Die bei Patienten während einer Allgemeinanästhesie auftretende Beeinträchtigung der Spontanatmung und Oxygenierung reicht häufig über das Anästhesieende hinaus. Bei einer nichtunerheblichen Anzahl der Raumluft atmenden Patienten liegt während des Transports vom OP in den Aufwachraum (AWR) eine unerkannte Sauerstoffsättigung <90% vor, und das Erkennen von Hypoxämien in der postoperativen Phase nach rein klinischen Kriterien ist als äußerst unzuverlässig anzusehen. Aus Gründen der Patientensicherheit scheint hier ein Umdenken erforderlich.

Hintergrund und Fragestellung

Seit Jahren gehört die Pulsoxymetrie, als nichtinvasives Verfahren zur Beurteilung der arteriellen Sauerstoffsättigung des Hämoglobins (SpO2) und der ihr zugrunde liegenden Oxygenierung des Bluts, zu der essenziellen Ausstattung eines anästhesiologischen „Standardarbeitsplatzes“ [39]. Für die unmittelbare Phase nach einer Allgemeinanästhesie [z. B. während des Transports vom OP in den Aufwachraum (AWR)] gibt es allerdings bislang keine verbindlichen Vorgaben bezüglich der Überwachung der SpO2 von spontan-atmenden Patienten. Gleichzeitig ist bekannt, dass es durch Wirkungsüberhang von während der Allgemeinanästhesie applizierten Medikamenten (Relaxanzien, Opioide, Hypnotika und Anästhetika) zu Einschränkungen der Spontanatmung kommen kann und überdies die während einer Allgemeinanästhesie auftretenden Lungenfunktionsstörungen mit Beeinträchtigungen der Oxygenierung häufig über das Ende der Allgemeinanästhesie hinausreichen [45]. Dementsprechend wurde in den ersten Jahren nach Einführung der Pulsoxymetrie in den klinischen Betrieb gezeigt, dass bei 21–61% der Raumluft atmenden Patienten während des Transports vom OP in den AWR eine SpO2≤90% vorlag [5, 6, 11, 22, 27, 29, 32, 43, 50]. Parallel dazu wurde demonstriert, dass das Erkennen solcher Hypoxämien in der intra- und postoperativen Phase nach rein klinischen Kriterien als äußerst unzuverlässig anzusehen ist [8, 30, 32].

Da seit der Publikation dieser mehr als 20 Jahre alten Daten allein schon durch die Verfügbarkeit von kürzer wirksamen Medikamenten andere Rahmenbedingungen vorliegen, stellt sich die Frage, ob heutzutage immer noch eine vergleichbar hohe Inzidenz von Hypoxämien nach Allgemeinanästhesien bei Spontanatmung unter Raumluft auftritt, die – wenn klinisch nichterkennbar – eine Modifikation der Überwachungsmaßnahmen während des Patiententransports vom OP in den AWR bedingen würden.

Primäres Ziel dieser Untersuchung war es daher, Hypoxämien in der unmittelbaren Phase nach Durchführung einer Allgemeinanästhesie bei einem Patientenkollektiv, das einem breiten Spektrum operativer Eingriffe unterzogen wurde, zu erfassen. In einem zweiten Schritt wurde am selben Kollektiv überprüft, inwieweit sich die Unzulänglichkeiten der Einschätzung der SpO2 nach rein klinischen Kriterien weiterhin bestätigen. Überdies wurde untersucht, inwieweit Risikofaktoren für das Auftreten von Hypoxämien identifiziert werden können. Abschließend wurde nach Beendigung der Datenerhebung eine Umfrage an den deutschen universitären Anästhesiekliniken durchgeführt, um zu erfahren, wie verbreitet die Praxis ist, spontan-atmende Patienten ohne pulsoxymetrische Kontrolle und Sauerstoffzufuhr vom OP in den Aufwachraum zu verbringen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Die Aufnahme von Patienten in diese prospektive Beobachtungsstudie, die über einen Zeitraum von 4 Monaten am Standort Marburg des Universitätsklinikums Gießen und Marburg durchgeführt wurde, bedurfte gemäß Votum der Ethikkommission (AZ 120/05) entsprechend dem anonymen Charakter dieser Datenerhebung und der fehlenden Intervention keiner individuellen Zustimmung seitens der Patienten.

Ein- und Ausschlusskriterien

In die Studie wurden erwachsene Patienten aufgenommen, die in Allgemeinanästhesie elektiv operiert und zur postoperativen Überwachung spontan-atmend in den AWR verlegt wurden. Patienten, die bereits vor Einleitung der Anästhesie eine SpO2 < 90% hatten, wurden ausgeschlossen. Da diese Erhebung eine Untersuchung des anästhesiologischen Routinebetriebs in einem Universitätsklinikum mit einer großen Bandbreite an Operationen zum Ziel hatte, bestanden keine Restriktionen bezüglich der bei den Patienten durchgeführten operativen Eingriffe und Modi der Allgemeinanästhesien. Alle Anästhesien unterlagen den Vorgaben bereichsabhängiger „standard operating procedures“ (SOP; z. B. im Hinblick auf die Wahl der Anästhetika). Gemäß dieser SOP gelten folgende, für diese Erhebung relevanten Aspekte: Relaxometrie bei Verwendung von nichtdepolarisierenden Relaxanzien, Temperaturmessung über den liegenden Dauerkatheter oder eine nasal eingeführte Temperatursonde bei allen Eingriffen, die länger als 15 min dauern, und ggf. aktives Wärmen mit Luft-Wärme-Decken sowie die Überwachung der Narkosetiefe mit „Bispectral-index“(BIS)-Monitoring bei allen Allgemeinanästhesien. Gemäß der generellen anästhesiologischen Praxis wird vor Ausleitung der Narkose die Frischgaszufuhr auf 100%igen O2 gestellt.

Datenerhebung

Inzidenz von Hypoxämie

Als primärer Zielparameter wurde die SpO2 von spontan-atmenden Patienten bei Raumluft mit einem Pulsoxymeter (Masimo® RAD7) gemessen. Die Messung erfolgte im Verlauf des Transportprozesses vom OP-Tisch in das Bett mithilfe einer automatischen Transportschleuse. Die Erfassung der SpO2 wurde immer von derselben, ausschließlich mit der Messung der SpO2 betrauten Person, durchgeführt. Der Messwert wurde als valide gewertet, wenn das Signal für mindestens 10 s stabil war.

Schätzung der SpO2 nach klinischen Kriterien

Zu Beginn des Ausschleusens wurde der den Patienten während der Operation betreuende Anästhesist gebeten, eine Abschätzung der SpO2 anhand klinischer Kriterien unmittelbar vor der SpO2-Messung vorzunehmen.

Risikofaktoren für Hypoxämie und Abfall der SpO2 nach Operationen in Narkose

Um mögliche Risikofaktoren für das Auftreten einer postoperativen Hypoxämie und eines Abfalls der SpO2 zu ermitteln, wurden folgende biometrische, anamnestische, anästhesiologische und operative Daten von jedem Patienten im AWR gemäß Anästhesieprotokoll, Prämedikationsbogen und Krankenakte erfasst und der weiteren statistischen Auswertung zugeführt:

- Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht,

- körperlicher Status gemäß Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA), Lungenerkrankungen (definiert als Patienten mit Einnahme von respiratorisch-wirksamen Medikamenten oder Arztbesuch in den letzten 6 Monaten wegen einer pulmonalen Erkrankung),

- Nikotinkonsum,

- Prämedikation,

- SpO2 vor Einleitung,

- Art der Anästhesie, Anästhesiedauer (Einführen bis Entfernen der Atemwegshilfe), Art der Atemwegshilfe, Beatmungsform und -drücke, während der Anästhesie applizierte Medikamente, Durchführung von begleitender Regionalanästhesie,

- Art der Operation und

- postoperative Körpertemperatur (Mittelwert der tympanalen beidseitigen Messung direkt beim Eintreffen im AWR).

Umfrage zur Praxis der O2-Gabe und Anwendung von Pulsoxymetrie

Im Anschluss an die Datenerhebung wurde eine Umfrage (mithilfe eines Fragebogens) bei allen deutschen universitären Anästhesiekliniken durchgeführt. Ziel dieser Befragung war es zu ermitteln, wie verbreitet die gängige Praxis, Patienten ohne pulsoxymetrische Überwachung und ohne Sauerstoffgabe in den AWR zu verlegen, in Deutschland ist.

Um eine 100%ige Rücklaufquote der Fragebogen und damit einen möglichst geringen Bias zu erzielen, wurden diese nicht einfach an die einzelnen Kliniken verschickt, sondern selektiv an den Autoren persönlich bekannte und überwiegend in leitender Position tätige Kollegen nach vorherigem mündlichem Interview versendet. Themen der zu diesem Zweck verschickten Fragebogen waren:

- routinemäßige vs. bedarfsadaptierte O2-Gabe und Pulsoxymetrie während des Transports vom OP in den AWR,

- Dauer des Transports vom OP in den AWR und

- routinemäßige O2-Gabe vs. O2-Gabe in Abhängigkeit von der SpO2 im AWR.

Datenauswertung

Vorbereitende Datenbearbeitung

Im Einklang mit den zahlreichen, im Zusammenhang mit diesem Thema, bisher publizierten Arbeiten wurden eine SpO2 < 90% als Hypoxämie und eine SpO2 < 85% als schwere Hypoxämie klassifiziert. Da eine signifikante Beeinträchtigung der Atmung in Form eines drastischen Sättigungsabfalls, abhängig von der Ausgangssättigung, nicht zwingend in einer Hypoxämie resultieren muss, wurde bei allen Patienten die Differenz zwischen Ausgangssättigung und postoperativer SpO2 ermittelt.

Die Parameter Körpergewicht und Körpergröße fanden in Form des Body-Mass-Index (BMI) Eingang in die statistische Auswertung. Um Fentanyl und Sufentanil zusammengefasst mit in die Auswertung einbeziehen zu können, wurden gemäß der analgetischen Potenz der beiden Substanzen (Fentanyl:Sufentanil= 1:10) die applizierten Sufentanildosen in Milligramm-Fentanyläquivalent umgerechnet. In Analogie dazu wurden gemäß der relaxierenden Potenz von Rocuronium und Cisatracurium (1:6) die applizierten Cisatracuriumdosen in Milligramm-Rocuronium umgerechnet. Bei den Beatmungsdrücken fand die Differenz zwischen Spitzendruck und minimalem Druck (in cm H2O) Eingang in die statistische Auswertung.

Zur Auswertung des Einflusses der stetigen Variablen wie Alter, BMI etc. auf die Zielparameter Hypoxämie und Abfall der SpO2 wurden die Stichprobe nach Berechnung des jeweiligen Medians dichotomisiert und nachfolgend der Vergleich der beiden gleich großen Gruppen durchgeführt. Bei Untersuchung des Einflusses des ASA-Status wurden Patienten mit ASA 1 mit denen verglichen, die einen höheren ASA-Status hatten. Bei der Art der Operationen wurden abdominalchirurgische sowie thoraxchirurgische Eingriffe in einer Gruppe zusammengefasst und allen anderen Operationen gegenübergestellt. Bei den Anästhesieverfahren wurde zwischen balancierter Anästhesie und totaler intravenöser Anästhesie (TIVA) unterschieden. Bei den Muskelrelaxanzien wurde die Verwendung aller depolarisierenden Substanzen jenen Patienten entgegengesetzt, die keine nichtdepolarisierenden Relaxanzien oder Succinylcholin erhielten.

Desfluran als das volatile Anästhetikum und Mivacurium als das Relaxans mit der kürzesten Wirkdauer wurden separat untersucht, um einen möglichen Einfluss der Verwendung moderner Anästhetika abzuklären. In Analogie dazu wurden bei den Opioiden die Gaben von Fentanyl, Sufentanil und Remifentanil oder „kein Opioid“ miteinander verglichen. Periphere Regionalanästhesieverfahren wurden mit rückenmarknahen Verfahren in einer Gruppe jenen Patienten gegenübergestellt, die keine Form der Regionalanästhesie erhielten.

Aufgrund der sehr großen Diversität der bei diesem Patientenkollektiv applizierten Prämedikation ist eine saubere und klare Gruppierung der teilnehmenden Patienten bezüglich dieses Einflussfaktors nicht möglich, obwohl ausschließlich die Benzodiazepine Clorazepat und Midazolam eingesetzt wurden. Allerdings besteht eine individuelle Anpassung der Prämedikation bezüglich der verabreichten Dosis (Clorazepat 10–40 mg, Midazolam 3,75–7,5 mg), des Zeitpunkts der Gabe (am Vorabend, am Operationstag morgens, am Operationstag auf Abruf), der Kombination beider Substanzen und der daraus aus pharmakokinetischer Sicht resultierenden unterschiedlichen Effekte. Um dennoch, zumindest orientierend, einen möglichen Einfluss der Prämedikation auf das Auftreten einer Hypoxämie zu untersuchen, wurden aus dem Gesamtkollektiv selektiv jene Patienten, die sowohl am Vortag der Operation als auch am Operationstag (unabhängig von der Dosis) mit Clorazepat prämediziert wurden, jenen Patienten gegenübergestellt, die keinerlei Prämedikation erhalten hatten.

Statistische Datenauswertung

Die statistischen Auswertungen wurden mithilfe von SPSS für Windows, Version 19.0 (SPSS Inc., U.S.A.) durchgeführt. Die Darstellung der kontinuierlichen Variablen erfolgte als Mittelwerte und Mediane, während die Streumaße als Standardabweichungen und Konfidenzintervalle des Mittelwerts angegeben wurden.

Die kontinuierlichen Variablen wurden mithilfe des Kolmogorow-Smirnow-Tests hinsichtlich ihrer Normalverteilung überprüft. Die getesteten Variablen wiesen durchgehend keine Normalverteilung auf (Kolmogorow-Smirnow-Test: p < 0,05). Bei den Vergleichen der Stichproben wurden daher nichtparametrische Tests herangezogen.

Beim Vergleich von 2 unabhängigen, nichtnormal verteilten Stichproben wurde der Mann-Whitney-U-Test und bei mehr als 2 unabhängigen, nichtnormalverteilten Stichproben der H-Test nach Kruskal und Wallis angewendet. Die kategorisierten Daten dagegen wurden mithilfe des χ2-Tests bzw. des exakten Tests nach Fisher ausgewertet. Bei allen durchgeführten Tests erfolgte eine zweiseitige Signifikanzüberprüfung; hierbei wurde für alle statistischen Tests ein p-Wert < 0,05 als statistisch signifikant angenommen.

Die multivariaten Analysen wurden mithilfe der linearen Regressionsanalyse und der binär logistischen Regression durchgeführt. Eingeschlossen in die multivariaten Verfahren wurden jene Variablen, für die bei der univariaten Auswertung ein signifikanter Einfluss aufgezeigt werden konnte. Bei beiden Analysen erfolgten die Berechnungen durch Vorwärtseinschluss.

Ergänzend wurde für alle Parameter, für die gemäß den Ergebnissen der binär logistischen Regression ein unabhängiger Einfluss auf das Auftreten einer SpO2 < 90% aufgezeigt werden konnte, zur Abschätzung der Stärke des Einflusses die „odds ratio“ mit den dazu gehörigen 95%-Konfidenzintervallen berechnet.

Ergebnisse

In dem Beobachtungszeitraum nahmen 970 Patienten an der Studie teil. Daten von 11 dieser Patienten mussten von der Auswertung ausgeschlossen werden (doppelter Datensatz wegen Reoperation, unvollständiger Datensatz).

SpO2 am Ende des Transports zum Aufwachraum

Es hatten 163 Patienten (17%) eine Hypoxämie (SpO2 < 90%) mit einer durchschnittlichen SpO2 von 84% (SD  ± 5,7%). In dieser Gruppe befanden sich 63 Patienten (6,6%) mit einer schweren Hypoxämie (SpO2 < 85%), deren durchschnittliche SpO2 79% (SD  ± 5,9%) betrug. Demgegenüber hatten die 796 nichthypoxämischen Patienten (83%) eine durchschnittliche SpO2 von 95% (SD  ± 2,6%).

Differenz zwischen prä- und postanästhesiologischer SpO2

Die durchschnittliche Differenz zwischen Ausgangssättigung und SpO2 zum Zeitpunkt des Ausschleusens betrug 3,8% (SD  ± 4,97%). Während bei nichthypoxämischen Patienten die durchschnittliche Differenz 2,2% (SD  ± 2,84%) betrug, belief sich die Differenz bei hypoxämischen Patienten auf 11,4% (SD ± 6,05%).

Abschätzung der SpO2

Von den 959 in die Auswertung eingehenden Patienten wurde bei 883 seitens des betreuenden Anästhesisten eine Abschätzung der SpO2 vorgenommen. Die Ergebnisse dieser Befragung sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Ergebnisse der klinischen Evaluation der SpO2

Einflussfaktoren auf Hypoxämie und Abfall der SpO2

Einen Überblick über die untersuchten biometrischen, anamnestischen, operativen und anästhesiologischen Variablen der ausgewerteten Patienten geben Tab. 2 und Tab. 3. Von diesen Variablen hatten 17 signifikanten Einfluss auf das Auftreten einer Hypoxämie und 14 signifikanten Einfluss auf den Abfall der SpO2 (Tab. 2, Tab. 3).

Tab. 2 Biometrische und anamnestische Parameter
Tab. 3 Operative und anästhesiologische Parameter

Von den 17 Variablen, die signifikant gehäuft mit dem Auftreten einer SpO2 < 90% assoziiert waren, übten die Faktoren Alter, BMI, Ausgangssättigung, Lachgas, Fentanyl, Beatmungsmodus sowie Differenz zwischen maximalem und minimalem Beatmungsdruck einen unabhängigen Einfluss auf das Auftreten einer Hypoxämie aus (Tab. 4). Fast identisch dazu hatten von den 14 Variablen, die signifikant gehäuft mit einem Abfall der SpO2 vergesellschaftet waren, die Faktoren Alter, BMI, Ausgangssättigung, Lachgas, Art des Opioids, ASA-Status und Mivacurium einen unabhängigen Einfluss auf den Abfall der SpO2 (Tab. 5).

Tab. 4 Faktoren mit unabhängigem Einfluss auf das Auftreten einer Hypoxämie
Tab. 5 Faktoren mit unabhängigem Einfluss auf den Abfall der SpO2

Umfrageergebnisse an den Universitätskliniken

Bei 80,48% der universitären Anästhesiekliniken (33 von 41) werden spontan-atmende Patienten standardmäßig unmittelbar nach Abschluss der Allgemeinanästhesie auf dem Weg in den AWR ohne pulsoxymetrische Überwachung sowie ohne zusätzliche O2-Gabe transportiert. Die Gabe von O2 oder die Messung der SpO2 erfolgt in diesen Kliniken nur bei ausgewählten Patienten, d. h. lediglich bei Bedarf oder z. T. bei Transporten von sog. Außenkliniken in einen AWR, der in einem anderen Gebäude lokalisiert ist.

In 12,2% der Kliniken (5 von 41) wird standardmäßig bei jedem Patienten O2 verabreicht; in 7,3% der Kliniken (3 von 41) wird routinemäßig eine pulsoxymetrische Überwachung der Patienten durchgeführt, während in einer Klinik sowohl O2 verabreicht als auch die SpO2 gemessen wird.

Bei allen Kliniken erfolgt allerdings eine pulsoxymetrische Überwachung im AWR. Die Gabe von O2 im AWR wird bei 41% (17 von 41 Kliniken) routinemäßig durchgeführt, während die Gabe von O2 bei den anderen Kliniken von der SpO2 abhängig ist.

Die geschätzte, durchschnittliche Dauer des Transports vom OP in den AWR beträgt bei den Kliniken, die weder O2 applizieren noch eine pulsoxymetrische Überwachung durchführen, 4,9 min (SD ± 2,51 min), wohingegen der Transport in den anderen Kliniken 6,7 min (SD ± 3,12 min) dauert.

Diskussion

Das wesentlichste Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass 17% der in der unmittelbaren Phase nach Allgemeinanästhesie bei Raumluft spontan-atmenden Patienten eine Hypoxämie (SpO2 < 90%) bzw. 6,6% eine schwere Hypoxämie (SpO2 < 85%) aufwiesen. Dies stellt, verglichen mit den ersten Untersuchungen zu diesem Thema Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, bei denen Hypoxämien bei 21–61% und schwere Hypoxämien bei 12–22% der Patienten beobachtet wurden [5, 6, 22, 27, 29, 30, 32, 43, 50], eine Verbesserung der Situation dar, ist aber dennoch aus Sicht der Autoren überraschend hoch.

Mangelhafte klinische Abschätzung der SpO2

Diese Resultate gewinnen vor dem zweiten Ergebnis dieser Untersuchung zusätzlich an Gewicht, da sich eine auf rein klinischen Kriterien basierende Abschätzung der SpO2 bei dem untersuchten Patientenkollektiv als völlig unzureichend erwies. In dem Kollektiv, bei dem eine Abschätzung der SpO2 erfolgte, wurde bei 82% der Patienten mit Hypoxämie diese durch die rein klinische Beurteilung nicht erkannt. Von den 56 evaluierten Patienten mit einer SpO2 < 85% wurden nur 2 (4%) als schwer hypoxämisch und lediglich 13 (23%) als zumindest hypoxämisch eingestuft. Die in dieser Untersuchung zutage getretene Unzulänglichkeit der rein klinisch basierten Einschätzung der SpO2 steht im Einklang mit früheren Untersuchungen, bei denen intraoperativ 70% [30] und postoperativ 94 bzw. 95% [8, 32] der hypoxämischen Episoden vom betreuenden Anästhesisten bzw. vom Personal im AWR mit deutlicher Zeitverzögerung (bis zu mehreren Minuten) bzw. gar nicht erkannt wurden.

Ursachen für Hypoxämien

Als Ursache für eine Hypoxämie nach Allgemeinanästhesie kommen zahlreiche Faktoren in Betracht. Volatile Anästhetika, Propofol und auch Opioide bewirken über Interaktionen mit peripheren und zentralen Chemorezeptoren einen Einfluss auf die Atemkontrolle [7, 23, 24, 41, 52]; Muskelrelaxanzien beeinflussen vermutlich ebenfalls über Interaktionen mit Chemorezeptoren die Reaktionsfähigkeit auf Hypoxie [12, 13, 14]. Zudem führt ein Überhang an Relaxanzien sowohl durch eine Einschränkung der Funktion der Atemmuskulatur zur Hypoventilation als auch durch Tonusminderung der supraglottischen Atemwegsmuskulatur zu nachfolgender Obstruktion der oberen Atemwege mit respiratorischer Beeinträchtigung [10, 11]. Ein reduzierter Tonus des Pharynx und des oberen Ösophagussphinkters sowie eine beeinträchtigte Koordination der pharyngealen Muskulatur infolge Restrelaxierung prädisponieren überdies zu Aspirationen [15, 46]. Ferner stellt eine „Train-of-Four“(TOF)-Ratio< 0,7 einen Risikofaktor für postoperative pulmonale Komplikationen dar [3], und eine TOF-Ratio< 0,9 war bei zwei Drittel der betroffenen Patienten während des Transports vom OP in den AWR mit einer Hypoxämie vergesellschaftet [35].

Außerdem führen Allgemeinanästhesien zu Veränderungen der Lungenfunktion durch Beeinträchtigung des Gasaustausches und damit einhergehender Verschlechterung der Oxygenierung [2, 47]. Diese beruht im Wesentlichen auf Atelektasen, die wiederum in einer Steigerung des pulmonalen Shunt resultieren [19, 49]. Etwa 90% der Patienten, die eine Allgemeinanästhesie mit Beatmung erhalten, entwickeln in den abhängigen Lungenarealen Atelektasen [19], die noch mehrere Tage über das Ende der Allgemeinanästhesie andauern können [20].

Überdies können auch rein operative Gründe (z. B. abdominothorakale Eingriffe) zu einer schmerzbedingetn Beeinträchtigung der Spontanatmung durch Einschränkung von statischen und dynamischen Lungenvolumina führen. Wird beispielsweise die „functional residual capacity“ (FRC) so stark eingeschränkt, dass sie kleiner als die „closing capacity“ ist, kommt es zum „airway closure“, was wiederum über eine Verschlechterung des Ventilation-Perfusion-Verhältnisses zu einer Verschlechterung der Oxygenierung führt [1, 21].

Risikofaktoren für Hypoxämien und Sättigungsabfälle

Bei der Suche nach Risikofaktoren für Beeinträchtigungen des respiratorischen Systems wurden bewusst nicht nur die Daten der Patienten mit einer SpO2 < 90% ausgewertet, sondern auch die Unterschiede zwischen Ausgang-SpO2 und der SpO2 beim Ausschleusen untersucht. Diese Vorgehensweise mag auf den ersten Blick redundant erscheinen, basiert jedoch auf der Überlegung, dass bei ausschließlicher Auswertung der Daten der Patienten mit Hypoxämie z. B. ein Patient mit einer SpO2 von 89% trotz einer Ausgangssättigung von z. B. 92% berücksichtigt wird. Demgegenüber würde ein Patient mit einer SpO2 von 90% bei einer Ausgangssättigung von z. B. 98% nicht in die Analyse einfließen, obwohl bei diesem Patienten die respiratorischen Beeinträchtigungen infolge Operation in Narkose ausgeprägter sind. Vergleicht man die Ergebnisse der Risikofaktoren von Hypoxämie und Sättigungsabfall, zeigen sich zunächst fast identische Risikoeinflüsse der patientenbezogenen Faktoren. Zusätzlich werden aber hinsichtlich des Sättigungsabfalls anästhesiologische Faktoren signifikant, die bei alleiniger Betrachtung der Hypoxämie fehlen. Somit scheint die getrennte Auswertung von Hypoxämie und Sättigungsabfall die Sensitivität zur Detektion von Risikofaktoren zu erhöhen.

Während Übergewicht in früheren Untersuchungen übereinstimmend als Risikofaktor postoperativer Hypoxämien identifiziert werden konnte, ist die Datenlage für folgende Faktoren weniger eindeutig: Alter, pulmonale Vorerkrankungen und Rauchen, ASA-Status, Prämedikation, Dauer der Narkose bzw. der Operation, Menge der applizierten Opioide, Relaxanzien und volatile Anästhetika, Beatmungsmodus, Ort der OP [6, 8, 22, 28, 29, 30, 32, 43, 50, 51, 53].

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen erneut ein erhöhtes Körpergewicht als unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten einer Hypoxämie. Nach einer niedrigen Ausgangssättigung war ein erhöhter BMI der zweitstärkste Risikofaktor für das Auftreten einer SpO2 < 90%. An dritter Stelle der Risikofaktoren für das Auftreten einer Hypoxämie folgt mit erhöhtem Lebensalter eine weitere patientenabhängige Variable. Die Ursache für die erhöhte Inzidenz von Hypoxämien bei geriatrischen Patienten ist zum einen in physiologischen Veränderungen der Lungen und des Herz-Kreislauf-Systems als auch in pharmakologischen Besonderheiten begründet. Letztere manifestieren sich beispielsweise in einer verstärkten Wirkung und auch einer verlängerten Wirkdauer von Opioiden. Diese Effekte beruhen allerdings nicht auf einer im Alter zunehmenden Abnahme der Neuronendichte. Auch sind diese Effekte nicht durch eine veränderte pharmakodynamische Wirkung der Opioide im Alter begründet. Vielmehr sind es pharmakokinetische Aspekte, die die verstärkte Wirkung und die verlängerte Wirkdauer verursachen. Hinsichtlich der Wirkverstärkung ist die Umverteilung des Herz-Zeit-Volumens (HZV) zugunsten des Gehirns und des Herzens von besonderer Bedeutung. An der Wirkverlängerung sind maßgeblich das reduzierte HZV, die dadurch resultierende Redistribution und die damit einhergehende retardierte Metabolisierung beteiligt. Letztere wiederum ist maßgeblich für das Wirkende von Opioiden [17].

Auf den folgenden Plätzen der unabhängigen Risikofaktoren für eine SpO2 < 90% liegen anästhesiebedingte Faktoren: Differenz zwischen maximalem inspiratorischen und minimalem exspiratorischen Druck (ΔP), volumenkontrollierte Atmung, Fentanyl- und Lachgasgabe. Diese Variablen konnten auch als unabhängige Faktoren für einen Sättigungsabfall identifiziert werden.

Die Abbildung der ventilatorassoziierten Faktoren positiver endexspiratorischer Druck („positive end-expiratory pressure“, PEEP) und Beatmungsdruck erfolgt in Form des ΔP. Im Kontext zu den üblichen Verfahren ist die Höhe des PEEP überproportional mit einer Intubationsnarkose, einer Relaxierung und druckkontrollierter Beatmung assoziiert. ΔP, als Differenz von Spitzendruck und PEEP, zeigt aber auch als rechnerisch gewonnener Parameter eine signifikante Assoziation zu postoperativer Hypoxämie und Sättigungsabfall, variiert bekanntlich physiologisch unter pulmonalen Vorerkrankungen (z. B. restriktiven Veränderungen) und ist häufig auf Beatmungsmonitoren numerisch sowie grafisch dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass potenzielle Risikofaktoren als Ergebnis einer Regressionsanalyse zwar immer eine Assoziation, nicht aber eine Kausalität aufzeigen.

Auch für die ASA-Klassifizierung und die Wahl des Relaxans existiert ausschließlich eine derartige Assoziation bezüglich eines unabhängigen Einflusses auf den Abfall der SpO2. Hinsichtlich des Einflusses des Operationsgebiets auf das Auftreten einer postoperativen Hypoxämie decken sich die vorgestellten Ergebnisse nicht mit den Resultaten einer diesbezüglich an einem vergleichbar großen Patientenkollektiv durchgeführten Untersuchung [53]. Während hier kein Zusammenhang zwischen Art der Operation und dem Auftreten von Hypoxämien bzw. Abfällen der SpO2 nachgewiesen werden konnte, waren bei der Studie von Xue et al. [53] beispielsweise thorakoabdominale Operationen signifikant häufiger mit Hypoxämien assoziiert als rein abdominale und peripher-oberflächliche Eingriffe. Rein abdominale Operationen waren in diesen Untersuchungen ebenso signifikant häufiger mit Hypoxämien vergesellschaftet als peripher-oberflächliche Eingriffe. Diese Unterschiede mögen darin begründet sein, dass die gruppierten Operationsgebiete nicht identisch mit denen von Xue et al. sind. Des Weiteren gibt es offensichtlich Unterschiede in dem Ort der postoperativen Betreuung sowie dem Schweregrad der Operation, ab wann Patienten postoperativ auf einer Intensivstation bzw. im AWR betreut werden, sodass in der hier vorgestellten Untersuchung größere thorakoabdominelle Eingriffe, bei denen durch das größere operative Trauma eine größere Beeinträchtigung der Spontanatmung zu erwarten ist, nicht vertreten waren.

Im Gegensatz zu der Untersuchung von Moller et al. [32] konnte, wie bereits von anderen Autoren [8, 22], keine erhöhte Inzidenz von Hypoxämien bei Rauchern festgestellt werden. Allerdings ist hier einschränkend festzustellen, dass die erfasste Zahl der Raucher höchstwahrscheinlich falsch-niedrig ist. Gemäß der Dokumentation befinden sich im Gesamtkollektiv lediglich 18,4% Raucher, was, verglichen mit dem derzeitigen durchschnittlichen Anteil an Rauchern bei Erwachsenen von über 30% gemäß jüngster Ergebnisse [26], schwer nachvollziehbar ist. Mögliche Ursache dieser Diskrepanz ist die nichtvollständige Dokumentation des Rauchens auf dem Narkoseprotokoll und dem Anästhesieanamnesebogen, auf der ein Großteil der Daten dieser Untersuchung basiert.

Sowohl die Wahl des Opioids als auch die Wahl des Relaxans hatten einen unabhängigen Einfluss auf das Auftreten einer Hypoxämie bzw. den Abfall der SpO2. Diese Resultate bestätigen frühere Untersuchungen, in denen ein positiver Einfluss von Medikamenten mit mutmaßlich günstigerem pharmakokinetischen Profil auf die postoperative Erholung aufgezeigt werden konnte. Beispielsweise wurde demonstriert, dass durch den Einsatz von mittellang wirksamen Relaxanzien (Vecuronium, Rocuronium und Atracurium) im Vergleich zum lang wirksamen Pancuronium Relaxanzienüberhänge sowie postoperative Hypoxämien seltener auftreten [4, 34] und dass Relaxanzienüberhänge auch gehäuft mit postoperativen pulmonalen Komplikationen wie z. B. Pneumonie vergesellschaftet sind [3]. Ergebnisse anderer Untersuchungen mahnen allerdings, dass selbst bei ausschließlicher, einmaliger Gabe mittellang wirksamer Relaxanzien in Intubationsdosis weiterhin ein großer Teil der Patienten noch nach 2 h eine Restrelaxierung aufwies [9]. Jüngste Übersichtsarbeiten zu diesem Thema betonen vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Untersuchung die Bedeutung einer quantitativen Relaxometrie zum Ausschluss von Relaxanzienüberhängen [33]. Entsprechend der in der Klinik der Autoren existierenden SOP, bei allen Patienten, die nichtdepolarisierende Relaxanzien erhalten, eine Relaxometrie durchzuführen, wäre anzunehmen, dass ein Überhang an Relaxanzien als mögliche Ursache für einen Abfall der SpO2 ausfällt. Allerdings ist nur für ca. 80% der Studienpatienten die Relaxometrie dokumentiert. Eine mögliche Ursache wäre, dass vergessen wurde, die Relaxometrie zu dokumentieren (in Analogie zu der wohl lückenhaften Dokumentation des Rauchens). Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Relaxometrie gar nicht durchgeführt wurde, da die tatsächliche Implementierung von SOP nicht einfach ist, was beispielsweise anhand der Umsetzung von Empfehlungen bezüglich der Prophylaxe und Therapie von postoperativer Übelkeit und Erbrechen („postoperative nausea and vomiting“, PONV) gezeigt werden konnte [16, 25].

Zusammenfassend kommen unter Berücksichtigung der zuvor diskutierten Ergebnisse v. a. folgende „anästhesiologische“ Ursachen der überraschend hohen Inzidenz an Hypoxämien und Sättigungsabfällen infrage: die ausschließliche Verwendung des ultrakurz wirksamen Remifentanils oder keines Opioids bei nur 1,3% der Patienten im Vergleich zu Fentanyl bei 66% der Patienten und mögliche Defizite bei der Relaxometrie in Kombination mit der Verwendung von Mivacurium als kurz wirksames Relaxans bei nur 3,1% der Patienten im Vergleich zu annähernd zwei Drittel der Patienten, die mittellang wirksame Relaxanzien erhielten.

Von Bedeutung für die weiterhin hohe Inzidenz an Hypoxämien sind bei den patientenassoziierten Ursachen die folgenden Aspekte: Sowohl der zunehmende Anteil alter Patienten am Patientenkollektiv [18] als auch die kontinuierliche Zunahme übergewichtiger Patienten in der Gesamtbevölkerung [44] haben dazu geführt, dass auch der Anteil hypoxämiegefährdeter Patienten eher größer als kleiner geworden ist. Hervorzuheben ist, dass entsprechend den Berechnungen der Odds ratios die patientenabhängigen Risikofaktoren bedeutend wichtiger als die anästhesiebedingten Faktoren sind. Daraus ergibt sich die wichtige Konsequenz, dass selbst bei optimaler Durchführung der Allgemeinanästhesie das Risiko für postoperative Hypoxämien und Sättigungsabfälle auch zukünftig nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.

Transport ohne Sauerstoff und Pulsoxymetrie

Die Ergebnisse der Untersuchung geben Anlass dazu, die Praxis, die überwiegende Zahl der Patienten standardmäßig ohne O2-Zufuhr und ohne pulsoxymetrische Überwachung vom OP in den AWR zu verlegen, kritisch zu hinterfragen. Dies kann entsprechend den Ergebnissen der durchgeführten, bundesweiten Umfrage an allen universitären Anästhesiekliniken zweifelsohne als in Deutschland durchaus gängige Vorgehensweise angesehen werden. Da die Prädiktion von Hypoxämien nach Allgemeinanästhesien derzeit nicht zuverlässig möglich ist, eine Detektion von Hypoxämien nach klinischen Kriterien nur in Ausnahmefällen gelingt und überdies die Transferzeiten vom OP in den AWR durch unvorhergesehene Ereignisse unkalkulierbar sind (z. B. Stau an der Schleuse, da mehrere Patienten gleichzeitig an der Patientenschleuse eintreffen), stellt sich die Frage, ob nicht alle Patienten unmittelbar nach Ende der Narkose mit O2 versorgt werden sollten. Gemäß früheren Ergebnissen lassen sich durch die routinemäßige O2-Zufuhr postoperative Hypoxämien weitestgehend vermeiden [5, 6, 22], obwohl es sogar hierunter zu vereinzelten Sättigungsabfällen kommen kann [42].

Klinische Relevanz transienter Hypoxämien

Grundsätzlich stellt sich im Zusammenhang mit den erzielten Ergebnissen die Frage nach der klinischen Relevanz transienter, postanästhesiologisch auftretender Hypoxämien sowie dem Stellenwert der Pulsoxymetrie zur Detektion von hypoxämischen Ereignissen. Eine definitive Antwort auf diese Fragen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben. Unstrittig ist, dass Hypoxämien bei vielen anästhesiebedingten Komplikationen eine entscheidende Rolle spielten und dass durch die Anwendung der Pulsoxymetrie eine Vielzahl schwerer anästhesiebedingter Zwischenfälle hätten vermieden werden können, wie aus Auswertungen von Schadensersatzfällen der Jahre 1974–1988 in den USA hervorging [42]. Dementsprechend wurde mehrfach gezeigt, dass die Pulsoxymetrie geeignet ist, perioperative Hypoxämien zu detektieren, und dass Hypoxämien bei Patienten, die mit Pulsoxymetrie überwacht werden, seltener während der Narkose und auch im AWR auftreten [37]. Im Einklang damit wurde einerseits in der bislang diesbezüglich größten, prospektiv randomisierten Studie mit mehr als 20.000 Patienten dargelegt, dass durch die Anwendung der Pulsoxymetrie während der Anästhesie das Auftreten von Zeichen der myokardialen Ischämie signifikant gesenkt werden kann [31]. Andererseits ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den mit im Vergleich zu jenen ohne Pulsoxymetrie überwachten Patienten hinsichtlich kardiovaskulärer, respiratorischer, neurologischer und infektiöser Komplikationen im Rahmen des Krankenhausaufenthalts und auch bezüglich der Krankenhausverweildauer, der Aufnahmen auf die Intensivstationen und der Krankenhausmortalität [31]. Dementsprechend kamen die in den letzten Jahren publizierten systematischen Übersichtsarbeiten, die weitestgehend auf Daten der Untersuchung von Moller et al. basieren, zu den Schlussfolgerungen, dass durch die Pulsoxymetrie zwar eine Hypoxämie detektiert werden kann, es allerdings keine Evidenz dafür gibt, dass dadurch das Ergebnis für die Patienten nach Anästhesie beeinflusst wird. Ferner kommen Pedersen et al. wiederholt zu dem Schluss, dass es unklar ist, ob die routinemäßige, kontinuierliche, perioperative, pulsoxymetrische Überwachung überhaupt mit einem Nutzen hinsichtlich der Versorgungsqualität der Patienten einhergeht [36, 38, 48].

Folgende Gründe sprechen allerdings trotz bislang sehr begrenzter Evidenz eines Nutzens der Pulsoxymetrie dafür, dass die Messung der SpO2 nicht nur intra-, sondern auch postoperativ standardmäßig eingesetzt werden sollte. Zum einen ist bislang völlig unklar, ab welchem Ausmaß der Hypoxämie (bestimmt durch die Höhe der gemessenen SpO2 und die Dauer des Abfalls der SpO2) in Relation zu den Vorerkrankungen es bei dem individuellen Patienten zu Schäden kommt. Daher ist auch nicht auszuschließen, dass selbst kurz dauernde SpO2-Abfälle Schäden auf zellulärer Ebene setzen, die für sich allein keine negativen Folgen hervorrufen, aber in der Summe über die Zeit mit bereits zurückliegenden und zukünftigen Hypoxämien sowie anderen Noxen negative Auswirkungen haben.

Betrachtet man diese Ungewissheit hinsichtlich der möglichen negativen Effekte sogar von transienten, womöglich auch nur kurz dauernden, Hypoxämien, stellt sich die Frage, welche Logik bzw. Rechfertigung sich dahinter verbirgt, einerseits während der Phase der Allgemeinanästhesie und auch für die Phase im AWR kontinuierlich die SpO2 zu messen, in Abhängigkeit von der gemessenen SpO2 die inspiratorische Sauerstofffraktion (FIO2) zu erhöhen und im AWR z. T. sogar unabhängig von der gemessenen SpO2 die FIO2 zu erhöhen, andererseits in der unmittelbaren Phase nach der Allgemeinanästhesie auf dem Weg vom OP zum AWR den Patienten fast wie im Blindflug ohne Überwachung der Oxygenierung zu begleiten. Zweifelsohne ist hier zu erwähnen, dass der Patient üblicherweise durch die FIO2 von 1,0 zur Ausleitung vor Entfernung der Atemwegshilfe generell gut aufgesättigt ist. Inwieweit jedoch bei allen Patienten dieser Untersuchung tatsächlich der Stickstoff vor Entfernung der Atemwegshilfe komplett aus den Lungen ausgewaschen und somit die Lungen vollständig mit Sauerstoff aufgesättigt waren, wurde bei dieser Untersuchung nicht erfasst und stellt somit eine Limitation dieser Studie dar. In die gleiche Richtung geht ein weiterer Schwachpunkt dieser Untersuchung, der darin besteht, dass die Transferzeiten zwischen OP und Schleuse (Zeitpunkt der Messung) nicht erfasst wurden, sodass Zusammenhänge zwischen Dauer des Transfers und Hypoxämie bzw. Sättigungsabfall nicht untersucht werden konnten. Beide Mankos relativieren sich allerdings vor dem Hintergrund folgender Aspekte: Es ist nicht genau vorherzusagen, für wie lange genau die Aufsättigung der Lungen mit Sauerstoff andauert. Außerdem ist zu bedenken, dass selbst bei kurzen Wegen zwischen OP und AWR die Zeit des Transfers nicht immer genau vorhersehbar ist, da sie sich durch unerwartete Ereignisse verlängern kann.

In der Zusammenschau obiger Aspekte ergibt sich somit aus Sicht der Autoren die logische Schlussfolgerung, dass – im Einklang mit Empfehlungen in anderen Ländern [40] – aus Gründen der Patientensicherheit auch für die Phase des Transports vom OP in den AWR die gleichen Standards hinsichtlich der Überwachung der Oxygenierung gelten sollten, wie dies für die Phase während der Narkose bereits vorgeschrieben und für die postanästhesiologische Phase im AWR gängige Praxis ist, oder dass zumindest die Gabe von Sauerstoff standardmäßig bei jedem Patienten durchgeführt werden sollte.

Fazit für die Praxis

  • Hypoxämien bei spontan atmenden Patienten nach Allgemeinanästhesie während des Transfers in den AWR sind weiterhin vorhanden. Das Erkennen von Hypoxämien, basierend auf rein klinischen Kriterien, zeigte sich erneut als völlig unzuverlässig.

  • Trotz Identifikation von Risikofaktoren für Hypoxämien und Sättigungsabfälle ist eine zuverlässige, individuelle Vorhersage dieser Komplikationen derzeit nicht möglich.

  • Die Kenntnis anästhesieassoziierter Risikofaktoren zeigt Ansätze zur Reduktion dieser Problematik.

  • Bei derzeit bestehender Unklarheit über die möglichen schädlichen Auswirkungen von transienten Hypoxämien ist die in Deutschland gängige Praxis, spontan-atmende Patienten ohne Überwachung der SpO2 bzw. ohne zusätzliche O2-Gabe vom OP in den AWR zu verlegen, kritisch zu hinterfragen.

  • Aus Gründen der Patientensicherheit erscheint es sinnvoll, auch für die unmittelbare postoperative Phase die SpO2 zu überwachen bzw. standardmäßig O2 zu applizieren.