Vor kurzem revaskularisierte Patienten unter dualer Thrombozytenaggregationshemmung, die eine nichtkardiale Operation benötigen, stellen die betreuenden Ärzte vor ein therapeutisches Dilemma: einerseits sollte die Operation mit möglichst geringem perioperativem Blutverlust durchgeführt werden, was durch ein Absetzen der Thrombozytenaggregationshemmer erreicht werden könnte, andererseits muss der Patient vor einem koronaren Ereignis geschützt, die Thrombozytenaggregationshemmertherapie also weitergeführt werden.

Hinführung zum Thema

In diesem Jahrzehnt hat sich die Stenimplantation als Therapie der ersten Wahl bei vielen Patienten mit koronarer Herzerkrankung etabliert [78]. In Deutschland wurden im Jahre 2006 etwa 300.000 PCI durchgeführt. Bei etwa 85% davon wurden Koronarstents implantiert. Das bedeutet jährlich etwa 250.000 neue Stentpatienten, die unter dualer Plättchenhemmung mit ASS und einem Thienopyridin (meist Clopidogrel) stehen [6]. Bei etwa 5% der Patienten erfolgt im 1. Jahr nach der Stentimplantation eine nichtkardiale Operation. Somit werden etwa 12.500 Eingriffe pro Jahr an Patienten mit Koronarstents „jünger“ als 12 Monate durchgeführt [97].

Wegen der Gefahr der perioperativen Blutung wurden und werden in vielen Fällen die Thrombozytenaggregationshemmer vor der Operation abgesetzt. Dies setzt jedoch die Patienten, die vor kurzem revaskularisiert wurden und nun eine nichtkardiale Operation benötigen, einem erhöhten kardiovaskulären Risiko in Folge einer Stentthrombose aus [19]. Die betreuenden Ärzte stehen somit vor der schwierigen Aufgabe, einerseits eine Operation möglichst ohne perioperative Blutungen und Blutverlust durchzuführen, was ein Absetzen der Antiplättchentherapie erfordert. Andererseits müssen sie den Patienten vor einem Herzinfarkt schützen, was am besten mit der Fortsetzung der Thrombozytenaggregationshemmung erreicht wird. Hieraus ergibt sich ein therapeutisches Dilemma, welches eines sehr differenzierten und häufig individualisierten Vorgehens bedarf.

Ziel der vorliegenden Übersicht ist es, den derzeitigen Kenntnisstand zu Risikoabschätzung sowie dem perioperativen Management von Patienten mit Koronarstents unter Einbeziehung aktueller Empfehlungen der Fachgesellschaften zusammenzufassen [19, 62].

Problematik der Koronarstents

Patienten nach PCI weisen infolge des Eingriffs ein vulnerables, hoch thrombogenes Endothel im Koronargefäß, ein aktiviertes Gerinnungssystem und oft eine Intimadissektion durch Ruptur atheromatöser Plaques im Rahmen der Intervention auf [13]. Dies hatte in den Anfangsjahren nach Einführung der PTCA zur Folge, dass sich auch ein zunächst erfolgreich dilatiertes Koronargefäß in etwa 6–8% aller Fälle innerhalb weniger Stunden und Tage wieder verschloss [15]. Die hohe Reokklusionsrate nach PTCA führte letztlich zur Entwicklung der Koronarstents [57].

BMS (Drahtgeflechthülsen aus Metall)

Mit ihrer Einführung im Jahre 1993 sowie damit verbunden einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung (d. h. der gleichzeitigen Gabe von ASS und eines ADP-Antagonisten – ursprünglich Ticlopidin, später wegen geringerer Nebenwirkungen Clopidogrel) gelang es tatsächlich, die Frühverschlussrate nach PCI signifikant zu senken [73, 76].

Allerdings zeigte sich rasch, dass es etwa 6 Monate nach der Implantation von BMS zu einem signifikanten Anstieg der kardialen Komplikationsrate mit Stenosierung des Stents kam. Wesentliche pathophysiologische Mechanismen hierfür sind eine Hyperplasie der Neointima sowie eine überschießende Proliferation von Fibroblasten und glatten Muskelzellen mit Invasion in das Lumen des Stents. Die „In-Stent-Stenose“ tritt bei BMS in etwa 20–25% der Fälle auf und macht in 60–80% eine erneute Koronarintervention erforderlich [31].

DES

Mit ihrer Zulassung im Jahre 2002 (Sirolimus, Cypher®) und 2004 (Paclitaxel, Taxus®) schien auch das Problem der In-Stent-Stenose zunächst gelöst. DES sind konventionelle Stents, die mit einem antiproliferativen Wirkstoff beschichtet sind, der kontinuierlich abgegeben wird und damit die Entstehung einer neointimalen Hyperplasie sehr effektiv unterdrückt [50].

Bei DES kann sich über lange Zeit keine funktionelle Neointima ausbilden

Initiale Ergebnisse zeigten eine Reduktion der Restenoserate gegenüber BMS zwischen 75 und 90% und führten dazu, dass der Anteil von DES-Implantationen im Jahre 2005 in den USA auf etwa 85% anstieg [77]. Das Konzept der DES erlitt jedoch bereits wenig später – im Jahr 2007 – einen erheblichen Rückschlag. Befunde aus großen klinischen Studien hatten gezeigt, dass bei Patienten mit DES nach Absetzen von Clopidogrel 6 Monate nach der Implantation bis 18 Monate danach nicht nur die Inzidenz von späten Stentthrombosen (2,6% vs. 1,3%), sondern in der Folge auch die kardiale Letalität und Myokardinfarktrate (kombinierter Endpunkt) im Vergleich zu Patienten mit BMS signifikant anstiegen (4,9% vs. 1,3%) [61]. Der Grund hierfür ist offensichtlich, dass sich bei DES – anders als bei BMS – durch den antiproliferativen Einfluss der zytostatischen Stentbeschichtung über lange Zeit keine funktionelle Neointima ausbilden kann und die endovaskuläre Oberfläche wegen des fehlenden Endothels daher auch noch nach mehreren Monaten hoch thrombogen ist [18]. So zeigten Post-mortem-Analysen, dass der Prozess der Reendothelialisierung bei DES-Patienten auch 40 Monate nach der Implantation noch nicht zuverlässig abgeschlossen ist (Abb. 1, [36]). Dies begünstigt die Entstehung von späten Stentthrombosen.

In Abb. 2 ist die grundsätzlich unterschiedliche Pathogenese von Stentverschlüssen bei DES und BMS zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Verlauf der Endothelialisierung [%] von BMS und DES in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Stentimplantation. (Mod. nach [36])

Abb. 2
figure 2

Für den vaskulären Heilungsprozess und somit die Ausbildung einer antithrombogenen Oberfläche des Stents ist die Auskleidung durch Endothel entscheidend. DES hemmen durch die Zytostatikabeschichtung nicht nur die unerwünschte Intimahyperplasie, sondern auch die im Grundsatz erwünschte Reendothelialisierung und begünstigen so die Entstehung von späten Stentthrombosen. Somit entstehen die typischen Komplikationen der beiden Stenttypen: In-Stent-Restenose bei BMS und späte Stentthrombose bei DES, Erläuterungen s. Text. (Mod. nach [57])

Initiale Befürchtungen, wonach DES wegen der verzögerten Reendothelialisierung auf Dauer sogar eine Übersterblichkeit zur Folge haben könnten, scheinen sich jedoch nicht zu bestätigen. So fanden sich in neueren randomisierten Studien weder bei Off-Label-Anwendung noch bei zugelassenen Indikationen Unterschiede im Langzeitüberleben oder der Gesamtrate von Myokardinfarkten nach Implantation von DES gegenüber BMS [12, 38, 51, 88, 91, 92]. Allerdings war die Rate an Stentthrombosen nach dem Ablauf des ersten Jahres in den jeweiligen DES-Gruppen im Vergleich zur korrespondierenden BMS-Gruppe erhöht. Andererseits zeigten sowohl mehrere randomisierte, aber auch Observationsstudien, dass bei Patienten mit DES, im Vergleich zu BMS im Verlauf, deutlich seltener revaskularisierende Reeingriffe erforderlich werden [12, 38, 40, 51, 52, 88, 91, 92]. In nichtrandomisierten Observationsstudien mit größeren Patientenzahlen, aber auch mit Selektionseffekten und anderen Störvariablen, war die Implantation von DES sogar mit einer niedrigeren Letalität und einer geringeren Rate an Myokardinfarkten assoziiert [40, 52].

Zusammengefasst scheinen die DES sowohl bei zugelassenen als auch bei Off-Label-Indikationen effektiv und sicher zu sein und werden daher sicherlich auch zukünftig eingesetzt. Inwieweit innovative Konzepte zur Beschleunigung der Reendothelialisierung, z. B. durch Förderung der Migration von endothelialen Progenitorzellen mit Hilfe spezieller Antikörperbeschichtung der Stents (so genannte „healing stents“) erfolgreich sein werden, ist derzeit unklar [32].

Thrombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation

Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass eine effektive Hemmung der Thrombozytenfunktion eine unverzichtbare Voraussetzung für die sichere Anwendung von Koronarstents ist. Nach den aktuellen Empfehlungen der kardiologischen Gesellschaften müssen Patienten nach Implantation von koronaren Stents – außer bei Vorliegen absoluter Kontraindikationen gegen Thrombozytenaggregationshemmer – lebenslang mit ASS sowie für mindestens 4 Wochen (Patienten mit BMS) bzw. für mindestens 12 Monate (Patienten mit DES) mit einem ADP-Antagonisten (z. B. Clopidogrel) behandelt werden [26].

Pharmakologie der Thrombozytenaggregationshemmer

Thrombozytenaggregationshemmer greifen entweder einen spezifischen Aktivierungsweg der Thrombozyten an und verursachen damit eine partielle Aggregationshemmung oder führen durch die Blockierung der gemeinsamen Endstrecke aller Aktivierungswege zur kompletten Aggregationshemmung.

Die an der Endothelläsion aktivierten Thrombozyten degranulieren und sezernieren gerinnungsaktive Substanzen wie ADP und Thromboxan A2. Diese wiederum binden an ihre Plättchenrezeptoren und führen zur weiteren Aktivierung der Thrombozyten. Die gemeinsame Endstrecke der Thrombozytenaktivierung ist die Aktivierung der GpIIb/IIIa-Rezeptoren durch eine Konformationsänderung. Über diese Rezeptoren vernetzen sich die aktivierten Thrombozyten mittels zirkulierendem Fibrinogen, was letztlich zur Plättchenaggregation und Bildung eines okkludierenden Thrombus an der Endothelläsion führt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Wirkmechanismus der Thrombozytenaggregationshemmer ASS, Clopidogrel und der GpIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten. (Mod. nach [102])

ASS, Thienopyridine und GpIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten

ASS

Es führt zu einer irreversiblen Hemmung von COX-1 und dadurch zu einer Abnahme der proaggregatorisch wirkenden Thromboxan-A2-Bildung in den Thrombozyten (Abb. 3). Die Wirkung setzt bereits nach 10–20 min ein und hält während der gesamten Lebensdauer der Thrombozyten an. Die für die Langzeittherapie verwendete Dosis beträgt täglich 100 mg.

Thienopyridine

Diese Substanzen, wie Clopidogrel (Iscover®, Plavix®), das neue Prasugrel (Efient®) und das heute aufgrund der Nebenwirkungen nur noch selten eingesetzte Ticlopidin (Tyklid®) gehören zu den irreversiblen ADP-Antagonisten. Die aktiven Metaboliten dieser oralen Wirkstoffe blockieren selektiv und ebenfalls irreversibel die Bindung von ADP an seinen Rezeptor (P2Y12-Rezeptor) und hemmen damit einen wichtigen Aktivierungsweg der Thrombozyten (Abb. 3). Bei den Substanzen handelt es sich um inaktive Prodrugs, die hepatisch über verschiedene Zytochrom-P450-Isoenzyme (die wichtigsten sind CYP3A4 und CYP2C19) zu aktiven Formen konvertiert werden [53].

Die Bioverfügbarkeit von Clopidogrel ist schlecht, weil nach der Absorption etwa 85% der Substanz schnell durch Esterasen in ein unwirksames Derivat gespalten werden und nur der Rest in den aktiven Metaboliten umgewandelt wird [98]. Die Wirkung von Clopidogrel nach der üblichen Dosis von 75 mg tritt erst verzögert nach 3–5 Tagen ein, kann jedoch durch Gabe einer Aufsättigungsdosis von 300 bzw. 600 mg beschleunigt werden und ist dann bereits nach 6 bzw. 2 h klinisch relevant nachweisbar [1].

Prasugrel hat eine höhere Wirksamkeit und wirkt schneller als Clopidogrel

Der neue ADP-Antagonist Prasugrel wurde im Jahre 2009 sowohl in Europa (EMEA) als auch in den USA (FDA) in Kombination mit ASS zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit PCI im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms zugelassen [3]. Eine Behandlung mit Prasugrel (60 mg Aufsättigungsdosis, dann 10 mg täglich p.o.) im Vergleich mit der Standardmedikation Clopidogrel (jeweils kombiniert mit ASS) konnte das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (kardialer Tod, Myokardinfarkt und Apoplex) signifikant reduzieren (9,9% vs. 12,1%) [101]. Hierbei war allerdings die Rate an (auch lebensbedrohlichen) Blutungen – insbesondere bei Patienten über 75 Jahre – höher. Der entscheidende Unterschied im Vergleich zu Clopidogrel ist, dass Prasugrel eine mehr als 10-fach höhere Wirksamkeit sowie einen schnelleren Wirkeintritt aufweist, weil die Biotransformation von Prasugrel in seinen aktiven Metaboliten im Gegensatz zu Clopidogrel vollständig erfolgt [98]. Die Wirkdauer ist mit der von Clopidogrel vergleichbar. Prasugrel ist seit Februar 2009 in Europa als Arzneimittel zugelassen. Es ist daher damit zu rechnen, dass sich zunehmend Patienten unter laufender Therapie mit diesem Medikament für Operationen vorstellen.

GpIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten

Die i.v. GpIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten blockieren die Fibrinogenbindungsstellen der Thrombozyten, hemmen damit die Thrombozytenaggregation zu über 80% und sind somit die stärksten Inhibitoren. Tirofiban (Aggrastat®) und Eptifibatid (Integrillin®) sind kleine Moleküle und haben eine kurze Wirkdauer von 2–4 h (Eptifibatid) bzw. 4–6 h (Tirofiban). Abciximab (ReoPro®) ist ein monoklonaler Antikörper mit einer langen Wirkdauer von über 48 h (Abb. 3).

GpIIb/IIIa-Antagonisten werden ganz überwiegend periprozedural im Rahmen von PCI eingesetzt, nicht jedoch zur Dauertherapie von Patienten. Für das perioperative Setting spielt diese Medikamentenklasse daher – mit Ausnahme des so genannten „Bridging“ (s. unten) – eine untergeordnete Rolle.

Nicht zugelassene Substanzen

Die Sicherheit und Effektivität neuer, direkt wirkender, ADP-Rezeptor-Antagonisten (Ticagrelor und intravenöses Cangrelor) wird gegenwärtig in klinischen Studien evaluiert [99]. Diese Substanzen sind im Gegensatz zu den Thienopyridinen reversible ADP-Antagonisten und verursachen eine konzentrationsabhängige Hemmung der P2Y12-Rezeptoren. Damit wird das Problem der lang anhaltenden Wirkung von Clopidogrel und Prasugrel umgangen [98]. Der orale und selektive Thrombozyt-Thrombin-Rezeptor (PAR-1)-Antagonist SCH-530348 ist Gegenstand von Phase-III-Studien [60].

Problematik der Non- und Low-Responder

Nicht alle Patienten reagieren auf ASS oder Clopidogrel mit einer adäquaten Thrombozytenaggregationshemmung, die individuelle Variabilität ist sehr hoch [21].

Als Non-Responder oder Low-Responder werden Patienten bezeichnet, die in reproduzierbaren funktionellen In-vitro-Tests, deren Ergebnisse mit dem Vorkommen klinischer ischämischer Ereignisse korrelieren, ein unzureichendes Ansprechen auf die antithrombozytäre Therapie zeigen [93]. Der Begriff ASS- und Clopidogrelresistenz sollte hierbei vermieden werden, weil dieser definitionsgemäß die Unfähigkeit des Arzneimittels bedeutet, seine Zielstruktur zu erreichen oder seine Wirkung aufgrund von Veränderungen an dieser Zielstruktur zu entfalten. Aufgrund der Vielfältigkeit der Messmethoden wurde in verschiedenen Studien über ein unzureichendes Ansprechen auf ASS bei 5–60% [14, 25, 48] und auf Clopidogrel bei 17–25% der Patienten bzw. Probanden berichtet [27, 86].

Non- und Low-Responder sprechen auf die antithrombozytäre Therapie nur unzureichend an

Die Pathomechanismen dieses Phänomens sind sehr vielfältig, es liegen verschiedene pharmakologische, patientenabhängige und genetische Ursachen zugrunde (Tab. 1.)

Tab. 1 Ursachen der verminderten Ansprechbarkeit auf ASS oder Clopidogrel

Eine häufige Ursache für ein Therapieversagen ist die fehlende Compliance der Patienten. Ein weiterer, zunehmend an Bedeutung gewinnender Mechanismus ist die gestörte Biotransformation des inaktiven Prodrugs Clopidogrel in seine aktive Metaboliten. Dieser Prozess wird einerseits im Rahmen von Medikamenteninteraktionen, z. B. durch die Hemmung des CYP3A4-Isoenzyms durch Diltiazem vermindert [85], anderseits wird er auch durch genetische Unterschiede der Zytochrom-P-450-Enzyme beeinflusst [80, 93]. Von Patienten unter Clopidogreltherapie hatten Träger des CYP2C19-Polymorphismus (Allel mit verminderter Funktion in etwa 30% der Studienpopulation) niedrigere Spiegel des aktiven Clopidogrelmetaboliten und damit eine verminderte Wirksamkeit und eine deutlich höhere Inzidenz für Tod und Komplikationen (12,1% vs. 8%) sowie für eine definitive oder wahrscheinliche Stentthrombose (2,6% vs. 0,8%) im Vergleich zu Nichtträgern [53]. Eine gesteigerte Aggregabilität der Thrombozyten scheint – unabhängig von der Ursache – mit der Rate von Clopidogrel-Low-Respondern assoziiert zu sein [87].

Zusammengefasst ist die individuell verminderte Ansprechbarkeit auf Thrombozytenaggregationshemmer multifaktoriell und korreliert – unabhängig von der Pathogenese – mit einem vermehrten Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse. Die Bedeutung dieses Phänomens für den Bereich der Kardiologie, aber auch für das Management kardialer Risikopatienten in der perioperativen Medizin ist evident, die Datenlage insgesamt jedoch noch zu gering. Bei bekannten Low-Respondern wird eine Dosisanpassung von Clopidogrel und/oder ASS bzw. ein Präparatwechsel zu Prasugrel diskutiert.

Perioperatives Management

Präoperative Risikoeinschätzung

Während die Empfehlungen für die notwendige Dauer der Thrombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation durch klinische Daten gut belegt sind, ist das optimale Vorgehen bei Patienten mit Stents, die sich einem operativen Eingriff unterziehen müssen, deutlich komplexer.

Stentthrombose- und Blutungsrisiko müssen gegeneinander abgewogen werden

Operative Eingriffe bei Patienten mit Koronarstents stellen insbesondere deshalb eine Herausforderung für Anästhesisten, Chirurgen und Kardiologen dar, weil hier das variable Risiko der Stentthrombose und das ebenfalls variable Blutungsrisiko der Operation, die reziprok zueinander verlaufen, gegeneinander abgewogen werden müssen. Diese Risiken zusammen mit der Entscheidung über die individuelle Aufschiebbarkeit des Eingriffes bestimmen die perioperative Strategie der Plättchenhemmung (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Perioperatives Vorgehen bezüglich der plättchenhemmenden Therapie: abhängig vom Ausmaß der zueinander reziprok verlaufenden Risiken von Thrombose und Blutung, Dreiecke Ausmaß des Risikos; Pfeil Weitergabe und durchgestrichener Kreis Pausieren der Thrombozytenaggregationshemmer. (Mod. nach [54])

Risiko der Stentthrombose

Der plötzlich auftretende thrombotische Verschluss eines Koronarstents ist eine lebensbedrohliche Komplikation. In 25–65% der Fälle kommt es zum Myokardinfarkt, der bei 45–75% der Patienten tödlich verläuft [34, 57].

Tab. 2 Zusätzliche Risikofaktoren für eine Stentthrombose. (Mod. nach [26])

Das Risiko der Stentthrombose ist abhängig

  • vom Typ des Stents,

  • von der Zeitdauer seit der Stentimplantation und

  • vom Vorhandensein von zusätzlichen Risikofaktoren (Tab. 2, [69]).

Somit ist das Risiko variabel und muss bei jedem Patienten individuell eingeschätzt werden. Hierzu kann das Einbeziehen eines Kardiologen sinnvoll sein, weil insbesondere die angiographischen Risikofaktoren für Anästhesisten oder Chirurgen häufig nur schwer oder gar nicht beurteilbar sind (Tab. 2). Der wichtigste Risikofaktor für die Stentthrombose ist das frühzeitige Absetzen der dualen Plättchenhemmung mit einem 90-fachen (!) Risiko für ein Eintreffen des Ereignisses (Hazard-Ratio 89,78) [34, 75]. Zudem entwickelt sich infolge der intraoperativen hämostatischen Reaktion eine postoperative Hyperkoagulabilität für mindestens 7 Tage nach dem Eingriff [71]. Die zugrunde liegende Mechanismen sind

  • eine Erhöhung des Fibrinogenspiegels,

  • eine Hemmung der Fibrinolyse und

  • eine gesteigerte Aggregabilität der Thrombozyten [45, 70].

Letzteres bedeutet, dass die Aktivierbarkeit von ruhenden Thrombozyten auf verschiedene Stimuli gesteigert ist [70]. Das perioperative Stentthromboserisiko wird durch diese prokoagulatorischen Effekte des operativen Eingriffes selbst erhöht [8, 70].

Die zeitliche Einordnung für das Auftreten einer Stentthrombose erfolgt nach der ARC-Definition und unterscheidet

  • frühe Stentthrombosen (innerhalb von 30 Tagen nach der Implantation),

  • späte Stentthrombosen (zwischen dem 30. und 365. Tag) und

  • sehr späte Stentthrombosen (nach dem 1. Jahr) [16].

Die frühen Stentthrombosen werden in akute (innerhalb der ersten 24 h) und subakute (zwischen dem 1. und 30. Tag) Formen aufgeteilt. Von einer definitiven Stentthrombose spricht man, wenn der Stentverschluss im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms angiographisch nachgewiesen wurde bzw. ein akuter Thrombus postmortal im Koronargefäß gefunden wurde. Bei einer wahrscheinlichen Stentthrombose besteht ein Infarkt im Zielgefäß ohne angiographischen Thrombusnachweis oder ein ungeklärter Tod des Patienten innerhalb von 30 Tagen nach der Stentimplantation.

Die kumulative Inzidenz der Stentthrombose liegt zwischen 1 und 2%

Die Inzidenz der frühen Stentthrombose unter der empfohlenen Thrombozytenaggregationshemmung und ohne Operation beträgt bei beiden Stentarten durchschnittlich 0,7%, die der späten Stentthrombosen durchschnittlich 0,4% [90]. Ein Unterschied zeigt sich erst nach mehr als 1 Jahr. Dann ist das Auftreten von sehr späten Stentthrombosen bei den BMS äußerst gering, während das Risiko bei den DES über mehrere Jahre fortbesteht (0–0,3% bei BMS vs. 0,6–0,8% bei DES) [51, 83, 91]. Somit beträgt die kumulative Inzidenz der Stentthrombose – je nach Risikokonstellation – zwischen 1 und 2%.

Die Inzidenz der Stentthrombose wurde in einer Studie an 141 Patienten mit DES-Implantation vor weniger als 12 Monaten zum Zeitpunkt des Eingriffes mit 5% angegeben [68]. Eine andere Untersuchung fand eine Inzidenz von 4% bei 207 Patienten mit BMS-Implantation weniger als 2 Monate vor der Operation [100]. Bei den Patienten beider Studien wurde die l aufende Plättchenhemmung perioperativ pausiert, was die Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen in der perioperativen Phase signifikant erhöht [75, 97].

Perioperatives Blutungsrisiko

Da die Plättchenhemmung durch ASS und Thienopyridine, z. B. Clopidogrel, irreversibel ist, wird die spontane Wiederherstellung der normalen Plättchenfunktion nur durch Bildung einer neuen Thrombozytenpopulation eintreten (etwa 3–7 Tage). Schwere Spontanblutungen unter dualer Plättchenhemmung treten bei etwa 0,8% der Patienten auf [41]. Für das Blutungsrisiko bei Operationen unter ASS und Clopidogrel liegen Daten aus der Kardiochirurgie vor: Das Risiko für Transfusionen und chirurgische Reinterventionen war etwa 5-fach erhöht, jedoch ohne Einfluss auf die Sterblichkeit [37]. Eine aktuelle Metaanalyse konnte zeigen, dass bei Patienten, die unter Clopidogrel operiert wurden, zudem auch die Beatmungsdauer und der Krankenhausaufenthalt verlängert waren [65]. Das Risiko einer Blutungskomplikation während eines chirurgischen Eingriffs wird durch ASS alleine um den Faktor 1,5 erhöht, ohne dass dadurch die Letalität ansteigt [11].

Bei einigen Operationen sind selbst quantitativ kleinere Blutungen mit einer so großen Morbidität verbunden, dass das Absetzen jeglicher Thrombozytenaggregationshemmung zwingend ist. Dies gilt für intrakranielle Eingriffe, Operationen am Spinalkanal und Operationen am Augenhintergrund [11]. Andere Eingriffe tragen per se ein – auch quantitativ – hohes Blutungsrisiko, sodass viele Chirurgen das Absetzen der Antiplättchentherapie oder zumindest eine Reduktion der dualen Plättchenhemmung nur auf ASS in diesen Fällen als wünschenswert oder obligat ansehen. Dazu zählen die großen Gefäßeingriffe, größere Eingriffe in der Tumorchirurgie und große rekonstruktive plastische Operationen. Ein beträchtliches Blutungsrisiko können aber auch scheinbar kleine Eingriffe aufweisen, wie das Abtragen von Kolonpolypen oder Biopsien im Bereich von Niere und Prostata [17]. In der Allgemein-, Gefäß-, Unfallchirurgie und Orthopädie wurde ein um 4% erhöhter Transfusionsbedarf bei Operationen unter Aspirin und Clopidogrel beschrieben [100]. Bei diesen Eingriffen verursachen Blutungskomplikationen jedoch einen viel kleineren Schaden als ein Myokardinfarkt aufgrund einer Stentthrombose. Vor diesem Hintergrund sollten, soweit möglich, Eingriffe innerhalb des kritischen Intervalls unter dem Schutz der dualen Plättchenhemmung erfolgen. Eingriffe mit einem geringen Blutungsrisiko bzw. solche mit einer einfach zu behebenden Blutung (z. B. Kataraktoperation, Zahnextraktion, Hautbiopsie und Nävusentfernung) können in der Regel problemlos unter dualer Plättchenhemmung durchgeführt werden [43].

Bei Auftreten einer klinisch relevanten Blutung unter ASS besteht als erste Behandlungsoption die Gabe des synthetischen Vasopressinanalogons DDAVP (Minirin®) [47]. Es führt u. a. zu einer gesteigerten Mobilisierung des Von-Willebrand-Faktors aus dem Endothel und damit zu einer Verbesserung der Thrombozytenadhäsion und -aggregation. Eine weitere Option ist der Einsatz von Tranexamsäure zur Reduktion intraoperativer Blutungen. Zur Therapie einer sehr starken oder gar lebensbedrohlichen Blutung unter dem Einfluss einer Plättchen hemmenden Medikation, insbesondere Clopidogrel, müssen Thromboyztenkonzentrate verabreicht werden, evtl. auch in Kombination mit DDAVP und/oder Antifibrinolytika [17, 42].

Bei der Abwägung des individuellen Blutungsrisikos ist es sinnvoll, die Einschätzung des Chirurgen in die Überlegungen einzubeziehen.

Beurteilung des optimalen bzw. möglichen Zeitpunktes für den Eingriff

Elektive Eingriffe

Elektive Operationen müssen außerhalb eines so genannten „kritischen Intervalls“ erfolgen [19, 62]. Wie lange dieses zwischen der Anlage eines Stents und einer elektiven Operation unter dem Aspekt der optimalen Sicherheit für den Patienten sein sollte, ist derzeit nicht sicher geklärt. Insgesamt scheint das kardiale Risiko umso geringer zu sein, je später eine Operation nach erfolgter Stentimplantation durchgeführt wird [67, 79].

Nach den neuesten Leitlinien für die präoperative Risikoevaluation und das kardiale Management bei nichtkardialen Operationen der ESC vom September 2009 sollten elektive Eingriffe frühestens 6 Wochen, idealerweise jedoch 3 Monate nach der Implantation eines BMS und frühestens 12 Monate nach der Implantation eines DES durchgeführt werden (Abb. 5, [62]). Abweichend zu den bisher gültigen Leitlinien des ACC und der AHA aus dem Jahr 2007 wurde damit das kritische Zeitintervall bei BMS (4–6 Wochen nach AHA/ACC) weiter ausgedehnt, während sich das Prozedere bei DES nicht veränderte [19].

Abb. 5
figure 5

Empfehlung der ESC zum Management von elektiven Eingriffen bei Patienten mit Koronarstents in Abhängigkeit von Stenttyp und Zeitpunkt der Implantation. (Mod. nach [62])

Die Verlängerung des Zeitintervalls für BMS in den ESC-Leitlinien basiert u. a. auf aktuellen Daten, wonach die Häufigkeit von Todesfällen oder Myokardinfarkt innerhalb der ersten 6 Wochen nach Stentimplantation jede Woche unverändert zwischen 4% und 7% lag. Wurden die Patienten dagegen in der 7. Woche oder später operiert, traten keine kardialen Komplikationen auf [100].

Dagegen wurde die Empfehlung der AHA/ACC, einen operativen Eingriff nach DES um mindestens 12 Monate zu verschieben, auch durch neuere Studien unterstützt. So konnten Rabbitts et al. [66] in einer aktuellen Untersuchung bestätigen, dass die Inzidenz schwerer kardialer Komplikationen am geringsten ist (3,3%), wenn zwischen der Implantation eines DES und der Operation mindestens 1 Jahr vergangen war. Dagegen war jeder frühere Operationszeitpunkt mit einer unverändert hohen Komplikationsrate behaftet (0–90 Tage: 6,4%; 91–180 Tage: 5,7%; 181–365 Tage: 5,9%) [66].

Dringliche Eingriffe

Besteht bei einem Patienten innerhalb der kritischen Intervalle nach Stentimplantation (s. oben) die Indikation zu einem – im Grundsatz – dringlichen operativen Eingriff (z. B. wegen eines bösartigen Tumors), muss individuell diskutiert werden, ob eine Verschiebung der Operation außerhalb des kritischen Intervalls aus chirurgischer Sicht vertretbar ist [74]. Dies gilt insbesondere dann, wenn die duale Thrombozytenaggregationshemmung für den Eingriff teilweise oder ganz unterbrochen werden muss. Eine Wartezeit von 3–12 Monaten kann dabei medizinisch, aber auch psychologisch problematisch sein. Chirurg, Anästhesist und Kardiologe müssen hier das Risiko einer verzögerten operativen Therapie gegen das einer erhöhten kardialen Morbidität (und Letalität) abwägen und zusammen mit dem Patienten über den besten Operationszeitpunkt bzw. auch über die Reihenfolge der durchzuführenden Maßnahmen entscheiden.

Bei Patienten, bei denen ein relativ dringlicher nichtkardiochirurgischer Eingriff mit hohem operativem Blutungsrisiko vorgesehen ist und gleichzeitig die zwingende Notwendigkeit einer vorangehenden PCI besteht, sollen keine DES implantiert werden [62, 74]. Hier ist ein konventioneller Metallstent oder sogar die Beschränkung auf eine reine PTCA vorzuziehen [19].

Notfalleingriffe

Notfalloperationen sind per se nicht verschiebbar, und es gibt keine Möglichkeit, die bestehende antiaggregatorische Medikation präoperativ zu verändern, sodass hier in erster Linie die Beherrschung etwaiger Blutungskomplikationen im Vordergrund steht. In jedem Fall ist für operative Notfallpatienten mit Koronarstent eine interdisziplinär erarbeitete, auf die individuelle Risikokonstellation angepasste perioperative Strategie erforderlich. Völlig unabhängig vom verwendeten Stent sind notfallmäßige Eingriffe mit einer höheren Rate schwerer kardialer Komplikationen vergesellschaftet als elektive Operationen [67].

Perioperative Strategien für die Thrombozytenaggregationshemmung

Präoperatives Absetzen bzw. Weiterführen der dualen Antiplättchentherapie

Alle einschlägigen Leitlinien (ACC/AHA-Leitlinien aus 2007, ACCP-Leitlinien zum perioperativen Management der antithrombotischen Therapie aus dem Jahre 2008 sowie die aktuellen Leitlinien der ESC) empfehlen die perioperative Fortführung der dualen Thrombozytenaggregationshemmung, wenn die Operation innerhalb des kritischen Zeitfensters durchgeführt wird [17, 19, 62]. Ist dies aus chirurgischer Sicht nicht vertretbar (vor Eingriffen in geschlossenen Höhlen, vor großen Operationen mit relevantem Blutungsrisiko), sollten Clopidogrel bzw. Prasugrel entsprechend ihrer Pharmakodynamik 5–7 Tage und Ticlopidin 10 Tage präoperativ abgesetzt werden [23]. Eine bestehende Medikation mit ASS sollte – außer bei Vorliegen absoluter Kontraindikationen (z. B. intrakranielle Operation, manifeste Blutung oder Ähnliches) – in der perioperativen Phase gar nicht mehr unterbrochen werden [8].

Auch die aktuellen Leitlinien der ESC empfehlen grundsätzlich eine perioperative Weitergabe von ASS [62].

Muss/kann die Thrombozytenaggregationshemmung beibehalten werden, ist aber gleichzeitig bei signifikantem Blutungsrisiko die Gabe von Thrombozytenkonzentraten wahrscheinlich, sollte darauf geachtet werden, dass die substituierten Thrombozyten nicht durch aktive medikamentöse Hemmstoffe beeinträchtigt werden. Dies kann durch ein ausreichendes Zeitintervall zwischen der letzten Einnahme der Aggregationshemmer und dem Zeitpunkt der Thrombozytensubstitution erreicht werden. Bei der schnell abklingenden, direkt wirksamen ASS ist ein Zeitabstand von 1–2 h ausreichend. Der aktive Metabolit von Clopidogrel kann – abhängig von der Resorption und Umwandlung in die aktive Substanz – auch nach 7–8 h noch im Blut nachweisbar sein. Daher ist die letzte Einnahme am Vorabend des Eingriffs zu empfehlen.

Die alleinige Einnahme von ASS 100 (d. h. ohne gleichzeitige Thromboseprophylaxe) stellt nach den aktuellen Empfehlungen der DGAI keine Kontraindikation für neuroaxiale Blockaden (mehr) dar [23].

Perioperatives „Bridging“ der Plättchenhemmung

Muss ein Eingriff mit einem hohen Blutungsrisiko und daher mit zwingender Unterbrechung der Thrombozytenaggregationshemmung innerhalb des kritischen Intervalls nach Stentimplantation stattfinden, können durch das so genannte perioperative „Bridging“ der Plättchenhemmung die Zeitdauer der effektiven Unterbrechung der Plättchenhemmung und damit die vulnerable Phase auf wenige Stunden minimiert werden. Bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren (Tab. 1) sollte das „Bridging“ auch in Erwägung gezogen werden, wenn ASS perioperativ weitergegeben werden kann und nur Clopidogrel pausiert werden muss.

Derzeit wird für das „Bridging“ der Plättchenhemmung das in Tab. 3 dargestellte Vorgehen diskutiert [9, 58].

Tab. 3 „Bridging“ der Plättchenhemmung

Hemmstoffe der plasmatischen Gerinnung sind als Monosubstanz für ein „Bridging“ ungeeignet

Heparin allein oder auch andere Hemmstoffe der plasmatischen Gerinnung können die protektiven Wirkungen von Thrombozytenaggregationshemmern nicht ersetzen und sind daher – als Monosubstanz – für ein „Bridging“ ungeeignet. Bei deutlich reduzierter Nierenfunktion ist sowohl bei Tirofiban als auch bei Eptifibatid eine Dosisreduktion entsprechend Herstellerangaben aufgrund der Akkumulationsgefahr notwendig. Ist die Anlage einer neuroaxialen Blockade bei Patienten geplant, bei denen ein „Bridging“ mit Eptifibatid oder Tirofiban erfolgt, muss das Intervall zwischen Absetzen der Medikation und Punktion mindestens 8 h betragen [58]. Insgesamt ist die Indikation jedoch streng zu stellen, da Risikopatienten mit der Indikation zum „Bridging“ in aller Regel postoperativ rasch wieder Thrombozytenaggregationshemmer erhalten werden und damit ein sicheres Zeitintervall zum Entfernen des Katheters schwer oder überhaupt nicht definiert werden kann.

Allerdings bietet auch das „Bridging“ keinen kompletten Schutz, da das höchste Risiko für eine Stentthrombose während und kurz nach der Operation besteht. Die Methode ist kostenintensiv, logistisch aufwändig und erfordert eine prolongierte Hospitalisation der Patienten. Der Nutzen ist bislang nicht prospektiv klinisch untersucht („off label“). Gleichwohl wird es in der Praxis zunehmend häufiger angewendet, sollte dann jedoch in enger Rücksprache mit dem den Patienten betreuenden Kardiologen erfolgen.

Postoperative Wiederaufnahme der dualen Thrombozytenaggregationshemmung

ASS bzw. ADP-Antagonist müssen im Falle eines präoperativen Absetzens postoperativ – so bald die individuelle Blutungssituation des Patienten dies erlaubt – schnellstmöglich wieder angesetzt werden. Dies gilt auch nach Notfalleingriffen. Standardmäßig wird die präoperative Dosierung (bei Clopidogrel in der Regel 75 mg/Tag) weitergegeben. In der postoperativen Phase ist jedoch die Rate der Low-Responder aus folgenden Gründen erhöht:

  • durch den operativen Eingriff selbst induzierter prothrombotischer Status und hyperreagible Thrombozyten

  • Rebound-Phänomen nach abrupter Unterbrechung der thrombozytenaggregationshemmenden Medikation [29]

Durch eine postoperative Aufsättigungsdosis von 300–600 mg kann die Frequenz der Low-Responder (s. oben) minimiert werden [8]. Ob es für die Patienten vorteilhaft ist, postoperativ eine Aufsättigungsdosis von Clopidogrel zu applizieren oder aber die präoperative Therapie fortzuführen, ist bislang nicht untersucht.

Bei Patienten, für die eine enterale Aufnahme der Medikamente nicht möglich ist, sollten intravenöse Thrombozytenaggregationshemmer appliziert werden [33].

Postoperative Überwachung

Die postoperative Phase bedeutet eine besonders hohe Gefährdung bezüglich kardialer Ereignisse für Stentpatienten aufgrund der möglichen Kombination von

  • frühzeitiger Unterbrechung der Thrombozytenaggregationshemmung,

  • postoperativer Hyperkoagulabilität und -aggregabilität und

  • nicht vollständig endothelialisierter Koronarstents.

Daher bedürfen alle Patienten, die innerhalb der kritischen Zeitintervalle nach Implantation von BMS bzw. DES operiert werden, einer intensiven postoperativen Überwachung [33]. Wenn die Operation die Unterbrechung der dualen Plättchenhemmung erforderlich gemacht hat (z. B. Eingriff an der Retina 10 Monate nach DES-Implantation), sollte die Monitorüberwachung bis zur Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmung erfolgen. Bei einem Verdacht auf eine akute Stentthrombose sollte der Patient nach Stabilisierung der Hämodynamik rasch in eine interventionelle kardiologische Einheit transferiert werden, wo die Möglichkeit zur PCI und Wiedereröffnung des thrombosierten Stents besteht.

Monitoring der Plättchenhemmung

Die entscheidende Bedeutung einer adäquaten Hemmung der Thrombozytenaggregation im Rahmen des (perioperativen) Risikomanagements von Patienten mit kardialen Stents steht heute außer Frage. Eine realistische klinische Einschätzung der Wirksamkeit entsprechender pharmakologischer Interventionen ist jedoch im Einzelfall schwierig bis unmöglich. In der Vergangenheit hat es daher zahlreiche Versuche gegeben, die Wirksamkeit der antiaggregatorischen Substanzen unter laufender Therapie bzw. die Restwirkung nach Absetzen der Plättchenhemmer (in vitro) zu erfassen. Hierzu stehen im Grundsatz mehrere unterschiedliche Testverfahren zur Verfügung, die allerdings nicht immer die gleichen Resultate ergeben [44]. Meistens wird die Hemmung der Thrombozytenaggregation durch ASS und Clopidogrel untersucht, um das Blutungs- und Thromboserisiko genauer evaluieren zu können oder z. B. um die Thrombozytenfunktion vor Anlage einer rückenmarknahen Regionalanästhesie quantitativ zu beurteilen.

Als Goldstandard gilt bis heute noch die über 50 Jahre alte Methode der induzierten Thrombozytenaggregationsmessung nach Born, die aufgrund des hohen technischen Aufwandes und der fehlenden Standardisierung für die bettseitige Anwendung ungeeignet ist [7]. Die neueren POC-Messsysteme sind in der Handhabung deutlich einfacher und reflektieren durch die Verwendung von Vollblut die In-vivo-Situation besser. Sie befinden sich allerdings noch in der Phase der Standardisierung und der Etablierung in die Klinikroutine. Die Mehrfachelektrodenaggregometrie mittels Multiplate® (Dynabyte, München) [94] und das Verifynow® (Accumetrics, USA) [95] untersuchen die Plättchenaggregation unter niedrigen Scherbelastungen nach spezifischer Stimulation der Thrombozyten mit physiologischen, aktivierenden Substanzen. Das PFA-100®-System (Siemens, Marburg) [46] untersucht die primäre Hämostase unter hohen Scherbelastungen und misst die In-vitro-Blutungszeit. Mit den derzeit verfügbaren Messzellen ist eine sensitive Erfassung der Clopidogrelwirkung mit dem PFA-100® nicht möglich [56]. In Mitteleuropa wird für die quantitative Bestimmung der In-vitro-Wirksamkeit der Thrombozytenaggregationshemmer meistens das Multiplate®-System eingesetzt. Mit ihm konnte in mehreren Studien eine sensitive Erfassung der Wirkung von ASS [35, 56], Clopidrogel [81, 96] und auch der GpIIb/IIIa-Antagonisten [59] bettseitig im antikoagulierten Vollblut gezeigt werden. Die verschiedenen Multiplate-Tests imitieren die physiologischen Aktivierungswege eines Thrombozyten. Arachidonsäure ist der Aktivator im ASPItest, Kollagen im COL-Test, ADP im ADPtest und TRAP-6 im TRAPtest. Letztlich enden all diese Aktivierungswege in der Aktivierung von GpIIb/IIIa-Rezeptoren und der Aggregation der Thrombozyten an den Sensorendrähten einer Einmalmesszelle. Dies erhöht die Impedanz zwischen den Drähten, welche kontinuierlich registriert und als Aggregationskurve am Bildschirm aufgezeichnet wird. Ihr Anstieg korreliert mit dem Ausmaß der Thrombozytenaggregation und die Fläche unter der Aggregationskurve wird in frei gewählten Aggregationseinheiten (U) quantifiziert (Abb. 6, [22]).

Abb. 6
figure 6

Beispiele für Aggregationskurven in verschiedenen Aktivierungen am Multiplate® ohne Thrombozytenaggregationshemmer, unter Aspirin, Clopidogrel, dualer Plättchenhemmung und Tirofiban: je flacher die Kurve, desto geringer die Thrombozytenaggregation. Blaue und rote Kurven zeigen Parallelbestimmungen in den 2 unabhängigen Sensoreneinheiten der Messzelle. ASS-Therapie: Hemmung der arachidonsäureinduzierten Thrombozytenaggregation (ASPItest), aufgrund der Hemmung der Zyklooxygenase durch ASS erfolgt keine Umwandlung des Aktivators Arachidonsäure in Thromboxan A2, Aggregation auf auf ADP (ADPtest) und TRAP-6 (TRAPtest) ist normal. Clopidogrelmonotherapie: selektive Hemmung der ADP-induzierten Aggregation im ADPtest. Duale Plättchenhemmung: Blockade der Aggregation sowohl im ASPItest als auch im ADPtest. Therapie mit GpIIb/IIIa-Antagonisten (z.B. Tirofiban): keiner der Aktivatoren kann eine suffizienten Thrombozytenaggregation auslösen/induzieren, somit flache Kurven in TRAPtest, ASPItest und ADPtest

Die entscheidenden Fragen im Bezug auf das Monitoring der Wirkung der Thrombozytenaggregationshemmer sind,

  • ob durch eine quantitative Bestimmung des Ausmaßes der Thrombozytenaggregationshemmung Patienten mit erhöhtem Blutungs- bzw. Stentthromboserisiko identifiziert werden können und

  • ob das klinische Outcome dieser Patienten durch eine individualisierte Therapie verbessert werden kann.

Während die Datenlage im Bezug auf den Zusammenhang zwischen Blutungskomplikationen und Thrombozytenfunktion derzeit noch keine abschließende Beurteilung zulässt, konnten zahlreiche Studien eine Assoziation zwischen der herabgesetzten Wirksamkeit von Clopidogrel und unerwünschten kardialen Ereignissen nach Stentimplantation zeigen [10, 24, 28, 30, 63]. Obwohl die angewandten Messmethoden (Born-Aggregometrie, Verifynow®, Flowzytometrie), die Dauer der Nachbeobachtung sowie die Endpunkte der Studien variierten, zeigten die Patienten, die mit den Ex-vivo-Methoden als Low-Responder klassifiziert wurden (durchschnittlich 20%), ein erhöhtes Risiko für Stentthrombose oder andere kardiale Ereignisse. In der bisher größten prospektiven Studie an über 1600 Patienten mit Stentimplantation wurde das Multiplate® zur Messung der Thrombozytenfunktion herangezogen. Bei Clopidogrel-Low-Respondern zeigte sich ein 10-fach erhöhtes Risiko für eine definitive (angiographisch nachgewiesener Stentverschluss) und subakute Stentthrombose (zwischen 24 h und 30 Tage nach der Implantation des DES) mit einer Rate von 2,2% bei Low-Respondern vs. 0,2% bei Patienten mit ausreichender Clopidogrelwirkung [82]. Das Risiko nach 30 Tagen zu versterben war bei Low-Respondern 3-fach erhöht (1,2% vs. 0,4%). Der Schwellenwert für Low-Responder wurde bei einer Aggregation ≥42 U im ADPtest definiert.

Zukünftige randomisierte Interventionsstudien sollen feststellen, ob eine individualisierte Clopidogreltherapie, gesteuert nach den Schwellenwerten von POC-Plättchenfunktionstests, die Inzidenz thrombotischer Ereignisse sicher und effektiv verringern kann [64]. Ein erster Ansatz hierzu ist die Studie an 429 Patienten, die im Rahmen einer Koronarintervention die übliche Therapie mit 600 mg Aufsättigungsdosis Clopidogrel erhielten und anhand der Bestimmung der Plättchenreaktivität mit Flowzytometrie als Low-Responder klassifiziert waren. Ihnen wurden dann randomisiert wiederholt 600 mg Clopidogrel verabreicht, bis die Thrombozytenaggregationshemmung im therapeutischen Bereich lag. In der Kontrollgruppe wurde die Therapie mit Clopidogrel nicht weiter adjustiert. Dieses individualisierte Vorgehen reduzierte späte Stentthrombosen (0,5% vs. 4,2%) und kardiovaskuläre Ereignisse (0,5% vs. 8,9%) ohne Erhöhung der Rate von Blutungskomplikationen [5].

Fazit für die Praxis

  • Patienten nach der Implantation von koronaren Stents müssen – außer bei Vorliegen absoluter Kontraindikationen gegen Thrombozytenaggregationshemmer – lebenslang mit ASS sowie für mindestens 4 Wochen (Patienten mit BMS) bzw. mindestens 12 Monate (Patienten mit DES) mit einem ADP-Antagonisten (z. B. Clopidogrel) behandelt werden.

  • Die vorzeitige Unterbrechung der dualen Hemmung der Thrombozytenaggregation mit ASS und Clopidogrel bei Patienten mit Koronarstents erhöht das Risiko für eine Stentthrombose um das 90-Fache.

  • DES weisen im Gegensatz zu BMS aufgrund ihrer verzögerten Endothelialisierung ein wesentlich höheres Risiko für sehr späte Stentthrombosen auf.

  • Nach der individuellen Einschätzung des Risikos für eine Stentthrombose und perioperative Blutungskomplikationen müssen der optimale Zeitpunkt für den Eingriff sowie die Strategie der perioperativen Plättchenhemmung festgelegt werden.

  • Nach den aktuellen Leitlinien der ESC sollen nichtherzchirurgische Eingriffe frühestens 6 Wochen (optimal 3 Monate) nach einer BMS-Implantation bzw. 12 Monate nach einer DES-Implantation durchgeführt werden.

  • Bei Operationen innerhalb der kritischen Zeitintervalle nach Stentimplantation sollte die Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern im Allgemeinen perioperativ – ggf. auch unter Inkaufnahme eines erhöhten Blutverlustes – fortgeführt werden.

  • Insbesondere darf eine Medikation mit ASS – außer bei Vorliegen absoluter Kontraindikationen (intrakranielle Operationen, Operationen am Spinalkanal, am Augenhintergrund, manifeste Blutung) – perioperativ nicht unterbrochen werden.

  • Vor Operationen mit relevantem Blutungsrisiko und vor rückenmarknaher Regionalanästhesie sollten Clopidogrel und Prasugrel entsprechend ihrer Pharmakodynamik 5–7 Tage (bzw. Ticlopidin 10 Tage) präoperativ abgesetzt werden.

  • Bei Eingriffen mit hohem Blutungs- und Stentthromboserisiko kann die orale Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Thienopyridinen perioperativ durch kurzwirksame i.v. GpIIb/IIIa-Antagonisten ersetzt werden („Bridging“ der Plättchenhemmung).

  • Eine präoperativ unterbrochene Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern sollte postoperativ baldmöglichst weitergeführt werden.

  • Einige Patienten sprechen nur unzureichend auf die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern an. Die Ursachen hierfür sind meist multifaktoriell.

  • Moderne POC-Methoden erlauben die Quantifizierung der Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern. Die klinische Bedeutung eines solchen Monitorings in der perioperativen Phase ist noch unklar.