherapeut, medizinische Fachangestellte/-angestellter oder Gesundheits- und Krankenpflegerin/-pfleger. Die Gesundheitsdienstberufe konnten in den Jahren 2000 bis 2007 einen kontinuierlichen Beschäftigtenzuwachs verzeichnen (+217.000 Beschäftigte, Anstieg auf 2,4 Millionen Beschäftigte). Gleiches gilt für die sozialen Berufe (+113.000 Beschäftigte, Anstieg auf 372.000 Beschäftigte), vor allem die Zahl der Alterpflegerinnen und -pflegerFootnote 8 (+106.000 Beschäftigte, Anstieg auf 348.000 Beschäftigte) ([28], Tab. 1). Die innerhalb des ersten Jahres der Pflegereform eingestellten 10.000 zusätzlichen Betreuungskräfte [29] werden sich in der Statistik des Jahres 2008 niederschlagen. Der überdurchschnittliche Beschäftigtenzuwachs bei den Pflegekräften spiegelt deutlich den Wandel im gesundheitlichen Versorgungsbedarf der Bevölkerung insbesondere im Bereich der pflegerischen Leistungen wider, der – wenn er sich fortsetzt (wofür wiederum alle Anzeichen sprechen) – weitere Stellen erforderlich machen dürfte. Den Gesundheitsdienstberufen und Pflegeberufen kommt damit eine entscheidende Rolle für die Beschäftigungsentwicklung im deutschen Gesundheitswesen zu.

Tab. 1 Entwicklung des Gesundheitspersonals nach Berufen 2000 bis 2007 in Tausend. Quelle: Gesundheitspersonalrechnung, Statistisches Bundesamt

Beschäftigte im Gesundheitswesen nach Einrichtungen

Krankenhäuser sind der größte Arbeitgeber im Gesundheitswesen. Jede/jeder vierte Beschäftigte im Gesundheitswesen (1,1 Millionen) arbeitete im Jahr 2007 in einem Krankenhaus. Dennoch kam es in keiner anderen Gesundheitseinrichtung zu einem umfangreicheren Beschäftigungsrückgang, unter anderem infolge von Schließungen, Fusionen und wechselnden Trägerschaften. Im Jahr 2007 wurden in Krankenhäusern 34.000 Menschen weniger beschäftigt als im Jahr 2000. Der Beschäftigungsrückgang ging dabei vollständig zulasten des nichtärztlichen Personals (−47.400 Beschäftigte, Rückgang auf 931.000 Beschäftigte). Die Zahl der hauptamtlichen Ärztinnen und Ärzte hat sich dagegen um 24.700 Beschäftigte auf 136.300 erhöht. In den Krankenhäusern fand damit eine Personalentwicklung hin zu hochwertigen Stellen statt.

Besonders hohe Beschäftigungszuwächse waren im Zeitraum 2000 bis 2007 in den Einrichtungen der (teil-)stationären Pflege zu verzeichnen (+106.000 Beschäftigte, Anstieg auf 574.000 Beschäftigte). Auch darin kommt der zunehmende Bedarf der Bevölkerung nach pflegerischen Leistungen zum Ausdruck.

Beschäftigte im Gesundheitswesen nach Beschäftigungsart

In der Gesundheitswirtschaft sind vielfach und vermehrt Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte tätig, darunter meist Frauen. Der absolute Zuwachs an Beschäftigungsfällen ist deshalb weitaus höher als das Beschäftigungsvolumen bei einer Umrechnung auf volle tarifliche Arbeitszeiten. In sogenannten Vollzeitäquivalenten zeigt das Beschäftigungsvolumen in der Gesundheitswirtschaft zwischen 2000 und 2007 aber dennoch einen Zuwachs um 2%. Zum Beschäftigungszuwachs in Vollzeitäquivalenten trugen vor allem die Einstellungen von Altenpflegerinnen und -pflegern (+52.000 Vollzeitäquivalente), (Zahn-)Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern (zusammen +20.000 Vollzeitäquivalente) bei. Zulasten der Vollzeitbeschäftigung ist im Zeitraum 2000 bis 2007 die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten deutlich um insgesamt 262.000 Personen (+25%) gestiegen, darunter befinden sich 221.000 Frauen. Damit arbeitete nahezu jede/jeder dritte Beschäftigte im Gesundheitswesen (30%) Teilzeit (2000: 26%) (Abb. 4).

Abb. 4
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Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen in Deutschland nach Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten in den Jahren 2000 bis 2007 in Tausend. Quelle: Gesundheitspersonalrechnung, Statistisches Bundesamt

Als Gründe für den Anstieg sind unter anderem der im Jahr 2001 eingeführte Rechtsanspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Teilzeitarbeit, allgemein Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die verschiedenen gesetzlichen Änderungen zur geringfügigen Beschäftigung zu nennen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus zu den Hauptgründen für die Ausübung einer Teilzeittätigkeit im Jahr 2007 gaben 19% der befragten Beschäftigten im Gesundheitswesen an, eine Vollzeittätigkeit nicht gefunden zu haben. Männer nannten diesen Grund doppelt so häufig (36%) wie Frauen (18%). Bei den sozialen Berufen begründeten damit sogar 50% der Männer und 30% der Frauen ihre Teilzeittätigkeit. Durch zusätzliche Vollzeitstellen ließe sich ein entsprechendes Beschäftigtenpotenzial im Gesundheitswesen erschließen.

Alterung der Beschäftigten im Gesundheitswesen

Beschäftigungschancen im Gesundheitswesen ergeben sich nicht nur durch die zu erwartende steigende Nachfrage nach Gesundheitswaren und -dienstleistungen infolge des demografischen Wandels, sondern auch durch die Alterung der Beschäftigten im Gesundheitswesen selbst. Sie resultiert aus einem wachsenden Anteil älterer Beschäftigter bei einem gleichzeitigen kontinuierlichen Rückgang des Anteils jüngerer: Im Zeitraum 2000 bis 2007 ist – wie Abb. 5 zeigt – trotz steigender Gesamtbeschäftigtenzahl die Zahl der Beschäftigten im Alter bis unter 35 Jahre um 149.000 Personen zurückgegangen, während die Gruppe der 50-Jährigen und Älteren im gleichen Zeitraum um 297.000 Beschäftigte gewachsen ist. Die Neuzugänge an Beschäftigten im Gesundheitswesen waren damit an Altersjahren zu fortgeschritten, um die Gruppe der unter 35-Jährigen zumindest ersetzen zu können. Im Jahr 2007 waren 23% (2000: 16%) der weiblichen Beschäftigten im Gesundheitswesen und 31% (2000: 27%) der männlichen 50 Jahre und älter. Nur bei den Frauen dominiert der Anteil der unter 35-Jährigen (33%) auch im Jahr 2007 den der 50-Jährigen und Älteren (23%) noch deutlich.

Abb. 5
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Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen in Deutschland nach den Altersgruppen „unter 35 Jahre“, „35 bis unter 50 Jahre“ sowie „50 Jahre und älter“ in den Jahren 2000 bis 2007 in Tausend. Quelle: Gesundheitspersonalrechnung, Statistisches Bundesamt

Die Alterung der Beschäftigten im Gesundheitswesen ist in den einzelnen Berufsgruppen unterschiedlich vorangeschritten. Bei den Pflegekräften ist sie eher unterdurchschnittlich, was auf die kurze Verweildauer (durchschnittlich nur vier bis zehn Jahre) im Beruf zurückzuführen ist [30]. Als Grund hierfür gelten hohe körperliche und psychische Belastungen durch steigende Arbeitsanforderungen und -verdichtungen, der Strukturwandel (zunehmender Wettbewerb, neue Arbeitszeitgesetze, leistungsorientierte Vergütungssysteme und Verweildauerverkürzungen der Patientinnen/Patienten), aber auch die alters- und diagnosespezifischen Veränderungen der Patientenstruktur [30].

Bei den Ärztinnen/Ärzten liegt der Anteil der 50-Jährigen und Älteren mit rund 38% im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen überdurchschnittlich hoch. Studienergebnissen zufolge werden zwischen 2007 und 2012 mehr als 41.000 Ärztinnen und Ärzte aus Altersgründen aus der kurativen Patientenversorgung ausscheiden [31]. Nachwuchs wird jedoch nicht – schon für den Ausgleich ohne Berücksichtigung eines steigenden Bedarfs infolge des demografischen Wandels – in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Dafür ist die Aussteigerrate im Laufe des Medizinstudiums zu groß. Sie lag für die Erstsemester 1997 bei rund 42% [32]. Zudem wandern immer mehr Ärztinnen und Ärzte ins Ausland ab. Im Jahr 2008 lag diese Zahl bei 3065 Ärztinnen und Ärzten und war noch nie so hoch [33].

Aus der Studienfächerwahl lässt sich ablesen, dass vor allem Fächer, die zu einer unmittelbaren Tätigkeit am Patienten ausbilden, Studierende verlieren. Im Wintersemester 2008/2009 studierten 76.042 Studentinnen und StudentenFootnote 9 Humanmedizin, 1890 weniger als im Wintersemester 2004/2005. Die Absolventenzahl im Fach Humanmedizin hat mit 9574 Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2007 zwar erstmals wieder das Niveau von vor zehn Jahren erreicht, Zuwächse bei den Studierenden gab es aber vor allem im Fach Gesundheitswissenschaften allgemeinFootnote 10 (+7506 Studierende vom Wintersemester 2004/2005 bis zum Wintersemester 2008/2009). Auch hat sich einer Studie zufolge in den Ballungszentren nur die Zahl der Ärztinnen und Ärzte erhöht, nicht aber die Zeit, die Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten widmen [34]. Über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und -zeiten, Qualifizierungsmöglichkeiten und Vergütung bieten sich Chancen, eine Beschäftigung im Gesundheitswesen attraktiver zu gestalten und dem Nachwuchsmangel in der kurativen Patientenversorgung gegenzusteuern. Auch der Abbau von Aufstiegsbarrieren für qualifizierte Frauen spielt dabei eine wichtige Rolle.

Neue Berufsbilder

Durch den Strukturwandel im Gesundheitswesen ergibt sich eine Vielzahl neuer Ausbildungsmöglichkeiten und Berufschancen, die neue Anforderungen an die Qualifikation stellen, neue Berufe entstehen lassen und bestehende Berufsbilder verändern. Die Gesundheits- und Krankenpflege ist davon ebenso betroffen wie Tätigkeiten im Bereich Management, Informationstechnologie oder Forschung und Entwicklung [35]. Wertvoll sind diese Veränderungen, wenn sie den Dienst an der Patientin/am Patienten von nicht berufsspezifischen Aufgaben entlasten, Entwicklungsmöglichkeiten im erlernten Beruf und neue Tätigkeitsfelder erschließen oder insgesamt dahingehend vorsorgen, dass Erfahrungen und Wissen der Beschäftigten durch ihren Verbleib im Gesundheitswesen erhalten bleiben. Eine besondere Bedeutung kommt dabei auch der altersgerechten Gestaltung der Laufbahnen und der berufsbegleitenden Qualifizierung für neue Tätigkeitsfelder oder Berufe zu; Stationssekretärin/Stationssekretär, Codierfachkraft oder Gesundheitsfachwirtin/-fachwirt sind Beispiele dafür [30]. Auch mit einer ganzheitlichen, Prävention, Rehabilitation und häusliche Nachsorge einschließenden Gesundheitsversorgung werden Chancen verbunden, neue altersgerechte Berufsfelder zu erschließen.

Die Berufsbilder differenzieren sich insofern aus und entwickeln sich qualitativ weiter, zusätzlich zeichnen sich Verschiebungen des Bedarfs in Richtung professioneller Pflege ab [10]. Dabei dürfte das Spezialistenwissen auch in der Pflege eine immer wichtigere Rolle einnehmen [30]. Zur Stärkung der gesellschaftlichen Anerkennung der Pflegeberufe trägt auch die Pflegereform 2008 bei, die unter anderem regelt, dass zugelassene Pflegeeinrichtungen ihren Beschäftigten ortsübliche Löhne zahlen müssen [36] und innerhalb von drei Jahren bis zu 21.000 neue Pflegestellen in den Krankenhäusern geschaffen werden sollen [37]. Auch mit der Anfang September 2009 gestarteten Aktion „Ich pflege, weil …“ will das Bundesministerium für Gesundheit das gesellschaftliche Ansehen der Pflegeberufe stärken und bei jungen Leuten entsprechende Berufsentscheidungen fördern [38]. Mit der im Juli 2009 beschlossenen Änderung der Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten wurden Modellklauseln für eine universitäre Ausbildung probeweise eingeführt [39].

Nach Schätzungen von Fachleuten könnten bei günstigen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2020 rund 200.000 neue Arbeitsplätze im Gesundheitswesen entstehen [40]. Entscheidend dürfte dabei das Zusammenspiel zwischen demografischer Entwicklung, Morbiditätsspektrum der Bevölkerung, medizinisch-technischem Fortschritt, Wandel des Leistungsspektrums und wachsender Bereitschaft der Menschen, für Gesundheit im Alter mehr Geld auszugeben, sein. Dabei geht es nicht nur um die von der GKV und PKV erbrachten Leistungen, sondern auch um neuartige Leistungen beispielsweise zur Hilfe bei der Lebensführung im höheren Alter [35]. Zu den Besonderheiten des Gesundheitswesens zählt, dass der medizinisch-technische Fortschritt die personalintensive Arbeitsweise im Wesentlichen unverändert lässt.

Die Entwicklung der Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen hängt aber auch vom Fortgang der Reformgesetzgebung in Deutschland und von den Regelungen der Europäischen Gemeinschaft ab. Auch die Ausbildungsordnungen und Berufsgesetze für Gesundheitsberufe müssen den Entwicklungen Rechnung tragen, die sich beispielsweise aus einer stärkeren Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe ergeben [35]. Grundsätzlich wird der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsgütern ein insgesamt schrumpfendes Arbeitskräftepotenzial gegenüberstehen. Dieser Entwicklung ließe sich mit der Schaffung zusätzlicher Stellen zur Beschäftigung von Arbeitssuchenden mit einem Gesundheitsberuf schon heute wirksam begegnen. Allein Ende Dezember 2007 waren insgesamt 126.000 Personen mit einem Gesundheitsberuf arbeitslos gemeldet. Die meisten Arbeitslosen (73.000 Personen) gab es bei den Gesundheitsdienstberufen [41]. Eine älter werdende Gesellschaft lässt zudem die qualitativen, geriatrischen Anforderungen an das Gesundheitspersonal steigen, beispielsweise im Hinblick auf den Umgang mit dementen Patientinnen und Patienten. Auch die qualitativen Anforderungen bergen Innovationspotenzial mit vielfältigen Chancen für die Beschäftigung im Gesundheitswesen.

Gesundheit als Kompetenz- und Gestaltungsfeld in den Regionen

Verschiedene Bundesländer und Regionen haben in den vergangenen Jahren Gesundheit als Kompetenzfeld erkannt und Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitswirtschaft ergriffen. Durch die Vernetzung und Bündelung von Wissen sollen sowohl die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessert als auch die Wirtschaftskraft gestärkt werden. Insbesondere in strukturschwachen Gebieten stehen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung fehlende Ressourcen und eine mangelnde Infrastruktur (zum Beispiel schlechte Ausstattung mit Allgemeinärztinnen und -ärzten) gegenüber. Gerade in diesen Gebieten kann der demografische Wandel zu einer steigenden Nachfrage nach „Gesundheit“ und einer positiven Beschäftigungsentwicklung führen. Dies zeigen auch Studien und regionale Schätzungen zur künftigen Entwicklung der Bruttowertschöpfung und der Erwerbstätigenzahlen in der Gesundheitswirtschaft [42, 43, 44, 45]. Mit der Ausbildung von Kompetenzzentren verbinden die Regionen zudem die Hoffnung auf ein steigendes Interesse weiterer Wirtschaftszweige an der Gesundheitswirtschaft.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert diese Entwicklung seit dem Jahr 2008 mit einem Wettbewerb „Gesundheitsregionen der Zukunft“. Eine der beiden Gewinnerregionen hat sich zum Ziel gesetzt, die Hausärzte durch den Einsatz von Telemedizin zu unterstützen und vor allem die Betreuungsqualität für Herz-Kreislauf-Erkrankte in strukturschwachen Gebieten zu verbessern [46]. Auch internationale gesundheitswirtschaftliche Modelle zeigen, dass Innovationen im Gesundheitswesen durch regional konzentrierte Zusammenarbeit entlang kompletter Wertschöpfungsketten am besten genutzt werden können [46]. Dadurch eröffnen sich auch Chancen für grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen.

Fazit

Der weitere demografische Wandel in Deutschland ist „vorprogrammiert“. Seine Auswirkungen werden – wie an ausgewählten Beispielen gezeigt werden konnte – nicht ohne Einfluss auf die Nachfrage nach und das Angebot an Gesundheitswaren und -dienstleistungen bleiben. Für die Patientinnen und Patienten beziehungsweise Kundinnen und Kunden werden Service und Komfort rund um das Angebot an Gesundheitsprodukten eine immer größere Rolle spielen. Patientenströme machen zunehmend auch nicht mehr vor den nationalen Grenzen halt. Die Akteurinnen und Akteure in der Gesundheitswirtschaft müssen auf die sich bietenden Chancen inhaltlich und zeitlich angemessen reagieren. Für die Beschäftigten im Gesundheitswesen können mit den veränderten Anforderungen an die gesundheitliche und pflegerische Versorgung der Bevölkerung vielfältige Chancen zur Qualifikation und Professionalisierung sowie zu stärkerem berufsgruppenübergreifendem und multidisziplinärem Arbeiten verbunden sein.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels für die Gesundheitswirtschaft sollten insofern über quantitative Anpassungen hinaus stärker auch als Chance für einen qualitativen Umbau von Strukturen diskutiert werden. Die Versorgungs- und Finanzierungskonzepte müssen daran ebenso ausgerichtet werden wie die strukturellen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen. Medizinisches und ökonomisches Potenzial wird von Fachleuten dabei insbesondere an den Schnittstellen der Leistungssektoren beispielsweise im Hinblick auf eine bessere Integration von pflegerischer, haus- und fachärztlicher Versorgung älterer Patientinnen und Patienten gesehen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen spricht sich in seinem Sondergutachten 2009 diesbezüglich für eine generationenspezifische Gesundheitsversorgung aus, „die bereits unter anderem mit präventiven Maßnahmen im Kindesalter ansetzt, die Patienten bei den altersspezifischen Übergängen optimal begleitet und im hohen Alter problembezogen versorgt und betreut“ [10].

Auch wenn weitere Wachstumspotenziale der Gesundheitswirtschaft insbesondere außerhalb der versicherten Regelversorgung liegen dürften, ist auch für die versicherte Gesundheitsversorgung keine Kehrtwende bei der Ausgabenentwicklung zu erwarten. Eine Analyse der Daten beihilfeberechtigter Versicherter einer privaten Krankenversicherung konnte die Übertragbarkeit der in empirischen Studien gezeigten Kompression der Morbidität auf den monetären Bereich nicht belegen [47]. Zudem wird mit der Entscheidung über die Höhe des Ressourceneinsatzes für das Gesundheitswesen auch über die Bedeutung entschieden, die der Gesundheitswirtschaft als Teilbereich der Volkswirtschaft im Hinblick auf Wachstum und Beschäftigung zukommt. Dennoch wird viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um die Bereitschaft für mehr Investitionen in die Gesundheit zu erhöhen.

So wie sich in der Alterung der Bevölkerung die demografische Wirkung der Entwicklungen in der Gesundheitswirtschaft widerspiegelt, so wird der demografische Wandel Motor für die künftigen Entwicklungen in der Gesundheitswirtschaft werden. Ihm fällt damit eine Doppelrolle zu. Sie lässt vor allem vor dem Hintergrund der zu erwartenden qualitativen Veränderungen in der Gesundheitswirtschaft eine positive Betrachtung des demografischen Wandels angezeigt erscheinen.