Zusammenfassung
Hintergrund
Angesichts der globalen Resistenzentwicklung gewinnt das Konzept von „antibiotic stewardship“ (ABS) zunehmend an Bedeutung. Publikationen haben die Effektivität belegt, bisher v. a. an universitären Häusern und Häusern der Maximalversorgung. Diese retrospektive Observationsstudie beschreibt die Einführung von ABS an einem Haus der Grund- und Regelversorgung.
Methodik
Es wurde ein ABS-Team gebildet und ein an vorhandene Leitlinien angelehntes Maßnahmenbündel implementiert. Es wurden der Verbrauch von Antibiotika und Blutkultursets sowie die Entwicklung von Resistenzen, Infektionen mit Clostridium difficile (CDI), Kosten, Mortalität und Krankenhausverweildauer analysiert.
Ergebnisse
Der Gesamtverbrauch wurde von 43 „recommended daily doses“(RDD)/100 Patiententage (PTT) auf 31 RDD/100 PTT reduziert (p < 0,001); entsprechend fielen die antibiotikabedingten Kosten. Der größte Rückgang war bei Zweitgeneration(2-G)-Cephalosporinen (−67,5 %) zu verzeichnen. Die Ceftriaxonresistenzrate von Escherichia (E.) coli in Blutkulturen (BK) nahm um 76 % (p = 0,021) ab. Die präinterventionell niedrige CDI-Inzidenz nahm nicht signifikant ab. Die Abnahmerate von BK erhöhte sich von 1,8 Sets/100 PTT auf 3,2 Sets/100 PTT. ABS hatte keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität und der mittleren Verweildauer.
Diskussion
Im prä-post-interventionellen Vergleich zeigte sich ein reduzierter Antibiotikaverbrauch. Dies betraf v. a. Substanzen, die vermehrt mit einer Resistenzselektion einhergehen. Parallel konnte ein Rückgang der Resistenzentwicklung beobachtet werden. Den eingeschränkten Ressourcen des kleineren Hauses stand der niederschwellige, persönliche Kontakt gegenüber. Vermutlich sind Häuser der Grund- und Regelversorgung mit ihrer Struktur besonders geeignet für klinikübergreifende Gesamtkonzepte.
Abstract
Background
In response to the global increase in antibiotic resistance, the concept of antibiotic stewardship (ABS) has become increasingly important in recent years. Several publications have demonstrated the effectiveness of ABS, mainly in university facilities. This retrospective observational study describes the implementation of ABS in a basic care hospital.
Material and methods
Following existing national guidelines, an ABS team was set up and measures were launched. These included: hospital guidelines, teaching, weekly antibiotic ward rounds and the restriction of definite substances. The preinterventional/postinterventional data analysis compared the use of antibiotics and blood culture sets as well as the development of resistance, infection with Clostridium difficile (CDI), costs, mortality and length of hospital stay.
Results
The measures introduced led to a significant and continuous decline in total antibiotic use of initially 43 recommended daily doses (RDD)/100 patient days (PD) to 31 RDD/100 PD (p < 0.001). The largest decrease was observed in second generation (2G) cephalosporins (−67.5%), followed by 3G cephalosporins (−52.7%), carbapenems (−42.0%) and quinolones (−38.5%). The resistance rate of E. coli to 3G cephalosporins in blood cultures decreased from 26% to 9% (p = 0.021). The rate of blood cultures taken increased from 1.8 sets/100 PD to 3.2 sets/100 PD (+77%, p < 0.001). The pathogen detection rate, defined as one count when a minimum of one sample taken in a day is positive, also increased significantly from 4.0/1000 PD to 6.8/1000 PD (p < 0.001). The ABS had no effect on the overall mortality, the mean dwell time, and the preintervention low CDI incidence.
Conclusion
The preinterventional/postinterventional comparison showed a significant reduction in the overall consumption of antibiotics with a redistribution in favor of antibiotics with a lower resistance selection. At the same time, the resistance rate of E. coli decreased. The increase of the blood culture rate indicates the optimization of diagnostic procedures. This ABS program had to be established with reduced resources but this seems to have been compensated by the more personal contact addressing the care takers and short chain of commands, as is possible in smaller hospitals. Presumably, the structure of basic care hospitals is particularly suitable for concepts covering entire hospitals. Further clusters of randomized studies are necessary to confirm this.
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Mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes 2011 wurden Leiter von Krankenhäusern erstmals verpflichtet, sich mit ihrem Antibiotikaverbrauch auseinanderzusetzen. Mit der Empfehlung der Kommission ART, die zurzeit vorbereitet wird, wird der Druck auf die Krankenhäuser, Maßnahmen zur Rationalisierung des Antibiotikaverbrauchs zu implementieren, zunehmen. Die Verpflichtung wird auch nichtuniversitäre Krankenhäuser betreffen. Diese Häuser stehen vor der Herausforderung, die Ziele mit eingeschränkten personellen und strukturellen Ressourcen umsetzen zu müssen.
Einleitung
Weltweit wird über die zunehmende Resistenzentwicklung von Bakterien berichtet. Die bedrohliche globale Entwicklung ist mittlerweile auch in den Fokus der Politik gerückt, die die Einführung von „antibiotic stewardship“ (ABS) an Krankenhäusern fordert. Die ABS ist ein Bündel aus Maßnahmen, mit dem die Qualität der Antiinfektivaverordnung bezüglich Substanz, Dosierung, Applikationsweg und Therapiedauer verbessert werden soll. Für den einzelnen Patienten soll das bestmögliche Behandlungsergebnis erreicht werden, für die Allgemeinheit dabei die Resistenzentwicklung minimiert und Kosten gesenkt werden.
In den USA besteht seit dem 01.01.2017 eine gesetzliche Pflicht zur Implementierung von ABS an Krankenhäusern [25]. In Deutschland wurden mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes 2011 Leiter von Krankenhäusern erstmals verpflichtet, sich mit ihrem Antibiotikaverbrauch auseinanderzusetzen [5]. Die Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) beim Robert Koch-Institut arbeitet zurzeit an einer Empfehlung zu Voraussetzungen eines rationalen Umgangs mit Antibiotika im Krankenhaus. Diese Empfehlung wird durch die besondere Verankerung der Kommission ART im Infektionsschutzgesetz den Druck auf Krankenhäuser, ABS zu implementieren, deutlich erhöhen. Diese Notwendigkeit betrifft dem folgend auch nichtuniversitäre Krankenhäuser. In Kliniken der Regelversorgung entsteht so die Herausforderung, die Ziele mit eingeschränkten personellen und strukturellen Ressourcen umzusetzen.
Nationale [27] und internationale [9, 10] Leitlinien haben die strukturellen Voraussetzungen und Kernstrategien von ABS definiert. Publikationen belegen die Effektivität hinsichtlich der Reduktion des Antibiotikaverbrauchs, des Rückgangs von Resistenzen, der Kosten und der Inzidenz von Infektionen z. B. durch Clostridium difficile (CDI) [8, 11]. Diese Daten beziehen sich in der Regel auf Häuser der Maximalversorgung, in denen die geforderten Strukturen wie z. B. das Vorhandensein eines Infektiologen, eines Fachapothekers und eines Mikrobiologen gegeben sind. In Einrichtungen der Grund- und Regelversorgung ist dies nicht regelhaft der Fall. Gleichzeitig ist dieser Sektor der Krankenversorgung eine der zentralen Stützen des Gesundheitswesens mit einer großen Anzahl erreichbarer Patienten. Vor diesem Hintergrund beschreibt diese Untersuchung Auswirkungen eines klinikübergreifenden ABS-Gesamtkonzepts an einem Haus der Grund- und Regelversorgung.
Methoden
Die Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen verfügen über 433 Betten, mit u. a. den Abteilungen Anästhesie/Intensivmedizin, Allgemein-/Unfallchirurgie, innere Medizin, Gynäkologie/Geburtshilfe, Senologie, Strahlenmedizin, Schmerzmedizin und Strahlentherapie.
Zu Beginn des Jahres 2016 wurde das ABS-Kern-Team gegründet, bestehend aus 3 ABS-Experten aus den Bereichen Anästhesie, innere Medizin und Krankenhaushygiene. Die Apotheke und das mikrobiologische Labor sind ortsansässige, externe Dienstleister, die je auch einen ASB-Experten stellten. Es wurde ein Gesamtkonzept entwickelt, angelehnt an die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ [3], mit den folgenden Kernstrategien:
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1.
Überarbeitung der Antiinfektivahausliste und Freigaberegelungen
Orale Antibiotika mit einer geringen Bioverfügbarkeit wie Cefuroximaxetil wurden von der Hausliste entfernt. Reserveantibiotika wurden unter oberärztliche Freigabe gestellt; andere mussten durch das ABS-Team genehmigt werden.
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2.
Optimierung der Präanalytik
Statt der fehlerträchtigen Beimpfung von Urintauchmedien auf den Stationen sollte Nativurin zur Kultur eingesendet werden. Die Logistik der Probentransporte in das externe Labor wurde optimiert, insbesondere die Kühlung von empfindlichen Proben (Urin, respiratorische Sekrete etc.). In Schulungen wurde die Wichtigkeit von Blutkulturdiagnostik vermittelt und die Abnahme von je 2 Blutkulturen aus 2 verschiedenen Punktionsstellen als Standard definiert.
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3.
Erstellung von hausinternen Antibiotikatherapieleitlinien
Nationale und internationale Empfehlungen wurden an das Erreger- und Resistenzspektrum der Klinik angepasst und als hausinterne Leitlinie im Intranet veröffentlicht. Die Analyse der Antibiotikaempfindlichkeit hatte bei Pseudomonas aeruginosa (Piperacillin/Tazobactam 78 %, Ciprofloxacin 79 %) und E. coli (Piperacillin/Tazobactam 63 %, Ciprofloxacin 68 %, Ceftriaxon 75 %) eine problematische Ausgangslage ergeben. Diese wurde insbesondere bei der Leitlinie „Ambulant erworbene Pneumonie (CAP)“ und „Harnwegsinfektion“ berücksichtigt. Darüber hinaus wurden u. a. Leitlinien zu Sepsis, Staphylococcus-aureus-Bakteriämie, Endokarditis, Spondylodiszitis, periprothetischen Infektionen, Meningitis, neutropenischem Fieber und abdominellen Infektionen erstellt. Strukturell alle ähnlich aufgebaut, enthielten sie Empfehlungen zu Diagnostik, Klassifikation, Therapie, Alternative bei Penicillinallergie und Therapiedauer (Beispiel: Leitlinie CAP in Abb. 1). Wann immer indiziert, wurden dabei Penicilline aufgrund der geringeren Kollateralschäden bevorzugt. So wurde z. B. die präinterventionell übliche Therapie der mittelschweren CAP mit Ceftriaxon durch Ampicillin/Sulbactam ersetzt.
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4.
Schulungen
Jede antibiotikaverordnende Klinik erhielt eine Schulung, bestehend aus 3 bis 4 Terminen. Vermittelt wurden allgemeine Grundlagen der rationalen Antibiotikatherapie sowie die jeweils relevanten hausinternen Leitlinien.
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5.
Visiten
Die bereits etablierte wöchentliche, mikrobiologische Visite auf der Intensivstation wurde um Apotheke und Krankenhaushygiene erweitert. Neu eingeführt wurden Antiinfektivavisiten auf allen anderen Stationen als fester, wöchentlicher Termin, durchgeführt von 2 der ABS-Experten (Innere Medizin und Krankenhaushygiene).
Als retrospektive Observationsstudie wurden folgende Daten vor (2015) und nach Beginn der Maßnahmen (2016) ermittelt:
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Der Antibiotikaverbrauch wurde als Verbrauchsdichte berechnet (Tagesdosen/100 Patiententagen [PTT]). Als Tagesdosen wurden die in Deutschland üblichen Dosierungen verwendet („recommended daily doses“, RDD) [2]. Für den zeitlichen Vergleich lagen die Verbrauchswerte aus dem 3. und 4. Quartal 2015 vor – ältere Daten waren aufgrund des Wechsels der Apotheke nicht mehr zugänglich. Für den Vergleich mit anderen Kliniken wurden die im Rahmen des ADKA-if-RKI-Projekts erhobenen Daten herangezogen [16].
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Die beiden häufigsten, klinisch relevanten Erreger in Blutkulturen wurden hinsichtlich ihrer Resistenzentwicklung beobachtet. Die Resistenzraten (resistente Erreger/100 getestete Erreger der gleichen Spezies) für Drittgeneration(3-G)-Cephalosporin-Resistenz bei E. coli und Oxacillin‑/Methicillinresistenz bei Staphylococcus aureus wurden mit Raten, die die Antibiotika-Resistenz-Surveillance des Robert Koch-Instituts für Häuser der Grund- und Regelversorgung ermittelt hat, verglichen.
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Die Inzidenzdichte nosokomial erworbener Clostridium-difficile-assoziierter Enteritis wurde im Rahmen der Teilnahme an der Erfassung des Nationalen Referenzzentrums (NRZ CDAD-KISS) erfasst.
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Die Blutkulturentnahmerate wurde als Anzahl verbrauchter Blutkultursets (Daten aus dem Einkauf)/100 PTT definiert, die Inzidenzdichte eines Erregernachweises als Erregernachweis (maximal ein Erregernachweis pro am gleichen Tag abgenommenen Blutkulturen)/1000 PTT.
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Die Mortalität als Anzahl der Sterbefälle/100 Fälle und die mittlere Verweildauer als PTT eines Zeitraums/Fälle.
Statistik
Die Analyse erfolgte explorativ als Vergleich zwischen den beiden Beobachtungszeiträumen. Abhängig vom Skalenniveau erfolgte bei kategorialen Variablen eine statistische Signifikanztestung mithilfe des χ2-Tests. Zusätzlich erfolgten Berechnungen der „odds ratio“ sowie der 95 %-Konfidenzintervalle mithilfe des Mantel-Haenszel-Tests. Bei stetigen Variablen wurde der t‑Test angewendet. Ausgehend von den mittleren Antibiotikaverbrauchszahlen wurde die Varianz anhand Vorpublikationen kalkuliert ermittelt [18]. Als Signifikanzniveau wurde ein α von 5 % festgelegt und 2‑seitig getestet. Alle Analysen erfolgten mithilfe von SPSS 21 (IBM, USA).
Ergebnisse
Antibiotikaverbrauch
Im Vergleich des Antibiotikaverbrauchs vor und nach Einführung des ABS-Teams zeigte sich eine signifikante Reduktion des Gesamtverbrauchs von initial 43 RDD/100 PTT im 3. und 4. Quartal 2015 auf 31 RDD/100 PTT im 4. Quartal 2016 (−28 %, p < 0,001, Abb. 2). Der absolut und relativ stärkste Rückgang wurde bei den Zweitgeneration(2-G)- und 3‑G-Cephalosporinen erreicht (Reduktion um 10 RDD/100 PTT bzw. um 62 %). Chinolone fielen um 37 %, Carbapeneme um 47 %. Der Rückgang der genannten Substanzen wurde teilweise durch einen Anstieg der Aminopenicillin-Betalactamaseinhibitoren(BLI)-Kombinationen (+33 %), Schmalspektrumpenicillinen (+70 %) und Cefazolin kompensiert (Tab. 1).
Verbrauch auf der Intensivstation
In dem gleichen Zeitraum gab es auf der Intensivstation keine signifikante Veränderung des Gesamtverbrauchs (Tab. 2). Präinterventionell war die häufigste verordnete Wirkstoffgruppe die der Penicilline (37 %). Dieser Anteil stieg auf 55 %; Chinolone; 3‑G-Cephalosporine und Tigecyclin wurden weniger eingesetzt.
Resistenzentwicklung
Die Resistenzrate von E. coli (Resistenz gegen 3‑G-Cephalosporine) in Blutkulturen hatte in den Vorjahren eine zunehmende Entwicklung gezeigt. Sie lag deutlich über den Vergleichsdaten (Abb. 3). Im Vergleich der Zeiträume vor und nach Implementierung von ABS konnte dieser Trend erstmals umgekehrt werden; es zeigte sich eine Reduktion von 27 % auf 9 % (p = 0,021). Die Resistenzrate von Staphylococcus aureus in Blutkulturen zeigte einen ebenfalls rückläufigen Trend (−35 %), wobei die Differenz nicht statistisch signifikant war (p = 0,482).
Clostridium difficile
Die Inzidenzdichte der nosokomial erworbenen Clostridium-difficile-assoziierten Enteritis lag bereits vor Beginn des ABS-Programms deutlich unter den Referenzwerten (Evangelische Kliniken Gelsenkirchen: 0,28/1000 PTT; NRZ-Median: 0,4/1000 PTT). Im Zeitraum nach Einführung eines ABS-Teams fiel diese Rate nicht signifikant ab (0,23/1000 PTT, p = 0,313).
Blutkulturen
Die Entnahmerate von Blutkulturen erhöhte sich von 1,8 BK/100 PTT im Jahr 2015 auf 3,2/100 PTT im 4. Quartal 2016 (+77 %, p < 0,001). Die Inzidenzdichte eines Erregernachweises stieg von 4,0/1000 PTT auf 6,8/1000 PTT an (+70 %, p < 0,001).
Mortalität und mittlere Verweildauer
Es ließ sich keine Veränderung der Gesamtmortalität (nicht risikokorrigiert, 2015: 2,1/100 Patienten, 2016: 2,3/100 Patienten; p = 0,6) und der mittleren Verweildauer feststellen (Tab. 3).
Kosten
Die Kosten für Antibiotika reduzierten sich von 94,16 €/100 PTT im 3./4. Quartal 2015 auf 66,48 €/100 PTT im 4. Quartal 2016 (−30 %, p < 0,001). Hochgerechnet auf die durchschnittlichen Patiententage der Vorjahre entspricht dies einer Ersparnis von ca. 33.000 €/Jahr.
Diskussion
Antibiotikaverbrauch
Antibiotika fördern Resistenzen durch Selektion resistenter Varianten und Spontanmutationen und durch die Induktion der Expression vorhandener Resistenzmechanismen. Sie schwächen Haut‑, Darm- und Standortflora, was die Vermehrung resistenter Bakterien erleichtert. Die Substanzgruppen der Antibiotika unterscheiden sich in ihrer Tendenz, diese Entwicklung zu triggern, wobei die Breite der Wirksamkeit nicht der einzige Wirkmechanismus zu sein scheint. Übermäßige Verordnungen von Cephalosporinen, Chinolonen, Clindamycin und Carbapenemen werden für erhöhte Raten an MRSA, Extended-Spectrum-Betalakatamse-Bildnern und CDI verantwortlich gemacht [11, 12, 24].
Ein Ziel des ABS-Programms war es, den Gesamtverbrauch der Antibiotika zu reduzieren, indem zu lange oder überflüssige Therapien (z. B. prolongierte perioperative Antibiotikaprophylaxe) vermieden wurden.
Ein Review über ASB auf Intensivstationen [14] beschreibt einen Rückgang des Antibiotikaverbrauchs von 10 % bis zu 40 %. Es gibt wenige Studien, die sich mit der Entwicklung außerhalb von Intensivstationen beschäftigen [23]. In der vorliegenden Studie war die Einführung von ABS begleitet von einer Reduktion des Gesamtverbrauchs der Klinik um 28 %. Damit wurde ein Verbrauch erreicht, der deutlich unterhalb dem anderer Klinken liegt ([16]; Tab. 1).
Weiteres Ziel von ABS war es, den Verbrauch umzuschichten, durch einen bevorzugten Einsatz von schmaler wirksamen Substanzen und die Vermeidung der Antibiotika, die Resistenzen induzieren. Unter Beachtung der speziellen Situation der Antibiotikaempfindlichkeit von E. coli und Pseudomonas war dies häufig bereits in der kalkulierten Initialtherapie vieler Infektionskrankheiten möglich. Die ABS-Begleitung intensivierte die Abnahme geeigneter mikrobiologischer Proben und die Deeskalation nach Resistogramm. Im Vergleich zum Vorjahr und zu anderen Kliniken zeigte sich ein deutlich reduzierter Verbrauch von Cephalosporinen, Chinolonen und Carbapenemen (Tab. 1).
Die Zunahme von Schmalspektrumpenicillinen und Cefazolin weist auf mehr fokussierte Therapien hin. Diese führen wie bei der Staphylococcus-aureus-Bakteriämie oder beim Erysipel neben der geringeren Resistenzentwicklung zu einem deutlich besseren Therapieergebnis.
Im Bereich der Intensivstation veränderte sich der Gesamtverbrauch der Antibiotika nicht. Wie im Vorjahr lag der Verbrauch unter dem anderer Intensivstationen [16]. Penicilline stellten die hauptsächlich verwendete Substanzgruppe dar, mit einem im Vergleich zu anderen Kliniken zurückhaltenderen Einsatz von Cephalosporinen, Chinolonen und Carbapenemen (Tab. 2). Die interdisziplinäre ITS wurde von zwei ABS-Experten geleitet; eine wöchentliche mikrobiologische Visite war bereits vor Beginn von ABS etabliert. Der vergleichsweise niedrige Verbrauch mit Betonung von schmaler wirksamen Substanzen legt nahe, dass kein wesentliches Verbesserungspotenzial bestand.
Resistenz gegen 3‑G-Cephalosporine, MRSA und Clostridium difficile
Nur ein kleiner Teil der Studien kann einen signifikanten Nutzen von ABS auf die Inzidenz von MRSA belegen [1, 19]. Zur Reduktion von Resistenz von Enterobacteriaceae ist die Datenlage überzeugender [6, 7, 11, 13, 17, 20,21,22]. Wir beobachteten einen deutlichen Rückgang der Resistenz von E. coli gegenüber 3‑G-Cephalosporinen und einen nichtsignifikanten Abfall der Methicillinresistenz bei Staphylococcus aureus in Blutkulturen.
Eine Veränderung des Antibiotikaverbrauchs sollte sich in erster Linie auf die Resistenzlage bei nosokomial erworbenen Infektionen auswirken. Die Erreger unserer Auswertung entstammen jedoch sowohl ambulant wie auch nosokomial erworbener Infektionen. Eine kausale Zuordnung zu der Intervention ist daher nicht möglich. Der Vergleich zu den Vorjahren und zu den Daten der Antibiotika Resistenz Surveillance, die ebenso nicht nach ambulant/nosokomial erworben differenziert werden, zeigt zumindest eine interessante Entwicklung.
Die Inzidenz der nosokomial erworbenen Clostridium-difficile-Infektion fiel in unserer Untersuchung nicht signifikant ab. Viele Studien konnten einen Rückgang von CDI unter ABS belegen, gingen jedoch von einer Inzidenz aus, die um den Faktor 3 bis 5 [13, 26] höher lag als der der hier beschriebenen Klinik. Positive Auswirkungen eines veränderten Verordnungsverhaltens auf Resistenzen oder CDI lassen sich vermutlich nur bei erhöhten Inzidenzen messen.
Blutkulturen
Die Optimierung und Förderung der Präanalytik war eine der Kernstrategien, der Zuwachs an Blutkulturabnahmen und die damit verbundene proportionale Zunahme der Erregerdetektion erwünschte Folge. Studien zur optimalen Blutkulturdichte existieren zu Intensivstationen [15]: Bis zu einem Wert von 8–9 BK/100 PTT steigen BK-Rate und Nachweis einer Blutstrominfektion (BSI) proportional. Untersuchungen, die sich auf ein gesamtes Krankenhaus beziehen, liegen nicht vor. Unsere Daten legen nahe, dass bei einer Rate von 3 BK/100 PTT die optimale Abnahmedichte noch nicht überschritten ist.
Kosten
Der Rückgang des Verbrauchs führte zu einem Rückgang der Ausgaben für Antibiotika. Die bedeutendere finanzielle Auswirkung hat jedoch der Rückgang der endemischen Resistenzen mit den damit verbundenen Kosten.
Strukturen
Die Ergebnisse wurden mit eingeschränkten Ressourcen erreicht. Die Mitarbeit der Mikrobiologie und Apotheke war zeitlich deutlich begrenzt und galt in erster Linie der Erstellung der Leitlinien und Visiten auf der Intensivstation. Technische Hilfsmittel wie die Erfassung von Antiinfektivatherapien in der digitalen Patientenakte oder eine zeitnahe (statt nur einmal tägliche) Übermittlung mikrobiologischer Befunde in das Abfragetool Hybase standen nicht zur Verfügung.
Die Leitlinien empfehlen die Leitung des ABS-Teams durch einen Infektiologen. Doch diese mangeln: Laut der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) gibt es in Deutschland pro Einwohner nur rund ein Drittel so viele wie z. B. in Ländern wie Schweden oder den USA. Dies ist u. a. der unübersichtlichen Weiterbildungssituation geschuldet. Einen Facharzt für innere Medizin und Infektiologie gibt es nur in Mecklenburg-Vorpommern; andere Landesärztekammern sehen eine Zusatzbezeichnung Infektiologie vor, die meist nur Internisten und Pädiatern vorbehalten ist. Anästhesisten können die Zusatzbezeichnung nur in Bayern oder Hessen erwerben. Die DGI kämpft für eine einheitliche Regelung und bietet eine gesellschaftseigene Zertifizierung „Infektiologe (DGI)“ an. Diese kann prinzipiell von allen infektiologisch tätigen Ärzten erworben werden.
Eine enge Verzahnung von ABS und Krankenhaushygiene gilt als essenziell im Kampf gegen die Resistenzentwicklung [11]. Fachärzte für Hygiene sind jedoch ebenso eine Rarität. Um den Bedarf zu decken, hat die Bundesärztekammer 2011 die strukturierte curriculare Fortbildung Krankenhaushygiene geschaffen. Fachärzte aus Disziplinen mit Patientenbezug übernehmen nach einer 2‑jährigen Fortbildung die Aufgaben eines Krankenhaushygienikers. Nach einer noch nicht veröffentlichten Erhebung sind es zum größten Teil Anästhesisten, die von den Kliniken für die Fortbildung gewählt werden. Viele von ihnen sind oder werden ABS-Experten, einige zusätzlich Infektiologen nach DGI. In kleineren bis mittleren Häusern werden damit, wie auch in dieser Untersuchung, die Bereiche Hygiene und Leitung des ABS-Teams zunehmend in Personalunion von Anästhesisten besetzt. Mit der mitgebrachten Expertise entstehen aus dieser Kombination eine praxis- und patientenorientierte Hygiene und eine Infektiologie, die bereits bei der Prävention ansetzen. Für Anästhesisten hat sich ein neuer Tätigkeitsbereich entwickelt, mit der Möglichkeit der Leitung einer eigenständigen Abteilung.
Implementierung
Neben fehlenden personellen und strukturellen Ressourcen gilt als wesentliche Barriere bei der Implementierung von ABS eine fehlende Akzeptanz beim behandelnden Team [4]. Problematisch sind die Spannungsfelder zwischen evidenzbasierter Empfehlung und persönlicher Erfahrung, starre Hierarchiestrukturen und eine Ich-zentrierte Vorstellung von Arzt-Patient-Beziehung und Therapiehoheit. Schlüsselpersonen inhaltlich einzubinden, ist daher ein Kernelement auf dem Weg zur erfolgreichen Implementierung [3].
In unserem Krankenhaus ließen sich die geplanten Maßnahmen rasch umsetzen. Die Größe des Hauses erlaubte einen engen, persönlichen Kontakt. Die kontinuierliche Präsenz im Rahmen der wöchentlichen Visite und die entstehenden fachlichen Diskussionen halfen, zu überzeugen und Vorbehalte gegenüber der fachfremden Einmischung in die Therapie abzubauen. Die Schulungen wurden im kleinen Rahmen der abteilungsinternen Fortbildungen abgehalten und erreichten so auch die Entscheidungsträger. Dies schuf eine gemeinsame Diskussionsgrundlage und die notwendige Einbindung in die Entscheidungsprozesse.
Limitationen
Eine unmittelbar abhängige Variable der Folgen von ABS wie die Leitlinienadhärenz wurde nicht untersucht. Der Aufbau als unkontrollierte Vorher-nachher-Analyse ist empfindlich für Bias und Zufallsfehler. Besonders kritisch zu betrachten ist die Resistenzentwicklung. Ein kausaler Zusammenhang mit der Intervention lässt sich nicht belegen, nicht zuletzt, da die Erregernachweise nicht nach ambulant und nosokomial erworbenen Infektionen differenziert wurden. Prospektive Studien mit „Interrupted-time-series“-Design oder Cluster-randomisierte Studien mit der isolierten Analyse nosokomial erworbener Erreger wären aussagekräftiger.
Schlussfolgerung
Antibiotic stewardship ließ sich auch mit eingeschränkten Ressourcen an einem Haus der Grund- und Regelversorgung erfolgreich implementieren. Vermutlich sind kleinere Häuser durch ihre überschaubare Struktur, den engen, persönlichen Kontakt zwischen den Mitarbeitern und die damit verbundene schnellere Erreichbarkeit des Einzelnen besonders gut geeignet für die Umsetzung klinikübergreifender Gesamtkonzepte. Weitere Studien sind nötig, um dies zu bestätigen.
Kernaussagen
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Mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes 2011 wurden Leiter von Krankenhäusern erstmals verpflichtet, sich mit ihrem Antibiotikaverbrauch auseinanderzusetzen. Die Kommission ART bereitet zurzeit eine Empfehlung vor, die den Druck auf die Krankenhäuser erhöhen wird, die Antibiotikaanwendung zu rationalisieren.
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Das betrifft auch nichtuniversitäre Häuser – diese stehen vor der Herausforderung, die Ziele mit eingeschränkten personellen und strukturellen Ressourcen umzusetzen.
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Diese Studie beschreibt, dass sich ABS mit reduzierten Ressourcen auch außerhalb eines universitären Settings effektiv umsetzen lässt.
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Besonders wirksam erscheint dabei die Kombination aus Schulungen, Leitlinieneinführungen und einer wöchentlichen Antiinfektivavisite aller Stationen.
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Schwächen eines kleinen Hauses sind die geringeren personellen und strukturellen Ressourcen, Stärken dagegen die kurzen Wege und der enge, persönliche Kontakt, mit denen es gelingen kann, Barrieren und Vorbehalte abzubauen und Veränderungen schnell umzusetzen.
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M. Bonsignore, E. Balamitsa, C. Nobis, S. Tafelski, C. Geffers und I. Nachtigall geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Bonsignore, M., Balamitsa, E., Nobis, C. et al. Antibiotic stewardship an einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. Anaesthesist 67, 47–55 (2018). https://doi.org/10.1007/s00101-017-0399-9
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