Die Beurteilung der Erkrankungs- und Verletzungsschwere präklinischer Notfallpatienten erfolgt in Deutschland, Österreich und der Schweiz üblicherweise durch die Angabe des „National Advisory Committee for Aeronautics (NACA) Score“ [14, 23]. Dieses Scoring-System wurde in den 1960er-Jahren von der damaligen staatlichen amerikanischen Luftfahrtorganisation NACA (der heutigen National Aeronautics and Space Administration, NASA) zur Bestimmung der Transportpriorität verletzter Soldaten entwickelt. Bestimmte Verletzungsmuster wurden dabei den jeweiligen Schweregraden zugeordnet. Nach einer Modifikation des NACA-Scores in den 1990er-Jahren erfolgt die Anwendung auch bei internistischen Notfallpatienten [21]. Neben der Beurteilung des Patientenzustands zur Differenzierung von prähospitalen Patientenkollektiven dient der NACA-Score als Parameter im notfallmedizinischen Qualitätsmanagement und erlangt somit zunehmend Bedeutung in der Gesundheitsökonomie und der Forschung [3, 10, 14].

Die Zuordnung zum NACA-Score erfolgt je nach Gefährdung des Patienten in 7 Kategorien, die unabhängig von Messwerten durch einfache klinische Umschreibungen des Patientenzustands definiert sind. Heute ist der NACA-Score ein obligater Parameter des Notarzteinsatzprotokoll der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI; Tab. 1; [10, 12]).

Tab. 1 Definition des NACA-Scores. ([12])

Einer der wesentlichen Kritikpunkte dieses Scoring-Systems besteht darin, dass der Einordnung von Patienten in die NACA-Kategorien keine objektivierbaren Messwerte zugrunde liegen, sondern dass sie subjektiv durch den Notarzt erfolgt. Dies macht eine Untersuchung der Validität des NACA-Scores notwendig [10, 22]. Vorangegangene Studien zu diesem Thema konnten zeigen, dass selbst eindeutig lebensbedrohende Krankheitsbilder, wie beispielsweise der akute Myokardinfarkt oder das Polytrauma, nicht immer korrekt als mindestens der NACA-Kategorie V zugeordnet werden [14].

Vor diesem Hintergrund sollte in der vorliegenden Untersuchung erstmals der Frage nachgegangen werden, ob ein Zusammenhang zwischen der notfallmedizinischen Einsatzerfahrung des Notarztes und der Einschätzung des Notfallpatienten mithilfe des NACA-Scores besteht.

Methode

Die Notarzteinsatzprotokolle der Jahre 2004 und 2005 des eigenen bodengebunden Notarztsystems mit jährlich rund 4000 Einsätzen wurden retrospektiv ausgewertet. Nur vollständig ausgefüllte Protokolle gingen in die Auswertung ein.

Notfallpatienten

Die demographischen Daten der Notfallpatienten (Alter, Geschlecht), die Einsatzursache (Erkrankung, Trauma, Kombination aus Erkrankung und Trauma), die Notarztdiagnose, der Grad der Bewusstseinsstörung mithilfe der Glasgow Coma Scale (GCS) und der NACA-Score wurden erfasst.

Notärzte

Der überwiegende Anteil der Notarztdienste am untersuchten Notarztstandort wurde in den Jahren 2004 und 2005 von ärztlichen Mitarbeitern der Klinik für Anästhesiologie geleistet; 3–4 Dienste/Monat wurden von ärztlichen Mitarbeitern der chirurgischen Universitätsklinik übernommen. Die Voraussetzung zur Teilnahme am Notarztdienst am untersuchten Notarztstandort beinhaltet für die anästhesiologischen Mitarbeiter neben der Fachkunde Rettungsdienst bzw. der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin auch die abgeschlossene Rotation durch den kinderanästhesiologischen Bereich. Um ausschließlich regelmäßig tätige Notärzte mit Erfahrung in der Kinderanästhesie einzuschließen, wurden nur die Einsatzprotokolle der Notärzte aus der anästhesiologischen Klinik ausgewertet.

Weiterhin wurde bewusst darauf verzichtet, die Notärzte in Assistenz- und Fachärzte zu unterscheiden, da auch zahlreiche Assistenzärzte schon viele Jahre als Notarzt tätig waren und umgekehrt eine Anerkennung als Facharzt nicht unbedingt eine langjährige Tätigkeit als Notarzt bedeutet. Vielmehr wurden die Notärzte entsprechend ihrer notfallmedizinischen Erfahrung in 2 Gruppen eingeteilt:

  • Gruppe 1 umfasst Notärzte, die zum Zeitpunkt der Auswertung weniger als 3 Jahre Berufserfahrung als Notarzt hatten,

  • Gruppe 2 die Notärzte mit 3 oder mehr Jahren notärztlicher Tätigkeit.

Datenerfassung

Seit 2002 werden am Notarztstandort alle Notarztprotokolle EDV-gestützt (NADOK-Notarzteinsatzprotokoll, Fa. Datapec GmbH, Pliezhausen, Deutschland) erfasst und in einer Datenbank (Oracle Deutschland GmbH, Version 7.3.4, München, Deutschland) gespeichert. Die Notarztprotokolle der Jahre 2004 und 2005 wurden per Datenexport nach SAS (SAS 9.1, Heidelberg, Deutschland) bzw. Excel (Microsoft® Excel 2002, Deutschland) übertragen und ausgewertet.

Statistische Analyse

Zur statistischen Auswertung des Datenmaterials wurden die Patientenkollektive der beiden Gruppen hinsichtlich definierter Merkmale (Geschlecht, Altersgruppen, Einsatzursache, Notarztdiagnose, NACA-Score) miteinander verglichen und mithilfe des χ2-Tests und des Student-t-Tests statistisch untersucht. Ein Signifikanzniveau von p<0,05 wurde als statistisch signifikant gewertet. Die Angabe der Daten erfolgte als Absolutzahl (Mittelwert ± Standardabweichung) bzw. als prozentualer Anteil.

Ergebnisse

Notarztkollektive

Im Untersuchungszeitraum konnten insgesamt 6779 Einsätze ausgewertet werden (98% aller von Mitarbeitern der Klinik für Anästhesiologie geleisteten Einsätze). Die Notärzte der Gruppen 1 und 2 leisteten 4176 (62%) resp. 2603 (38%) Notarzteinsätze.

Die 26 Notärzte der Gruppe 1 wiesen eine deutlich niedrigere durchschnittliche Einsatzerfahrung von 1,2±0,9 Jahren (Varianzbreite 0,2–2,9 Jahre, Median 1 Jahr) im Vergleich zu den 24 Notärzten der Gruppe 2 mit einer durchschnittlichen Einsatzerfahrung von 5,8±1,7 Jahren (Varianzbreite 3,0–10,2 Jahre, Median 6 Jahre) auf. Dabei war die durchschnittliche Einsatzzahl/Notarzt in Gruppe 1 signifikant größer als in Gruppe 2 (161±67 Einsätze, Minimum-Maximum: 3–288 Einsätze vs. 108±63 Einsätze, Minimum-Maximum: 37–318 Einsätze). Eine Übersicht zur Zusammensetzung und zur Demographie der beiden untersuchten Notarztkollektive bietet Tab. 2.

Tab. 2 Vergleich der untersuchten Notarztkollektive

Patientenkollektive

Die demographische Zusammensetzung der Patienten, die von den jeweiligen Notärzten der Gruppe 1 und 2 behandelt wurden, zeigten hinsichtlich des Durchschnittsalters (58±24 vs. 58±24 Jahre), des Anteils pädiatrischer Patienten (Alter <10 Jahre: je 3%) und des Anteils männlicher Patienten (je 54%) keinen signifikanten Unterschied (Tab. 3).

Tab. 3 Vergleich der Patientenkollektive, die durch Notärzte der Gruppe 1 bzw. 2 versorgt wurden

Einsatzspektrum

Das Einsatzspektrum war in Gruppe 1 und 2 vergleichbar und zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied. Dabei fanden sich Patienten mit Erkrankungen in je 77%, Patienten mit Trauma in je 18% und Patienten mit einer Kombination aus Verletzungen und Erkrankungen in je 5% in beiden Gruppen.

Zum weiteren Vergleich der von den Notärzten der Gruppe 1 und 2 behandelten Patienten wurde die jeweilige Notarztdiagnose aus dem Notarzteinsatzprotokoll herangezogen. Hierbei konnten keine signifikanten Unterschiede eruiert werden (Tab. 3).

Erkrankungs- und Verletzungsschwere gemäß NACA

Insgesamt wurde durch die Notärzte mit weniger Einsatzerfahrung bei einem signifikant größeren Anteil der Patienten eine geringe Erkrankungs- und Verletzungsschwere (NACA I–III) im Vergleich zu Notärzten mit längerer Einsatzerfahrung angenommen (58 vs. 48%; p<0,05). Entsprechend wurde von den Notärzten in Gruppe 1 im Vergleich zu Gruppe 2 bei weniger Patienten eine Verletzung oder Erkrankung als potenziell lebensbedrohend angesehen (NACA IV–V: 33 vs. 43%; p<0,05). Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Notärzten beider Gruppen hinsichtlich einer Einschätzung in den NACA-Kategorien VI (erfolgreiche Reanimation: je 2%) und VII (Tod: je 7%) (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Beurteilung der Vitalgefährdung von Notfallpatienten mithilfe des NACA-Scores durch Notärzte mit weniger als 3-jähiger (Gruppe 1) und 3-jähriger bzw. mehr als 3-jähriger Erfahrung (Gruppe 2) für das gesamte Patientenkollektiv

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass Notärzte mit weniger als 3-jähriger notfallmedizinischer Einsatzerfahrung die Erkrankungs- und Verletzungsschwere von Patienten nach dem NACA-Score eher geringer einschätzen als erfahrenere Notärzte.

Die Beurteilung der Verletzungs- und Erkrankungsschwere von Notfallpatienten anhand von Scoring-Systemen hat mehrere Zielsetzungen: Zum einen soll eine standardisierte Erfassung des klinischen Zustands der Notfallpatienten erfolgen. Zum anderen soll die Angabe des Schweregrades der vitalen Bedrohung eine Klassifikation der Notfallpatienten für wissenschaftliche Fragestellungen ermöglichen [1, 4, 16, 17]. Des Weiteren ist eine solche Differenzierung Grundlage für eine kontinuierliche Qualitätssicherung und -verbesserung in der präklinischen Patientenversorgung [19]. Auch in der Gesundheitsökonomie gewinnen Scoring-Systeme zunehmend an Bedeutung, beispielsweise bei der Berechnung des Personal- und des Kostenbedarfs [6, 17].

Der Vorteil des NACA-Scores ist, dass dieses Scoring-System einfach, zeit- und patientennah zu erheben ist [6, 18]. Dabei erfolgt die Klassifikation nicht auf der Basis objektiver Daten, z. B. anhand von Vitalparametern wie bei vielen innerklinischen Traumascores (z. B. Revised Trauma Score, RTS; Trauma Injury Severity Score, TRISS; [8]) üblich. Vielmehr beurteilt der Notarzt die vitale Bedrohung des Patienten nach dem klinischen Eindruck. Mithilfe des NACA-Scores soll gleichermaßen sowohl die Verletzungsschwere traumatologischer Patienten als auch die Erkrankungsschwere nichttraumatologischer Patienten erfasst werden [21]. Da die methodischen Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität vom NACA-Score nicht ausreichend erfüllt werden, sollte jedoch dessen Interpretation für Klinik, Wissenschaft und Qualitätsmanagement zurückhaltend erfolgen. So zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass die Beurteilung des Patienten anhand des NACA-Scores starken subjektiven Einflüssen unterliegt [14]. Oftmals werden lebensbedrohliche Krankheitsbilder (z. B. akuter Myokardinfarkt) falsch-niedrig klassifiziert. Daher scheint eine Validität des NACA-Scores nicht gegeben. Auch bei traumatologischen Patienten wurde eine häufige Unterschätzung des NACA-Scores nachgewiesen [14]. So werden nach dem Utstein-Style als potenziell lebensbedrohlich oder lebensbedrohlich beurteilte Verletzungen nach dem NACA-Score nicht immer in NACA IV bzw. NACA V klassifiziert. Besonders häufig wird die Verletzungsschwere der oberen Extremität und der Wirbelsäule unterschätzt, während Verletzungen des Thorax oder des Beckens meist korrekt klassifiziert werden [14]. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit des Wertungssystems von der vom Notarzt subjektiv empfundenen und dann eingestuften Vitalbedrohung des Patienten bei Verwendung des NACA-Scores.

Auch Messelken et al. [12] stellen in einer Arbeit zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst fest, dass der NACA-Score subjektiv ist, und schließen aus der großen Streuung des Mainz Emergency Evaluation Score bei Eintreffen (MEES1) bei einer Gegenüberstellung mit dem NACA-Score des entsprechenden Einsatzes, dass Letzterer „freizügig“ angewandt wird.

Eine weitere Untersuchung zur Aussagekraft des NACA-Scores bei Traumapatienten zeigt eine nur mäßige Korrelation zwischen dem NACA-Score und dem Injury Severity Score (ISS). Auch in dieser Studie unterliegt der NACA-Score beim Notfallpatienten subjektiven Einflüssen, und eine Abhängigkeit vom Ausbildungsstand sowie der persönlichen Erfahrung des Anwenders wird diskutiert [23]. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen nun diese Überlegung, da bei vergleichbaren Patientenkollektiven ein signifikanter Unterschied in der Bestimmung des NACA-Scores in Abhängigkeit von der notfallmedizinischen Erfahrung der Notärzte nachweisbar ist.

Unerfahrene Notärzte haben in der vorliegenden Studie eine höhere Einsatzfrequenz als ihre erfahreneren Kollegen. Dieser Unterschied in der Einsatzfrequenz lässt sich durch die klinikinternen Strukturen erklären, da erfahrenere Anästhesisten häufiger in den klinikinternen Bereichen ihre Dienste versehen und seltener zum Notarztdienst eingeteilt werden. Aus Sicht der Autoren schränkt die niedrigere Einsatzfrequenz in der Gruppe 2 die Aussagekraft der Studie jedoch nicht ein, da diese Notärzte in einem bestimmten Ausbildungsabschnitt vor der Untersuchung der Gruppe 1 angehörten und dort ihre Einsatzerfahrung mit höherer Einsatzfrequenz erhielten. Dementsprechend haben die Notärzte der Gruppe 2 kumulativ über die Jahre hinweg mehr Notarzteinsätze absolviert und zusätzlich weitere Erfahrung im Rahmen ihrer klinischen Tätigkeiten erhalten. Die Einschätzung der Erkrankungs- und Verletzungsschwere scheint daher vielmehr von der Berufserfahrung als von der aktuellen Einsatzfrequenz abzuhängen.

In der Literatur finden sich wenige Untersuchungen, die sich mit der Reliabilität von Scoring-Systemen in der Notfallmedizin beschäftigen. Diese Untersuchungen befassen sich dabei überwiegend mit der GCS [9, 11, 13, 20]. In einer prospektiven Studie zur Anwendervariabilität der GCS konnte gezeigt werden, dass auch dieses Scoring-System vom notfallmedizinischen Ausbildungsstand des Untersuchers abhängig ist und die GCS bei identischen Patienten von verschiedenen Untersuchern sehr unterschiedlich bestimmt wird [9]. Dabei zeigte sich eine größere Abweichung vom tatsächlichen GCS bei den akutmedizinisch am wenigsten trainierten Probanden. Als Grund dafür wird mangelnde Erfahrung sowohl in der Beurteilung schwerverletzter und bewusstseinseingeschränkter Patienten als auch in der Anwendung des GCS diskutiert [9]. Weitere Untersuchungen zur Reliabilität des GCS bestätigen diese Ergebnisse und zeigen bei untrainierten Untersuchern unzuverlässige Ergebnisse in der Bestimmung der GCS (geringe „interrater reliability“; [5, 7, 13]). Zur Reliabilität des NACA-Scores gab es hingegen bislang keine Untersuchungen.

Die bisher vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass die Verletzungs- bzw. Erkrankungsschwere mithilfe des NACA-Scores v. a. gemäß einer Skalierung von minimaler (NACA I) bis maximaler (NACA VII) Vitalgefährdung aus Sicht des Notarztes subjektiv beurteilt wird. Die Zuordnung bestimmter Notarztdiagnosen zu entsprechend definierten NACA-Kategorien (z. B. akuter Myokardinfarkt entspricht NACA V) erfolgt hierbei häufig nicht korrekt [14]. Auch die hier vorgestellte Untersuchung zeigt, dass Patienten mit akutem Myokardinfarkt häufig nicht korrekt klassifiziert werden. So ordneten unerfahrenere Notärzte diesen Patienten nur in 30% der Fälle den korrekten NACA V zu; dagegen schätzten die Notärzte der Gruppe 2 76% der Patienten mit akutem Myokardinfarkt richtigerweise als akut lebensbedroht ein (Abb. 2). Hingegen zeigt auch die vorliegende Untersuchung, dass die Klassifizierung von Patienten nach erfolgreicher Reanimation (NACA VI) und mit Todesfeststellung (NACA VII) mithilfe objektiv zu erhebender Parameter (z. B. Atemstillstand, Pulslosigkeit, sichere Todeszeichen) eindeutig und unabhängig von der Notarzterfahrung erfolgt und sich so keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Notarztkollektiven finden lassen. Dies verdeutlicht das Ausmaß subjektiver Einflüsse auf die Klassifikation eines Patienten in die NACA-Kategorien I–V. Bei vergleichbarem Patientenkollektiv (Tab. 3) wurden von den unerfahrenen Notärzten mehr Patienten als nichtlebensbedrohlich erkrankt oder verletzt eingeschätzt als von erfahrenen Notärzten. Mit diesen Ergebnissen wird die Bedeutung einer umfassenden akut- und intensivmedizinischen Erfahrung des Notarztes nicht nur für den Erwerb der praktischen Qualifikationen für den Notarztdienst, sondern auch für die Beurteilung des klinischen Zustands des Patienten unterstrichen [2, 6].

Abb. 2
figure 2

NACA-Score der Patienten mit akutem Myokardinfarkt im Patientenkollektiv der Notärzte der Gruppe 1 und der Gruppe 2: Weniger erfahrene Notärzte (Gruppe 1) ordneten häufiger Patienten mit einem akutem Myokardinfarkt dem NACA-Score IV zu als erfahrenere Notärzte (Gruppe 2), die dieses Krankheitsbild überwiegend korrekt als lebensbedrohlich und damit mit NACA V einstuften

Die Ergebnisse dieser Untersuchung verdeutlichen damit weiter die Notwendigkeit einer Modifikation des NACA-Scores bzw. der Etablierung eines anderen Scoring-Systems. Ein Score, der ursprünglich entwickelt wurde, um die Transportpriorität verletzter Soldaten festzulegen, der darüber hinaus subjektiven Einflüssen unterliegt und eine so geringe Reliabilität aufweist, scheint als Grundlage zur Untersuchung klinischer, gesundheitsökonomischer und wissenschaftlicher Fragestellungen nur eingeschränkt geeignet. Eine solche Weiterentwicklung des NACA-Scores stellt beispielsweise der Münchner NACA-Score (M-NACA; [15]) dar. Bei diesem System erfolgt die Klassifikation der Patienten anhand von einfachen objektivierbaren Messwerten (GCS, systolischer Blutdruck, Herzfrequenz, EKG-Befund, Atemfrequenz, partielle Sauerstoffsättigung, Schmerzqualität), die präklinisch standardmäßig erhoben und auch im DIVI-Notarzteinsatzprotokoll dokumentiert werden. Weiterhin wird im M-NACA-Score die Verletzungsschwere nach dem Utstein-Style berücksichtigt sowie bestimmte präklinische Diagnosen (wie z. B. der akute Myokardinfarkt) per definitionem dem korrekten NACA-Score zugeordnet.

Fazit für die Praxis

In der Notfallmedizin werden einfach zu erhebende Scoring-Systeme auch in Zukunft unabdingbar sein. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen jedoch, dass die Erkrankungs- und Verletzungsschwere mithilfe des NACA-Scores von der Einsatzerfahrung des Notarztes abhängt. Aus diesen Gründen erscheint der NACA-Score zur Untersuchung klinischer, gesundheitsökonomischer und wissenschaftlicher Fragestellungen eher nicht geeignet. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob der M-NACA als eine Weiterentwicklung des NACA-Scores die in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesenen Nachteile nicht aufweist und daher möglicherweise als besseres Scoring-System zur Verfügung stehen könnte.