Verschiedene Therapieansätze deuten darauf hin, dass das Methylxathinderivat Pentoxifyllin [PTX, „1-(5-oxohexyl)-3,7-dimethylxanthine“] relevante antiinflammatorische und immunmodulierende Eigenschaften besitzt und den Gewebsschaden nach Ischämie/Reperfusion (I/R) vermindern kann. Aus diesem Grund könnte PTX ebenfalls eine interessante Medikation zur Therapie der systemischen Entzündungsantwort nach herzchirurgischen Eingriffen sein. Die vorliegende Arbeit fasst die Untersuchungen über die immunmodulierenden und I/R-protektiven Eigenschaften von PTX zusammen und gibt einen Überblick über klinische Studien an herzchirurgischen Patientenkollektiven.

Anwendungsspektrum

Das Methylxathinderivat Pentoxifyllin [PTX, „1-(5-oxohexyl)-3,7-dimethylxanthine“] wurde Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zugelassen. Darüber hinaus wurde die Substanz in den letzten 30 Jahren zur Therapie verschiedenster anderer Erkrankungen eingesetzt, die – zumindest zum Teil – eine direkte (Peritonitis, Sepsis, Malaria) oder indirekte (schwere Herzinsuffizienz) entzündliche Ursache haben oder ursächlich durch eine I/R ausgelöst sind.

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Das Methylxanthinderivat PTX ist ein unspezifischer Phosphodiesteraseinhibitor (PDE-I). Die Hemmung der PDE III erhöht den Gehalt an intrazellulärem cAMP in verschiedenen Geweben. Zyklisches Adenosinmonophosphat wirkt einerseits als Hormon und andererseits als inflammatorischer Botenstoff, indem es die Proteinkinase A aktiviert, die die Aktivitäten verschiedener anderer Proteine verändert. So führen erhöhte Konzentrationen von z. B. myokardialem intrazellulärem cAMP zu vermehrtem Einstrom von Ca2+, das wiederum positiv-inotrop wirkt [3]. Andere mögliche Wirkmechanismen schließen einen Antagonismus an Adenosinrezeptoren, Aktivierung von Mg2+-abhängigen Proteinkinasen und Hemmung von Ca2+-abhängigen Phosphoproteinphosphatasen ein.

Die gesteigerte Erregbarkeit des Nervensystems ist eine Besonderheit der meisten Methylxanthine. Daher erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Auswirkungen von PTX auf das zentrale und autonome Nervensystem vernachlässigbar sind [36].

Pharmakokinetik

Pentoxifyllin wird zügig und vollständig aus dem Magen-Darm-Trakt absorbiert. Spitzenplasmakonzentrationen von PTX und einem seiner Hauptmetaboliten werden nach 1,05 und 1,8 h erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit wurde mit 20–30%, abhängig von der Galenik, als sehr niedrig errechnet, jedoch existiert ein ausgeprägter enterohepatischer Kreislauf. Pentoxifyllin wird zunächst in insgesamt 7 Metaboliten verstoffwechselt; hierbei herrschen die Reduktion zu Metabolit 1 und die Oxidation zu den Metaboliten 4 und 5 vor. Mehr als 90% der Substanz werden renal eliminiert. Es bindet nichtrelevant an Plasmaproteine und verteilt sich relativ einheitlich über alle Gewebe. Die Eliminationshalbwertszeit nach oraler Einnahme beträgt 0,8 h, nach Einnahme der retardierten Form 3,4 h. Die Halbwertszeit nach i.v.-Infusion beträgt 1–1,6 h [6]. Bei Patienten mit terminaler Nieren- oder deutlicher Leberinsuffizienz sollte eine Dosisreduktion aufgrund verminderter Clearance erfolgen [57].

Rheologie, Blutfluss und Organfunktion

Es ist bekannt, dass PTX den systemischen, regionalen und mikrozirkulatorischen Blutfluss erhöht; dies führt zu einer verbesserten Perfusion der Extremitäten, besonders bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK). Auch bei Patienten mit chronischen zerebrovaskulären Erkrankungen erhöht PTX den zerebralen Blutfluss [57]. Diese Effekte auf den Blutfluss sind auf die hämorrheologischen Eigenschaften von PTX sowie auf Veränderungen von Herzzeitvolumen und systemisch-vaskulärem Widerstand zurückzuführen und sind mit einem Anstieg des Gewebesauerstoffpartialdrucks (Gewebe-pO2) verbunden [57]. Die hämorrheologischen Effekte von PTX gehen mit der Verminderung der Plasmaviskosität, der verbesserten Verformbarkeit roter und weißer Blutkörperchen, einer Verminderung des Plasmafibrinogens und der Thrombozytenaggregation sowie der reduzierten Expression verschiedener endothelialer Adhäsionsmoleküle einher. Sie wurden in tierexperimentellen Modellen, aber auch bei Patienten mit pAVK und zerebrovaskulären Erkrankungen beobachtet. Hier sind die Effekte von PTX besonders ausgeprägt, da bei diesen Patienten eine verminderte Verformbarkeit von Erythrozyten, erhöhte Fibrinogenspiegel und hochregulierte endotheliale Adhäsionsmoleküle nachweisbar sind [57].

Neben der verbesserten Rheologie lassen sich direkte Effekte von PTX auf das Herz und das Gefäßsystem nachweisen. Am isoliert perfundierten Rattenherzen zeigt PTX einen moderaten inotropen und einen deutlichen lusitropen Effekt [2, 53]. Nach I/R reduziert PTX die kardiale Dysfunktion [62]. Uneinheitliche Effekte zeigten sich in vivo. Es ließen sich entweder positiv-inotrope und chronotrope Effekte [58] oder keine Änderung der Hämodynamik [39] nachweisen. An der septischen isoliert-perfundierten Rattenniere zeigten sich organprotektive Effekte durch die Gabe von PTX [20]. Während Endotoxinämie im Tiermodell reduzierte PTX den septischen Leberschaden [14], und bei experimenteller Pankreatitis lassen sich positive Auswirkungen auf die Lungenfunktion nachweisen [15].

Die Effekte auf den Blutfluss sind am wahrscheinlichsten durch eine Kombination der Wirkungen von PTX auf Rheologie und kardiopulmonale Situation zurückzuführen. Gegenwärtig ist es jedoch nicht möglich, diese beiden Ursachen genau zu trennen und den wichtigsten Faktor zu definieren. Experimentell zeigen sich organprotektive Effekte u. a. an Herz, Lungen, Leber und Nieren.

Immunmodulierende Eigenschaften

Schade et al. [38] beschrieben bereits 1989, dass PTX in der Lage ist, das Überleben von Mäusen im septischen Schock positiv zu beeinflussen. Seitdem wurde in diversen Untersuchungen an verschiedensten experimentellen Modellen gezeigt, dass die Substanz einen positiven Einfluss auf die entzündliche Antwort bei Sepsis oder hämorrhagischem Schock, Endotoxinämie, I/R oder anderen Zuständen hat, die zu erhöhten Zytokinspiegeln im Blut, zur Aktivierung von polymorphkernigen Zellen und Thrombozyten, Gerinnungsaktivierung sowie Organdysfunktion führen können [17].

Pentoxifyllin moduliert die kaskadenartige Entzündungsantwort, indem es die Produktion verschiedener Zytokine auf der Transkriptionsebene herabreguliert. Coimbra et al. zeigten in einem Lipopolysaccharidmodell an humanen peripheren Blutzellen, dass der Nukleäre-Faktor- (NF)-κB, ein Transkriptionsfaktor, der u. a. an der proinflammatorischen Mediatorproduktion beteiligt ist, durch PTX herabeguliert wird [13]. Zusätzlich reduziert PTX dosisabhängig die nukleäre Translokation der NF-κB-Untereinheit, wenn es nach Lipopolysaccharidinfusion appliziert wird und vermindert die Translokation von NF-κB in aktivierten T-Lymphozyten [55]. Durch den Anstieg von cAMP reduziert PTX die Plasmaspiegel vom Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α, Interleukin- (IL-)6 [13, 52] [54, 62] und die Konzentration von IL-8 in bronchoalveolären Lavagen [12]. Außerdem konnte gezeigt werden, dass PTX die Balance des internen Milieus hin zu antiinflammatorischer Aktivität verschieben kann. Nach akuter Endotoxinämie zeigte die Verumgruppe, die mit PTX behandelt wurde, einen viermal höheren Wert des IL-10-TNF-α-Verhältnisses [13]. Wang et al. konnten zeigen, dass nach PTX-Gabe die Ausprägung des akuten Nierenversagens nach Induktion einer Endotoxinämie drastisch verringert war. Zusätzlich waren die Serumkonzentrationen proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α oder IL-1β deutlich vermindert [56]. Ähnliche Ergebnisse konnten in einer eigenen Untersuchung am Modell der isoliert perfundierten Rattennieren gezeigt werden. Auch hier konnten im Modell des akuten septischen Nierenversagens durch die Gabe von PTX als Therapeutikum eine signifikante Verbesserung der Nierenfunktion erzielt und die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine reduziert werden [20]. Insgesamt lassen diese Ergebnisse also vermuten, dass PTX in eine allgemeine Signalkette der Entzündungsreaktion eingreift. Jedoch sind weitere Studien nötig, um die exakte Rolle von PTX im Bezug auf immunmodulierende Signaltransduktionskaskaden zu klären.

Darüber hinaus gibt es folgende Hinweise, wie PTX möglicherweise proinflammatorische Signalkaskaden moduliert:

1. Pentoxifyllin moduliert die induzierbare Stickstoffsynthase (iNOS). Diese spielt eine bedeutende Rolle in der Entstehung von Organdysfunktion, z. B. nach Hämorrhagie und Reperfusion. Diese PTX-vermittelte Modulation scheint zellspezifisch zu sein, da sie einerseits in Astrozyten der Ratte heraufgeregelt und andererseits in Makrophagen herabgeregelt wird [47].

2. Pentoxifyllin moduliert das Verhalten von polymorphonukleären Leukozyten (PMN; Adhäsion, Migration und Freisetzung von Enzymen), reduziert die Spiegel von zirkulierenden PMN und vermindert die Adhäsion an das Endothel [5]. Die Zelleninfiltration in der Alveolarmembran, alveoläres Ödem und Adhäsion von neutrophilen Granulozyten an das Endothel waren im Rattenmodell eines hämorrhagischen Schocks nach PTX-Gabe vermindert [61]. In einem Endotoxinmodell an Schimpansen verhinderte PTX die Degranulation von neutrophilen Granulozyten fast vollständig [52].

3. Pentoxifyllin hemmt die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen nach I/R [7].

4. Die Gabe von PTX zusammen mit hypertoner Kochsalz- (NaCl-)Lösung reduzierte die bakterielle Migration in einem hämorrhagischen Schockmodell an der Ratte [61].

5. Pentoxifyllin verminderte die endotheliale Aktiverung [11] und die Ca2+-Aufnahme in Hepatozyten [41], wodurch eine zuvor unterdrückte hepatozelluläre Funktion wiederhergestellt wurde [54].

Zusammenfassend ergibt sich, dass PTX die Entzündungsantwort an verschiedenen Stellen der inflammatorischen Kaskade beeinflussen kann. Dies geschieht u. a. durch die Verminderung der Produktion proinflammatorischer Zytokine, eine verminderte Leukozytenaktivierung sowie eine herabgesetzte Aktivierung von Makrophagen und Endothelzellen.

Klinische Studien

Pentoxifyllin wurde klinisch mit positiven Effekten bei einer Vielzahl von Erkrankungen, bei denen die Entzündungsreaktion einen wichtigen pathophysiologischen Teil des Krankheitsverlaufes spielt, eingesetzt. Hierzu zählen Lepra [37], Malaria [60], multiple Sklerose [35, 59], Nierentransplantation [32], akute alkoholische Hepatitis [1], Psoriasis [18], Kardiomyopathie [44, 45], chronisches Herzversagen [40, 42, 43] und stabile Angina pectoris [28]. Lauterbach et al. [29] sowie Lauterbach u. Zembala [30] zeigten in prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Studien reduzierte Morbidität und Mortalität durch PTX bei neonataler Sepsis. Staubach et al. konnten in einer prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Studie zeigen, dass die Gabe von PTX bei septischen Patienten zu einer Abnahme des Multiorgandysfunktion- (MODS-)Score führte. Die Untersuchung war jedoch nicht ausreichend genug „gepowert“, um eine Reduktion der 28-Tage-Mortalitätsrate zeigen zu können [46].

Alles in allem zeigt die Behandlung mit PTX positive Effekte, entweder durch verminderte zirkulierende Zytokine, reduzierte Nebenwirkungen von anderen Therapieformen, verbesserte Organfunktion oder verbesserte Mortalität. Diese Effekte sind sicher nicht allein auf die verminderte TNF-α-Produktion zurückzuführen, sondern sind auch Ausdruck der hämorrheologischen Eigenschaften von PTX, der verminderten Neutrophilenaktivierung sowie der verbesserten Mikrozirkulation, kardialen Situation und Organfunktion.

Herzchirurgische Eingriffe

Bei herzchirurgischen Operationen mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (HLM) werden die Patienten gleichzeitig mehreren Reizen, die eine Entzündungsreaktion hervorrufen können, ausgesetzt. Es kommt u. a. durch den intraoperativen mechanischen Stress auf das Gewebe, I/R und den Kontakt von Blut mit nichtphysiologischen Oberflächen zu einer Aktivierung der Entzündungskaskade. Daher ist das „systemic inflamatory response syndrome“ (SIRS) bei diesen Patienten besonders häufig, und es liegt nahe, PTX als Teil einer prophylaktischen antiinflammatorischen Therapie einzusetzen. Da PTX zusätzlich positive hämorrheologische und das Endothel schützende Eigenschaften besitzt, scheint es eine interessante Substanz für den Einsatz in der Herzchirurgie zu sein. Es liegen hierzu mehrere kleinere Untersuchungen vor, von denen zwei Studien auf die hämorrheologischen Effekte fokussieren. Koul et al. untersuchten die Verformbarkeit der Erythrozyten nach extrakorporaler Zirkulation (EKZ) an 50 Patienten und beobachteten, dass diese sich nach Gabe von PTX postoperativ deutlich schneller normalisierte [27]. Eine weitere Untersuchung zeigte eine signifikant reduzierte Hämolyserate nach oraler Medikation über 3 Tage (1,2 g/Tag) und einem 300 mg Bolus nach Einleitung der Narkose [19].

McKinley u. Butler führten die erste Studie durch, die die Einflüsse von PTX auf die Entzündungsreaktion nach herzchirurgischen Eingriffen untersuchte [31]. In dieser kleinen Untersuchung mit 20 Patienten ergab sich kein positiver Effekt, weder auf Marker der Entzündungsreaktion wie IL-1, IL-6 oder Elastase noch auf die postoperative Oxygenierung [31]. Eine andere Studie mit negativem Ergebnis fand keinen protektiven Effekt von PTX auf Parameter der Nierenfunktion bei herzchirurgischen Patienten. Jedoch wurden nur wenige Patienten ohne vorbestehende Nierenfunktionseinschränkungen untersucht [26].

In einer Reihe weiterer Untersuchungen konnten jedoch die positiven Effekte einer Behandlung mit PTX nachgewiesen werden. Turkoz et al. zeigten an 20 Patienten bei elektiven Mitralklappenoperationen, dass ein Dosierungsschema von 400 mg oral über 3 Tage und 300 mg als i.v.-Bolus nach Einleitung der Narkose in der Lage ist, den postoperativen Anstieg des pulmonalen Gefäßwiderstands und die Sequestration von Leukozyten in den Lungen zu reduzieren [49].

Ähnliche Ergebnisse wurden in der Arbeit von Tsang et al. vorgestellt, in der die orale Medikation mit 400 mg PTX/Tag über eine Woche vor Herzoperation mit Placebo verglichen wurde. Die Verumgruppe zeigte einen deutlich abgeschwächten endothelialen Schaden und eine verminderte Durchlässigkeit des Endothels nach EKZ [48]. Otani et al. konnten eine Reduktion von IL-6 und eine verbesserte Lungenfunktion durch die präoperative tägliche Gabe von 900 mg PTX über 5 Tage nachweisen [33]. Ege et al. applizierten 10 mg/kgKG PTX nach Beendigung der EKZ und beobachteten positive Effekte auf die Lungenfunktion durch eine reduzierte protamininduzierte Leukozytensequestration in das Lungengewebe [16]. Die Gabe von 200 mg PTX nach der Einleitung der Anästhesie mit zusätzlichen 100 mg PTX in der warmen kardioplegischen Lösung konnte in einer kleinen Untersuchung die Entzündungsanwort durch EKZ teilweise unterbinden [10]. Ustunsoy et al. untersuchten die Verabreichung von 500 mg/l PTX in kalter Kardioplegielösung. Sie fanden neben reduzierten Konzentrationen von inflammatorischen Markern im Blut der Patienten, entnommen aus dem Koronarsinus nach Öffnung der Aortenklemme, reduzierte Gewebespiegel von TNF-α im rechten Vorhof und in den Lungen. Sie schlossen aus ihren Ergebnissen, das PTX als Zusatz in der Kardioplegielösung die myokardiale sowie pulmonale Entzündungsreaktion und den Schaden durch I/R nach Herzoperation minimieren kann [50, 51]. Darüber hinaus ist eine kontinuierliche Infusion von 1,5 mg/kgKG/h PTX während der Herzoperation in der Lage, die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine zu inhibieren [24, 25].

In allen bislang aufgeführten Studien wurden durch die Gabe von PTX nur Surrogatparameter wie proinflammatorische Zytokine oder Lungenfunktionsparameter beeinflusst. Ein positiver Effekt auf die Morbidität oder das Überleben der Patienten konnte jedoch nicht gezeigt werden.

Boldt et al. arbeiteten mit einem anderen Dosierungsschema. Sie applizierten 300 mg nach der Einleitung der Anästhesie und schlossen hieran eine kontinuierliche Infusion von 1,5 mg/kgKG/h für die nächsten 48 h an. Dieses Regime führte bei älteren Patienten über 80 Jahren, die sich einer Herzoperation unter Einsatz der HLM unterziehen mussten, nicht nur zu einer reduzierten entzündlichen Antwort, sondern wirkte sich darüber hinaus positiv auf das Endothel, die Nieren- und Leberfunktion sowie die Perfusion des Splanchnikusgebietes aus. Zusätzlich mussten weniger Katecholamine eingesetzt werden, und die Zeit der künstlichen Beatmung war signifikant reduziert [8, 9]. Hoffmann et al. randomisierten Patienten, die am ersten Tag nach großen Herz-Thorax-Eingriffen ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines multiplen Organversagens hatten. Die PTX-Gruppe erhielt 1,5 mg/kgKG/h PTX als Zusatz zur Standardtherapie. Neben reduzierten inflammatorischen Markern war die Zeitdauer der künstlichen Beatmung in der PTX-Gruppe signifikant vermindert. Sie zeigten seltener ein akutes Nierenversagen, kürzere Hämofiltrationsdauer und einen kürzeren Intensivstationsaufenthalt [23]. Es ist hervorzuheben, dass diese Studie eine der wenigen Untersuchungen ist, bei denen eine antiinflammatorische Behandlung nach einer Operation unter Einsatz der HLM zu einem positiven Effekt auf die Morbidität geführt hatte.

In einer weiteren Studie wurde untersucht, ob die alleinige prophylaktische Einmalgabe von PTX vor EKZ (5 mg/kgKG) in der Lage ist, positive Effekte auf die neurokognitive Funktion hervorzurufen. Mithilfe eines Zahlenverbindungstests wurde die kognitive Leistungsgeschwindigkeit und mit einem Selbstbeurteilungsverfahren die aktuelle Befindlichkeit der Patienten ermittelt. Die Behandlung mit PTX führte zu einer Kurzzeitverbesserung der kognitiven Funktion sowie der Befindlichkeit mit reduzierten Werten für Ängstlichkeit und Depression [4]. In einer weiteren Arbeit zeigte sich, dass die einmalige Gabe von PTX die inflammatorische Antwort abschwächen und den pulmonalen Gefäßwiderstand sowie die Behandlungszeit auf der Intensivstation und der „Intermediate-care“-Einheit reduzieren kann. Zusätzlich fand sich eine tendenziell kürzere Beatmungszeit [21].

In der Zusammenschau dieser Studien fällt auf, dass der Hauptunterschied in den verschiedenen Dosierungschemata besteht, und es stellt sich die Frage, ob eine orale Vormedikation, evtl. über eine Woche, ein i.v.-Bolus nach Einleitung der Anästhesie oder der Zusatz zur Kardioplegielösung oder aber die kontinuierliche Infusion, evtl. über Tage, die deutlichsten Effekte ohne erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen kann. Die bisherigen Daten lassen vermuten, dass eine orale Vormedikation nicht ausreichend ist, um die inflammatorische Antwort auf den Stimulus durch Herzoperation mit EKZ zu modulieren. Im Gegensatz dazu hat das Regime einer i.v.-Bolusgabe nach Einleitung der Anästhesie, kombiniert mit einer kontinuierlichen Infusion, nicht nur positive Effekte auf die Inflammation, sondern auch auf klinisch relevante Outcome-Parameter gezeigt. Eine Bolusgabe oder die kontinuierliche Infusion allein zeigten weniger positive Effekte. Jedenfalls mehren sich die Hinweise, dass PTX ein sinnvolles Medikament bei herzchirurgischen Eingriffen mit EKZ ist, das in der Lage ist, nicht nur positiv in die Inflammationsreaktion einzugreifen, sondern – potenziell– auch Morbidität und Mortalität bei diesen Patienten verbessern könnte.

Mögliche Probleme

In allen oben genannten Studien ist die Gabe von PTX als sicher und ohne schwerwiegende Nebenwirkungen auf die Hämodynamik, die Gerinnung oder andere Parameter beschrieben worden. Die orale Aufnahme von PTX wurde meistens gut vertragen, jedoch klagten bis zu 3% der Patienten über leichte gastrointestinale Symptome [57]. Die i.v.-Gabe kann jedoch auch Probleme bereiten. So musste eine Studie zum i.v.-Einsatz von PTX bei Patienten mit Malaria abgebrochen werden, weil bis zu 40% der Teilnehmer aus der PTX-Gruppe über Übelkeit und Erbrechen klagten [22]. In einer experimentellen Studie zur akuten Pankreatitis an Ratten zeigte sich, dass die kombinierte Gabe von PTX und Thiopental die pulmonale vaskuläre Permeabilität erhöhte und damit die Oxygenierung stark beeinträchtigte. Ein Drittel der Tiere litt an schwerer Hypoxämie. Diese Kombinationstherapie führte bei 27% der gesunden Ratten zum Tod durch ein akutes Lungenödem und verschlechterte die pulmonale Situation durch die akute Pankreatitis so weit, dass die Mortalitätsrate in dieser Gruppe bei 60% lag. Das Lungenödem wurde hierbei nicht durch ein Herzversagen oder eine pulmonale Hypertonie ausgelöst [34]. Aufgrund dieser Daten muss von der kombinierten Gabe von PTX und Thiopental dringend abgeraten werden.

Schlussfolgerungen

Es mehren sich die Hinweise, dass PTX eine sinnvolle Zusatzmedikation bei herzchirurgischen Patienten sein könnte. Durch seine immunmodulierenden Eigenschaften scheint es nicht nur allgemein die Folgen eines I/R-Schadens, sondern insbesondere die entzündliche Antwort auf die EKZ zu minimieren, d. h. die zirkulierenden Spiegel von Zytokinen, Granulozyten und endothelialen Adhäsionsmolekülen zu senken. Daher könnte die Gabe von PTX die postoperative Organfunktionen von Lungen, Herz, Nieren, Leber und Hirn verbessern [4, 8, 9, 23] sowie klinisch relevante Outcome-Parameter wie die Dauer der Beatmung, die Menge von unterstützenden Katecholaminen und die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation positiv beeinflussen [8, 9, 21, 23].

Die antiinflammatorischen Effekte scheinen dosisabhängig zu sein. Studien, die kleinere Dosen oder eine orale Vormedikation untersuchten, konnten nur kleine oder keine positiven Effekte zeigen. Obwohl die optimale Dosis bei herzchirurgischen Patienten noch bestimmt werden sollte, könnte eine Empfehlung wie folgt lauten: Ein i.v.-Bolus von 4–5 mg/kgKG, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion von 1,5 mg/kgKG/h. Bei Hochrisikopatienten sollte PTX bis zur Überwindung des Multiorganversagens gegeben werden.

Bis jetzt sind keine schwerwiegenden Nebenwirkungen von PTX beschrieben worden. Dies heißt jedoch nicht, dass sie nicht existieren. Die Ergebnisse der kombinierten Anwendung von PTX und Thiopental zeigen erste Hinweise [34].

Bisher sind hauptsächlich kleinere Patientengruppen mit sehr heterogenen Bedingungen untersucht worden. Neue Probleme könnten entstehen, wenn größere Patientenkollektive PTX erhalten. Eigene klinische Erfahrungen zeigen z. B., dass wache Patienten bei der kontinuierlichen Infusion gehäuft über Übelkeit und Erbrechen klagen; dies ist ein Problem, das den routinemäßigen Einsatz von PTX über die unmittelbar postoperative Phase hinaus deutlich limitiert.

Weitere bislang ungeklärte Fragen sind:

  • Gibt es z. B. andere Interaktionen mit routinemäßig während der Herzchirurgie gegebenen Medikamenten?

  • Wirkt PTX synergistisch oder hemmend, wenn es mit anderen PDE-Hemmern (Milrinon oder Enoximon) gegeben wird?

  • Gibt es Interaktionen mit volatilen Anästhetika oder spezifischen Kardioplegielösungen?

  • Existieren Interaktionen mit dem Gerinnungssystem (Thrombozyten u. a.)?

  • Welche Wechselwirkungen bestehen mit modernen Thrombozytenaggregationshemmern?

Um diese Fragen zu beantworten sowie endgültige Empfehlungen für die Dosis und das Anwendungsregime zu geben, bedarf es dringend weiterer Untersuchungen, vor allem aber, großer randomisierter und kontrollierter Studien.

Fazit für die Praxis

Aufgrund der immunmodulierenden Eigenschaften von PTX scheint diese Substanz geeignet, die Folgen eines I/R-Schadens sowie die Entzündungsreaktion bei herzchirurgischen Patienten zu minimieren. Die Gabe von PTX könnte die postoperativen Organfunktionen von Lungen, Herz, Nieren, Leber und Hirn verbessern sowie klinisch relevante Outcome-Parameter positiv beeinflussen. Obwohl die optimale Dosis bei herzchirurgischen Patienten noch bestimmt werden sollte, lautet eine Empfehlung wie folgt: Ein i.v.-Bolus von 4–5 mg/kgKG, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion von 1,5 mg/kgKG/h. Bei Hochrisikopatienten sollte PTX bis zum Überwinden des Multiorganversagens gegeben werden.