In Deutschland waren im Jahr 2006 insgesamt 23.000 Heilpraktiker registriert [1]. Heilpraktiker dürfen die Heilkunde ausüben, ohne als Arzt bestallt zu sein. Während die Ausübung der ärztlichen Heilkunde eine mehrjährige staatlich geregelte Ausbildung und ein Staatsexamen, die Approbation und die Pflichtmitgliedschaft in einer Ärztekammer mit verbindlicher Berufsordnung und Berufsgerichtsbarkeit voraussetzt, gilt dies für Heilpraktiker nicht. Vor diesem Hintergrund kommt dem Öffentlichen Gesundheitsdienst mit der gesetzlichen Pflichtaufgabe der Überprüfung der Heilpraktiker-Anwärter [2] sowie der (im Infektionsschutzgesetz seit 2001 bundesweit festgeschriebenen) Möglichkeit zur Überprüfung der Praxishygiene [3] besondere Bedeutung zu.

Der Beruf des Heilpraktikers ist ein staatlich geregelter, aber staatlich nicht anerkannter Beruf – ein im Wesentlichen auf Deutschland begrenztes Phänomen, das nur vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen ist [4].

Entwicklung der Heilkunde und des Heilpraktikerwesens

Während die Heilkunde in der Antike weitgehend ungeregelt war, wurde die ärztliche Ausbildung ab dem Mittelalter staatlich organisiert; erste Medizinalordnungen regelten Studium, Ausbildung, Prüfung, Tätigkeit und Bezahlung der Ärzte. Vorstellungen aus der Antike, zum Beispiel humoral-pathologische Konzepte, wurden zunehmend von einer empirisch-experimentellen Medizin abgelöst. Im 18. Jahrhundert wurden unter anderem die Pockenimpfung, die Hygiene und das Öffentliche Gesundheitswesen entwickelt, im 19. Jahrhundert etablierten sich die Bakteriologie und Infektiologie et cetera.

Mit der 1871 im deutschen Reich eingeführten Gewerbeordnung (Gewerbeordnung 1871) wurde das Prinzip der Gewerbefreiheit auch auf medizinische Berufe ausgedehnt; in § 29 Abs. IV wurde ausdrücklich auch nicht approbierten Personen die Durchführung von Heilbehandlungen erlaubt („Kurierfreiheit“). Angesichts der Probleme unzureichender Qualifikationen zahlreicher „Naturheilkundiger“ sowie vor dem Hintergrund berufspolitischer Überlegungen wurde seitens der Ärzteschaft – insbesondere auch der „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“ – angestrebt, die allgemeine Kurierfreiheit wieder abzuschaffen. Ein 1909 eingebrachter „Gesetzentwurf gegen Missstände im Heilgewerbe“ scheiterte. Gleichermaßen wurde der 1930 unternommene Versuch, eine Untersagungsmöglichkeit für die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vorzusehen, „wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun“, nicht angenommen.

Das heißt die Kurierfreiheit Nichtapprobierter blieb in der Weimarer Republik erhalten. Allerdings waren hier und später durch verschiedene Spezialgesetze bestimmte Tätigkeiten ausschließlich Ärzten vorbehalten; so die Durchführung der Pockenschutzimpfung (Reichsimpfgesetz 1874), die Behandlung von Seuchen und ansteckenden Erkrankungen (Reichsseuchengesetz 1900), die Behandlung von Geschlechtskrankheiten (Geschlechtskrankengesetz 1927), die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel und Betäubungsmittel (nach § 48, 49 AMG Arzneimittelgesetz [5] beziehungsweise nach § 13 Betäubungsmittelgesetz) [6], die Ausübung der Geburtshilfe [7], die Ausübung der Zahnheilkunde [8].

In der NS-Diktatur wurden 1934 alle zuvor bestehenden Heilpraktikerverbände im „Heilpraktikerbund Deutschlands Reichsverband e.V.“ zusammengeschlossen und „gleichgeschaltet“. Trotz der ideologischen Nähe zur „Volksmedizin“ setzten sich schließlich die Bestrebungen zur Reglementierung der Kurierfreiheit durch. Das Heilpraktikergesetz von 1939 [2] legte fest: § 1 Abs. 1: „Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis“.... § 1 Abs. 3: „Wer die Heilkunde bisher berufsmäßig ausgeübt hat und weiterhin ausüben will, erhält die Erlaubnis nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen; er führt die Bezeichnung ‚Heilpraktiker’.“ Da die Erlaubnis nur den bisher tätigen Heilpraktikern mit Berufserfahrung (mit wenigen definierten Ausnahmen) zu geben war, keine neuen Heilpraktiker mehr ausgebildet werden durften und die Ausbildungsstätten für Heilpraktiker verboten wurden (§ 4 Heilpraktikergesetz) sollte das Ziel des Gesetzes, die Kurierfreiheit aufzuheben, allmählich erreicht werden. Nach der ersten Durchführungsverordnung vom 18.2.1939 [9] war die Erlaubniserteilung darüber hinaus an folgende Voraussetzungen gebunden (§ 2, Abs. 1): Alter über 25 Jahre (a), deutsche Staatsbürgerschaft (b), deutschen oder artsverwandten Blutes (c), mindestens abgeschlossene Volksschulbildung (d), Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte (e), politische und sittliche Zuverlässigkeit insbesondere keine strafrechtlichen oder sittlichen Verfehlungen (f), körperliche und geistige Eignung, Abwesenheit von Sucht (g), Angabe, dass die Heilkunde nicht neben einem anderen Beruf ausgeübt wird (h). Erst mit der Zweiten Durchführungsverordnung vom 3.2.1941 [10] wurde eine fachliche Bedingung für die Erlaubniserteilung eingefügt. Demnach ist die Erlaubnis zu versagen, „wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde“ (i). – In der 1. Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz war auch die Gründung eines Berufsverbands mit Pflichtmitgliedschaft (§ 12) und rechtsverbindlicher Berufsordnung (§ 14) vorgeschrieben.

Der Erlaubnisvorbehalt „deutschen oder artsverwandten Blutes“ und „politische Zuverlässigkeit“ wurde bereits durch die Gesetze des alliierten Kontrollrats aufgehoben. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland galt das Heilpraktikergesetz zwar fort, bestimmte Punkte wurden aber wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz [11] gestrichen, unter anderem das Verbot der Ausbildung von Heilpraktikern und der Unterhaltung von Ausbildungsstätten [Unvereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz (Garantie der Einrichtung von Privatschulen), insbesondere aber die Beschränkung der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis auf Personen, die den Beruf bereits im Jahr 1939 ausgeübt hatten (Unvereinbarkeit mit Art. 12 Grundgesetz Freiheit der Berufswahl)]. Der Beruf des Heilpraktikers wurde mit dem neu gefassten Heilpraktikergesetz in der Bundesrepublik fortgeschrieben und gesichert. Gleichzeitig wurden die §§ 12 ff zur Gründung eines Berufsverbands mit Pflichtmitgliedschaft und einer rechtsverbindlichen Berufsordnung abgeschafft.

Bei der Überprüfung der Versagenstatbestände für die Erlaubniserteilung wurden durch höchstrichterliche Rechtsprechung folgende Bedingungen mit dem Grundrecht vereinbar erklärt: Mindestalter 25 Jahre (§ 2 Abs. 1 a), Mindestvoraussetzung Hauptschulabschluss (§ 2 Abs. 1 d), sittliche Zuverlässigkeit und Fehlen strafrechtlicher Verfehlungen (§ 2 Abs. 1 f), die gesundheitliche Eignung (§ 2 Abs. 1 g) sowie die „bestandene“ Überprüfung durch das Gesundheitsamt, das heißt das Fehlen einer Gefahr für die Volksgesundheit (§ 2 Abs. 1 i). Weitere fachliche Voraussetzungen, insbesondere eine Ausbildung mit geregeltem Ausbildungskatalog und die fachliche Weiterbildung, werden nicht gefordert. Somit kommt im heute gültigen Heilpraktikergesetz [2] der Überprüfung durch das Gesundheitsamt als einzige fachliche Hürde bei der Erlaubniserteilung eine zentrale Bedeutung zu.

Aufgaben des Gesundheitsamts

Schon seit dem Mittelalter oblag den Stadtärzten – als Vorläufer des öffentlichen Gesundheitsdienstes – neben der Aufgabe der Seuchenbekämpfung (Sanitätsaufsicht) auch die Aufsicht über Ärzte, Apotheker, Barbiere et cetera (Medizinalaufsicht). Mit der Bildung einzelner Berufsgruppenkammern (Ärzte, Apotheker) reduzierte sich die Medizinalaufsicht zunehmend auf das Führen von Listen zu diesen Berufsgruppen und gegebenenfalls auf das Weiterleiten von Problemen oder Missständen an die jeweils zuständige Kammer mit ihrer Berufsgerichtsbarkeit. In den 1930er-Jahren wurden die Aufgaben und Zuständigkeiten der Gesundheitsämter im Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens (GVG) [12] und in seinen drei Durchführungsverordnungen einheitlich geregelt. In der dritten Durchführungsverordnung [13] wurde im Paragraphen zur „Ausübung des Heilgewerbes durch Personen ohne staatliche Anerkennung“ festgelegt, dass die Gesundheitsämter darauf zu achten hätten, dass Personen ohne ärztliche Bestallung nicht in Täuschungsabsicht die Bezeichnung Arzt führen, sie die Heilkunde nicht im Umherziehen ausüben, sie keine Arznei- und Geheimmittel feilbieten, keine Krankheiten behandeln, deren Behandlung gesetzlich den Ärzten vorbehalten ist (siehe oben) und nicht öffentlich werben. Erst im Zusammenhang mit der zweiten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz im Jahre 1941 erhielten die Gesundheitsämter darüber hinaus die gesetzliche Pflicht zur fachlichen Überprüfung der Heilpraktikerbewerber zum Ausschluss einer Gefahr für die Volksgesundheit [10].

Nach Gründung der Bundesrepublik galten das GVG und die Durchführungsverordnungen – nach Bereinigung von nationalsozialistischen, insbesondere rassehygienischen Bestimmungen – weiter. Diese wurden Ende der 1980er-Jahre dann durch die Gesundheitsdienstgesetze der einzelnen Bundesländer abgelöst [14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29]. Derzeit wird der Begriff „Heilpraktiker“ nur in acht Landesgesundheitsdienstgesetzen genannt [14, 16, 18, 19, 20, 21, 25, 27], und nur in fünf Ländern [14, 16, 19, 20, 21] wird dort die Pflicht zur Heilpraktikerüberprüfung explizit aufgeführt. Durch grundsätzliche Verweise auf andere Rechts- und Verwaltungsvorschriften wird aber auch ohne explizite Nennung der Heilpraktikerüberprüfung in den Landesgesundheitsdienstgesetzen deutlich, dass diese eine gesetzliche Pflicht der Gesundheitsämter ist. Da diese Überprüfungen in den einzelnen Gesundheitsämtern offensichtlich sehr unterschiedlich gehandhabt wurden und detailliertere Empfehlungen fehlten [30, 31], veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium Anfang der 1990er-Jahre eine Leitlinie zur Heilpraktikerüberprüfung. Diese wurde inzwischen in vielen Bundesländern in die entsprechenden Richtlinien oder Verordnungen zur Ausführung des Heilpraktikergesetzes übernommen [32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42]. Dabei weisen einige Bundesländer explizit auf den bundeseinheitlichen Fragenkatalog zur schriftlichen Überprüfung hin [38, 40, 41]. Nur in Sachsen-Anhalt soll sich die Überprüfung auch auf Fragen zur Naturheilkunde erstrecken [41]. In einigen Bundesländern erfolgen die Überprüfungen – zur Qualitätssicherung und besseren Standardisierung – darüber hinaus nur durch wenige ausgewählte Gesundheitsämter (zum Beispiel eines pro Regierungsbezirk) [32, 33, 34, 35, 39, 40, 42].

In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen [32, 33, 39, 41, 42] gelten in folgenden Fällen geringere Anforderungen an die Kenntnisüberprüfung: „Bei antragstellenden Personen, die eine abgeschlossene Ausbildung für den ärztlichen Beruf im Sinne des § 10 Abs. 1 der Bundesärzteordnung oder einen gleichwertig anerkannten Abschluss eines ausländischen Medizinstudiums nachweisen, ohne zur ärztlichen Berufsausbildung zugelassen zu sein, erstreckt sich die Kenntnisüberprüfung ausschließlich auf die Gebiete nach Nummer 4.3.1 („Berufs- und Gesetzeskunde, insbesondere rechtliche Grenzen sowie Grenzen und Gefahren diagnostischer und therapeutischer Methoden bei der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde“); diese Überprüfung erfolgt in einem kollegialen Gespräch. Nur in Bayern [33] müssen die Ämter dabei darauf achten, dass die Antragsteller die deutsche Sprache hinreichend beherrschen. Die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde der so Überprüften entspricht der für Personen, die nach dem üblichen Verfahren geprüft wurden.

Darüber hinaus gibt es in allen Landesrichtlinien zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes spezielle Regelungen für Heilpraktikeranwärter, die sich ausschließlich auf dem Gebiet der Psychotherapie heilkundig betätigen wollen. Die schriftlichen und mündlichen Prüfungen sind hier weniger umfassend. Die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung wird dann auf das Gebiet der Psychotherapie eingeschränkt („heilpraktischer Psychotherapeut“).

Ausnahmslos alle Landesgesundheitsdienstgesetze regeln darüber hinaus die Meldepflichten für Berufe des Gesundheitswesens. Heilpraktiker sind hier durch Verwendung des Begriffs „staatlich geregelte Berufe des Gesundheitswesens“ eingeschlossen.

Die meisten Landesgesundheitsdienstgesetze enthalten die Pflicht oder Ermächtigung zu Hygienekontrollen auch von Heilpraktikerpraxen, immanent durch Formulierungen wie „Einrichtungen der ambulanten Untersuchung, Behandlung und Pflege“ oder „Praxen sonstiger gesetzlich geregelter Fachberufe“ oder vergleichbare Wortwahl [14, 16, 18, 19, 21, 23, 24, 25]. Nur im Gesundheitsdienstgesetz Sachsen-Anhalts wird die Hygieneüberwachung von Heilpraktiker(praxe)n explizit erwähnt [27], Niedersachsen und Hessen verweisen auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) [3, 20, 22].

Unabhängig davon gilt das im Jahre 2001 in Kraft getretene IfSG [3] für alle Gesundheitsämter bundesweit, das heißt: „Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden … können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden“ (§ 36 Abs. 2 IfSG). Der amtliche Kommentar führt hierzu aus: „Invasive Maßnahmen sind solche, bei denen in den Körper des Patienten eingedrungen wird. Dazu zählt auch die Verabreichung einer Spritze oder das Setzen von Akupunkturnadeln....“ [43]

Nachfolgend sollen die Erfahrungen bei der Überprüfung der Heilpraktikeranwärter im Zeitraum von 2004 bis 2007 und bei der infektionshygienischen Überwachung der Heilpraktikerpraxen nach § 36 Abs. 2 IfSG seit 2003 in der Rhein-Main-Region (Gesundheitsamtsbereiche Frankfurt und Groß-Gerau) dargestellt und diskutiert werden.

Überprüfungen und infektionshygienische Überwachung

Material und Methoden

Die Überprüfungen erfolgen in beiden Gesundheitsamtbezirken auf Grundlage des Heilpraktikergesetzes [2] sowie der Hessischen Richtlinien zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes in der jeweils gültigen Fassung [37] – sowohl schriftlich als auch mündlich. Die schriftlichen Überprüfungen werden – wie bundesweit üblich – am dritten Mittwoch im März und am zweiten Mittwoch im Oktober durchgeführt. Die schriftlichen Prüfungsfragen werden vom Landratsamt Ansbach, Bayern, zur Verfügung gestellt. Im Zeitraum von 2004 bis 2007 wurden insgesamt 345 Überprüfungen vorgenommen, davon 263 in Frankfurt und 82 in Groß-Gerau.

Die schriftlichen Prüfungsfragen wurden retrospektiv nach den Themen „Allgemeine Krankheitslehre“, „Krankheitssymptome“, „Psychiatrische Erkrankungen“, „Vorgehen bei Notfällen“, „Untersuchungsverfahren“, „Deutung grundlegender Laborwerte“, „Hygiene“ sowie „Berufs- und Gesetzeskunde“ kategorisiert. Die Ergebnisse der einzelnen Fragen wurden in einer Excel-Tabelle erfasst und der Anteil richtig beantworteter Fragen insgesamt, aber auch im Hinblick auf die jeweiligen Themenbereiche für die einzelnen Jahre und Orte ausgewertet. Aus den Archiven der Ordnungsämter wurden persönliche Angaben zum Geburtsort und -jahr, Geschlecht, zur höchsten abgeschlossenen Schul- und Berufsausbildung beziehungsweise zum Studium, zur bisherigen Berufserfahrung (ja, nein, ja medizinischer Fachberuf) sowie zur Art der Vorbereitung auf die Überprüfung (autodidaktisch/unbekannt, Kurse/tageweise Ausbildung, Heilpraktikerschule ein bis zwei Jahre beziehungsweise über zwei Jahre) erfasst. Die Auswertung erfolgte mit dem SPSS-Statistikprogramm Version 11. Erfasst wurden die Bestehensquote insgesamt und in einzelnen Themenbereichen mögliche Unterschiede zwischen einzelnen Orten, nach Alter, Geschlecht und Vorbildung der Heilpraktikeranwärter sowie Unterschiede zwischen den Jahren von 2004 bis 2007. Dabei wurden nichtparametrische Testverfahren angewandt sowie Mann-Whitney-Test zum Vergleich zweier unverbundener Gruppen und Kruskal-Wallis-Test zum Vergleich mehrerer unverbundener Gruppen.

Die infektionshygienische Überprüfung der Heilpraktikerpraxen nach § 36 Abs. 2 IfSG erfolgte in beiden Gesundheitsamtsbezirken mittels identischer Checkliste. In beiden Regionen wurden zunächst alle Heilpraktiker schriftlich nach den von ihnen angewandten Methoden befragt. In Frankfurt am Main wurden im Jahre 2003 alle zu diesem Zeitpunkt invasiv tätigen Heilpraktikerpraxen begangen (n=76) [58]. Ab 2004 wurden alle neuen Heilpraktiker, die im Rahmen ihrer Meldung angaben, invasive Methoden durchzuführen (bis 2007 n=8), zeitnah überprüft. In Groß-Gerau wurden im Jahre 2007 alle invasiv tätigen Heilpraktikerpraxen überprüft (n=25). Die Ergebnisse wurden als Prozentangaben bezogen auf alle überprüften Praxen ausgewertet und deskriptiv beschrieben; angesichts der geringen Fallzahl wurde auf weitergehende Auswertungen (Vergleich der Ergebnisse in den unterschiedlichen Orten oder Analyse des zeitlichen Trends) verzichtet.

Ergebnisse

Insgesamt wurden zwischen 2004 und 2007 345 Überprüfungen vorgenommen, 263 davon in Frankfurt und 82 in Groß-Gerau. Die Zahl an jährlichen Überprüfungen war – außer in Frankfurt im Jahre 2004 (mit einer im Vergleich geringen Anzahl) – konstant (Frankfurt zirka 70 Überprüfungen und Groß-Gerau zirka 20 Überprüfungen pro Jahr).

Tab. 1 fasst die Angaben zu den überprüften Personen zusammen: Etwa drei Viertel der Überprüften waren Frauen, ein Viertel Männer. Die Zahl der Männer scheint aber über die Jahre leicht zuzunehmen (nicht signifikant). Das mittlere Alter der Antragsteller lag bei 40,7±9,2 Jahre, mit einem Maximalwert von 78 Jahren – ohne signifikante Tendenz über die Zeit. Etwa jeder zehnte Antragsteller besaß nur einen Hauptschulabschluss, mehr als ein Viertel die mittlere Reife und 62% hatten Abitur oder Fachabitur. Über die Jahre war eine leichte Tendenz zu höheren Schulabschlüssen zu verzeichnen (signifikant nur im Vergleich 2004/2007 und 2005/2007; Mann-Whitney-Test). Je etwa ein Drittel der Bewerber wiesen einen abgeschlossenen Lehrberuf, einen abgeschlossenen Lehrberuf aus dem Gesundheitsbereich (zum Beispiel Krankenpflege, medizinisch-technische Angestellte) oder ein abgeschlossenes Studium (zum Beispiel Biologie, Betriebswirtschaft, Diplom-Ingenieur) auf. Nur 1% der Bewerber hatte keine abgeschlossene Berufsausbildung. Alle Bewerber verfügten über Berufspraxis, 40% von ihnen aus dem medizinischen Bereich. 23% der Heilpraktikeranwärter hatten sich autodidaktisch auf die Prüfung vorbereitet beziehungsweise keine Angaben zur Prüfungsvorbereitung gemacht. Ein Drittel der Antragsteller hatte an Kursen beziehungsweise tageweisen Ausbildungsabschnitten teilgenommen. Etwa ein Viertel hatte eine Heilpraktikerschule für ein bis zwei Jahre besucht, nur 17% besuchten die Heilpraktikerschulen länger als zwei Jahre – Letzteres mit abnehmender Tendenz über die Jahre (signifikant 2004 und 2005 versus 2007; Mann-Whitney-Test).

Tab. 1 Heilpraktiker-Anwärter 2004 bis 2007 nach Überprüfungsort, Geschlecht, Altersverteilung, Geburtsort, Schul- und Berufsausbildung, Berufsausübung und Vorbereitung auf die Heilpraktiker-Überprüfung

Tab. 2 zeigt die Ergebnisse der Heilpraktikerüberprüfungen für die Jahre von 2004 bis 2007 zusammengefasst. Es wurden insgesamt 50,7% der schriftlichen und 47% der gesamten Überprüfungen (schriftlich und mündlich) bestanden. Haupthürde war die schriftliche Überprüfung, denn 93% der Anwärter, die nach bestandenem schriftlichem Teil zur mündlichen Überprüfung zugelassen wurden, absolvierten auch den mündlichen Teil erfolgreich. Es zeigten sich Unterschiede zwischen den Jahren, aber keine eindeutige Tendenz. Männer, über 45-jährige Personen und im Ausland Geborene schnitten schlechter ab als Frauen, Jüngere und in Deutschland Geborene (Erfolg <40% versus >50%) (signifikant nur für Alter, Geschlecht). Die Ergebnisse waren mit zunehmender Schulbildung signifikant besser (Erfolgsrate bei Hauptschulabschluss: 31%, bei mittlerer Reife: 44%, bei Abitur/Fachabitur: 60%; signifikant Kruskal-Wallis-Test). Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung aus dem medizinischen Bereich waren nicht häufiger erfolgreich als solche ohne oder mit anderer Berufsausbildung; auch war eine Berufserfahrung im medizinischen Bereich nicht mit höheren Erfolgsraten verbunden. Lediglich Personen mit abgeschlossenem Studium bestanden die Überprüfung mit 60% signifikant häufiger als Personen ohne Studium. Personen, die sich in Kursen oder durch den Besuch einer Heilpraktikerschule auf die Überprüfung vorbereitet hatten, waren erfolgreicher als solche, die sich autodidaktisch oder während weniger als zwei Jahre Heilpraktikerschule vorbereitet hatten (zirka 60 versus 40%) (Unterschied signifikant, Kruskal-Wallis-Test). Dies ist damit zu erklären, dass sich Personen mit höherer Schulbildung (mittlere Reife oder Abitur) häufiger autodidaktisch oder in Wochenendkursen auf die Überprüfung vorbereiteten, während Heilpraktikerschulen für ein bis zwei Jahre zumeist von Hauptschülern (62% der Überprüften mit Hauptschulabschluss) besucht wurden.

Tab. 2 Bestehensquote bei den schriftlichen und mündlichen Überprüfungen nach Jahr, Prüfungsort, Geschlecht, Geburtsort, Altersverteilung, Schulabschluss, Berufsausbildung, Berufspraxis und Heilpraktikerausbildung

In den acht schriftlichen Überprüfungen zwischen 2004 und 2007 verteilten sich die jeweils 60 Fragen wie folgt auf die einzelnen Themenbereiche: Krankheiten: neun bis 32 Fragen, Anatomie: neun bis 15 Fragen, Symptome: vier bis 15 Fragen, Psychiatrie: vier bis acht Fragen, Untersuchungsmethoden: ein bis neun Fragen, Labor: null bis fünf Fragen, Therapie: null bis vier Fragen, Gesetz: null bis drei Fragen, Hygiene: null bis eine Frage. Während nur in jeweils einer Überprüfung keine Fragen zur Deutung von Laborwerten beziehungsweise zur Gesetzeskunde gestellt wurden, wurde in allen acht Überprüfungen nur eine einzige Frage zur Hygiene (Desinfektion/Sterilisation) gestellt. Insgesamt wurden in jedem Fach im Mittel 73±13% der Fragen korrekt beantwortet. Dabei wurden Fragen zu Symptomen, zur Psychiatrie, Gesetzeskunde und Notfallversorgung tendenziell besser (≥75%), Fragen zur Deutung von Laborwerten tendenziell schlechter (67%) beantwortet. Eine signifikant positive Assoziation mit höherer Schulbildung wurde nur bei den Themen „Krankheiten“, „Symptome“ und „Untersuchungsmethoden“ gesehen. Signifikante Assoziationen mit Blick auf die Bestehensquote zeigten sich auch zwischen der Berufsausbildung und den Themenbereichen „Gesetzeskunde“ und „Deutung von Laborwerten“ sowie zwischen der Vorbereitungsart zur Prüfung (autodidaktisch, Kurse, Heilpraktikerschule) und den Themenbereichen „Krankheiten“, „Symptome“ und „Psychiatrie“; allerdings zeigten sich keine eindeutigen Trends (Tab. 3).

Tab. 3 Bestehensquoten in Prozent in den einzelnen Themenbereichen – insgesamt sowie nach Schul- und Berufsausbildung sowie Überprüfungs-Vorbereitung (Signifikanztests nach Kruskal-Wallis)

Insgesamt hatten 109 Praxen angegeben, invasive Methoden durchzuführen, darunter am häufigsten Akupunktur/Injektionen (95%), Infusionen, Eigenbluttherapie und unblutiges Schröpfen (jeweils zirka ein Drittel). Ozontherapie oder Baunscheidtieren wurde in 14% beziehungsweise 16% der Praxen vorgenommen, Kolon-Hydrotherapien nur in sechs Praxen in Frankfurt. Die wesentlichen Ergebnisse der Begehungen von invasiv tätigen Heilpraktiker(praxe)n (Frankfurt 2003: 76, 2004–2007: 8; Groß-Gerau 2007: 25) sind in Tab. 4 zusammengefasst. Nur in einem Drittel der Praxen waren die nach der Berufsgenossenschafts-Regel 250 (BGR) vorgeschriebenen Möglichkeiten zur Händehygiene korrekt vorgehalten. Die häufigsten Fehler betrafen das Fehlen von Einweghandtüchern/Handtuchspendern respektive das Umfüllen des Händedesinfektionsmittels. Geeignete, gelistete Hautdesinfektionsmittel waren in 92% der Praxen vorrätig, während nur 87% der Praxen über gelistete Flächendesinfektionsmittel verfügten. Nur 58% der Praxen führten eine Flächendesinfektion im Scheuer/Wischverfahren durch. Mehr als 80% der Praxen verfügten über geeignete Einwegauflagen für die Untersuchungsliegen beziehungsweise lagerten ihre Medizinprodukte sachgerecht. Eine sichere Kanülenentsorgung konnten 97% der Praxen nachweisen.

Tab. 4 Ergebnisse der infektionshygienischen Begehungen von Praxen, die invasive Methoden durchführen – insgesamt und in Frankfurt und Groß-Gerau im Vergleich
Tab. 5 Ergebnisse von Heilpraktikerüberprüfungen zwischen 1983 und 2008 (Auswahl)

Bei der Erstbegehung der Frankfurter Heilpraktikerpraxen war noch in 20 der 76 Praxen eine Instrumentensterilisation vorgenommen worden, teilweise fehlerhaft und ausschließlich mit Heißluftsterilisatoren. In Groß-Gerau wurden in vier Praxen Heißluftsterilisatoren eingesetzt. In Frankfurt wurden in den seit 2005 begangenen Praxen keine kritischen Medizinprodukte eingesetzt, beziehungsweise sie wurden als Einmalmaterialien angewandt.

Diskussion

Definition Alternativmedizin sowie Inanspruchnahme und Anwendung alternativer Methoden

Alternative Behandlungsformen erfreuen sich in der Bevölkerung offenbar zunehmender Beliebtheit. In Europa, den USA und Australien variieren die Angaben von Patienten zur Nutzung der Alternativ-/Komplementärmedizin zwischen 10% und 49% [4, 44, 45, 46]. In Deutschland haben Umfragen des Instituts für Demoskopie in Allensbach, die seit 1970 mit einer einheitlichen Fragestellung durchgeführt werden, gezeigt, dass die Nutzung von und die Erfahrungen mit naturheilkundlichen Methoden in der erwachsenen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben: 73% aller Deutschen über 16 Jahre berichteten 2002 über Erfahrungen mit der Naturheilkunde, im Jahre 1970 lag diese Zahl noch bei 52% ([47] zitiert nach [48]).

Im repräsentativen Bundes-Gesundheitssurvey 1998 hatten 2,8% der 7124 erwachsenen Teilnehmer angegeben, in den letzten zwölf Monaten vor dem Interview einen Arzt für Naturheilkunde oder einen Arzt für Homöopathie konsultiert zu haben, und 3,6% hatten in dieser Zeit einen Heilpraktiker aufgesucht [48]. In dem von 2003 bis 2006 in Deutschland durchgeführten, repräsentativen Kindergesundheitssurvey (KiGGs) wird berichtet, dass 4,6% der teilnehmenden Kinder in der Woche vor der Untersuchung homöopathische Mittel eingenommen hatten, zumeist für die Behandlung selbst limitierender Erkrankungen; die Hälfte dieser Kinder hatte diese Mittel von Heilpraktikern erhalten; 60% der Kinder erhielten dieses Mittel zusätzlich zur konventionellen Medizin. Homöopathisch behandelte Kinder wohnten eher im Westen und Süden Deutschlands, kamen aus Familien mit höherem sozioökonomischem Status, und ihre Mütter hatten häufig einen akademischen Bildungsabschluss [49].

Unter „alternative Verfahren“ werden zahlreiche sehr verschiedene Diagnose- und Therapieformen zusammengefasst, unter anderem die Phytotherapie, Akupunktur, Homöopathie, Balneologie, aber auch Irisdiagnostik [48, 50]. Die alternative Medizin wird – gerade auch wegen der sehr unterschiedlichen Methoden – in der Regel eher durch das definiert, was sie nicht ist. Definitionsbeispiele sind: „Diagnose und Therapieformen, die außerhalb oder am Rand der „Schulmedizin“ beziehungsweise der wissenschaftlichen Medizin angesiedelt sind“ [48]. In einem Bericht der EU-Kommission werden „unkonventionelle Methoden“ als heterogene Verfahren beschrieben, deren gemeinsames Merkmal lediglich der „Ausschluss aus der konventionellen, etablierten, wissenschaftlichen Medizin“ und die „spärliche Repräsentanz in der universitären Lehre und Forschung“ ist (zitiert nach [48]). Insbesondere im angelsächsischen Sprachraum wird die Alternativmedizin auch Komplementärmedizin genannt, definiert als „Diagnose, Behandlung und/oder Prävention, die die Schulmedizin ergänzt und ein Bedürfnis/einen Bedarf bedient, der durch die Schulmedizin nicht zufriedengestellt wird und die die Konzepte der Schulmedizin erweitert (diversify)“ [50].

Auch wenn alternative Methoden zumeist als Gegenpol zur „Schulmedizin“ wahrgenommen werden, ist doch zu betonen, dass die Schulmedizin sogenannte „alternative Methoden“ wie Wasser-, Wärmebehandlungen, Behandlungen mit Pflanzenextrakten et cetera seit jeher genutzt hat und nutzt. In einer Umfrage bei 3000 praktischen Ärzten und Allgemeinmedizinern in Deutschland im Frühjahr 2007 gaben 60% der Teilnehmer an, sogenannte alternative Methoden in ihrer Praxis einzusetzen. Am häufigsten wurde genannt: Neuraltherapie, Phytotherapie, Akupunktur und Chirotherapie [51].

In den letzten zehn bis 15 Jahren haben in Deutschland viele Ärzte über eine geregelte und standardisierte Fort- und Weiterbildung Zusatztitel „im Umfeld“ der alternativen Medizin erworben: Im Jahre 2008 besaßen 16.905 Ärzte die Zusatzqualifikation „Manuelle Verfahren/Chirotherapie“, 13.425 Ärzte die Zusatzqualifikation „Naturheilverfahren“, 10.626 Ärzte die Zusatzqualifikation „Akupunktur“, und jeweils mehr als 5000 Ärzte hatten den Zusatztitel „Homöopathie“ oder „Physikalische Therapie“ [1].

In Deutschland werden die genannten alternativen Methoden – und auch viele andere – sehr häufig von Heilpraktikern angewandt. Die Ausübung der Heilkunde durch Heilpraktiker ist ein im Wesentlichen deutsches Phänomen; nur in wenigen anderen Ländern – wie in England und Kanada und in einigen Kantonen der Schweiz – ist eine nichtärztliche Heilbehandlung möglich. Bis heute ist in Deutschland die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde als Heilpraktiker nicht an eine geregelte Ausbildung und Prüfung oder eine unter Anleitung erworbene praktische Erfahrung gebunden (siehe Kapitel „Entwicklung der Heilkunde und des Heilpraktikerwesens“).

Mit der Erlaubnis erwirbt der Heilpraktiker die Genehmigung zur Ausübung der gesamten Heilkunde – mit (historisch bedingter) Ausnahme des Impfens, der Geburts- und Zahnheilkunde, des Verabreichens verschreibungspflichtiger Medikamente oder von Betäubungsmitteln. Diese gesetzliche Unbegrenztheit der Erlaubnis wurde allerdings durch höchstrichterliche Rechtsprechung präzisiert beziehungsweise eingeschränkt: Demnach müssen Heilpraktiker die Voraussetzungen für eine fachgemäße Behandlung kennen und beachten. Solange kein ausreichendes medizinisches Fachwissen und Können erworben wurde, dürfen keine Methoden angewendet werden, deren Indikationsstellungen oder Risiken eine medizinisch-wissenschaftliche Ausbildung erfordern. „Darüber hinaus ist er (der Heilpraktiker) selbstverständlich verpflichtet, sich über die Fortschritte der Heilkunde und auch anderweitig gewonnene Erkenntnisse von Nutzen und Risiken der von ihm angewendeten Heilverfahren zu informieren“ (Grundsatzurteil Bundesgerichtshof vom 29.1.1991, BGH VI zR 206/90).

In den letzten Jahren wird in der Rechtsprechung ein weiteres Abgehen von der umfassenden Heilpraktikererlaubnis beobachtet. So hat beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht im Sommer 2009 festgestellt, dass auch Physiotherapeuten eine auf den Bereich Physiotherapie eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis erhalten sollen – nach einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung (BVwerG 3 C 19.08 – Urteil vom 26. August 2009). Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verurteilte im Sommer 2009 die Behörden, zwei Chiropraktikern die Heilpraktikererlaubnis begrenzt auf das Gebiet der Chiropraktik zu erteilen, ohne jegliche Überprüfung durch den Amtsarzt (12K31.08.F).

Überprüfungen der Heilpraktikeranwärter durch das Gesundheitsamt

Die einzige fachliche Hürde bei der Erlaubniserteilung ist die Überprüfung durch die Gesundheitsämter. Diese ist zudem keine allgemeine Fachprüfung, sondern negativ definiert: „Die Erlaubnis wird nicht erteilt, … wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass sich durch die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit ergeben würde“ [10].

Eine ältere Erhebung zur Überprüfungspraxis in der Region Norddeutschland (einige Bezirke in Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen sowie in Hessen, einschließlich Frankfurt am Main) von 1983 bis 1985 zeigte bei über 1200 erfassten Überprüfungen große Unterschiede [30]. Während in Berlin, Hamburg, Bremen und dem Bezirk Hannover ausschließlich mündliche Überprüfungen durchgeführt wurden, hatte in Schleswig-Holstein und Hessen offenbar jedes Gesundheitsamt seine eigenen Vorstellungen entwickelt. Die Bestehensquote wurde mit insgesamt 40% angegeben, mit weiten Spannweiten. Die Autoren konnten anhand der Erhebung nicht entscheiden, ob die Überprüfungspraxis der Ämter eher streng war oder ob die medizinischen Kenntnisse bei einem Großteil der Bewerber „auch für eine fachlich bescheidene Überprüfung zu gering“ waren. In Bayern wurde, nachdem eine erhebliche Zunahme an Anträgen (1970–1975 durchschnittlich 10/Jahr; 1978–1985 durchschnittlich 100/Jahr, 1985: 146) zu beobachten gewesen war, das Überprüfungsverfahren Mitte der 1980er-Jahre weitgehend vereinheitlicht: Es wurden schriftliche Überprüfungen mit definierten Themenkatalogen, gefolgt von mündlichen Überprüfungen, durchgeführt [31]. Basierend auf den Leitlinien von 1992 [52] werden seit einigen Jahren in allen Bundesländern einheitliche Überprüfungen vorgenommen; die Fragen werden aus einem Fragenpool vom Landratsamt Ansbach zur Verfügung gestellt.

Bei Betrachtung der wenigen Publikationen, Amtsarztarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema zeigt sich, dass die Bestehensquoten in den letzten 30 Jahren weitgehend gleichgeblieben sind: Im Mittel bestehen insgesamt 38–56% der Heilpraktikeranwärter die Tests [30, 53, 54, 55, 56, 57] – und dies, obwohl die Überprüfungsverfahren erst in den letzten Jahren standardisiert durchgeführt wurden (Tab. 5).

Lediglich die hier vorgestellten Überprüfungen in Frankfurt und Groß-Gerau sowie die Überprüfungen in Bayern wurden bereits mit dem standardisierten Verfahren durchgeführt. Obwohl in Bayern und der Rhein-Main-Region dieselben Fragen gestellt wurden, bestanden in Bayern über die letzten Jahre 37%, in Frankfurt 47% der Anwärter die Überprüfung. Ob diese Diskrepanz auf unterschiedliche Kenntnisse bei den Heilpraktikern zurückgeführt werden kann oder ob die mündlichen Überprüfungen unterschiedlich streng durchgeführt werden, kann anhand der Daten nicht entschieden werden.

Nur in zwei weiteren Arbeiten wurden Hintergrunddaten zu den überprüften Heilpraktikeranwärtern vorgelegt. Von 44 zwischen 1980 und 1986 im Märkischen Kreis überprüften Anwärtern hatten 45,5% einen Hauptschulabschluss (eines der Mindestkriterien zur Zulassung) und 40,9% Abitur [54]. In unserer Untersuchung verfügten nur 10,8% der Anwärter über einen Hauptschulabschluss, aber 63% über ein Abitur. Eine abgeschlossene Berufsausbildung konnten 1980–1986 73%, in den Jahren 2004–2007 99% der Anwärter nachweisen. Eine Heilpraktikerschule hatten 56,8% der in den 1980er-Jahren im Märkischen Kreis Überprüften besucht, 6,8% hatten sich in Wochenendkursen vorbereitet [54]. Unter den Heilpraktikeranwärtern aus den letzten Jahren in Frankfurt und Groß-Gerau hatten nur 43,9% eine ein- oder mehrjährige Heilpraktikerschule besucht, hingegen wurden Wochenendkurse viel häufiger wahrgenommen (33%). Die Auswertung von 137 Heilpraktikerüberprüfungen aus den Jahren 1988–1991 in Köln zeigte, dass 47,7% der Überprüften jünger als 35 Jahre und 24,3% älter als 45 Jahre waren [55]. Bei den in den letzten Jahren in der Rhein-Main-Region Überprüften waren demgegenüber nur 26,8% unter 35 Jahre alt, aber ein Drittel über 45 Jahre. In beiden Untersuchungen überwogen die Frauen deutlich (1988–1991: 61%, 2004–2007: 77%). Das heißt, im Vergleich mit früheren Jahren sind die Heilpraktikeranwärter heute älter als früher, haben eine bessere Schul- und Berufsausbildung und bereiten sich häufiger berufsbegleitend auf die Überprüfungen vor. Der Anteil der erfolgreich bestandenen Überprüfungen hat sich aber über die Jahre kaum verändert, im Mittel bestehen die Hälfte bis zwei Drittel der Anwärter die Überprüfungen nicht.

Infektionshygienische Überwachung durch die Gesundheitsämter

Die weitaus meisten Heilpraktiker wenden nichtinvasive Methoden an, wie zum Beispiel Gesprächstherapien, Bachblütentherapie, Phytotherapie, Homöopathie. Nur Heilpraktiker, die invasive Methoden anwenden, unterliegen – ebenso wie Ärzte – der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter [3]. Die am häufigsten angewandten invasiven Methoden in Heilpraktikerpraxen sind Akupunktur, Injektionen und Infusionen, in der Regel mit Einmalmaterialien. Nur bei wenigen Verfahren, zum Beispiel bei der Oxygenierungstherapie, werden Aufbereitungsverfahren erforderlich.

Die hier vorgestellten Ergebnisse der Überprüfungen der Heilpraktikerpraxen – ein Teil davon war bereits publiziert [58] – zeigen einen deutlichen Verbesserungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der Händehygiene und Medizinprodukteaufbereitung. In der Gesamtwertung unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den Erhebungen in Arztpraxen, die vergleichbare Methoden anwenden [59, 60]. Nach unserer Kenntnis werden solche infektionshygienischen Überwachungen von Arzt- und Heilpraktiker-Praxen von den Gesundheitsämtern aber nur sehr selten durchgeführt.

Fazit

Somit bleibt festzuhalten: Abgesehen von der Möglichkeit zur infektionshygienischen Überwachung von Heilpraktikern, die invasive Methoden anwenden, ist die einzige gesetzlich festgelegte und geforderte externe Qualitätssicherung bei Heilpraktikern die Überprüfung der Anwärter durch die Gesundheitsämter. Diese Überprüfung hat das Ziel, Gefahren für die Volksgesundheit abzuwehren. Es muss bezweifelt werden, dass eine solche kurze Überprüfung vor Beginn der Tätigkeit ausreicht, um dieses Ziel zu erreichen. Zumal für die Zeit der Berufsausübung eine Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer mit Pflichtfortbildungen und Berufsordnung für Heilpraktiker explizit nicht besteht. Den Gesundheitsämtern wird somit eine gesetzliche Aufgabe zugewiesen, die sie im Grunde genommen überhaupt nicht erfüllen können.

Es wird nicht bestritten, dass sich viele Heilpraktiker der freiwilligen Berufsordnung für Heilpraktiker unterwerfen und gewissenhaft und unter Beachtung ihrer fachlichen Grenzen zum Wohle ihrer Patienten arbeiten. Dennoch: Es liegen zahlreiche Berichte über Behandlungsfehler von Heilpraktikern, zum Teil mit Todesfolge, vor, und dies nicht nur infolge der Anwendung invasiver Verfahren. Zu nennen sind hier zum Beispiel Stichverletzungen von Arterien und peripheren Nerven, des Rückenmarks, Herzbeuteltamponade, Pneumothorax et cetera durch fehlerhaftes Setzen von Akupunkturnadeln oder Sepsis durch unsaubere Injektionen [61, 62, 63]. Das viel größere Risiko besteht darin, dass infolge ungeeigneter, nicht valider Diagnoseverfahren Erkrankungen nicht erkannt und/oder ungeeignete Therapieverfahren angewandt und den Patienten damit wirksame „schulmedizinische“ Behandlungen vorenthalten werden. Es kann also zu Körperverletzungen und Todesfällen als Folge eines Handelns durch Unterlassen kommen [62, 64]. Darüber hinaus konnte kürzlich gezeigt werden, dass Kinder von Eltern, deren Impfentscheidung von einem Heilpraktiker beeinflusst wurde, eine erheblich geringere Chance hatten, früh-/rechtzeitig gegen Masern geimpft zu sein [65]

Insofern sind die Argumente, die Therapieverfahren der Heilpraktiker seien sanfter, sicherer, nebenwirkungsärmer und kostengünstiger als die Schulmedizin nicht belegt; auch eine noch so „sichere“ Methode bringt Schaden und ist nicht kostengünstig, wenn sie bei nicht angemessenen Diagnosen und damit falsch angewandt wird [66].

In der Europäischen Union bestehen derzeit große Unterschiede hinsichtlich der Regelungen über nichtärztliche Heiler: In Irland, England und Wales herrscht absolute Kurierfreiheit, in Deutschland gibt es einen Erlaubnisvorbehalt mit behördlicher Genehmigung nach Überprüfung, aber ohne eine geregelte Aus- und Fortbildung, in Dänemark und Schweden ist die Ausübung der Heilkunde durch Laien unter gewissen Beschränkungen zugelassen, in der Schweiz haben die einzelnen Kantone sehr unterschiedliche Regelungen, die von einem totalen Verbot über eine Anzeigeregelung bis hin zur Anerkennung nach einer Prüfung reichen, in Österreich ist die Heilkunde ausschließlich approbierten Ärzten vorbehalten [4, 67]. Bestrebungen mit dem Ziel der weitgehenden Gleichstellung nichtärztlicher Behandler in Europa konnten sich 1995 nicht durchsetzen; ein entsprechender Antrag wurde in den Appell umfunktioniert, den Bereich der Komplementärmedizin besser zu erforschen [68, 69]. Dies geschieht in den letzten Jahren zunehmend, und nachweislich wirksame Verfahren werden zunehmend von Ärzten eingesetzt – nach einer entsprechend geregelten und geprüften Fort- und Weiterbildung.

Ernst, der sich seit vielen Jahren mit der deutschen Heilpraktiker- und der Non-Medically-Trained-Practitioners- (NMTP-)Thematik in England befasst, stellt nicht nur deren Qualifikation und Kompetenz infrage. Er fordert: Wenn ein solcher Behandler die Verantwortung für Patienten übernimmt, muss er nachweisbar Kompetenz besitzen. Vor diesem Hintergrund hat die British National Association of Health Authorities and Trusts (NAHAT) Patienten empfohlen, nur solche NMTP aufzusuchen, die Mitglied in professionellen Berufsverbänden mit einem verpflichtenden Kodex zum Verhalten, zur Ethik und Disziplin sind und eine angemessene Ausbildung und Erfahrung haben. Worth ([70] zitiert nach [66]) betont die Bedeutung einer Kontrolle der Kompetenzen nichtmedizinischer Therapeuten und Heilpraktiker. Er sieht zwei Gefahren: Eine Kurierfreiheit oder ein Erlaubnisvorbehalt ohne Verpflichtung zur Aus-, Fort- und Weiterbildung setzt Patienten unnötigen Gefahren aus, ein völliges Verbot würde aber die alternative Medizin bedrohen, die von vielen Menschen genutzt wird. „The best way forward, it seems, is to keep an open, yet critical, mind and to research the area systematically“ [4].

Letztendlich wird dieser Weg bereits in Deutschland [71] – und in anderen Ländern, insbesondere in der Schweiz – beschritten. Hier werden die sogenannten alternativen Verfahren intensiver als früher erforscht. Bei Nachweis ihrer klinischen Wirksamkeit finden sie auch Eingang in die Schulmedizin, unter anderem in die oben dargelegten geregelten Zusatzqualifikationen [48]. Auch in Kanada – mit einer ähnlich hohen Nutzung komplementärer alternativer Methoden und unterschiedlichen Regelungen bezüglich nichtmedizinischer Heilberufe in den einzelnen Provinzen – gehen Fachgruppen den Fragen nach, wie 1. die nichtärztlichen Professionen und Naturheilverfahren gesetzlich geregelt werden sollen, 2. sichere und wirksame CAM Eingang in die Schulmedizin finden können 3. die Bevölkerung vor möglichen unerwünschten Interaktionen zwischen CAM und konventioneller Medizin geschützt werden kann [72].

Der Öffentliche Gesundheitsdienst sollte angesichts der Tatsache, dass die derzeitigen gesetzlich geregelten Überprüfungen keinen ausreichenden Schutz für die Bevölkerung bieten können, diese Diskussion auch in Deutschland vorantreiben.