Anbieter und Quellen bevölkerungsbezogener Gesundheitskommunikation

Gesundheitskommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Gesundheitswesens. Heutzutage wird in unserer Gesellschaft über verschiedene Vermittlungskanäle zu gesundheitsbezogenen Themen informiert und kommuniziert. Die klassische Gesundheitskommunikation ist das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient. Darüber hinaus wird Gesundheit in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch in den Massenmedien thematisiert, zum Beispiel in journalistischen Beiträgen oder Präventionskampagnen, die Streumedien wie Fernsehen oder Plakatwände nutzen. Eine besondere Verbreitung finden medizinische Themen im Internet; hier haben sich neben gesundheitsbezogenen Websites auch Internet-Foren entwickelt, in denen sich Betroffene persönlich zu bestimmten Krankheiten austauschen [1, 2, 3]. Gesundheitskommunikation ist dabei ein recht weit gefasster Oberbegriff. Unter ihm werden die Vermittlung und der Austausch von Informationen verstanden, die Gesundheit, Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung betreffen, aber auch Krankheit sowie diagnostische und therapeutische Verfahren [1, 2].

Dabei lassen sich zum einen verschiedene Anbieter von Gesundheitsinformationen unterscheiden, zum anderen verschiedene Vermittlungskanäle. Von der Vielzahl an Privatpersonen, Institutionen und Unternehmen, die sich auf dem Gebiet der Gesundheitskommunikation engagieren, werden in der Folge vier Anbieter herausgegriffen und vorgestellt.

Bevölkerungsbezogene Gesundheitskommunikation bedient sich unabhängig vom Anbieter der Informationen meist der Massenmedien. Neben den klassischen Medien der Massenkommunikation wie Funk, Fernsehen oder Plakatwänden hat das Internet in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung zugenommen. Die beiden Kommunikationskanäle werden mit ihren Besonderheiten ebenfalls kurz vorgestellt.

Anbieter von Gesundheitsinformationen

Gesundheitskommunikation über staatliche und halbstaatliche Institutionen

In Deutschland ist es Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und des Robert Koch-Instituts (RKI), die Bevölkerung beziehungsweise Fachöffentlichkeit über Gesundheitsthemen zu informieren. Die BZgA informiert über Massenmedien (Plakate, Broschüren, Radio- und Fernsehspots), Internetseiten und personalkommunikative Angebote (zum Beispiel Telefonberatungen) zu Themen wie HIV/AIDS, Sucht, Sexualität und Organspende. In der DDR nahm das Deutsche Hygiene-Museum Dresden eine der BZgA vergleichbare Funktion wahr [4]. Das RKI beschäftigt sich unter anderem mit Infektionskrankheiten und informiert und berät über Broschüren, Newsletter und Internetseiten vorwiegend die Fachöffentlichkeit, zu einzelnen Themen auch die breitere Bevölkerung.

Zudem bietet seit einigen Jahren das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) allgemein verständliche Texte zu Gesundheitsthemen online an. Darüber hinaus widmen sich Gesundheitsämter und Krankenkassen der Weitergabe von gesundheitsbezogenen Informationen an die Bevölkerung. Auch existiert eine Vielzahl an Stiftungen und Vereinen, die von staatlicher Seite unterstützt werden beziehungsweise denen zum Teil öffentliche Organisationen angehören, die sich in der bevölkerungsbezogenen Gesundheitskommunikation engagieren. Hierzu gehören zum Beispiel die Landesvereinigungen für Gesundheit oder die Deutsche Aidshilfe e.V. Auch diese Anbieter setzen als Kommunikationsmittel die klassischen Massenmedien ein, sind aber auch häufig mit ihrem Informationsangebot im Internet vertreten.

Gesundheitsinformation über private Stiftungen und Vereine

In den letzten Jahren hat die Anzahl an gesundheitsbezogenen Kommunikationskampagnen durch private Stiftungen oder Vereine, die sich meist einem bestimmten Gesundheitsthema widmen, deutlich zugenommen. Entsprechende finanzielle Mittel und persönliche Kontakte ermöglichen diesen Anbietern zum Teil aufwendige gesundheitskommunikative Formate, wie zum Beispiel ausgedehnte Plakatierungsaktionen und Anzeigenserien. Zu nennen ist hier exemplarisch die Felix Burda Stiftung, die sich durch umfassende Anzeigenaktionen zur Darmkrebsfrüherkennung auszeichnet, für die viele Prominente gewonnen werden konnten. Ein anderes Beispiel sind die umfassenden Medienkampagnen zum Thema Sonnenschutz, die seit Jahren von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V. initiiert werden. Auffällig ist, dass Kampagnen von privaten Stiftungen oder Vereinen häufiger auf drastische und schockierende Motive zurückgreifen. Beispielhaft zu nennen ist die Michael Stich Stiftung für HIV-Prävention, die durch den Einsatz von Motiven mit Todessymbolik (Sarg, Geier, Hinrichtungszelle et cetera) auf die Mutter-Kind-Übertragung von HIV hinweisen will, oder die Hannelore Kohl Stiftung für Verletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems, die durch die Großaufnahme eines verunfallten, schwer blutenden Kindes zum Helmtragen bewegen wollte [5].

Gesundheitsinformationen durch die pharmazeutische Industrie

Auch die pharmazeutische Industrie engagiert sich zunehmend in der Aufklärung über Erkrankungen, um damit beim Endverbraucher direkt oder indirekt für Medikamente zu werben. Diese Gesundheitskommunikation ist eine Form der sogenannten „Direct-to-Consumer-“ (DTC-)Werbung. Die direkte Bewerbung eines Präparats ist in Deutschland nur für rezeptfreie Arzneimittel erlaubt. Zulässig ist aber die allgemeine Aufklärung zu bestimmten Krankheiten, das sogenannte Disease-Education-Advertisement. Sie soll ein Bewusstsein für Krankheiten schaffen und den Rezipienten ermutigen, ärztlichen Rat über mögliche Behandlungsmethoden einzuholen [6]. Das Unternehmen profitiert dann, wenn es ein Monopol auf das Arzneimittel hat oder eindeutiger Marktführer ist. Mittlerweile dominiert die Gesundheitsaufklärung durch die Industrie bei vielen Krankheitsbildern. Die Gesundheitskommunikation im Internet sowie die Werbung von Herstellern pharmazeutischer Produkte ist zu einer wesentlichen Informationsquelle für Patienten beziehungsweise Gesunde geworden [7].

Journalistische Gesundheitsinformationen

Die Präsenz von Gesundheitsthemen in journalistischen Formaten im Fernsehen, Hörfunk und in den Printmedien ist hoch. Im Fernsehen machen Gesundheitsthemen gemäß Untersuchungen aus den USA beziehungsweise Deutschland einen Anteil von etwa 11–15% aus [8, 9]. Dieser Anteil dürfte je nach Land und auch Zeitpunkt deutlich variieren. Auch in den Printmedien sind Gesundheitsthemen beliebt und wirken nicht selten auflagensteigernd. Bevölkerungsbefragungen zu verschiedenen Gesundheitsthemen ergaben, dass Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften die mit Abstand häufigsten Quellen für Gesundheitsinformationen sind [10, 11]. Die Berichterstattung zu Gesundheitsthemen in Nachrichtenmagazinen, vor allem im Fernsehen, kann das Verhalten der Bevölkerung zum Teil dramatisch beeinflussen, wie Analysen zu Medienberichten zeigten, die zum Beispiel Gefahren der Hormonersatztherapie oder Krebserkrankungen von Prominenten thematisierten [12, 13]. Themenwahl und Umfang der Berichterstattung stehen aber oft in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrer Relevanz aus Public-Health-Sicht [9].

Kanäle für Gesundheitsinformationen

Gesundheitskommunikation über das Internet

Etwa ein Drittel der Deutschen informiert sich mindestens einmal monatlich im Internet über Gesundheitsthemen. Gesundheitsinformationen werden dort von Privatpersonen, kommerziellen Anbietern, Forschungseinrichtungen oder öffentlichen Institutionen publiziert. Das Angebot reicht von wissenschaftlichen Publikationen bis hin zur Patienten-Selbstberatung in Foren, Chats oder Support-Gruppen [14]. Auch eine der weltweit am häufigsten besuchten Internetseiten, die Internetenzyklopädie Wikipedia, bietet Gesundheitsinformationen an [15]. Die Kompetenz oder Objektivität der Anbieter gesundheitsbezogener Internet-Informationen ist in vielen Fällen unklar und dürfte gerade für den medizinischen Laien nicht ohne Weiteres zu erkennen sein [16].

Gesundheitskommunikation über Massenmedien

Ein klassischer Kanal für die Gesundheitskommunikation, insbesondere für präventive Kampagnen, sind die Massenmedien. Zu den Werbeträgern, die für gesundheitsbezogene Kampagnen genutzt werden, zählen die Printmedien, elektronische Medien (Hörfunk, Fernsehen) sowie die Außenwerbung (Anschlagstellen, öffentliche Verkehrsmittel), über die mit den entsprechenden Werbemitteln wie Anzeigen, Spots oder Plakaten geworben wird [17]. Auch Informationsbroschüren gehören in diese Kategorie. Kommunikationskampagnen zu gesundheitlichen und präventiven Themen, zum Beispiel zum Tabak- und Alkoholkonsum, Sonnenschutz, zur Krebsfrüherkennung oder zu HIV/AIDS, haben sich in den 1970er-Jahren stark entwickelt und sind seitdem fester Bestandteil von Public Health. Sie sollen bei bestimmten Zielgruppen ein Bewusstsein für eine gesundheitsbezogene Problematik erreichen und Wissen, Einstellung und Verhalten in einem positiven, das heißt gesellschaftlich erwünschten Sinn beeinflussen. Im Wesentlichen geht es dabei um individuelles präventives Verhalten (zum Beispiel Suchtprävention, körperliche Bewegung) oder um die Nutzung des Gesundheitssystems (zum Beispiel Krebsfrüherkennung, HIV-Test) [18, 19].

Auswirkungen von Gesundheitsinformationen auf die Bevölkerung

Gesundheitskommunikation in ihren verschiedenen Formen hat einen erheblichen Einfluss darauf, wie wir Krankheiten, Krankheitsrisiken sowie präventive und therapeutische Möglichkeiten wahrnehmen und einschätzen [2]. Sie ist damit entscheidend dafür, wie wir uns in gesundheitlichen Belangen verhalten, und sie trägt dazu bei, dass bestimmten Krankheiten oder einem Risikoverhalten gesellschaftliche Werte zugeschrieben werden. Wer immer über Gesundheit informiert und kommuniziert – der Arzt, eine Behörde, ein Journalist oder ein pharmazeutisches Unternehmen –, bedient damit ein machtvolles Instrument. Die Entscheidung eines Individuums für oder gegen eine lebensrettende Therapie, Schuldgefühle beim Missachten von Gesundheitsempfehlungen, Stigmatisierung einer Bevölkerungsgruppe (zum Beispiel Übergewichtige oder Raucher) oder gesellschaftliche Empathie gegenüber Krebserkrankten, die in Hilfsbereitschaft mündet – all das sind Folgen, die Gesundheitskommunikation haben kann.

Gesundheitsinformationen sind ein wichtiges Gut. Sie stellen die Basis für die aufgeklärte Entscheidung eines Individuums in allen gesundheitlichen Belangen dar. Sie tragen damit zum Empowerment bei, also zur Befähigung und Ermächtigung von Gesunden sowie Kranken, und können die Gesundheit der Bevölkerung deutlich verbessern [20]. Gesundheitskommunikation kann aber auch unerwünschte Wirkungen haben. Risiken können dabei durch fehlerhafte oder diskriminierende Informationen entstehen oder durch das Missverstehen korrekter Informationen. In diesen Fällen kann der Schaden beispielsweise physischer Natur (zum Beispiel durch unangemessene Behandlungen), emotionaler Natur (zum Beispiel durch falsche Hoffnungen oder Ängste) oder finanzieller Natur (zum Beispiel durch den Einkauf unangemessener Produkte) sein [21]. Auch auf gesellschaftlicher Ebene können sich unerwünschte Effekte einstellen wie Stigmatisierungen einzelner Bevölkerungsgruppen oder eine Verschärfung der sozialen Ungleichverteilung von Gesundheit. Eine Übersicht über die möglichen negativen Auswirkungen von Gesundheitskommunikation gibt Tab. 1.

Tab. 1 Mögliche unerwünschte Auswirkungen von Gesundheitskommunikation

Ethische Kriterien für Gesundheitsinformationen

Die beschriebenen Risiken machen deutlich, dass Gesundheitskommunikation eine ethische Verantwortung mit sich bringt, die sich nicht nur darauf bezieht, was vermittelt wird, sondern auch wie und an wen vermittelt wird. In Anlehnung an die Prinzipien einer Public-Health-Ethik, die von Schröder [22] sowie Childress und Gaare Bernheim [23] genannt werden, lassen sich auch Forderungen für ethische Grundlagen der Gesundheitskommunikation vorschlagen, zum Beispiel (1) Richtigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit, (2) Transparenz, (3) Partizipation der Zielgruppe, (4) Respekt vor der menschlichen Würde, (5) soziale Gerechtigkeit und (6) Verhältnismäßigkeit.

Im Folgenden werden die einzelnen Kriterien erläutert, und es wird analysiert, inwieweit sich bei der Gesundheitskommunikation ethische Probleme ergeben.

Sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit; Transparenz

Da gesundheitsbezogene Informationen beeinflussen, wie sich Individuen in Gesundheitsbelangen entscheiden und verhalten, muss gefordert werden, dass die kommunizierten Inhalte sachlich korrekt und fundiert sind, zum Beispiel indem sie auf Ergebnissen hochwertiger wissenschaftlicher Studien beruhen. Man spricht hier auch von Evidenzbasierung. Zudem müssen die Informationen vollständig sein; beispielsweise sollten Kampagnen, die für die Krebsfrüherkennung werben, auch über Risiken und Nebenwirkungen dieser Untersuchungen aufklären. Dabei sollte die Information über mögliche unerwünschte Effekte oder auch über Alternativen ausgewogen und unverzerrt sein [8, 24]. Diese Aspekte lassen sich auch unter dem Schlagwort „Qualität“ der Gesundheitsinformationen zusammenfassen. Dabei lässt sich feststellen, dass die inhaltliche Qualität von aktuellen, in Deutschland über verschiedene Kanäle und von verschiedenen Urhebern vermittelten Gesundheitsinformationen durchaus heterogen ist [8], und zwar auf verschiedenen Ebenen. Staatliche Behörden wie die BZgA, das IQWiG oder das RKI verbreiten sachlich fundierte, auf umfangreichen Studien oder internationalen Daten beruhende Informationen und sind zudem als Verfasser bei allen Publikationen klar erkennbar, was sowohl für Informationsbroschüren, Plakate, Fernsehspots oder Internetseiten gilt. Für viele andere Quellen von Gesundheitsinformationen gilt das jedoch nicht immer.

Gesundheitsinformationen im World Wide Web

Dutzende von Studien haben in der Vergangenheit die Qualität von Gesundheitsinformationen im Internet untersucht und immer wieder Mängel aufgezeigt. Das Internetangebot reicht von hochwertigen Fachpublikationen bis hin zu purer Quacksalberei [14]. Selbst die Gesundheitsinformationen verhältnismäßig „seriöser“ Websites, zum Beispiel in der hochfrequentierten Internetenzyklopädie Wikipedia oder in den Online-Angeboten von Krankenkassen, entsprechen nicht den Kriterien der evidenzbasierten Medizin, wiewohl sie nur selten explizit falsch sind; viele relevante Informationen fehlen aber [15]. Das tatsächliche Gefährdungspotenzial falscher oder irreführender Informationen ist jedoch unklar. So sind erst wenige Fälle tatsächlicher Schäden durch die Nutzung von Internet-Gesundheitsinformationen dokumentiert [21]. Problematisch ist im Internet vor allem die oft schwer erkennbare Vermengung von Werbung und redaktionellem Inhalt oder eine nicht veröffentlichte finanzielle Bindung an die Industrie [14]. Insbesondere ist die Gefahr der Fehlinformationen auch bei der Patienten-Selbstberatung in Foren et cetera gegeben. Es zeichnet sich zudem die Tendenz ab, dass Individuen oftmals eher den konkreten Erfahrungen eines anderen Betroffenen glauben als den abstrakten Ergebnissen einer für den Laien nicht transparenten evidenzbasierten Medizin, zum Beispiel in Form von Metaanalysen.

Gesundheitsinformationen der Industrie

Als ethisch bedenklich gelten gesundheitliche Informationen, wenn sie als Plattform für Produktwerbungen dienen, weil dann nicht immer von der Richtigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit der kommunizierten Inhalte ausgegangen werden kann, zumal die Industrie als Quelle der Informationen nicht immer eindeutig erkennbar ist. Nicht selten werden zum Beispiel durch Anbieter medizinischer Dienstleistungen oder Produkte interessengeleitete, fachlich fundierte – oder fachlich verkleidete – Informationen vermittelt, die aber im Wesentlichen der Vermarktung des eigenen Produkts oder des angebotenen Services dienen. Risiken und Nebenwirkungen werden dabei möglicherweise verschwiegen oder verharmlost [7]. Eine solche Information kann Patienten irreführen.

Kommunikationsstrategien präventiver Kampagnen

Massenmediale Formen der präventiven Gesundheitskommunikation, zum Beispiel Plakate oder Fernsehspots, orientieren sich in Form und Gestaltung meist an kommerziellen Werbestrategien. Im Gegensatz zum kommerziellen Marketing müssen im Gesundheitsbereich allerdings oft komplexe Inhalte vermittelt werden (gesunde Ernährung, persönlicher Benefit durch Früherkennungsuntersuchung). Dies kollidiert mit dem Grundsatz „KISS“ der Werbung, „keep it short and simple“: Bild- und Textbotschaften müssen prägnant und leicht verständlich sein, um schnell Aufmerksamkeit zu erregen und sich im Gedächtnis zu verankern [25]. Nicht selten muss daher ein vielschichtiger Inhalt stark vereinfacht und auf einen griffigen Slogan heruntergebrochen werden.

Auch im Public-Health-Bereich wird davon ausgegangen, dass diejenigen Botschaften am effektivsten sind, die einen klaren Zusammenhang zwischen einem Risiko und einer präventiven Maßnahme herstellen [26]. In den Bemühungen, die Menschen von einer gesundheitsförderlichen Verhaltensweise zu überzeugen, werden daher nicht selten sachliche Ungenauigkeiten und missverständliche Vereinfachungen in Kauf genommen. Problematisch werden derartige simplifizierende Angaben insbesondere dann, wenn sie für einen medizinischen Eingriff – zum Beispiel zur Krebsfrüherkennung – werben. So werden Screening-Untersuchungen mit den Attributen „Sicherheit und Beruhigung“ beworben [27]. Damit werden Zusatznutzen versprochen, die ein Verhalten oft gar nicht einlösen kann.

Beispielsweise warb die Wiener Kampagne „Die Klügere sieht nach“ auf einem Flyer, mit dem Frauen zur Mammographie eingeladen wurden, mit dem Slogan: „Mammographie beruhigt … Ich bin wieder gesund, weil ich rechtzeitig bei der Mammographie war.“ Hier wird suggeriert, dass Mammographie beruhigen beziehungsweise „gesund machen“ kann. Mögliche negative Folgen, zum Beispiel durch falsch positive oder falsch negative Befunde, werden ausgeblendet, ebenso wie die Möglichkeit, dass ein nicht kurabler Tumor entdeckt werden kann [19, 27]. Ähnliche Beispiele finden sich auch bei Kampagnen zur Förderung der Darmkrebs-Früherkennung. Die einseitige Darstellung positiver Konsequenzen ohne das Aufzeigen von Risiken ist nicht nur irreführend [27], sondern kann sogar schädlich sein, da sie die Zielpersonen dazu verleitet, unter falschen Annahmen invasive Untersuchungen mit eventuell negativen Folgen in Anspruch zu nehmen. Eine informierte Entscheidung kann durch die Zielpersonen so nicht getroffen werden. Ähnlich problematisch, da beschönigend und irreführend, ist auch der häufig verwandte Begriff „Krebsvorsorgeuntersuchung“, der auch in Präventionskampagnen und Broschüren zu Screeningmaßnahmen für Kolon-, Prostata- und Mammakarzinom auftaucht. Der Begriff „Vorsorge“ impliziert, durch diese Untersuchungen könne dem malignen Tumor vorgebeugt werden; in der Tat handelt es sich um Untersuchungen, die ein Malignom (früh) erkennen sollen.

Partizipation

Die aktive Integration von Bürgern in die Planung, Gestaltung und Bewertung von (öffentlichen) Gesundheitsprogrammen (Partizipation) gilt als ein wesentliches Element von New Public Health und der WHO-Vision von Gesundheitsförderung [28, 29]. In den letzten 20 Jahren ermutigen Regierungen in Europa und Nordamerika zunehmend Bürger und Patienten, an der Planung und Entwicklung von Gesundheitsdiensten teilzuhaben. Dahinter steht der Glaube, dass die Einbeziehung der Betroffenen zu Gesundheitsleistungen führt, die besser zugänglich sind und besser akzeptiert werden [30]. Zu fordern ist, dass Bürger nicht nur bei der Gestaltung und Bewertung von Gesundheitsinformationen, zum Beispiel in Form von Broschüren oder Websites, beteiligt sind, sondern auch entscheiden können, zu welchen Themen Gesundheitsinformationen erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden. So kann sichergestellt werden, dass die Gesundheitskommunikation den Bedürfnissen und Prioritäten der Bevölkerung entspricht, gleichzeitig der Zielgruppe angemessen ist – in inhaltlicher, sprachlicher, gestalterischer und auch kultureller Hinsicht.

Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Partizipation von Vertretern der Zielgruppe nur bei einer Minderheit der verfügbaren Gesundheitsinformationen stattfindet. Viele Informationsbroschüren werden nicht einmal vor Drucklegung bei der Zielgruppe auf Verständlichkeit und Akzeptanz evaluiert. Die Folge ist, dass Gesundheitsinformationen, zum Beispiel zum Thema Primär- und Sekundärprävention von Malignomen, unverständlich und irreführend sind [31].

Allerdings zeigen vereinzelte Beispiele, wie die amerikanische „Truth“-Nichtraucher-Kampagne, dass sich massenmediale Gesundheitskommunikation und aktive Einbindung der Zielgruppe durchaus erfolgreich miteinander verbinden lassen [32]. Die beauftragte Werbeagentur lud 500 Jugendliche zu einem Workshop ein, in dem die Jugendlichen selbst Ziele und Namen der Maßnahme festlegten. Der Schwerpunkt war eine umfangreiche Kampagne, die auf die manipulativen Strategien der Tabakindustrie hinwies. Gleichzeitig gründeten sich neue Schüler- und Studentengruppen, um gegen die Tabakindustrie und ihre Versprechungen aktiv zu werden. Sie wurden kontinuierlich unterstützt im Sinne eines „Empowerment“ [32].

Respekt vor der menschlichen Würde

Gesundheitsinformationen sind nicht immer nüchtern und neutral. Zur Erhöhung ihrer Wahrnehmung und Effektivität kommen nicht selten emotionalisierende Komponenten zum Einsatz – Schock, Humor, Sexualität –, die für einzelne Bevölkerungsgruppen verletzend oder stigmatisierend sein können. Dies gilt insbesondere für massenmediale Gesundheitskampagnen. Auch wird ihnen Manipulation der Zielgruppe vorgeworfen.

Perpetuierung von Klischees

In einem israelischen Faltblatt, das äthiopische Einwanderer mit Diabetes mellitus zur Fußpflege motivieren soll, wird graphisch dargestellt, wie eine Frau einem älteren Mann die Füße wäscht. Dieses Motiv wurde gewählt, weil es als kulturell angemessen gewertet wurde und für die Zielgruppe der älteren Äthiopier als ansprechend und überzeugend galt. Gleichzeitig werden damit aber die traditionellen äthiopischen Geschlechterrollen, die eine untergeordnete Stellung der Frau vorsehen, unterstützt [26]. Zur Erhöhung der Wirksamkeit wurde bei dieser gesundheitsbezogenen Information die Verwendung und Perpetuierung eines diskriminierenden Stereotyps in Kauf genommen. Während derartige Beispiele für den deutschsprachigen Raum selten sind, ist doch auffällig, dass in den letzten Jahren insbesondere bei Präventionskampagnen privater Stiftungen auf sexuelle Motive zurückgegriffen wird. Die Großaufnahme eines weiblichen Dekolletés beziehungsweise einer weiblichen Brust stellen beispielsweise Motive einer Kampagne für Brustkrebsfrüherkennung (Slogan: „75% aller Männer schauen zuerst auf den Busen einer Frau. Ihr Gynäkologe sollte dazugehören.“, Breast Health Institute, 2004) bzw. einer HIV-Kampagne dar (Slogan: „Die Muttermilch macht’s, dass Babys sterben“, Michael Stich Stiftung 2007).

Schuldzuweisung und Diskriminierung

Zudem kann bei der Gesundheitskommunikation die Auswahl bestimmter Zielgruppen diesen implizit „Schuld“ oder „Verantwortungslosigkeit“ zuschreiben, insbesondere, wenn es um ansteckende Krankheiten geht. So sind in Nordamerika seit einigen Jahren HIV-Positive zunehmend in den Fokus präventiver Ansätze gerückt. Im Vordergrund derartiger Kampagnen steht die Absicht, HIV-Positive dazu zu motivieren, das Virus nicht weiterzugeben (sogenannte „prevention for positives“). Es wird befürchtet, dass dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung die Verantwortung für die Verbreitung von HIV alleine den Infizierten zugeschrieben wird. Schnell können die HIV-Positiven so als Motor der Epidemie verstanden werden [19]. In Deutschland wird aufgrund dieser Bedenken von praktisch allen Akteuren die Strategie der prevention for positives abgelehnt, um das Aufbürden von Schuld und Entsolidarisierung zu vermeiden [33].

Stigmatisierung und Verletzung

Gesundheitskampagnen können auch dann diskriminierend und stigmatisierend wirken, wenn Humor als Strategie eingesetzt wird und ein gesundheitsschädliches Verhalten beziehungsweise ein gesundheitsschädlicher Zustand humoristisch dargestellt und damit lächerlich gemacht wird. Dies gilt insbesondere für Übergewicht. Die Auswahl von Motiven, die Übergewicht oder Adipositas humorvoll darstellen, kann für Übergewichtige verletzend sein. Beispielsweise initiierte die schweizerische Stiftung Gesundheitsförderung 2007 eine massenmediale Sensibilisierungskampagne mit dem Slogan „Die Schweiz wird immer dicker“, deren Motive einen Protest bei Fachärzten hervorgerufen hatten. Die Plakate, die überdimensionierte Kinderutensilien wie ein Dreirad mit einem riesigen Sattel oder einen Schulstuhl mit stark verbreitertem Sitz zeigten, würden sich über Übergewichtige lustig machen und sie diskriminieren [34].

Manipulation statt Empowerment

Auch wenn Gesundheitsinformationen eine Voraussetzung für Empowerment sind, so ist doch festzustellen, dass nicht jede Form der Gesundheitskommunikation den Anspruch des Empowerment erfüllt. Empowerment umschreibt einen sozialen Prozess, durch den Individuen Verständnis und Kontrolle über ihr Leben gewinnen [28]. Insbesondere Kommunikationsstrategien, die zu einem Gesundheitsverhalten motivieren wollen, gehen mittlerweile über die reine Information hinaus und beinhalten vor allem überredende Botschaften, zum Beispiel durch die Wahl von Motiven, Personen, Vorbildern und den Einsatz von Humor, Emotionen oder Furchtappellen [35, 36]. Ein bestimmtes, sozial erwünschtes Gesundheitsverhalten (zum Beispiel Nichtrauchen) soll auf diese Weise als attraktiv oder wünschenswert dargestellt und damit „vermarktet“ werden [37]. Eine vorgeschaltete Marktforschung soll häufig unbewusste Motive und Ängste der Zielpersonen eruieren und diese gezielt aufgreifen [38, 39]. Diese Form der Kommunikation zielt nicht auf den Respekt vor Individuen und nicht auf die Steigerung ihrer Kontroll- und Entscheidungsfähigkeit ab [38, 40].

Soziale Gerechtigkeit

Bevölkerungsweite Gesundheitskommunikation ermöglicht es, bei allen gesellschaftlichen Schichten Wissen um gesundheitsrelevante Belange herzustellen. Sie kann damit auch die Gesundheitschancen sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen verbessern. Zu fragen ist jedoch, ob die Fülle der derzeit verfügbaren Gesundheitsinformationen tatsächlich dazu beiträgt, das gesundheitsbezogene Wissen verschiedener sozialer Schichten zu vereinheitlichen. Möglich ist auch, dass sich Wissensunterschiede zwischen gebildeten und bildungsfernen Schichten vergrößern. Beispielsweise zeigt die Forschung, dass sich die Bevölkerungsgruppen, die ohnehin schon viel für ihre Gesundheit tun, stärker für Gesundheitsthemen interessieren und sich leichter überzeugen lassen als sozial Benachteiligte, denen es gesundheitlich oft schlechter geht [41]. Präventive massenmediale Kampagnen, zum Beispiel zum Zigarettenrauchen oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sind bei Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Status oder bei Migranten meist weniger erfolgreich [42, 43]. Auch von online verfügbaren Gesundheitsinformationen profitieren vor allem gebildete und wohlhabendere Personen [44].

Überforderung bildungsferner Bevölkerungsgruppen

Die Inhalte der verfügbaren Gesundheitsinformationen sind oft zu wissenschaftlich und schwer verständlich. Beispielsweise führt ein Faltblatt des Bayerischen Gesundheitsministeriums über Darmkrebsprävention aus dem Jahr 2002 unter „krebshemmenden Stoffen“ auf: „Ballaststoffe, Omega-3-Fettsäuren, Caritinoide, sekundäre Pflanzenstoffe“. Es ist davon auszugehen, dass der nicht besonders vorgebildete Leser mit diesen Angaben überfordert sein dürfte. Studien ergaben, dass nur 3% der Broschüren über Asthma geeignet waren, auch von Menschen mit niedrigem Bildungsgrad verstanden zu werden [8]. Auch der in vielen Kampagnen eingesetzte Humor, der oft anspruchsvoll ist und mit Wortspielen arbeitet, dürfte nicht geeignet sein, niedrigere Bildungsschichten oder Menschen, die sprachliche Probleme haben, zu erreichen. Es ist also darauf zu achten, bei der Gesundheitskommunikation die Menschen auf der sprachlichen und emotionalen Ebene abzuholen, Informationen speziell für Migranten und bildungsferne Personen zu entwickeln – auch wenn das mit höheren Kosten verbunden ist.

Erschwerter Zugang zu Gesundheitsinformationen

Für sozial Benachteiligte kann der Zugang zu online verfügbaren Informationen schwieriger sein, weil die finanziellen Mittel für einen Internetanschluss nicht vorhanden sind oder weil Kompetenzen zur effektiven Navigation im World Wide Web fehlen [44]. Für Funk und Fernsehen gilt, dass Gesundheitsthemen meist in anspruchsvolleren Nachrichtenformaten und Magazinen behandelt werden. Gesundheitskommunikation könnte bildungsferne Schichten eher erreichen, wenn entsprechende Informationen auch in Unterhaltungssendungen oder täglichen TV-Serien vermittelt würden [20].

Kombination mit verhältnisorientierten Maßnahmen

Selbst gut verständliche, kulturell angemessene Gesundheitsinformationen können das Gesundheitsverhalten nicht effektiv beeinflussen, wenn die Rahmenbedingungen nicht verbessert werden [20]. Armut, Status als Alleinerziehender, bewegungsfeindliches Wohnumfeld oder erschwerter Zugang zum Gesundheitssystem können bei sozial Benachteiligten ein gesundheitsförderliches Verhalten und eine angemessene Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verhindern, selbst wenn das Wissen dazu „angekommen“ ist. Gesundheitskommunikative Maßnahmen müssen daher mit unterstützenden Maßnahmen im Lebensumfeld ergänzt werden, will man eine soziale Chancengleichheit von Gesundheit ermöglichen.

Verhältnismäßigkeit – Schutz vor Medikalisierung und Skandalisierung

Das ethische Gebot der Verhältnismäßigkeit meint primär, dass die Aufwendungen für eine Public-Health-Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen dieser Maßnahme stehen, das heißt eine hohe Kosteneffektivität aufweisen muss, dass gleichzeitig aber auch eine vernünftige Relation zwischen verschiedenen Public-Health-Maßnahmen besteht. Beobachtet man derzeitige Aktivitäten zum Beispiel im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung, so hat man den Eindruck, dass gesundheitskommunikative Maßnahmen wie Plakate oder Informationsbroschüren im Vergleich zu verhältnisorientierten Ansätzen, die zum Beispiel im Gemeindeumfeld ansetzen, eher überwiegen.

Verzerrung und Skandalisierung in den Medien

Verhältnismäßigkeit kann sich auch auf die Gesundheitskommunikation selbst beziehen. Die unverhältnismäßig stark ausgeprägte Kommunikation eines bestimmten Gesundheitsthemas, zum Beispiel im Rahmen journalistischer Berichterstattungen, kann rasch in Panikmache resultieren. Dem Informationsauftrag und -anspruch der journalistischen Profession steht ein zunehmender Unterhaltungs- und Skandalisierungsdruck gegenüber. Nicht selten werden aus dem Gesundheitsbereich sensationsheischende Nachrichten verkauft, um beispielsweise in der Presse die Auflage zu steigern, der Grundregel folgend: „bad news are goods news“ [41]. Die Medien bevorzugen oft das Dramatische und Außergewöhnliche [41], und die Auswahl und Darstellung von Gesundheitsthemen führt nicht selten zu einer verzerrten Wahrnehmung von Gesundheitsrisiken. Beispielsweise bieten Themen wie „Schädlichkeit des Rauchens“ auf den ersten Blick wenig neue Informationen und werden in den Medien vernachlässigt, während Risiken mit greifbarem Katastrophenpotenzial oder großer Verunsicherung in der Bevölkerung (zum Beispiel Elektrosmog, Gentechnik) mehr „publicity“ versprechen [45]. Durch eine unverhältnismäßig umfassende Berichterstattung über – unter Public-Health-Gesichtspunkten – wenig relevante Themen [9] und die Skandalisierung von Sachinformationen entsteht schnell Desinformation [46].

Medikalisierung und Disease mongering

Gesundheitskommunikation kann auch Bedürfnisse nach unverhältnismäßiger medizinischer Behandlung von an sich normalen körperlichen Zuständen wecken. Man spricht hier auch von Medikalisierung. Medikalisierung bedeutet, dass sich die Medizin zunehmend für die Begleitung normaler körperlicher Umbruchphasen zuständig erklärt und die Verantwortung für normale Körperprozesse übernimmt [47]. Zentraler Kritikpunkt ist, dass die Industrie neue Krankheitsbilder schafft, um einen möglichst breiten Absatzmarkt zu generieren. Man spricht auch von „Disease Mongering“, dem „Verkaufen von Krankheiten“ [48, 49]. Lebensprozesse – wie zum Beispiel Altern und daraus resultierende Erscheinungen wie Alopezie oder Erektionsstörungen – werden zum Teil bewusst pathologisiert. Durch geschickte Kommunikation über Internetseiten, aber auch über journalistische Beiträge wird eine Krankheit „verkauft“ und damit ein Bedarf nach medikamentöser Behandlung geweckt [48, 49]. Damit verändert sich auch die gesellschaftliche Wahrnehmung von „Krankheit“ und „Gesundheit“.

Ethische Verantwortung bei der Gesundheitskommunikation – Ausblick und Empfehlungen

Gesundheitskommunikation kann die Kenntnis und das Bewusstsein über gesundheitsbezogene Themen, Probleme, Risiken und Lösungen verbessern und damit die Gesundheit der Bevölkerung – und ihre Lebensqualität – erheblich beeinflussen. Sie trägt zum Empowerment der Rezipienten bei und hilft ihnen, autonome und informierte Entscheidungen in Gesundheitsbelangen zu treffen. Die Vermittlung von Wissen zu Gesundheitsthemen ist aus Public-Health-Sicht grundsätzlich unterstützenswert und ethisch unstrittig. Problematisch erscheint weniger die Tatsache, dass in öffentlichen Medien über Gesundheit kommuniziert wird, sondern vielmehr das „Wie“ der Gesundheitskommunikation, das heißt wie die Informationen ausgewählt, dargestellt und vermittelt werden.

Für verschiedene Formen der Gesundheitskommunikation sind in den letzten Jahren Kriterien oder Handlungsmaßstäbe entwickelt worden, zum Beispiel Verhaltenskodizes, Ethikkodizes oder Leitlinien. Dies gilt insbesondere für medizinische Internetseiten. Hier sollen Kodizes den Website-Betreibern sowie Nutzern Orientierung darüber geben, was als Good Practice anzusehen ist [14]. Die wohl bekanntesten Ansätze sind der HON Code of Conduct der in der Schweiz ansässigen Health on the Net (HON) Foundation oder die Kriterien der in den USA entwickelten Health-Internet- (HI-)Ethics [14, 50]. Verfügbar sind zudem ethische Leitlinien für die ärztliche Aufklärung des Patienten, wie sie zum Beispiel durch das britische General Medical Council entwickelt worden sind [51]. Für gedruckte Patienteninformationen wurde das Instrument DISCERN entwickelt [8]. Auch für die Gesundheitskommunikation durch die pharmazeutische Industrie existieren ethische Leitlinien, zum Beispiel der „Code of Practice“ der Britischen Vereinigung der Pharmazeutischen Industrie [52]. Einzelne Autoren haben zudem Kriterien für evidenzbasierte Patienteninformationen [24] beziehungsweise ethische Kriterien für massenmediale Social-Marketing-Kampagnen aufgestellt [39]. Obgleich für verschiedene Formen von Gesundheitsinformationen erarbeitet, findet sich bei all diesen ethischen Prinzipien eine Reihe von Übereinstimmungen. Aus diesen Leitlinien sowie anderen Vorschlägen zur Public-Health-Ethik [22, 23] lassen sich ethische Grundprinzipien für die Gesundheitskommunikation zusammenstellen; sie sind in Tab. 2 aufgeführt.

Tab. 2 Ethische Kriterien, die bei der Erstellung und Vermittlung von Gesundheitsinformationen beachtet werden sollten. Nicht alle genannten Kriterien treffen für alle Formen der Gesundheitskommunikation zu

Problematisch ist die Frage, wie Anbieter von Gesundheitsinformationen in die Verantwortung genommen werden können, ethische Kriterien einzuhalten. Während man von staatlichen Veröffentlichungen und Maßnahmen verlangen kann, keine irreführenden oder diskriminierenden Gesundheitsinformationen zu verbreiten, ist es sicherlich schwieriger, dies mit vergleichbarer Schärfe beispielsweise von der pharmazeutischen Industrie zu fordern, die ein in Grundzügen berechtigtes Eigeninteresse mit ihrer gesundheitsbezogenen Aufklärung verfolgt und häufig in Gesundheitskommunikation investiert, weil es Marketingzwecken dient [6, 53]. Private Stiftungen haben zwar mit ihren Kampagnen das Gemeinwohl im Blick, sind aber unabhängig und deshalb ebenfalls schwer auf die Einhaltung von Kriterien zu verpflichten. Denkbar wäre, Gesundheitsinformationen, die ethische Standards einhalten, mit einem Zertifikat oder Siegel zu versehen, ähnlich wie es der HON-Code für medizinische Internetseiten anbietet. Allerdings müsste die Öffentlichkeit dann über die Bedeutung eines solchen Zertifikats in Kenntnis gesetzt werden, was ebenfalls eine Herausforderung darstellen dürfte.

Auch zeigt sich, dass manche der aufgeführten ethischen Anforderungen schwierig umzusetzen oder widersprüchlich sind. Beispielsweise ist es wichtig, Ausführlichkeit und Evidenzbasierung von Gesundheitsinformationen und die Nennung aller wissenschaftlichen Quellen zu fordern, gleichzeitig können auf diese Weise aber Materialien entstehen, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Aufmachung möglicherweise gerade Menschen mit niedrigem Bildungsstatus oder wenig Interesse an Gesundheitsthemen abschrecken. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch die Aussagekraft der evidenzbasierten Medizin nicht unumstritten ist, zum Beispiel aufgrund der artifiziellen Bedingungen in klinischen Studien, des sogenannten Publikationsbias (der bevorzugten Veröffentlichung positiver Studienergebnisse) oder der uneinheitlichen Interpretation der Ergebnisse klinischer Studien [54]. Weiterhin ist zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, auf emotionale Appelle oder Imagekampagnen – mit Verweis auf die Manipulationsgefahr – vollständig zu verzichten. Gerade in Segmenten, die von der Industrie stark beworben werden, zum Beispiel Zigarettenrauchen oder der Konsum von Süßwaren oder Fastfood, ist wohl von Präventionskampagnen kaum ein Erfolg zu erwarten, wenn den in der kommerziellen Werbung vermittelten positiven Images des Risikoverhaltens lediglich nüchterne Informationen entgegengesetzt werden. Ob man in Kauf nimmt, dass die Zielgruppen besser und effektiver dadurch erreicht werden, dass sie eher überredet oder emotional bewegt denn sachlich umfassend aufgeklärt werden, ist sicherlich eine von vielen ethischen Fragen, über die weiter diskutiert werden muss.