Historie

Das Medizinstudium in Deutschland wird durch die Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) [1]) geregelt. Obwohl die ÄAppO seit ihrer Verabschiedung im Jahr 1970 insgesamt 8-mal novelliert worden ist, hat sich die grundsätzliche Kritik etwa an der Dominanz der Multiple-Choice-Prüfungen für das studentische Lernen und an der mangelhaften praktischen Ausbildung im Studium seit den 1970er-Jahren zunehmend verstärkt. In den 1980er-Jahren nahm ein Arbeitskreis von Medizinern, der so genannte Murrhardter Kreis, weitgehenden Einfluss auf die Bemühungen zur Neugestaltung der ÄAppO. Er bemängelte eine zu starke Ausrichtung auf naturwissenschaftliche Grundlagen mit einer viel zu ausgeprägten Spezialisierung der Fächer sowie eine zu starke Konzentration auf reduktionistische Krankheitsbegriffe und auf die medikamentöse Therapie [2]. Der Bundesrat lenkte die Schwerpunkte der Reformerfordernisse im Jahr 1989 jedoch auf etwas andere Bahnen. Er forderte in einer Entschließung:

  • eine engere Verzahnung von Vorklinik und Klinik,

  • eine Verstärkung des praktischen Unterrichts am Patienten,

  • ein verbessertes fächerübergreifendes Studium,

  • die Einführung von Blockunterricht in den klinischen Semestern und

  • die Anpassung der Studierendenzahl an die Ausbildungsmöglichkeiten.

Über mehrere Jahre arbeiteten Sachverständigengruppen auf Bundes- und Länderebene sowie seitens des Medizinischen Fakultätentages (MFT) an einer neu zu gestaltenden ÄAppO. In diesen Diskussionen kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des Murrhardter Arbeitskreises und den Kollegen, die eine rasche, praktikable und eher pragmatische Verbesserung des Unterrichts auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse favorisierten. Die ersten 2 Thesenpapiere fanden 1993 und 1995 keine Zustimmung der medizinischen Fakultäten. Im Dezember 1997 wurde eine neue ÄAppO, die unter intensiver Mitarbeit des MFT erstellt worden war, von der Bundesregierung dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet, von diesem jedoch nicht verabschiedet. Konsensprobleme zwischen der Gesundheits-, Wissenschafts- und Finanzseite der Länder über die notwendige Verminderung der Zulassungszahlen infolge der Intensivierung des klinischen Unterrichts verzögerten ihre Verabschiedung um mehr als 4 Jahre. Nachdem Kompromisse gefunden worden waren, konnte die neue ÄAppO dann im Juni 2002 durch den Bundesrat verabschiedet werden. Seit dem Wintersemester 2003/04 erfolgt nun das Studium nach dieser neuen Ordnung [3, 4].

Studienverlauf nach der neuen ÄAppO

Die medizinische Ausbildung gliedert sich in 3 Abschnitte (Abb. 1). Der erste Studienabschnitt umfasst 4, der zweite 6 Semester, dann folgt das Praktische Jahr. Die Gesamtstudienzeit beträgt 6 Jahre und 3 Monate inklusive Prüfungszeiten. Es handelt sich hier also um einen klar gestuften Studiengang, der durch 2 Staatsprüfungen akzentuiert ist. Die erste Staatsprüfung kann frühestens nach 4 Semestern, die zweite frühestens nach weiteren 4 Jahren, d. h. nach Beendigung des Praktischen Jahres, abgelegt werden. Im Vergleich zur alten Ausbildungsordnung reduziert sich die Zahl der Staatsprüfungen von 4 auf 2. Die Zeit bis zum Erwerb der Vollapprobation konnte durch den Entfall der Phase „Arzt im Praktikum“ von 7 3/4 auf 6 1/4 Jahre verkürzt werden.

Abb. 1
figure 1

Studienverlauf nach der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO)

Nur ein stufenweises Vorgehen erlaubte die Umsetzung der neuen ÄAppO. Wie in Abb. 2 dargestellt, umfasste der erste Schritt die Verabschiedung neuer Studienordnungen auf Basis der erforderlichen Genehmigungen durch die universitären Gremien und Wissenschaftsministerien. Im nächsten Schritt wurden für die Fächer – unabhängig davon, ob sie in einer fachspezifischen oder in einer fächerübergreifenden Vermittlungsform gelehrt werden sollen – Lernzielkataloge und Lehrpläne erstellt. Die Ausarbeitung der Curricula bildete den letzten Schritt.

Abb. 2
figure 2

Schritte bei der Umsetzung der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO)

Neben der ständigen Verknüpfung von theoretischem und praktischem Unterricht mit einer deutlichen Intensivierung des klinischen Unterrichts erfordern die studienbegleitenden universitären Prüfungen einen höheren Lehraufwand und eine Intensivierung des studentischen Lernens. Was geprüft wird, muss Gegenstand des Unterrichts gewesen sein und steuert das studentische Lernen.

Lehrformen und Lehrinhalte

Die Hauptvorlesungen bilden eine wertvolle Unterrichtsform, in der ausgewiesene Theoretiker und Kliniker ihren persönlich geprägten Wissens- und Erfahrungsschatz an eine größere Zahl von Studierenden vermitteln können. Dabei spielen fächerübergreifende Vorlesungen eine immer wichtigere Rolle. Sie werden von den Studierenden mit großem Interesse und als äußerst attraktiv angenommen. Auch Vorlesungsblöcke im Rahmen der Querschnittsbereiche fördern das interdisziplinäre Verständnis. Auf diese Weise wird die rigide Fachbezogenheit der Studiengliederung um die fachübergreifende Kooperation ergänzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vermittlung des Basiswissens einzelner Fächer in Spezialvorlesungen, Praktika und Kursen entfallen könnte.

Im klinischen Abschnitt des Studiums wurden die Hauptvorlesungen im Mittel um ca. 20% zurückgenommen, um den Unterricht in den Querschnittsbereichen sowie den intensivierten Kleingruppenunterricht am Patienten bei einem bereits dichten Stundenplan umsetzen zu können. Über das gesamte Studium erfolgt ein Miteinander der systematischen, theoretischen Wissensvermittlung und der praktisch fallorientierter Lehre.

Die auch bisher geltenden Richtwerte für die Gruppengrößen bleiben weitgehend unverändert, d. h. für Seminare 20, für praktische Übungen 15 Studierende. Für den Unterricht am Krankenbett wurde die Gruppengröße bei Untersuchungen eines Patienten durch Studierende auf 3, für die Patientendemonstration auf höchstens 6 reduziert, was den Personalaufwand am Krankenbett gegenüber früher deutlich erhöht.

Zusätzlich zur universitären Ausbildung schließt das Medizinstudium ein:

  1. 1.

    eine Ausbildung in erster Hilfe,

  2. 2.

    eine Tätigkeit im Krankenpflegedienst von 3 Monaten (bisher 2 Monate),

  3. 3.

    eine Famulatur von 4 Monaten.

In den ersten 4 Semestern werden die naturwissenschaftlichen Grundlagen – Physik, Chemie und Biologie für Mediziner – unterrichtet. Darauf aufbauend werden die Fächer Physiologie, Biochemie/Molekularbiologie und Anatomie vermittelt. Es werden zusätzlich die medizinische Psychologie und die medizinische Soziologie gelehrt. Weiterhin umfassen die beiden ersten Studienjahre das Praktikum zur Einführung in die klinische Medizin, das Praktikum der Berufsfelderkundung und das Praktikum der medizinischen Terminologie. Neu ist das Wahlfach in der Vorklinik, für das übrigens auch Lehrveranstaltungen aus anderen Fächern an der Universität in Frage kommen.

Die Vermittlung der naturwissenschaftlichen und theoretischen Grundlagen ist stärker als in der alten ÄAppO auf die medizinisch relevanten Ausbildungsinhalte zu konzentrieren. Die Bedeutung des klinischen Bezugs wird durchgängig betont. Diesem dienen auch die zusätzlichen sog. integrierten Seminare sowie Seminare mit klinischem Bezug im Umfang von insgesamt zusätzlichen 154 Stunden.

In den darauf folgenden 6 klinischen Semestern werden die folgenden 22 Fächer unterrichtet:

  1. 1.

    Allgemeinmedizin,

  2. 2.

    Anästhesiologie,

  3. 3.

    Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,

  4. 4.

    Augenheilkunde,

  5. 5.

    Chirurgie,

  6. 6.

    Dermatologie, Venerologie,

  7. 7.

    Frauenheilkunde, Geburtshilfe,

  8. 8.

    Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,

  9. 9.

    Humangenetik,

  10. 10.

    Hygiene, Mikrobiologie, Virologie,

  11. 11.

    Innere Medizin,

  12. 12.

    Kinderheilkunde,

  13. 13.

    Klinische Chemie, Laboratoriumsdiagnostik,

  14. 14.

    Neurologie,

  15. 15.

    Orthopädie,

  16. 16.

    Pathologie,

  17. 17.

    Pharmakologie, Toxikologie,

  18. 18.

    Psychiatrie und Psychotherapie,

  19. 19.

    Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,

  20. 20.

    Rechtsmedizin,

  21. 21.

    Urologie,

  22. 22.

    Wahlfach aus dem Bereich der klinischen Medizin.

Die Leistungen der Studierenden in diesen Fächern müssen benotet werden; die Noten erscheinen später im Zeugnis über die Ärztliche Prüfung. Dadurch erhalten sowohl der Unterricht in diesen Fächern als auch die Prüfungen ein besonderes Gewicht für den Studienerfolg.

Völlig neu sind die 12 Querschnittsbereiche, in denen ebenfalls Leistungsnachweise erbracht werden müssen. Sie sollen themenbezogen, am Gegenstand ausgerichtet und fächerübergreifend sein. Es handelt sich um:

  1. 1.

    Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik,

  2. 2.

    Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin,

  3. 3.

    Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem, öffentliche Gesundheitspflege,

  4. 4.

    Infektiologie, Immunologie,

  5. 5.

    klinisch-pathologische Konferenz,

  6. 6.

    klinische Umweltmedizin,

  7. 7.

    Medizin des Alterns und des alten Menschen,

  8. 8.

    Notfallmedizin,

  9. 9.

    klinische Pharmakologie/Pharmakotherapie,

  10. 10.

    Prävention, Gesundheitsförderung,

  11. 11.

    bildgebende Verfahren, Strahlenbehandlung, Strahlenschutz,

  12. 12.

    Rehabilitation, physikalische Medizin, Naturheilverfahren.

Die Gesamtstundenzahl für die einzelnen Fächer und Querschnittsbereiche soll mindestens 868 Stunden betragen. Aus dem Bereich der klinischen Fächer sind jeweils mindestens 3 der einzelnen 22 Fächer so zu gestalten, dass sie einen fächerübergreifenden Leistungsnachweis bilden.

Ein weiteres Kernelement der neuen ÄAppO sind die 5 Blockpraktika mit einer Länge von 1–6 Wochen in den Fächern:

  1. 1.

    Innere Medizin,

  2. 2.

    Chirurgie,

  3. 3.

    Kinderheilkunde,

  4. 4.

    Frauenheilkunde,

  5. 5.

    Allgemeinmedizin.

Das Praktische Jahr findet im letzten Jahr des Medizinstudiums statt. Als Fächer sind vorgeschrieben:

  1. 1.

    Innere Medizin,

  2. 2.

    Chirurgie,

  3. 3.

    Allgemeinmedizin oder ein anderes klinisch-praktisches Fachgebiet.

Die Ausbildung erfolgt in den Universitätsklinika oder Lehrkrankenhäusern und, soweit es sich um das Wahlfach Allgemeinmedizin handelt, in geeigneten allgemeinmedizinischen Praxen.

Die Staatsprüfungen

Beim ersten und zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung wird schriftlich und mündlich geprüft.

Schriftliche Prüfungen

Die Prüfungsaufgaben müssen auf die für den Arzt allgemein erforderlichen Kenntnisse abgestellt sein. Bundeseinheitliche Termine sind einzuhalten. Nach Maßgabe einer Vereinbarung der Länder sind allen Prüflingen dieselben Aufgaben zu stellen. Der schriftliche Teil des Ersten und Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ist bestanden, wenn der Prüfling mindestens 60% der gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat. Liegt die durchschnittliche Leistung – vermindert um 20% dieses Wertes – unter 60%, jedoch über 50% der Maximalpunktzahl, wird dieser Wert als Bestehensgrenze genommen.

Mündliche Prüfung

Der mündlich-praktische Teil des Ersten und Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung wird jeweils vor einer Prüfungskommission abgelegt. Die Zusammensetzung der Prüfungskommissionen ist exakt vorgeschrieben. Die mündlich-praktische Prüfung ist bestanden, wenn der Prüfling mindestens die Note „ausreichend“ erhalten hat.

Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

Schriftliche Prüfung

Die Prüfung findet an 2 aufeinander folgenden Tagen statt. Auf den ersten Prüfungstag entfallen die Stoffgebiete 1 und 2, auf den zweiten die Stoffgebiete 3 und 4. Es handelt sich dabei um:

  1. 1.

    Physik für Mediziner und Physiologie,

  2. 2.

    Chemie für Mediziner und Biochemie/Molekularbiologie,

  3. 3.

    Biologie für Mediziner und Anatomie,

  4. 4.

    Grundlagen der Medizinischen Psychologie und der Medizinischen Soziologie.

Mündliche Prüfung

Im mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung wird in den Fächern Anatomie, Biochemie/Molekularbiologie und Physiologie geprüft (bisher mündliche Prüfung in 2 der 4 Fächer Anatomie, Biochemie, Physiologie und Soziologie/Psychologie). Der Prüfling hat insbesondere nachzuweisen, dass er

  • die Grundsätze und Grundlagen des Stoffgebietes, das Gegenstand der Prüfung ist, beherrscht,

  • deren Bedeutung für medizinische, insbesondere klinische, Zusammenhänge zu erfassen vermag sowie

  • die für die Fortsetzung des Studiums notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt.

Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

Dem Prüfling sind hier praktische Aufgaben aus den klinisch-praktischen Fächern zu stellen. Dabei sind auch klinisch-theoretische und fächerübergreifende Fragestellungen sowie Fragestellungen aus Querschnittsbereichen einzuschließen. In der Prüfung hat der Prüfling fallbezogen zu zeigen, dass er die während des Studiums erworbenen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden weiß und über die für den Arzt erforderlichen fächerübergreifenden Grundkenntnisse und die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt. Die Prüfungsordnung schreibt in 8 Punkten die Schwerpunkte der Prüfung vor.

Schriftliche Prüfung

Der schriftliche Teil der Prüfung erfragt die Kenntnisse und Fähigkeiten der Studierenden, derer ein Arzt zur eigenverantwortlichen und selbstständigen Tätigkeit bedarf. Die Prüfungen werden fallbezogen, insbesondere anhand von Fallstudien, gestaltet. Die Anzahl der Fragen beträgt 320; davon sind die Hälfte als Fallstudien zu gestalten.

Mündliche Prüfung

Die mündlich-praktische Prüfung findet an 2 Tagen statt. Am ersten Tag erfolgt die praktische Prüfung mit Patientenvorstellung. Die Prüfungskommission hat dem Prüfling vor dem Prüfungstermin einen oder mehrere Patienten zur Anamneseerhebung und Untersuchung zuzuweisen. Der Prüfling hat hierüber einen Bericht zu fertigen, der Anamnese, Diagnose, Prognose, Behandlungsplan sowie eine Epikrise des Falles enthält. Der Bericht ist Gegenstand der Prüfung und in die Bewertung einzuziehen.

Lehrevaluation

Neu ist auch die Vorschrift, dass die Lehrveranstaltungen regelmäßig auf ihren Erfolg zu evaluieren und die Ergebnisse der Evaluation bekannt zu geben sind (§ 2 Abs. 9 ÄAppO).

Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der neuen ÄAppO

Wahlfächer

Die Einführung von Wahlfächern wurde von den Fakultäten unterschiedlich gehandhabt. Während einige diese so konzipierten, dass sie stark auf die Forschungsschwerpunkte der Fakultät fokussiert sind, haben andere den Studierenden eine große Eigengestaltung ermöglicht. Insgesamt ist die Strukturierung der Wahlfächer als gelungen und eher unproblematisch zu betrachten. Die Wahlfächer im ersten und zweiten Studienabschnitt erweitern den individuellen Gestaltungsspielraum der Studierenden. Sie eröffnen besonders in den klinischen Semestern – in Verbindung mit dem Wahlfach im Praktischen Jahr – die Chance, in gewissem Umfang eigene Schwerpunkte zu setzen.

Querschnittsbereiche

Die Realisierung der Querschnittsbereiche ist zwar erfolgt, aber insgesamt noch nicht zufrieden stellend gelöst. Zum Teil handelt es sich um unzureichend aufeinander abgestimmte Ringvorlesungen. Die Fakultäten sind hier gefordert, klare Verantwortlichkeiten und Kompetenzen auch über Fächergrenzen hinweg zu schaffen. Der Koordinierungszwang bei einer Quervernetzung von Fachgebieten widerspricht auch den vorherrschenden Strukturen der Selbstständigkeit der Fachgebiete. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass es sich bei den Querschnittsbereichen nicht durchgängig um zwingende Fachgebietskombinationen handelt.

Blockpraktika

Die Blockpraktika sind wesentlicher Kern einer intensiveren klinischen Ausbildung. Sie sind – so glauben wir – in ihrer Realisierung gefährdet (s. unten). Früheren Einführungsbemühungen – etwa in den 1960er-Jahren in Gießen, Ulm und Hannover – war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Blockpraktika erfordern nicht nur eine zusätzliche Lehrtätigkeit der Kliniker, sie fügen sich auch nicht in die tradierte Unterrichtsstruktur mit über die Woche verteilten Vorlesungen, Seminaren, Übungen und dem eher kurzzeitigen Kleingruppenunterricht am Krankenbett ein. Entsprechend sind neue zeitliche Strukturen mit weitgehender Aufgabe der Semesterregelungen zugunsten von Trimestern, wie z. B. in Hamburg und Hannover bereits umgesetzt, erforderlich [5].

Obwohl etliche Fakultäten auch aus finanziellen Gründen versuchen, die Blockpraktika komplett am Universitätsklinikum zu realisieren, dürfte ihnen dies bei den knappen Ressourcen nur unter äußerster Anstrengung möglich sein. Mancherorts werden akademische Lehrkrankenhäuser bzw. weitere außeruniversitäre Krankenhäuser einbezogen. Fakultäten in Ballungszentren fällt dies naturgemäß leichter als Einrichtungen an Standorten, die nicht über zahlreiche Kliniken vor Ort verfügen.

Allgemeinmedizin

Das Fach Allgemeinmedizin wurde durch die neue ÄAppO wesentlich aufgewertet. Als Blockpraktikum und als Wahlfach im Praktischen Jahr hat es einen bislang ungekannten Stellenwert erhalten. Die Bemühungen, geeignete Praxen für diese neuen Lehranforderungen zu gewinnen, sind in vollem Gang. An manchen Orten sind die notwendigen Verträge bereits geschlossen (z. B. in Aachen, Bochum und Heidelberg).

Neue Unterrichtsformen

Unterstützt durch die langjährigen positiven Erfahrungen in den Niederlanden, Großbritannien, den USA, Kanada und Australien haben das Problem-based-learning, der organbezogene und interdisziplinäre Unterricht, die Schaffung von Lernstudios, Skills-Labs bzw. Trainingszentren für ärztliche Fähigkeiten Eingang in viele neue Curricula gefunden. Doch müssen wir auch hier Risiken und Nebenwirkungen im Blick behalten: Je vielfältiger die fachliche Struktur eines Curriculums ist – z. B. durch Querschnittsbereiche, organsystembezogenen Unterricht oder Blockpraktika – und je diverser die Unterrichtsmethoden ausfallen, umso sicherer holen uns auch international gemachte negative Erfahrungen ein. Kritik von Lehrenden und Studierenden an einer teilweise hoch komplexen und damit störanfälligen Organisation sowie das Bedürfnis von Studierenden nach fachlicher Systematik sind hier zu nennen.

Fakultätsprüfungen im klinischen Studienabschnitt

Das englische Diktum „Assessment drives the curriculum“ hat auch hier seine Gültigkeit bewiesen. Prüfungen steuern das Studier- und Lernverhalten. Die große Zahl an Fachprüfungen und die vorgeschriebene Benotung der studentischen Leistungen mit späterer Auflistung der Fachnoten im Abschlusszeugnis haben völlig neue Anforderungen an die Dozenten und Prüfer gestellt. Eine entsprechende Prüfungskultur musste entwickelt werden, auch im Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen an die neuen Prüfungen. Während einige Fakultäten (z. B. Münster und Frankfurt) den Weg zentraler, schriftlicher Abschlussprüfungen für mehrere Fachgebiete am Semesterende gegangen sind, haben sich andere für dezentrale Prüfungen durch die Fachvertreter entschieden.

Zur Überprüfung klinisch-praktischer und diagnostischer Fertigkeiten der Studierenden werden mittlerweile an einer ganzen Reihe von Fakultäten sog. OSCE-Prüfungen durchgeführt. Beim OSCE-Modell (objective structured clinical examination) handelt es sich gleichsam um einen Prüfungsparcour mit kurzen Stationen, bei denen spezifische Aufgaben zu lösen sind. Jeder Prüfling wird von einem Beobachter auf einer Checkliste bewertet, sodass Objektivität, Reliabilität und Validität dieser Methode deutlich besser ausfallen als bei traditionellen klinischen bzw. mündlichen Prüfungen.

Die neuen Prüfungen erfordern einen zusätzlich zu erbringenden hohen administrativen, logistischen und daher auch finanziellen Aufwand. Für die Studierenden bedeuten sie im Vergleich zur früheren ÄAppO einen wesentlich höheren studienbegleitenden Prüfungsdruck.

Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

Durch die Verringerung der Staatsprüfungen auf 2 bzw. bei den Modellversuchen auf nur eine am Ende des Studiums kommt dem neuen Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M2) ein besonders großes Gewicht auch im Hinblick auf die Qualitätssicherung zu. Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) hat daher für den neuen M2 frühzeitig verschiedene Formate entwickelt, auf Symposien mit internationaler Beteiligung durch Prüfungsexperten diskutiert und schließlich im Sommer 2005 an einer Gruppe von etwa 350 Studierenden an 7 Orten getestet [6]. Diese fallbasierte Prüfung entspricht nicht dem von vielen Studierenden befürchteten sog. Hammerexamen, sondern ist ein Examen, das mit entsprechender Vorbereitung durchaus zu schaffen ist. Dennoch müssen Auswirkungen des M2 auf das vorausgehende Praktische Jahr bedacht werden. Es muss mit einem entsprechend strukturierten Curriculum auch auf M2 vorbereiten; ansonsten werden wir in Kürze die gleiche Debatte haben wie unter der alten ÄAppO: Hier gab es zunächst auch eine schriftliche Prüfung nach dem Praktischen Jahr, die dann allerdings ab 1988 zugunsten einer mündlichen aufgegeben wurde.

Diversität der Curricula

Die große Gestaltungsfreiheit der neuen ÄAppO haben viele Fakultäten genutzt, um ein nach ihren Vorstellungen modernes Curriculum zu entwickeln. Unter den bildungspolitischen Schlagworten der Profilbildung oder auch des Alleinstellungsmerkmals hat sich eine Situation ergeben, die den Ortswechsel für die Studierenden sehr erschwert; vielfach ist eine Studienzeitverlängerung unvermeidbar. Die Mobilität weltoffener Studenten – ein historisch zum deutschen Universitätswesen gehörendes positives Element – wird so behindert [7].

Auch die Frage der Studierbarkeit der neuen Curricula bedarf der Prüfung. Die Tendenzen zu einer Trimestergliederung an einigen Fakultäten sowie die Erhöhung der Anzahl formaler Unterrichtsstunden müssen im Hinblick auf eine weitere Verschulung des Studiums kritisch begleitet werden.

Modellstudiengänge

Bereits 1999, also unter der alten ÄAppO, war die Möglichkeit zur Einrichtung von Modellstudiengängen eingeführt worden. Dies wurde in der neuen ÄAppO (§ 41) beibehalten. Vorreiter war hier der Berliner Reformstudiengang, der auf studentische Protestaktionen in den Jahren 1989/90 zurückging (s. Beitrag von W. Burger in diesem Heft). Seit Anfang des neuen Jahrtausends ist die Zahl der Modellstudiengänge auf mittlerweile 7 angestiegen (neben Berlin sind dies Bochum, Köln, Aachen, Witten/Herdecke, Heidelberg und Hannover). Die große Zahl ist ein klarer Indikator für die gegenüber früher enorm angewachsenen Reformaktivitäten der medizinischen Fakultäten.

Lehrevaluation

An allen Fakultäten wird die Lehre regelmäßig evaluiert, teils in Form flächendeckender Befragungen der Studierenden in jedem Semester, teils in selektiven Veranstaltungen bzw. Unterrichtsabschnitten. Dies erfolgt nicht erst seit der neuen ÄAppO, wird aber durch die Vorgaben des § 2 Abs. 9 ÄAppO stark gefördert. Der Trend geht mittlerweile zu einer online-basierten Lehrevaluation. Deren Ergebnisse spielen zusammen mit weiteren Parametern bei einer wachsenden Zahl von Fakultäten auch eine Rolle für die Verteilung der Finanzmittel für Forschung und Lehre [8, 9].

Förderung der pädagogischen Expertise der Lehrenden

Bereits seit den 1990er-Jahren wurden – etwa in Dresden und an der LMU München in Zusammenarbeit mit der Harvard University – Programme eines Faculty Developments mit Schwerpunkt auf der Förderung der Lehrexpertise mit großem Erfolg aufgebaut. Baden-Württemberg hat dies mit seinem Konzept der Kompetenzzentren aufgegriffen (z. B. der Einrichtung des Kompetenzzentrums für Hochschuldidaktik in der Medizin in Tübingen). Schließlich hat der Medizinische Fakultätentag das Programm Master of Medical Education (MME) geschaffen, das in einer Kooperation zwischen zahlreichen medizinischen Fakultäten und mit großzügiger Unterstützung der Nixdorf-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert wird. Sein Ziel ist die Heranbildung von Führungspersonal im Bereich der akademischen Lehre und des Fakultätsmanagements [10].

Internationale Erfahrungen

Betrachtet man die neue ÄAppO im Lichte internationaler Erfahrungen, so lassen sich – unter dem Vorbehalt der relativ kurzen Zeit seit Beginn der Umsetzung – folgende Einschätzungen vornehmen:

  • Die Wahlfächer greifen Konzepte aus dem Ausland auf und führen sie in unser System ein; sie nähern sich etwa dem britischen System einer Core-plus-option-Regelung.

  • Einen konzeptionell durchaus innovativen Charakter haben die Querschnittsbereiche, die es in dieser Form international nicht gibt.

  • Bei den Blockpraktika, den neuen Unterrichtsformen, den Fakultätsprüfungen im klinischen Studienabschnitt betten wir uns in die internationale Entwicklung ein. Dies gilt auch im Hinblick auf die Diversität der Curricula, die Evaluation der Lehre und die Förderung der pädagogischen Expertise der Lehrenden.

  • Die Betonung der Allgemeinmedizin in der neuen ÄAppO findet sich im Großteil der internationalen Curricula nicht wieder und kann daher durchaus als ein nationales Spezifikum betrachtet werden.

  • Eine eher deutsche Besonderheit ist auch der beachtliche Anteil an Fakultäten mit Modellstudiengängen und Sonderregelungen für die erste Staatsprüfung.

Probleme

ÄAppO und Kapazitätsverordnung

Wir beobachten ein zunehmendes Spannungsverhältnis zwischen der neuen ÄAppO mit ihrer Flexibilität und fakultären Individualität und der Kapazitätsverordnung (KapVO) mit ihren Jahrzehnte alten, teils völlig überholten Berechnungsparametern. Hier liegt unseres Erachtens ein eklatantes Versagen der Wissenschaftsbürokratie der Bundesländer vor. So hat kürzlich – weitgehend unbeachtet von den Universitäten – die Kultusministerkonferenz dem Modell eines Kostennormwertes endgültig eine Absage erteilt. Seit Einführung der neuen ÄAppO ist die Zahl der Zulassungsklagen vor den Verwaltungsgerichten in die Höhe geschnellt. Einige Standorte haben massive zusätzliche Zulassungen über Gerichtsprozesse zu verkraften, die auch aus der Inkompatibilität von ÄAppO und KapVO resultieren.

Die Änderungen in der ÄAppO haben aufgrund des erhöhten Lehraufwands zwar einen Anstieg des sog. Curricularnormwertes von 7,27 auf 8,2 in der KapVO bewirkt. Der in der politischen Diskussion im Vorfeld der Verabschiedung der ÄAppO erwartete Rückgang der Studentenzahlen ist allerdings nicht eingetreten. Dies mag gesundheitspolitisch wünschenswert sein, strapaziert aber die Ressourcen der medizinischen Fakultäten in einem äußerst bedenklichen Ausmaß. Unverkennbar leidet hierunter die zunächst weit verbreitete Euphorie über die Erprobung neuer Unterrichts- und Prüfungskonzepte sowie curricularer Strukturen

Auswirkungen des DRG-Systems

Die Umstellung auf das Fallpauschalensystem in der Krankenhausfinanzierung hat einerseits zu einer weiteren Verdichtung der ärztlichen Tätigkeit, andererseits zu einem weiteren Absinken der durchschnittlichen Verweildauer der Patienten geführt. Die grundsätzlich sinnvolle Konzentration der Universitätskliniken auf ihre Kompetenzen in der sog. Supramaximalversorgung bedingt unweigerlich, dass Studierende in diesen durchorganisierten und von ökonomischen Faktoren getriebenen Arbeitsabläufen mehr denn je zum „Störfaktor“ zu werden drohen. Addieren wir hierzu die finanziell verschlechterte Stellung vieler Assistenzärzte bei einer unverändert großen Anzahl von Überstunden, so ergibt sich eine Gemengelage, die nicht nur im Hinblick auf die Qualität der ärztlichen Ausbildung in den Universitätskliniken zur Sorge Anlass gibt.

Finanzielle Ausstattung der Fakultäten

Die Finanzierung von Forschung und Lehre an den medizinischen Fakultäten erfolgt in erster Linie – abgesehen von Drittmitteln, die allerdings immer wichtiger werden – durch die Haushalte der Bundesländer, und zwar entweder durch Direktzuweisungen des Landes an das Klinikum/die Fakultät oder über die Budgets der Universitäten, d. h. letztlich auf Basis von Entscheidungen der Universitätspräsidien bzw. Rektorate. Diese sog. Zuführungsbeträge sinken – in Kaufkraft gemessen – in Deutschland seit Jahren; das Ausmaß dieser in der Öffentlichkeit nicht präsenten finanziellen Aushöhlung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, aber überall zu beobachten. Dadurch sowie durch die Rechtsformänderungen im Rahmen der Ausgliederung der Universitätskliniken aus den Universitäten haben sich in den letzten Jahren die innerinstitutionellen Konflikte zwischen den Bereichen Forschung und Lehre (F&L) sowie Patientenversorgung an etlichen Standorten erheblich verstärkt. Während die Dekanate die zweckentfremdende Verwendung von F&L-Mitteln zur Defizitdeckung in der Krankenversorgung beklagen, wird ihnen von den Klinikumsvorständen die Unterfinanzierung der F&L-Aktivitäten in der Klinik vorgehalten. Auch hier ergeben sich Risiken für die Umsetzung der neuen ÄAppO.

Bolognaprozess

Die Anerkennung der medizinischen Abschlusszeugnisse innerhalb der EU wird durch Artikel 2 der Richtlinie 2005/36 EG sowie in Deutschland durch § 12 ÄAppO umfassend geregelt. Dennoch sind die Fakultäten an einer Verbesserung der internationalen Anerkennung ihrer Studienleistungen über ein Credit-Point-System (ECTS) höchst interessiert. Hier erwarten sie Unterstützung durch die Aktivitäten im Rahmen des Bolognaprozesses.

Die Einführung eines Bachelor oder Master – sei sie nun gedacht in der Funktion einer Drehscheibe für den Beginn eines anderen Studiums oder als tatsächliche Ausbildungsstufe – für das Berufsfeld des Arztes wird vom Medizinischen Fakultätentag, der Bundesärztekammer, dem Deutschen Hochschulverband und dem Marburger Bund abgelehnt (s. auch den Beitrag von S. Katelhön in diesem Heft). Die enge vertikale und horizontale Verknüpfung von Theorie und Praxis in der neuen ÄAppO bildet keine Grundlage für ein gestuftes Studium, das für einen Bachelor eine mehr praktische und für einen Master eine mehr wissenschaftliche Phase vorsieht. Ein Bachelor nach einer 3-jährigen Ausbildung besitzt keine ärztliche Berufsqualifizierung, auch keine Berufsbefähigung. Das Medizinstudium ist das teuerste Studium, somit verbietet es sich auch, einen medizinischen Bachelor als Drehscheibe für den Beginn anderer Studien anzubieten. Wie bereits diskutiert, unterliegt das Medizinstudium den strikten Vorgaben der KapVO. Schließlich darf bei allen Bemühungen nicht übersehen werden, dass sich in Deutschland ein bedrohlicher Ärztemangel entwickelt hat. Jede Veränderung, die man im Ablauf dieses Studienganges vornimmt und die nur zum Verlust auch nur eines ausgebildeten Arztes führen würde, verbietet sich von selbst.

Ausblick

Die medizinischen Fakultäten befinden sich im Umbruch. Moderne curriculare Konzepte werden umgesetzt und müssen sich in der Praxis bewähren. Die ersten Studierenden, die komplett nach der neuen ÄAppO ausgebildet wurden, verlassen im Jahr 2010 die Universitäten. Sie werden eine solide theoretische und ärztlich-praktische Ausbildung erhalten haben mit guten Voraussetzungen für den Eintritt in die kurative Medizin. Die neuen Curricula sind ein wichtiges Element zur Erhaltung und zur Erhöhung der Attraktivität des Arztberufes. Im Verbund mit weiteren Maßnahmen muss es gelingen, unsere jungen Ärzte – den professionellen Kern des Gesundheitswesens – in Deutschland sowie in der kurativen Medizin zu halten.