Zusammenfassung
Hintergrund
Mit weitgehender Akzeptanz des Stewart-Säure-Basen-Modells wird die „hyperchlorämische Acidose“ als definierte Störung des Säure-Basen-Haushalts betrachtet. Nicht bekannt ist, ob der Hypernatriämie eine gegenläufige Rolle bei der Entwicklung von Alkalosen zukommt.
Material und Methoden
Bei 201 Intensivpatienten wurde nach hypernatriämischen Episoden gesucht. Einschlusskriterium war eine Serum-Natrium-Konzentration ([Na+])von mehr als 145 mmol/l.
Ergebnisse
Bei 20 Patienten fand sich an 78 Tagen zumindest einmal eine Serum-Na+-Konzentration >145 mmol/l. In 86% dieser Episoden war die Serum-Chorid-Konzentration ([Cl−]) ebenfalls erhöht. Die Entwicklung einer Alkalose korrelierte mit der „strong ion difference“ (r=0,80, p<0,01), nicht jedoch mit der Na+-Konzentration (r=−0,031, p=0,78). Fehlte die begleitende Hyperchlorämie (13%), kam es regelmäßig zur Entwicklung einer Alkalose, und eine Korrelation zwischen dem Na+-Spiegel und dem „base excess“ war nachweisbar (r=0,66, p=0,03). Betrug die Strong ion difference mehr als 39 mmol/l, fand sich in 84% der Fälle eine Alkalose.
Schlussfolgerung
Eine „hypernatriämische Alkalose“ als eigenständige metabolische Erkrankung lässt sich aus den hier vorgestellten Daten nicht ableiten. Sinnvoller scheint es, diese Form der Alkalose unter dem Oberbegriff der „strong ion alkalosis“ zu subsumieren.
Abstract
Background
With broad acceptance of Stewart’s acid-base model “hyperchloremic acidosis” is regarded as an independent form of metabolic disorder. It is unknown whether hypernatremia plays a corresponding role with respect to the development of alkalosis.
Methods
A total of 201 artificially ventilated, critically ill patients were monitored for hypernatremic episodes. Inclusion criterion was a serum sodium concentration above 145 mmol/l.
Results
In 20 patients a total of 78 periods of elevated plasma sodium levels lasting at least 24 h were observed. In 86% of these cases sodium and chloride concentrations were simultaneously increased. The development of alkalosis correlated with the strong ion difference (r=0.80, p<0.01) but not with the serum sodium concentration (r=−0.031, p=0.78). In cases without accompanying hyperchloremia (13%) metabolic alkalosis regularly occurred and a correlation between serum sodium concentration and base excess could be verified (r=0.66, p=0.03). Alkalosis occurred in 84.8% of cases where the strong on difference exceeded 39 mmol/l.
Conclusion
From the available data hypernatremic alkalosis could not be defined as an independent metabolic disorder. In would seem more appropriate to use the term “strong ion alkalosis” in this context.
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Obwohl die Hypernatriämie eine häufige Elektrolytstörung bei Intensivpatienten ist [13, 14, 15], wurde ihre Bedeutung für den Säure-Basen-Haushalt in einem klinischen Zusammenhang bislang nicht definiert. Die hier vorliegende kontrollierte, klinische Studie untersucht den Einfluss der Hypernatriämie auf kritisch kranke Patienten und interpretiert die Daten in Übereinstimmung mit dem Säure-Basen-Modell von Stewart.
Hintergrund und Fragestellung
Der Begriff „hyperchlorämische Acidose“ leitet sich aus dem Säure-Basen-Modell von Stewart [1] ab. pH-Wert, Bikarbonatkonzentration und letztlich auch der „base excess“ (BE) werden in diesem Modell als abhängige Variablen betrachtet, die durch Veränderungen der „strong ion difference“ (SID) und der schwachen Säuren im Plasma bestimmt werden. Die SID wiederum ergibt sich aus der Differenz der wichtigsten positiv- bzw. negativ-geladenen Ionen des Plasmas (Gleichung 1). Das Stewart-Modell wurde bereits in einer früheren Ausgabe der Zeitschrift Der Anaesthesist ausführlich dargestellt [2]. Der Terminus „hyperchlorämische Acidose“ hat in der heutigen Anästhesiologie und Intensivmedizin zunehmend klinische Bedeutung erlangt. Eine Reihe experimenteller Untersuchungen belegt den ungünstigen Effekt dieser Säure-Basen-Störung auf verschiedene Organsysteme und -funktionen, wie z. B. das kardiovaskuläre System, die Stickstoffmonoxid- (NO-)Produktion, die renale Blutversorgung und Diurese sowie die Hämostase [3, 4, 5, 6, 7].
Balancierte Kristalloidlösungen, deren Zusammensetzung die Entwicklung einer hyperchlorämischen Acidose vermeidet, werden vermutlich in Kürze „state of the art“ in der Volumentherapie sein [8, 9, 10, 11]. Im Gegensatz zu der Bedeutung, die eine Hyperchlorämie in diesem Zusammenhang erlangt hat, wurde den Veränderungen anderer Ionen bislang kaum Beachtung geschenkt.
Wenn jedoch die „hyperchlorämische Acidose“ als eigenständige Störung aufgefasst wird – und zahlreiche Autoren sind dieser Ansicht –, stellt sich die Frage, ob nicht auch Veränderungen der Konzentrationen weiterer Ionen, speziell des Natriums (Na+), als wichtige Faktoren im Zusammenhang mit dem Säure-Basen-Haushalt angesehen werden müssen. Zu dieser Fragestellung liegen bislang nur wenige Studienergebnisse vor: Lediglich Fencl et al. [12] schildern in einem Review zu Säure-Basen-Störungen den Fall eines Patienten mit einer extremen Hypernatriämie (159 mmol/l) und schwerer metabolischer Alkalose.
Material und Methoden
Patientenkollektiv
Mit Genehmigung der lokalen Ethikkommission wurden erwachsene Patienten (Status II–IV in der Klassifikation der American Society of Anesthesiologists, ASA) einer anästhesiologischen Intensivstation an einer Universitätsklinik über einen Zeitraum von 6 Monaten auf das Auftreten erhöhter Serum-Na+-Konzentrationen ([Na+]) überprüft. Die Zielparameter der Studie wurden hierbei aus dem täglichen Routineblut bestimmt, ohne dass zusätzliche Blutentnahmen notwendig gewesen wären. Eine schriftliche Einwilligung der Patienten in die Studie war daher laut Ethikkommission nicht erforderlich. Einschlusskriterium für die Studie war eine [Na+] von mehr als 145 mmol/l. Patienten unter laufendem Nierenersatzverfahren, mit schwerwiegenden metabolischen Erkrankungen (Hyperglykämie bei Glucosekonzentrationen >11,1 mmol/l (>200 mg/dl), Laktat >2 mmol/l, Thyreotoxikose, Cushing-Syndrom und andere endokrinologische Erkrankungen), schwerer Leberfunktionsstörung sowie Drogen- oder Alkokoholintoxikation wurden von der Studie ausgeschlossen. Entsprechend der Schwere ihrer Erkrankung waren alle Patienten maschinell beatmet. Zum Zeitpunkt der Blutentnahmen wurde bei allen Patienten Normokapnie angestrebt, um den Einfluss des arteriellen Kohlensäurepartialdrucks (paCO2) auf den Säure-Basen-Haushalt möglichst gering zu halten. Während des Studienverlaufs erhielten die Patienten weder Pufferlösungen noch laktathaltige Infusionslösungen. Weitere Einschränkungen der Infusionstherapie bestanden nicht. Schleifendiuretika wurden, wenn notwendig, verabreicht; ein Teil der Patienten erhielt Hydrokortisol im Rahmen der adjuvanten Sepsistherapie zur Verbesserung der Hämodynamik ([16]; Tab. 1).
Die Probenentnahme erfolgte alle 24 h aus einem liegenden arteriellen Zugang. Folgende Serumelektrolytkonzentrationen wurden (bei 37°C) bestimmt: [Na+], [Cl−], [K+], [Mg2+], [Ca2+], [PO4 3−]. Ebenso wurden das Gesamteiweiß, die Serumalbumin- und Hämoglobinkonzentrationen sowie der Hämatokrit bestimmt. Im Rahmen der Studie wurden die Referenzwerte des Zentrallabors der Klinik als Normalwerte zugrunde gelegt. Die Laktatkonzentration und die Parameter des Säure-Basen-Haushalts (BE, Bikarbonat, pH, paCO2) wurden mit einem Blutgasanalysator (RapidLab 1265, Bayer Healthcare LLC, East Walpole, MA, USA) auf der Basis der Henderson-Hasselbalch-Gleichung und der Formel nach Siggaard-Andersen [17] bestimmt. Entsprechend vorangehender Publikationen [2, 18, 19] wurde die „apparent strong ion difference“ (SIDa) für jede Blutprobe folgendermaßen berechnet:
Gleichung 1 [20]:
SIDa=[Na+]+[K+]–[Cl−]–[Lac−]
Hierbei handelt es sich um die „beside SIDa“, bei der [Mg2+] und [Ca2+] nicht berücksichtigt werden.
Die effektive Strong ion difference (SIDe) wurde wie folgt errechnet:
Gleichung 2:
SIDe=[HCO3 −]+[A−]
Die Serumkonzentration der schwachen Säuren [A−] wurde nach der Formel von Figge [20, 21] kalkuliert:
Gleichung 3:
[A−]=[Alb•(0,123•pH−0,631)]+[Pi•(0,309•pH−0,469)]
Alb Konzentration des Plasmaalbumins in g/l, Pi Konzentration des ionisierten Plasmaphosphats in mmol/l.
Statistik
Parametrische (Mittelwert ± Standardabweichung) bzw. nichtparametrische Daten (Median und „range“) wurden für jeden der Zielparameter ermittelt. Die Normalverteilung der Werte wurde dem Kolmogorov-Smirnov-Test überprüft. Um eine Beziehung zwischen den Elektrolytkonzentrationen und dem BE abzuleiten, wurde die „Spearman-rank-order“-Korrelation angewendet; Regressionskurven veranschaulichen die Zusammenhänge grafisch. Für alle Bestimmungen wurde eine Typ-I-Fehlerwahrscheinlichkeit von p<0,05 als signifikant angenommen. Die statistische Analyse wurde mithilfe der Computerprogramme Sigma Stat Software Version 3.1 (RockWare Inc. Golden, USA) und Microsoft Excel Version 2003 (Microsoft Deutschland GmbH, Unterschleißheim) durchgeführt.
Ergebnisse
Die Patientencharakteristika sind in Tab. 1 zusammengefasst. Bei 20 der 201 überprüften Patienten fand sich insgesamt 78-mal (1–6 24-h-Perioden pro Patient) eine relevante Hypernatriämie. Die Messwerte aus den Blutgasanalysen sowie SIDa und [A−] können Tab. 2 entnommen werden.
In 58,9% der gewonnenen 78 Datensätze entwickelten die Patienten eine metabolische Alkalose (pH>7,44; BE>3,0 mmol/l), dagegen lediglich in 7,8% eine metabolische Acidose. Nur in 10 Datensätzen fanden sich [Cl−] innerhalb der Normwertbereiche (95–109 mmol/l), in einem Fall sogar unterhalb der Norm (89 mmol/l). In jedem dieser 11 Datensätze zeigte sich eine moderate bis schwere metabolische Alkalose (Beispiele in Tab. 3). In allen anderen Fällen jedoch (67 Datensätze, 85,9%), waren [Na+] und [Cl−] gleichzeitig erhöht; z. T. (30 Datensätze) betrug die gemessene [Cl−] mehr als 115 mmol/l. Trotz deutlich erhöhter [Na+] (Median 153 mmol/l; Range 147–164 mmol/l) fand sich in der Gruppe mit Hypernatriämie und Hyperchlorämie lediglich in 2 Fällen eine mäßige Alkalose. Eine metabolische Acidose trat nur auf, wenn [Cl−] exzessiv erhöht waren (>122 mmol/l; Tab. 3).
In Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3 und Abb. 4 werden die Beziehungen zwischen den Zielgrößen der Untersuchung mithilfe der Spearman-rank-order-Korrelation aufgezeigt.
Eine Korrelation zwischen [Na+] und BE konnte nicht generell nachgewiesen werden (r=−0,031, p=0,782; Abb. 1). Lediglich in der bereits beschriebenen (kleinen) Subgruppe mit normaler [Cl−] fand sich eine mäßige Korrelation (r=0,66, p=0,033; Abb. 2).
Signifikant positiv war jedoch die Korrelation zwischen [Cl−] und BE (r=−0,72, p<0,01; Abb. 3) sowie zwischen SIDa und BE (r=0,80, p<0,01; Abb. 4).
Die Beziehung zwischen Plasmabikarbonatkonzentration und BE erwies sich erwartungsgemäß als nahezu linear (r=0,97, p<0,01; keine Abbildung).
In 46 Fällen wurde eine SIDa über 39,0 mmol/l beobachtetet. Hiervon wiesen 84,8% eine metabolische Alkalose (pH>7,44) auf. In einer weiteren Gruppe von Datensätzen mit einer SIDa von weniger als 39,0 mmol/l (trotz Hypernatriämie) zeigte sich dennoch eine leichte Alkalose (7,44<pH<7,50). In jedem dieser 6 Fälle fanden sich deutlich erniedrigte Serumalbuminkonzentrationen (Median 26,2 g/l; Range 0,9 g/l) im Vergleich zum Referenzwert (35–50 g/l) und folglich auch ein deutlich erniedrigter Wert für [A−] (Median 9,6 mmol/l, Range 3,2 mmol/l).
Diskussion
Schlussolgerungen
Die vorliegende Untersuchung bestätigt die große Bedeutung der SID für das Verständnis metabolischer Säure-Basen-Störungen. Sie zeigt auch, dass eine Hypernatriämie per se eine Alkalose hervorrufen kann, dies aber normale [Cl−] erfordert.
Nach dem Stewart-Säure-Basen-Modell führt jede Zunahme der SID zu einer metabolischen Alkalose [1, 22]. Das Natriumion spielt hierfür eine wichtige Rolle. Die Studie liefert in diesem Kontext folgende drei relevante Informationen:
1. Eine generelle Korrelation zwischen [Na+] und BE ließ sich nicht verifizieren (Abb. 1), sehr wohl aber eine signifikante Relation zwischen BE und [Cl−] (Abb. 3). Auf den ersten Blick scheint dies im Widerspruch zu Stewarts Ansatz zu stehen. Betrachtet man die Prinzipien der Elektroneutralität und der Erhaltung der Masse als wesentliche Grundlagen des Stewart-Modells, muss jede Änderung der Konzentration eines „starken Ions“ zu einer Veränderung der SID und damit zu einer Verschiebung von pH und BE führen. Dieser offensichtliche Widerspruch ist nach Wissen der Autoren in der Literatur bislang nicht beschrieben worden, hat jedoch eine einfache Erklärung. Sie liegt in der unterschiedlichen Variabilität der [Na+] und [Cl−]. In der vorliegenden Studie betrug die Abweichung der [Na+] vom Mittelwert 11% (19 mmol/l), die der [Cl−] aber 36% (39 mmol/l). Beide Ionenkonzentrationen sind für die Bildung der SIDa essenziell, und auch ihre Differenz ([Na+]–[Cl−]) zeigte eine deutliche Korrelation zum BE (r=0,76). Bleibt jedoch einer der Faktoren in dieser Gleichung relativ stabil ([Na+]), muss die Korrelation im Wesentlichen auf den Veränderungen des zweiten, instabilen Faktors ([Cl−]) beruhen.
2. Nur bei 12,8% der Datensätze fanden sich, begleitend zur Hypernatriämie, auch normale [Cl−]. Dies scheint bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass über 50% der Patienten ein Schleifendiuretikum und/oder Kortikosteroid erhielten. Entsprechend der Wirkweise dieser Medikamente hätte man evtl. einen höheren Anteil isolierter Hypernatriämien in dem Patientengut erwarten sollen. Dennoch reflektiert die beobachtete Häufigkeit isolierter Hypernatriämien möglicherweise die normale Konstellation von [Na+] zu [Cl−] bei kritisch kranken Patienten. Die Zahl der untersuchten Patienten ist jedoch zu gering, um hier gültige Aussagen treffen zu können.
3. Die vorgestellten Daten zeigen, dass eine Hypernatriämie nur in wenigen Fällen als (alleinige) Ursache einer Strong ion alkalosis infrage kommt. Zum einen ist die Inzidenz der isolierten Hypernatriämie niedrig, zum anderen besteht selbst beim Vorliegen isoliert erhöhter [Na+] nur eine mäßige Korrelation mit dem BE (r=0,66). Die Anwendung des Begriffs „hypernatriämische Alkalose“ korrespondierend zur „hyperchlorämischen Acidose“ scheint also, wenn überhaupt, nur in wenigen Fällen gerechtfertigt.
Dennoch betonen die Daten durchaus die wichtige Rolle des Natriums für den Säure-Basen-Haushalt. Obwohl das Patientengut vorrangig hinsichtlich des Auftretens einer Hypernatriämie überprüft wurde, zeigten auch 85,9% aller Datensätze eine mäßige bis schwere Hyperchlorämie, jedoch – von wenigen Ausnahmen abgesehen (7,8%) – ohne begleitende Acidose. Eine wichtige Erkenntnis dieser Untersuchung ist also, dass erhöhte [Cl−] nicht unweigerlich zur Acidose führen, da begleitende hohe [Na+] den proacidotischen Effekt des Chlorids ausgleichen können und so eine Normalisierung der SIDa bewirken. Allerdings haben in der vorliegenden Studie (nach dem Stewart-Konzept) auch die verminderten Albuminkonzentrationen Anteile an diesem Effekt. Andere Umgebungsvariablen wie der paCO2 wurden dagegen bewusst konstant gehalten. Letztlich demonstriert die Studie, dass der Säure-Basen-Status (bei konstantem paCO2) als eine Funktion der SIDa (und [A−]) angesehen werden kann. Wenn sowohl [Na+] als auch [Cl−] außerhalb des Normbereichs liegen, wird der Säure-Basen-Status vom Nettoeffekt dieser beiden Komponenten bestimmt.
Einschränkungen der Studie
Ohne Zweifel kann die Konzentration der zwei wichtigsten Ionen, die die SIDa bilden, nur mit einer Präzision von ±1 mmol/l [23] bestimmt werden. Durch Mittelwertbildung aus einer Vielzahl von Messungen sollte diese mangelnde Präzision der Einzelmessungen jedoch eliminiert worden sein. Mehrere Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass Änderungen des BE von Verschiebungen der Konzentration Stewarts „unabhängiger Variablen“ bestimmt werden und nicht auf einer Anhäufung zufälliger Zusammenhänge beruhen [8, 9, 10, 18, 19]. In der vorliegenden Studie korrelierte die SIDa erneut sehr gut mit dem BE, einer Variablen, die mit großer Genauigkeit bestimmt werden kann (Abb. 4). Es kann spekuliert werden, dass die Korrelation zwischen diesen Größen sogar noch enger wäre, könnte die SIDa genauer bestimmt werden.
Das Patientengut der Studie muss, bei verhältnismäßig kleiner Fallzahl, als hoch selektioniert angesehen werden. Alle Patienten waren postoperativ intensivpflichtig und wurden maschinell beatmet. Zudem fokussierte sich die Studie ausschließlich auf Patienten mit erhöhter [Na+] im Serum. Auch der hohe Anteil an Patienten mit Furosemid- oder Hydrokortisolmedikation, die ebenfalls Einfluss auf den Natriumhaushalt haben, trägt zu dieser Selektion bei. Es war jedoch nicht Intention der Studie, den Einfluss abnormaler [Na+] auf Intensivpatienten zu untersuchen, sondern deren Bedeutung als wesentliche Komponente der SIDa und damit des Säure-Basen-Haushalts zu klären. Hierbei ist nach dem Stewart-Ansatz die Genese einer Elektrolytverschiebung ohne Belang für ihren Einfluss auf den Säure-Basen-Status.
Bereits gezeigt wurde, dass nicht das Ausmaß einer Hyperchlorämie, sondern das Ausmaß der SID-Abnahme für die Entwicklung einer Acidose entscheidend ist [24]. Nur in diesem Sinn stellt – mit umgekehrtem Vorzeichen – die Hypernatriämie also ein Pendant zur Hyperchlorämie dar. In diesem Zusammenhang versteht sich auch die 2004 von Story [25] veröffentlichte Untersuchung mit dem Titel: „Hyperchloraemic acidosis: another misnomer?“. Story und auch Constable [26] schlugen vor, anstelle von „hyperchlorämischer Acidose“ die Begriffe „strong ion acidosis“ und „strong ion alkalosis“ zu verwenden, um Säure-Basen-Störungen im Kontext mit Elektrolytverschiebungen zu beschreiben.
Fazit für die Praxis
Sowohl eine Hypernatriämie als auch eine Hyperchlorämie haben erheblichen Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt von Intensivpatienten. Die SIDa wird durch das Verhältnis zwischen [Cl−] und [Na+] bestimmt und schließt Veränderungen dieser beiden Ionen ein. Sie stellt daher das übergeordnete Prinzip zur Beschreibung des Einflusses von Ionenkonzentrationen auf den Säure-Basen-Status dar. Zur Beschreibung der aus Elektrolytveränderungen resultierenden Störungen sind daher die Begriffe „Acidose bei erniedrigter SIDa“ bzw. „Alkalose bei erhöhter SIDa“ besser geeignet als die Begriffe „hyperchlorämische Acidose“ bzw. „hypernatriämische Alkalose“.
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Danksagung
Diese Studie wurde aus Mitteln finanziert, die das Bayerische Ministerium für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung stellte.
Interessenkonflikt
Es besteht kein Interessenkonflikt.
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Dr. K. Hofmann-Kiefer und Dr. Daniel Chappell haben zu gleichen Teilen zur Erstellung der vorgelegten Publikation beigetragen.
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Hofmann-Kiefer, K., Chappell, D., Jacob, M. et al. Hypernatriämische Alkalose. Anaesthesist 58, 1210–1215 (2009). https://doi.org/10.1007/s00101-009-1640-y
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