Die Kosten für die ambulante Chirurgie („day case surgery“) sind, verglichen zu denselben Leistungen eines stationären Aufenthalts, deutlich geringer. Ein großer Teil der ambulant durchgeführten Operationen kann in Spinalanästhesie durchgeführt werden. Mit 2 %igem hyperbarem Prilocain steht seit September 2010 auch in Deutschland ein Medikament zur Verfügung, das viele der Forderungen an ein Lokalanästhetikum zum Einsatz in der ambulanten Anästhesie erfüllt und die Einschränkungen, die bisher bei der Verwendung von Bupivacain, Mepivacain oder Lidocain gegeben waren, deutlich reduziert. Allerdings steht dem der höhere Preis für dieses Pharmakon gegenüber.

Hintergrund und Fragestellung

Der ökonomische Druck auf die Krankenhäuser in Deutschland hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Neben Prozessoptimierungen in den internen Abläufen spielen dabei aus Sicht der Kostenträger auch die Verlagerungen von stationären zu ambulanten Leistungen eine wesentliche Rolle. In unterschiedlichen Gesundheitssystemen konnte gezeigt werden, dass die Kosten für ambulante Chirurgie, verglichen zu denselben Leistungen eines stationären Aufenthalts, deutlich günstiger erbracht werden können [9].

Allein in Schottland ging man noch 2008 davon aus, dass mit dem Erreichen des Ziels von 75 % aller elektiven Eingriffe als ambulante Chirurgie [10] ca. GBP 8.000.000 eingespart werden könnten [1]. Nach Einschätzung des Royal College of Surgeons in Großbritannien könnten ca. 50 % der „cold surgery“ (minimalinvasive Kryotherapie) ambulant durchgeführt werden, derzeit sind es aber nur 18–20 %. Die Quote variiert allerdings stark zwischen verschiedenen Krankenhäusern und ist vom jeweiligen Operateur abhängig.

Prinzipiell liegen die Vorteile der ambulanten Chirurgie in der Unabhängigkeit vom Vorhandensein stationärer Betten und in der schlanken Organisationsstruktur ambulanter OP-Einrichtungen. Dies beginnt mit der Indikationsstellung, die in der Regel ein standardisiertes Vorgehen bei zeitlich, personell und materiell gut kalkulierbarem Ressourcenverbrauch ermöglicht. Diese Auswahl von Operationen führt zu einer kostenreduzierten, d. h. ökonomisch ausgerichteten Leistungserbringung bei gleichbleibender medizinischer Qualität. Nun stellt sich die Frage, inwieweit die Form der gewählten Anästhesie Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der ambulanten Versorgung hat, ohne die Qualität der anästhesiologischen Versorgung zu beeinträchtigen.

Ein großer Teil der ambulant durchführbaren Operationen sind orthopädische oder unfallchirurgische Eingriffe an den unteren Extremitäten (z. B. Materialentfernungen etc.), gefäßchirurgische Operationen an den unteren Extremitäten (Varizen etc.), allgemein- und viszeralchirurgische Eingriffe (Haut, Probeexzisionen, Lymphknotenentfernungen, anorektale Eingriffe etc.), gynäkologische (Laparoskopie) und urologische Eingriffe (transurethrale Eingriffe). All diese Eingriffe können in Spinalanästhesie durchgeführt werden. Die medizinischen Vor- und Nachteile einer Spinalanästhesie sind in der aktuellen Literatur mehrfach ausführlich beleuchtet worden [28, 33]. Die Spinalanästhesie bietet hohe Patientensicherheit. Die bei der Verwendung von Bupivacain, Lidocain oder Mepivacain beschriebenen möglichen Nebenwirkungen (postspinaler Kopfschmerz, postspinaler Harnverhalt oder transiente neurologische Symptome, TNS) haben jedoch immer zu einem gewissen Vorbehalt gegenüber dieser Technik in der ambulanten Chirurgie geführt [2, 14, 27, 32].

Unbestritten hat die Spinalanästhesie im Hinblick auf Materialkosten (Medikamente und Instrumente/Nadeln) sowie perioperative Kosten [Reduktion von postoperativer Übelkeit und Erbrechen („postoperative nausea and vomiting“, PONV), Analgetikakosten] einen großen Vorteil gegenüber der Allgemeinanästhesie. Häufig wird eine längere Einleitungszeit gegenüber der Allgemeinanästhesie als nachteilig genannt, auf der anderen Seite sind auch günstigere Verläufe im Hinblick auf Kosten im Aufwachraum (AWR) publiziert, z. B. wenn Patienten direkt ohne AWR-Aufenthalt auf eine periphere Station verlegt werden. Auch ist möglicherweise die ungeplante Aufnahmerate nach Spinalanästhesien bei ambulanten Eingriffen geringer als nach Allgemeinanästhesien. Nachteilig in Bezug auf die Kosten im AWR wurden bisher immer die lange Wirkdauer der benutzten Lokalanästhetika sowie die vergleichsweise hohe Rate an postoperativem Harnverhalt, der den AWR-Aufenthalt deutlich verlängerte, gewertet.

Mit 2 %igem hyperbarem Prilocain steht seit September 2010 auch in Deutschland ein Medikament zur Verfügung, das viele der Forderungen an ein Lokalanästhetikum zum Einsatz in der ambulanten Anästhesie erfüllt und die Einschränkungen, die bisher bei der Verwendung von Bupivacain, Mepivacain oder Lidocain gegeben waren, deutlich reduziert.

Zweiprozentiges hyperbares Prilocain besitzt eine kurze Anschlagzeit, ist kurz wirksam und sorgt für eine gute Analgesie sowie motorische Blockade mit hoher Zufriedenheit bei Operateur und Patient. Gegenüber den länger verfügbaren Lokalanästhetika Mepivacain und Lidocain besteht eine deutlich geringere Inzidenz von TNS, und ein postspinaler Harnverhalt wurde nach Spinalanästhesie mit 2 %igem hyperbarem Prilocain bisher nur in einer Studie von Kreutziger et al. [19] beschrieben, obwohl in Europa schon mehr als 100.000 Spinalanästhesien mit dieser Substanz durchgeführt wurden [5, 20]. Damit verbindet 2 %iges hyperbares Prilocain theoretisch den Vorteil einer hohen anästhesiologischen Qualität mit der Eignung für die ambulante Anästhesie.

Diese Arbeit geht anhand einer Sensitivitätsanalyse der Frage nach, unter welchen Bedingungen in der ambulanten Anästhesie die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain trotz der höheren Kosten für das Medikament ökonomisch sinnvoll erscheint.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Die vorliegende Arbeit beruht auf theoretischen Überlegungen und aus der Betriebswirtschaft transferierten Berechnungen. Die zugrunde gelegten Daten entstammen der wissenschaftlichen Literatur und wurden, soweit möglich, durch eigene retrospektive anonymisierte Prozessdaten validiert. Für die ökonomische Betrachtung, ob ein Medikament dem anderen im Hinblick auf die Kostenstruktur überlegen ist oder nicht, lassen sich 2 Ansätze wählen: Der 1. Ansatz geht davon aus, dass die Kosten pro Narkose unabhängig von Prozessen beurteilt werden. Der 2. Ansatz betrachtet die Auswirkungen der Verwendung eines Medikaments auf die Abläufe z. B. in einem ambulanten Operationszentrum.

Ansatz 1

Sollen die Kosten für verschiedene zur Spinalanästhesie genutzte Medikamente verglichen werden, können die Kosten, die für beide Verfahren identisch sind, vernachlässigt werden. Hierzu gehören die verwendeten Materialien zur Desinfektion und zur Anlage der Spinalanästhesie sowie die Operationszeit, wenn man davon ausgeht, dass die meisten oben genannten Operationen in einem bis zu ca. 60-minütigen Zeitraum operiert werden (können). Somit unterscheiden sich die Kosten, die durch die Verwendung unterschiedlicher Lokalanästhetika entstehen, zum einen durch die Medikamentenkosten selber, zum anderen aber durch die Kosten, die durch Nebenwirkungen sowie kürzere oder längere Aufenthaltsdauern im AWR an Personalkosten entstehen, bis ein ambulanter Patient entlassungsfähig ist. Anhand einer Sensitivitätsanalyse lässt sich einschätzen, welche Bedingungen vorhanden sein müssen, damit sich die derzeit höheren Kosten für die Verwendung von 1 Amp. 2 %iges hyperbares Prilocain (5 ml) im Prozess einer ambulanten Narkose amortisieren.

Ansatz 2

Anhand durchschnittlicher Operationsdauern und durchschnittlicher AWR-Zeiten lässt sich kalkulieren, wie lange ein AWR besetzt sein muss und wie viele Patienten pro Tag bei vorgegebener Kapazität versorgt werden können.

Ansatz 1

Modellentwicklung

Das dargestellte Modell beruht auf einer Empfindlichkeits- oder Sensitivitätsanalyse. Die Sensitivitätsanalyse entstammt der Investitionsrechnung und untersucht, unter welchen Bedingungen eine Investition (hier die Verwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain) ökonomisch sinnvoll ist. Hierzu werden bestimmte Rahmenparameter zunächst als fix angenommen und dann in mehreren Modellrechnungen verändert. Durch die Variation einzelner „Input“-Faktoren in einer mathematischen Gleichung findet eine Grenzwertbetrachtung in einem komplexen System statt. Diese Methode der Investitionsrechnung besitzt immer eine gewisse Unschärfe und kann nur Wahrscheinlichkeiten unter bestimmten Rahmenbedingungen ermitteln. Es lässt sich aber berechnen, unter welchen Bedingungen der Einsatz z. B. eines teureren Medikaments ökonomisch sinnvoll ist, weil damit andere Prozesskosten gespart werden können.

Analog zu Taylor u. Serbetci [26] wurde eine „One-way“-Sensitivitätsanalyse mit folgenden 2 Werten durchgeführt:

  • durchschnittliche Personalbindungszeit einer Anästhesieschwester pro Patient im AWR und

  • Zeit bis zur Entlassfähigkeit aus dem AWR für 2 %iges hyperbares Prilocain und 0,5 %iges hyperbares Bupivacain.

Für die Zeiten wurde als Datengrundlage die Publikation von Rätsch et al. [24] gewählt. Für die Durchführung einer „Single-shot“-Spinalanästhesie wird jeweils 1 Amp. 2 %iges hyperbares Prilocain (Takipril®) à 5 ml oder 1 Amp. 0,5 %iges isobares Bupivacain (Carbostesin®) à 5 ml oder 1 Amp. 0,5 %iges hyperbares Bupivacain à 5 ml benötigt.

Das 2 %ige hyperbare Prilocain ist mit einem Ampullenpreis von EUR 4,86–5,78 (netto) teurer als 1 Amp. 0,5 %iges isobares Bupivacain (EUR 0,82) oder 0,5 %iges hyperbares Bupivacain (EUR 2,50). In der Modellrechnung wird davon ausgegangen, dass in der Regel 1 Amp./Patient verbraucht wird, unabhängig davon, wie viel Milliliter verworfen werden. Insbesondere der ambulante Bereich lässt natürlich die Möglichkeit zu, die applizierte Menge eines Medikaments so weit zu reduzieren, dass 1 Amp. Bupivacain und auch 1 Amp. Prilocain für 2 Patienten reichen, sodass die Kosten für die Medikamente reduziert werden. Dies wird beispielhaft für beide Substanzen ebenfalls kalkuliert.

Für deutsche Bedingungen kann man modellieren, welche Gegebenheiten vorhanden sein müssen, damit der Einsatz von 2 %igem hyperbarem Prilocain in der ambulanten Anästhesie günstiger ist als der Einsatz von 0,5 %igem isobarem Bupivacain oder 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain, und unter welchen Bedingungen der Einsatz von 2 %igem hyperbarem Prilocain im Prozessablauf ökonomisch sinnvoll und effizient ist (Berechnung des „break even point“).

Hierzu werden folgende Annahmen, die ggf. für lokale Situationen veränderbar sind, getroffen:

  • Die Kosten für 2 %iges hyperbares Prilocain (Takipril®) werden im günstigsten Fall mit EUR 4,86 angenommen, die für 0,5 %iges isobares Bupivacain mit EUR 0,82, die für 0,5 %iges hyperbares Bupivacain mit EUR 2,50.

  • Weiterhin wird angenommen, dass für jede Operation bzw. Spinalanästhesie das gleiche Spinalset (Nadel, Tupfer, Abdecktuch etc.) verwendet wird und die angenommene Operationszeit für beide Medikamente identisch ist (ca. 60 min).

  • Die Bruttopersonalkosten für einen Arzt werden mit EUR 50/h (ca. EUR 80.000 Jahreskosten), die für eine Anästhesiefachpflegekraft mit EUR 25/h (ca. EUR 40.000 Jahreskosten) angenommen.

  • Die Anwesenheit eines Arztes im AWR wird bei diesen Berechnungen vernachlässigt, da in den wenigsten AWR in Deutschland ein Arzt ausschließlich für den AWR zur Verfügung steht, ohne andere Tätigkeiten parallel auszuführen (Prämedikation, Operationsaufsicht, Besetzung des Notarzteinsatzfahrzeugs, Anlagen von zentralen Venenkathetern, Kardioversionen etc.).

  • Die Personalbindung der Anästhesieschwester wird mit 0,5 h angenommen. Dies bedeutet theoretisch, dass in einem AWR, der mit einer Pflegekraft für 8 h besetzt wäre, täglich 16 Patienten betreut würden.

  • Für beide Substanzen wurde eine Operationszeit von 60 min mit gleicher Anästhesiequalität angenommen.

Sollen also die Kosteneffizienz des Einsatzes beider Präparate miteinander verglichen werden, ist es entscheidend, ob der Einsatz der Medikamente bei gleicher operativer Qualität und vergleichbaren Operationen bzw. Operationsdauer von ca. 60 min mit ebenfalls identischem Materialverbrauch für Spinalnadeln etc. zu einer Reduktion der Personalkosten über verkürzte AWR-Zeiten bzw. Entlassungszeiten aus dem Krankenhaus führen kann. Neben der Pharmakokinetik der Substanzen (Abklingzeit, Wiedererlangen der vollen motorischen Fähigkeiten etc.) spielen hier auch Nebenwirkungen wie Harnverhalt, Hypotension oder PONV eine Rolle, insbesondere wenn diese neben der zeitlichen Verlängerung des AWR-Aufenthalts auch noch zu zusätzlichem Medikamenten- oder Materialbedarf führen.

Damit ergeben sich die relevanten Kosten für den Einsatz beider Medikamente aus der postoperativ notwendigen Betreuungszeit bis zur Entlassungsfähigkeit des Patienten aus dem Krankenhaus, den zusätzlichen Materialkosten, die durch mögliche unerwünschte Nebeneffekte notwendig werden, sowie einen Unterschied in der Anschlagzeit, die möglicherweise einen schnelleren Operationsbeginn erlaubt.

Ergebnisse

Aus dem skizzierten Modell ergibt sich, dass die Kosten für eine 60-minütige Operation unter Spinalanästhesie als Fixkosten anzusetzen sind und aus dem Materialverbrauch (einschließlich der Lokalanästhetika) sowie den Personalkosten für einen Anästhesisten und eine Anästhesiepflegekraft bestehen.

Für die weitere Betrachtung ist aber nur die Differenz der Kosten für diese 60-minütige Spinalanästhesie als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen relevant. Die Differenz von 2 %igem hyperbarem Prilocain zu 0,5 %igem isobarem Bupivacain beträgt + EUR 4,02 und von 2 %igem hyperbarem Prilocain zu 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain + EUR 2,36. Das 2 %ige hyperbare Prilocain ist also primär in beiden Vergleichen bezüglich der Fixkosten teurer.

Im zweiten Schritt müssen die variablen Kosten betrachtet werden, die durch die Aufenthaltsdauer im AWR bis zur Entlassung nach Hause anfallen. Hier ist die entscheidende Frage, unterhalb welcher Aufenthaltsdauer 2 %iges hyperbares Prilocain günstiger für die Prozesskosten ist als 0,5 %iges hyperbares Bupivacain, oder umgekehrt, ab welcher Aufenthaltsdauer bei der Anwendung von 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain die Prozesskosten höher sind als die zusätzlichen Ausgaben, die für die Verwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain notwendig waren.

Unter den oben angenommenen Bedingungen von 75 min bis zur Entlassung aus dem AWR (und damit nach Hause) gegenüber 150 min (Wiederherstellung der Motorik) bzw. 405 min (Zeit bis zur Spontanmiktion) bei 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain zeigt sich ein Kostenvorteil des 2 %igen hyperbaren Prilocains gegenüber 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain von EUR 11,64 bzw. EUR 64,76 und gegenüber 0,5 %igem isobarem Bupivacain von EUR 13,32 bzw. EUR 66,44. Bei einer gegenüber hyperbarem Bupivacain aber eher verlängerten Wirkzeit von isobarem Bupivcain darf der Kostenvorteil des 2 %igen hyperbaren Prilocains eher größer angenommen werden [23].

Für die Annahme, dass alle mit 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain behandelten Patienten nach 150 min den AWR verlassen können, bleibt die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain bis zu einer Aufenthaltsdauer im AWR von 130 min günstiger. Legt man für 0,5 %iges hyperbares Bupivacain eine AWR-Dauer von 405 min zugrunde, werden die gleichen Kosten erst nach fast 5 h erreicht.

Dass die Verwendung von 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain ab einer AWR-Zeit von 80 min teurer wird als die Verwendung von 2 %igem Prilocain, zeigt Abb. 1 a, und umgekehrt demonstriert Abb. 1 b, dass die Verwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain im Vergleich zum 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain günstiger bleibt bis zum Verbleib im AWR von 120 min.

Abb. 1
figure 1

Kosten in Bezug zur Zeit bis zur Entlassfähigkeit aus dem AWR (min). a 0,5%iges hyperbares Bupivacain, b 2 %ges hyperbares Prilocain

Um gegenüber der Applikation von 2 %igem hyperbarem Prilocain günstiger zu sein, müsste die AWR-Zeit nach Applikation von 0,5%igem Bupivacain auf unter 100 min reduziert werden. Eine Zeit der Entlassfähigkeit von 160 min oder geringer nach spinaler Applikation findet sich aber in der Literatur für 0,5 %iges hyperbares Bupivacain nicht annäherungsweise. Für 0,5 %iges isobares Bupivacain ergäben sich durch den etwas niedrigeren Ampullenpreis ähnliche Werte mit einer geringeren Differenz zu 2 %igem hyperbarem Prilocain. Allerdings wird dies durch eine tendenziell etwas längere Wirkungsdauer des isobaren Bupivacains gegenüber hyperbarem Bupivacain ausgeglichen [22].

Bleibt für die ökonomische Betrachtung noch die Frage, ob die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain auch ökonomisch sinnvoll ist, wenn die Operationszeit sich von 60 auf 30 min verringert. Für diese Annahme wurde die jeweilige AWR-Zeit bis zur Entlassungsfähigkeit um 30 min verlängert, also auf 105 min für 2 %iges hyperbares Prilocain und auf 180 min für 0,5 %iges hyperbares Bupivacain. Hier zeigt sich, dass 2 %iges hyperbares Prilocain gegenüber 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain bis zu einer Aufenthaltsdauer von 160 min einen Vorteil bietet bzw. die Aufenthaltsdauer bei 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain unter 120 min sinken müsste. Reduziert man nochmals die Operationszeit modellhaft auf 15 min, bleibt 2 %iges hyperbares Prilocain bis zu einer Aufenthaltsdauer im AWR von 180 min kostengünstiger. Das 0,5 %ige hyperbare Bupivacain würde unterhalb von 140 min günstiger werden, wenn gleichzeitig alle Patienten mit spinal verabreichtem 2 %igem hyperbarem Prilocain den AWR nach 120 min verlassen würden.

Für diese Modellrechnungen wurden die Zeitpunkte der spinalen Applikation der Medikamente bis zur Entlassfähigkeit jeweils als konstant angenommen. Die letzte Rechnung zeigt allerdings, dass sich die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain sogar bei kurzen Eingriffen wie z. B. in der Gynäkologie (Hysteroskopien, Abrasionen) rechnet, wenn dadurch eine bessere operative Kapazitätsauslastung generiert werden kann (Fallzahlsteigerung). Dies gilt zumindest im Vergleich zu einer Spinalanästhesie mit 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain.

Eigene retrospektive Daten von 70 ambulanten Spinalanästhesien mit einer durchschnittlichen Operationsdauer von 53 ± 24 min (Maximum bis 90 min) aus dem Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2012 zeigen eine durchschnittliche Verweildauer im AWR bis zur Entlassungsfähigkeit (Motorik: Grad 0 in der Bromage-Skala, mobilisiert, kreislaufstabil, getrunken und gegessen, ohne Abwarten auf eine Spontandiurese) aus dem AWR nach Hause von 63 ± 22 min (Median 60 min). Spinalanästhesien mit 0,5 %igem Bupivacain werden bei den Autoren im ambulanten Bereich nicht durchgeführt.

Ansatz 2

Die Reduktion der AWR-Zeit unter 2 %igem hyperbarem Prilocain führt zu der Möglichkeit, den AWR früher zu schließen. Hier geht also schon die Anwendung von 2 %igem Prilocain beim vorletzten und letzten Patienten eines Tagesprogramms mit einer Reduktion der Personalkosten einher. Diese Kostenersparnis erfordert natürlich den flexiblen Einsatz von Personal und die Möglichkeit, z. B. Mehrarbeitsstunden abzubauen.

Diskussion

Die hier durchgeführte Sensitivitätsanalyse belegt für die gewählten Rahmenbedingungen, dass der Einsatz von intrathekalem 2 %igem hyperbarem Prilocain in der ambulanten Chirurgie sinnvoll sein kann. Bei einem ambulanten OP-Bereich handelt es sich um ein komplexes System mit vielen Einflussfaktoren auf das Gesamtergebnis. Dies in einer ökonomischen Modellrechnung abzubilden, ist sehr schwierig. Die Sensitivitätsanalyse ermöglicht es, Rahmenbedingungen festzulegen und dann einzelne Faktoren, hier den Preis der Medikamente sowie die unterschiedlichen pharmakokinetischen Eigenschaften zu variieren und in ihrem Effekt auf das Gesamtergebnis zu untersuchen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Realität hiermit nur zu einem bestimmten Grad vollständig abgebildet werden kann. Die vollständige Modellierung aller möglichen Einflussfaktoren ist nicht möglich und führt auch nicht zu einer genaueren Abbildung der Realität oder verbesserten Entscheidungsfindung. Aus diesem Grund haben die Autoren das Modell um ihrer Meinung nach weniger relevante Einflussfaktoren bereinigt.

Die nur marginal unterschiedlichen Anschlagzeiten der beiden Medikamente können ökonomisch vernachlässigt werden, da die publizierten Anschlagzeiten sowohl für 0,5 %iges hyperbares Bupivacain als auch für 2 %iges hyperbares Prilocain mit 4–5 min für einen sensorischen Block sowie 10 min für einen motorischen Block bzw. 15 min für die maximale sensorische Blockade unterhalb der Zeiten liegen, die in der Regel realistisch zum Ent- oder Umlagern nach Stechen der Spinalanästhesie, für den Ortswechsel aus dem Einleitungsraum in den OP sowie zum Lagern, sterilen Abwaschen und Abdecken benötigt werden [21, 22, 24].

Unerwünschte Wirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen oder Bradykardien können durch zusätzliche Kosten für deren Behandlung oder durch einen verlängerten AWR-Aufenthalt zu einer Erhöhung der Kosten für ein Medikament führen. Obwohl in der Arbeit von Rätsch et al. [24] eine relativ höhere Inzidenz dieser Nebenwirkungen beschrieben wird, ist die absolute Häufigkeit doch gering und führt in ihren ökonomischen Auswirkungen zu vernachlässigbaren Veränderungen. In der Arbeit von Rätsch et al. finden sich trotz der höheren Nebenwirkungsraten von 2 %igem hyperbarem Prilocain deutlich kürzere Verweilzeiten im AWR, sodass auch diese Zahlen die obige Annahme unterstützen (Tab. 1).

Tab. 1 Charakteristika der spinalen Blockade. (Aus [24])

Die Daten der Arbeit von Rätsch et al. [24] wurden hier als Referenz genutzt, da sie sich in ihrer Größenordnung in Übereinstimmung mit anderen Arbeiten befinden [13, 21, 22]. Für 2 %iges hyperbares Prilocain bestand 135 min nach spinaler Injektion eine volle Wiederherstellung der motorischen Fähigkeiten (Bromage-Grad 0), also unter Betrachtung einer 1-stündigen Operationszeit und unter Vernachlässigung der Zeit von der spinalen Injektion bis zum Operationsbeginn eine voll wiederhergestellte Motorik nach einer Zeit von 75 min im AWR. Camponovo et al. [6] konnten in ihrer Arbeit sogar noch kürzere Zeiten bis zur Wiederherstellung der motorischen Fähigkeiten nach Applikation (118 min) und bis zur ersten Miktion (218 min) bzw. bis zur Entlassfähigkeit feststellen (256 min). Aus konservativer Betrachtungsweise bezieht sich das vorliegende Modell auf die Daten von Rätsch et al. [24]. Für Patienten, die mit 2 %igem hyperbarem Prilocain behandelt wurden, ist mit der wiederhergestellten Motorik aus anästhesiologischer Sicht auch das Entlassungskriterium erfüllt, wenn gleichzeitig keine operativen Gründe gegen eine Entlassung sprechen und für die Fortführung einer adäquaten Schmerztherapie gesorgt wurde.

Da für 2 %iges hyperbares Prilocain bisher keine postoperativen Harnverhalte beschrieben wurden, ist das Warten auf die erste Spontanmiktion nicht notwendig. Bei den eigenen ambulanten Patienten trat kein Harnverhalt auf. Allein in der Arbeit von Kreutziger et al. [19] wurde eine Rate von 23 % an Harnwegsverhalten beschrieben. In der Arbeit von Kreutziger et al. fällt aber auf, dass die Patienten eine relativ großzügige perioperative Volumenzufuhr erhielten, was das Risiko eines postspinalen Harnverhalts deutlich erhöht [3]. Das Risiko des Harnverhalts ist auch abhängig von der Zeitdauer der Blockade des M. detrusor vesicae, die für intraspinal verabreichtes 0,5 %iges Bupivacain mit durchschnittlich 233 min und für das kürzer wirksame 5 %ige hyperbare Lidocain mit 144 min beschrieben wurde. Für 2 %iges hyperbares Prilocain liegen keine Angaben hierzu vor [18], jedoch darf aufgrund der pharmakokinetischen Daten angenommen werden, dass die Zeit für die M.-detrusor-Blockade für 2 %iges hyperbares Prilocain unter der von 5 %igem hyperbarem Lidocain liegt.

Demgegenüber war in der Arbeit von Rätsch et al. [24] nach der spinalen Applikation von 15 mg 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain die Motorik erst nach 210 min wiederhergestellt (Bromage-Grad 0), also entsprechend obiger Annahmen erst nach einer Aufenthaltsdauer von 150 min. Da für die Anwendung von 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain aber bekannt ist, dass ein erhöhtes Risiko eines postoperativen Harnverhalts besteht, wird zu Recht als Entlassungskriterium die erfolgte Spontanmiktion gefordert. Dies führte in der Studie von Rätsch et al. [24] zu einer verlängerten Zeit bis zur Entlassfähigkeit von 405 min, also einer Aufenthaltsdauer im AWR von fast 350 min.

Für die Zeit bis zur Entlassungsfähigkeit nach spinaler Applikation von 15 mg 0,5 %igem hyperbarem Bupivacain finden sich in der Literatur Spannweiten zwischen 253 und 471 min [4, 12, 30]. Durch eine Reduktion der Dosis auf 12,5 mg lässt sich die Zeit bis zur Entlassungsfähigkeit möglicherweise reduzieren, betrug aber in einer Arbeit vom Hampl et al. [15] auch noch fast 300 min. In der gleichen Arbeit wurde die entsprechende Zeit für 2 %iges hyperbares Prilocain (50 mg) mit 253 min angegeben. Aber auch hier wurde auf die Spontanmiktion gewartet.

Auch die Reduktion der spinalen Dosis von Bupivacain auf weniger als 10 mg führt nicht zwangsläufig zu einer schnelleren Wiederherstellung der Motorik. In der Arbeit von Sirivanasandha et al. zeigten sich eine Zeit bis zur Wiederherstellung der Motorik nach einer mittleren Dosis von 7,3 mg Bupivacain von 273 ± 98 min und Entlassungszeiten von 309 ± 94 min [25].

Tab. 2 Inzidenz von Nebenwirkungen und Komplikationen. (Aus [24])

Betrachtet man die Nebenwirkungen beider Lokalanästhetika als vergleichbar und beachtet man, dass mögliche Auswirkungen auf die Zeit bis zur Entlassfähigkeit ohnehin schon in die oben genannten Daten von Rätsch et al. [24] eingeflossen sind, bleiben bei der wirtschaftlichen Betrachtung nur die Kosten für zusätzliche Medikamente zu berücksichtigen. Hier schlagen beim 0,5 %igen hyperbaren Bupivacain die Kosten für Einmalkatheterisierungen zu Buche, die beim 2 %igen hyperbaren Prilocain nicht anfallen. Die übrigen medikamentösen Kosten sind zu vernachlässigen (Tab. 2).

Das hier dargestellte Modell unterstellt, dass die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain zu einer Kostenersparnis bei ambulanten Spinalanästhesien führt, wenn die Klinikstrukturen flexibel sind oder gehandhabt werden (können). Unter den Bedingungen starrer Personaleinsatzpläne und „Dienst nach Vorschrift“ können keine Kosten reduziert werden.

Fazit für die Praxis

Die Modellierung prozessorientierter und mit ökonomischen Daten hinterlegter Abläufe in der ambulanten Anästhesie zeigt, dass die Anwendung von 2 %igem hyperbarem Prilocain zur ambulanten Spinalanästhesie das Potenzial besitzt, bei gleichbleibender medizinischer Qualität sinnvoll und effizient zu sein.