Zusammenfassung
Hintergrund
Die Diskussion um die präoperative Fortführung einer Dauermedikation mit einem ACE-Hemmer („Angiotensin-converting enzyme inhibitor”, ACEI) wird noch immer kontrovers geführt. Soll sie weitergeführt werden, um Blutdruck- und Herzfrequenzspitzen während einer Anästhesie zu vermeiden? Oder soll sie am Vortag abgesetzt werden, um eine klinisch relevante Hypotonie zu vermeiden? Welches Risiko ist größer? Da es zu dieser Fragestellung bisher nur wenige Studien gibt, wurde das Kreislaufverhalten bei einer Narkose nach Absetzen und mit Weitergabe des ACE-Hemmers verglichen.
Material und Methoden
Prospektiv wurden 100 hypertone, mit einem ACE-Hemmer eingestellte Patienten, die ihren ACE-Hemmer letztmals am Vortag („Vortag“) oder mit der Prämedikation („Prämed“) erhielten, randomisiert, doppel-blind untersucht. Blutdruck und Herzfrequenz beider Gruppen während Narkoseeinleitung und -ausleitung wurden verglichen. Als Interventionsgrenze für eine Vasopressorgabe wurde ein mittlerer arterieller Blutdruck von 60 mmHg festgelegt.
Ergebnisse
In der Prämed-Gruppe wurde signifikant häufiger und in höherer Dosierung Akrinor® notwendig. Trotzdem waren nach Einleitung Blutdruck und Herzfrequenz signifikant niedriger als in der Vortag-Gruppe. Die höchsten Blutdrücke und Herzfrequenzen unterschieden sich bei Ein- und Ausleitung dagegen nicht.
Schlussfolgerungen
Die morgendliche ACE-Hemmer-Gabe ist nicht mit einer besseren Kontrolle von Blutdruck und Herzfrequenz verbunden, führt aber zu einer ausgeprägteren und häufiger therapiepflichtigen Hypotonie. Mit einem ACE-Hemmer eingestellte Patienten sollten daher ihren ACE-Hemmer letztmalig am Vortag der Operation und nicht mit der Prämedikation am Morgen erhalten.
Abstract
Introduction
The discussion about perioperative withdrawal or continuation of angiotensin-converting enzyme inhibitors (ACEI) remains controversial. Should it be continued to avoid peaks in blood pressure and heart rate during anesthesia? Or should it be discontinued the day before to avoid clinically relevant hypotonia? What is the greater risk? Since there are only a few studies dealing with this question, we compared the cardio-circulatory reaction during anesthesia after withdrawal and with continuation of ACEI therapy.
Methods
A total of 100 hypertonic patients chronically treated with ACEIs were included in this prospective, randomized, double blind study. The last ACEI medication was given with the premedication in the morning (premed) or on the day before (withdrawal). Blood pressure and heart rate during induction and termination of anesthesia were compared between both groups. A threshold value for vasopressor therapy was determined to be a mean arterial pressure of 60 mmHg.
Results
In the premed group Akrinor® was necessary significantly more often and in higher dosages. Nevertheless, following induction the blood pressure and heart rates were significantly lower compared to the withdrawal group. The highest blood pressure and heart rate during induction and termination of anesthesia did not differ between the groups.
Conclusions
The continuation of ACEI therapy in the morning is not associated with a better control of blood pressure and heart rate but causes a more pronounced hypotension which forced a therapy more often. Patients chronically treated with ACEI should receive the ACEI the last time on the day before the operation and not with the premedication in the morning.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Präoperativ sollte nach allgemein anerkannter Meinung eine vorbestehende orale Therapie mit Antihypertensiva mit der morgendlichen Prämedikation weitergeführt werden [7, 8], da davon eine Reduzierung intraoperativer Blutdruckspitzen und eine bessere Blutdruckkontrolle erwartet werden. Die Diskussion über den Zeitpunkt einer präoperativ letztmaligen Gabe eines ACE-Hemmers („Angiotensin-converting enzyme inhibitor”, ACEI) ist allerdings noch nicht abgeschlossen [1, 10] und wurde auch auf dem letzten Deutschen Anästhesiekongress wieder geführt. Im Vordergrund steht für die Narkoseführung die Frage, ob das Absetzen am Operationstag mit einem erhöhten Risiko intraoperativer Hypertonien verbunden ist und/oder ob die morgendliche Gabe häufiger zu klinisch relevanten Hypotonien führt. Welches Risiko ist relevanter bei den Patienten, die mit einem ACE-Hemmer eingestellt sind?
Die Beantwortung dieser Fragen ist trotz der umfangreichen Literatur über ACE-Hemmer in der Tat nicht ganz einfach. Fast alle Studien haben sich nämlich nicht der Frage nach einem Absetzen bei einer bestehenden ACE-Hemmer-Therapie gewidmet, sondern den prinzipiellen Einfluss eines ACE-Hemmers auf die Hämodynamik bei einer Anästhesie untersucht. Die Ergebnisse sind teilweise kontrovers. Dies ist möglicherweise auch auf Unterschiede in Studiendesign sowie Patientengut zurückzuführen und erschwert eine Interpretation und die Übertragbarkeit auf eine Dauermedikation zusätzlich. Neben dem Vergleich von ACE-Hemmer-vorbehandelten gegen Patienten ohne ACE-Hemmer [4, 6, 11, 13, 19] wurden Patienten mit Hypertonie ein- [6, 9, 22] oder ausgeschlossen [19], mit einer Linksherzinsuffizienz ein- [19] oder ausgeschlossen [6, 9, 22], der ACE-Hemmer wurde für die Studie i.v. [22], oral [12] oder sublingual [14] unmittelbar präoperativ [14, 22] oder bereits am Vortag beginnend [12] gegeben; es wurden herzchirurgische [19, 20, 22, 24] und gefäßchirurgische Patienten [9] oder ein gemischtes chirurgisches Patientengut [6, 12] bei verschiedenen Narkosen oder bei rückenmarknaher Anästhesie [11] untersucht. Dabei bleibt bislang ungeklärt, ob die hämodynamischen Reaktionen bei einem bestimmten Anästhesieverfahren besonders ausgeprägt sind [10].
Wie aus der Wirkungsweise der ACE-Hemmer (bei [1, 5, 10]) zu erklären ist, fanden die meisten dieser Arbeiten, dass die Gabe eines ACE-Hemmers mit einem Abfall des Herz-Minuten-Volumens [6, 12, 19] und einem erhöhten Risiko für eine Hypotonie besonders bei der Einleitung [4, 6, 9, 12] verbunden ist, die aber auch während der Operation [14] oder erst postoperativ [18] auftreten kann. Präoperativ sollten ACE-Hemmer daher gar nicht oder nur mit größter Vorsicht angewendet werden.
Daraus wurde abgeleitet, dass es wahrscheinlich günstiger ist, auch eine vorbestehende Medikation präoperativ auszusetzen [17, 25]. Fundiertere Empfehlungen gibt es nicht, da die Datenlage über den direkten Vergleich des Absetzens vs. der morgendlichen Gabe sehr dünn ist [7].
Hinzu kommen kontroverse Ergebnisse anderer Studien. So ist eine bestehende Therapie mit einem ACE-Hemmer bei herzchirurgischen Patienten auch bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion nicht mit einem erhöhten Risiko für eine Hypotonie verbunden [13, 19], eine i.v.-Gabe bei diesen Patienten kann intraoperative Blutdruckspitzen nicht verhindern [22]. Eine morgendliche ACE-Hemmer-Gabe verstärkt den Blutdruckabfall nach einer Spinalanästhesie nicht [11]; eine bestehende Dauertherapie hat keinen Einfluss auf die Kreislaufregulation und das Blutdruckverhalten bei Narkoseeinleitung [13]. So gibt es auch die Empfehlung, eine bestehende Therapie nicht zu unterbrechen, eine auftretende Hypotonie könnte wirkungsvoll behandelt werden [10].
Die Frage nach dem potenziellen Risiko hypertensiver Reaktionen nach präoperativem Absetzen des ACE-Hemmers ist mit diesen Studien allerdings nicht beantwortet. Wegen der noch immer kontroversen Diskussion und der Aktualität der Fragestellung wurde auf eine frühere eigene Untersuchung zurückgegriffen, die bereits 1995 mit vorläufigen Ergebnissen eines solchen Vergleiches vorgestellt wurde [21]. Die damals nichtpublizierten Endergebnisse mit 100 Patienten sollen hier zur Diskussion gestellt werden.
Patienten und Methode
Studie
Es handelte sich um eine prospektive, doppelt-blind randomisierte Studie an insgesamt 100 Hypertonikern, die mit einem oralen ACE-Hemmer (Captopril, Enalapril) eingestellt waren und sich einem elektiven Augen- oder Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Eingriff unterziehen mussten. Nach Genehmigung durch die Ethikkommission und schriftlicher Einwilligung der Patienten wurde der ACE-Hemmer in einer Gruppe am Morgen des Vortages vor der Operation letztmalig eingenommen (Vortag) und in der zweiten Gruppe am Morgen des Operationstages zusammen mit der oralen Prämedikation gegeben (Prämed). Die Intubationsnarkose sollte dem üblichen Vorgehen entsprechend als balanzierte Anästhesie geführt werden, 1–2 h dauern und bis 12 Uhr mit der Extubation beendet sein. Ausgeschlossen waren Patienten mit einer therapierten oder klinisch relevanten Herzinsuffizienz und Eingriffen mit erwartbaren substitutionspflichtigen Blutverlusten. Nichtinvasiver Blutdruck und Herzfrequenz wurden ab 5 min vor Beginn der Einleitung bis 10 min nach Intubation alle 60 s gemessen. In diesem Zeitfenster sind die ausgeprägtesten Kreislaufreaktionen zu erwarten [4, 14]. Bei der Narkoseausleitung wurden diese Messungen ab 2 min vor bis 5 min nach Extubation dokumentiert. Alle Patienten erhielten eine Ringer-Laktat-Infusion. Als Interventionsgrenze für die klinisch übliche Gabe eines Vasopressors (Akrinor®) wurde ein mittlerer arterieller Blutdruck von 60 mmHg festgelegt.
Statistik
Von allen Patienten wurden die Vasopressormedikation und die Infusionsmengen sowie die höchsten und niedrigsten Werte von Blutdruck und Herzfrequenz (maximal und minimal) ermittelt, jeweilige Mittelwerte für beide Gruppen gebildet und auf Normalverteilung geprüft. Zum Vergleich zwischen den Gruppen und gegenüber dem Ausgangswert wurde der t-Test für unverbundene bzw. verbundene Stichproben eingesetzt. Das Signifikanzniveau wurde mit p<0,05 festgelegt. Es wurde das PC-Programm Sigma stat (SPSS Science Software, Jandel Scientific GmbH, Deutschland) eingesetzt.
Ergebnisse
Die demographischen Daten und der Anästhetikaverbrauch (Tab. 1) zeigten keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Dem Protokoll entsprechend erhielten alle Patienten eine Ringer-Laktat-Infusion; die infundierte Gesamtmenge zeigte keine signifikanten Unterschiede (Tab. 2). Während der Operation erhielten in der Prämed-Gruppe 2 Patienten (350±212 ml) und in der Vortag-Gruppe 4 Patienten (575±298 ml) zusätzlich ein Kolloid (Haes®). In der Prämed-Gruppe wurde der Vasopressor (Akrinor®) signifikant häufiger und in höherer Dosierung gegeben als in der Vortag-Gruppe (Tab. 2); die Gabe erfolgte in beiden Gruppen zeitgleich nach der Intubation (6,4±1,8 min vs. 6,0±1,9 min). Ausgangsblutdruck und Herzfrequenz vor Narkosebeginn (Tab. 3) zeigten ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
Bei der Einleitung zeigten Blutdruck- und Herzfrequenzmaxima keinen Unterschied zwischen den Gruppen (Tab. 3, Maxima). In der 10-minütigen Ruhephase nach Intubation fielen Herzfrequenz und Blutdruck in beiden Gruppen signifikant ab, in der Prämed-Gruppe gegenüber der Vortag-Gruppe auf signifikant niedrigere Werte (Tab. 3, Minima).
In der Ausleitungsphase fanden sich für die maximalen Blutdrücke und Herzfrequenzen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen; eine Hypotonie trat im Beobachtungszeitraum nicht auf (Tab. 4).
Diskussion
In der Diskussion zum perioperativen Absetzen vs. der Weitergabe einer ACE-Hemmer-Medikation wird fast ausschließlich auf Studien verwiesen, bei denen genau diese Fragestellung gar nicht untersucht wurde, sondern ACE-Hemmer-behandelte Patienten mit Kontrollgruppen ohne ACE-Hemmer verglichen [4, 6, 11, 13, 19] oder die Wirkung einer präoperativen ACE-Hemmer-Gabe [12, 14, 22] auf die intraoperative Hämodynamik beschrieben wurden. Entsprechende Empfehlungen sind übertragene Schlussfolgerungen, die durch die Wirkungsweise der ACE-Hemmer [1, 5, 10] gestützt sind. Informationen über hämodynamische Reaktionen beim Absetzen einer bestehenden ACE-Hemmer-Therapie vor einer Anästhesie an einem größeren Patientengut gibt es nur wenige [7]. Die am häufigsten zitierte Arbeit mit einem solchen Vergleich von Coriat et al. [8] ist aus dem Jahr 1994; sie wird auch in aktuellsten Arbeiten [7, 10, 17, 25] herangezogen. Coriat et al. [8] untersuchten mit Captopril und Enalapril behandelte Patienten, von denen die ACE-Hemmer-Therapie bei 26 Patienten weitergeführt und bei 30 Patienten abgesetzt wurde. Sie fanden, dass das präoperative Absetzen des ACE-Hemmers gegenüber der Weitergabe am Operationsmorgen zu einem geringeren Blutdruckabfall bei Narkoseeinleitung führt und seltener eine Therapie notwendig macht. In einer retrospektiven Analyse untersuchten Comfere et al. [7] Patienten mit einer bestehenden Medikation mit einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensinrezeptor-Antagonisten und verglichen die letztmalige Gabe innerhalb von 10 h präoperativ (144 Patienten) mit einer letztmaligen Einnahme mehr als 10 h präoperativ (123 Patienten). Sie fanden nach Narkoseeinleitung jedoch keine Unterschiede in der Inzidenz schwerer Hypotonien (systolisch ≤65 mmHg) sowie der Gabe von Infusionen und Vasopressoren, aber seltener eine moderate Hypotonie (systolisch ≤85 mmHg) bei der länger zurückliegenden letzten Medikation. Vergleichbare Ergebnisse wurden berichtet, wenn perioperativ nicht ein ACE-Hemmer-, sondern ein Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonist weitergegeben wurde [2, 4].
Als ein Ergebnis fand die hier vorgestellte Untersuchung, dass bei Patienten, die wegen einer Hypertonie mit einem oralen ACE-Hemmer eingestellt sind, die morgendliche ACE-Hemmer-Gabe gegenüber der letztmaligen Gabe am Vortag mit einem stärkeren Blutdruckabfall nach der Narkoseeinleitung verbunden ist, obwohl eine häufigere und höher dosierte Intervention mit einem Vasopressor (Akrinor®) erfolgte. Dies entspricht den Ergebnissen von Coriat et al. [8] und weitgehend denen von Comfere et al. [7], die einen fehlenden Unterschied therapeutischer Interventionen in ihrer Arbeit auf die retrospektive Analyse und das fehlende Studiendesign zurückführten. Eine Abnahme der Herzfrequenz unter ACE-Hemmern wird mit einer vagotonen Wirkung erklärt [6, 17] und könnte die niedrigere Herzfrequenz in der Ruhephase nach der Einleitung erklären, die in der Prämed-Gruppe im Unterschied zu Coriat et al. [8] und Comfere et al. [7] signifikant war.
Die perioperative Weiterführung einer ACE-Hemmer-Therapie scheint damit bezüglich der Hypotonie nach einer Narkoseeinleitung mit den Untersuchungen vergleichbar, die zu Studienzwecken präoperativ einen ACE-Hemmer gaben oder vorbehandelte Patienten mit einer Kontrollgruppe verglichen [4, 6, 11, 13, 19]. Auch in diesen Studien wurde nach ACE-Hemmer-Gabe mehr infundiert [6, 11, 13, 14] und eine Vasopressorgabe notwendig [4, 6, 8, 9, 11, 13]. Aus diesen Arbeiten und der bekannten Wirkungsweise der ACE-Hemmer [1, 5, 10] wurde geschlossen, bei hypovolämen und verschiedenen anderen Risikopatienten sowie bei Eingriffen mit einem zu erwartenden höheren Blutverlust auf die morgendliche Gabe des ACE-Hemmers besser zu verzichten [5, 17, 25]. Da die hier untersuchten Patienten keine dieser Risiken hatten, sollte diese Aussage nicht auf Risikopatienten beschränkt bleiben.
Darüber hinaus zeigt die vorgestellte Untersuchung als weiteres Ergebnis, dass das präoperative Absetzen des ACE-Hemmers nicht mit überschießenden hypertensiven Reaktionen oder Tachykardien bei Narkoseeinleitung und -ausleitung verbunden ist. Auch Coriat et al. [8] fanden beim Absetzen des ACE-Hemmers keine höhere Inzidenz einer hypertensiven Reaktion und keine signifikanten Unterschiede in der höchsten Herzfrequenz bei der Einleitung; Comfere et al. [7] machten hierzu keine Angaben. Mit dem Fehlen eines Reboundphänomens unterscheiden sich ACE-Hemmer von anderen Kreislaufmedikamenten, insbesondere von β-Blockern. Dies kann aus ihrer Wirkungsweise und den über das Absetzen hinaus erhaltenen Gewebespiegeln erklärt werden [6, 8, 10]. Es wird daher auch davon ausgegangen, dass die unterschiedlichen Halbwertszeiten von Enalapril und Captopril keinen wesentlichen Einfluss auf diese Ergebnisse hatten.
Damit fehlen die potenziellen Vorteile der ACE-Hemmer-Gabe mit der Prämedikation, nämlich eine bessere Kontrolle von Blutdruck- und Herzfrequenzspitzen. Dem steht das erhöhte Risiko für das Auftreten von Hypotonien gegenüber. Auch wenn eine Therapie hauptsächlich mit Kristalloiden ausreichend sein kann [6, 11, 13], ist sie nicht immer so einfach, wie erwartet [10]. Zwar können Akrinor [11], Ephedrin [8] oder Phenylephrin [13] erfolgreich sein, die üblichen Vasopressoren versagen jedoch häufig [2, 4, 15]. Angiotensin II [9] oder der Angiotensin-Agonist Terlipressin [2, 3, 4, 15, 16] sind wirksam bzw. sogar vorteilhafter. Aber Angiotensin ist (wie Phenylephrin) in Deutschland nicht zugelassen, Terlipressin als Glycilpressin® (Ferring Arzneimittel) nur zur Anwendung bei Ösophagusvarizenblutungen im Handel. Nur mit den bei uns zugelassenen Vasopressoren kann aus dem erhöhten Risiko einer Hypotonie eine therapierefraktäre kritische Kreislaufsituation werden. Es erscheint daher sicherer, eine vorbestehende ACE-Hemmer-Therapie perioperativ zu unterbrechen. Dieses Vorgehen wird auch bei der Therapie mit Angiotensin-II-Antagonisten empfohlen [2, 4]. Da das perioperative Absetzen einer kardialen Medikation, wenn es länger als 2 Tage dauert, das Risiko kardialer Komplikationen erhöht [23], sollte der ACE-Hemmer postoperativ baldmöglichst weitergegeben werden [17].
Für die präoperative Weiterführung einer ACE-Hemmer-Therapie liegt eine nur unvollständige und wenig beweiskräftige Evidenz vor [10]. Es gilt zu berücksichtigen, dass von ACE-Hemmern auch potenzielle organprotektive Wirkungen gezeigt wurden und das präoperative Absetzen Risiken bergen kann [7, 10]. Eine umfassende Abwägung der Vor-und Nachteile des Absetzens ist derzeit nicht möglich [17], da bislang keine Studien dazu vorliegen.
Fazit für die Praxis
Das präoperative Absetzen von ACE-Hemmern erscheint sicherer als die kontinuierliche Weitergabe. Solange ein Nachweis von Vorteilen der Fortführung einer bestehenden Dauermedikation fehlt, kann nicht nur für bestimmte Risikogruppen, sondern für alle Patienten mit oraler ACE-Hemmer-Dauermedikation empfohlen werden, den ACE-Hemmer letztmalig am Vortag und nicht am Morgen vor der Anästhesie einzunehmen. Eine perioperative Therapieunterbrechung wird auch für Angiotensin-II-Antagonisten nahe gelegt.
Literatur
Behnia R, Molteni A, Igic R (2003) Angiotensin-converting enzyme inhibitors: mechanisms of action and implications in anesthesia practice. Curr Pharm Des 9: 763–776
Bertrand M, Godet G, Meerschaert K et al. (2001) Should the angiotensin II antagonists be discontinued before surgery? Anesth Analg 92: 26–30
Boccara G, Quattara A, Godet G et al. (2003) Terlipressin versus norepinephrine to correct refractory arterial hypotension after general anesthesia in patients chronically treated with renin-angiotensin system inhibitors. Anesthesiology 98: 1338–1344
Brabant SM, Bertrand M, Eyraud D et al. (1999) The hemodynamic effects of anesthetic induction in vascular surgical patients chronically treated with angiotensin II receptor antagonists. Anesth Analg 89: 1388–1392
Colson P, Ryckwaert F, Coriat P (1999) Renin angiotensin system antagonists and anesthesia. Anesth Analg 89: 1143–1155
Colson P, Saussine M, Séguin JR et al. (1992) Hemodynamic effects of anesthesia in patients chronically treated with angiotensin-converting enzyme inhibitors. Anesth Analg 74: 805–808
Comfere T, Sprung J, Kumar MM et al. (2005) Angiotensin system inhibitors in a general surgical population. Anesth Analg 100: 636–644
Coriat P, Richer C, Douraki T et al. (1994) Influence of chronic angiotensin-converting enzyme inhibition on anesthetic induction. Anesthesiology 81: 299–307
Eyraud D, Mouren S, Teugels K et al. (1998) Treating anesthesia-induced hypotension by angiotensin II in patients chronically treated with angiotensin-converting enzyme inhibitors. Anesth Analg 86: 259–263
Groban L, Butterworth J (2006) Perioperative management of chronic heart failure. Anesth Analg 103: 557–575
Höhne C, Meier L, Boemke W, Kaczmarczyk G (2003) ACE inhibition does not exaggerate the blood pressure decrease in the early phase of spinal anaesthesia. Acta Anaesthesiol Scand 47: 891–896
Kataja J, Kaukinen S, Viinamäki O et al. (1989) Hemodynamic and hormonal changes in patients pretreated with captopril for surgery of the abdominal aorta. J Cardiothorac Vasc Anesth 3: 425–432
Licker M, Schweizer A, Hohn L et al. (2000) Cardiovascular responses to anesthetic induction in patients chronically treated with angiotensin-converting enzyme inhibitors. Can J Anaesth 47: 433–440
McCarthy GJ, Hainsworth M, Lindsay K et al. (1990) Pressor responses to tracheal intubation after sublingual captopril – A pilot study. Anaesthesia 45: 243–245
Meerschaert K, Brun L, Gourdin M et al. (2002) Terlipressin-ephedrine versus ephedrine to treat hypotension at the induction of anesthesia in patients chronically treated with angiotensin converting-enzyme inhibitors: a preospective, randomized, double-blinded, crossover study. Anesth Analg 94: 835–840
Morelli M, Tritapepe L, Rocco M et al. (2005) Terlipressin versus norepinephrine to counteract anesthesia-induced hypotension in patients treated with renin-angiotensin system inhibitors: effects on systemic and regional hemodynamics. Anesthesiology 102: 12–19
Müllenheim J, Schlack W (2004) Perioperative Therapie mit Betablockern und ACE-Hemmern: Wann – wann nicht? Anaesth Intensivmed 45: 607–619
Russell RM, Jones RM (1989) Postoperative hypotension associated with enalapril. Anaesthesia 44: 837–838
Ryckwaert F, Colson P (1997) Hemodynamic effects of anesthesia in patients with ischemic heart failure chronically treated with angiotensin-converting enzyme inhibitors. Anesth Analg 84: 945–949
Ryckwaert F, Colson P, Ribstein J et al. (2001) Haemodynamic and renal effects of intravenous enalaprilat during coronary artery bypass graft surgery in patients with ischaemic heart dysfunction. Br J Anaesth 86: 169–175
Schirmer U, Schürman W, Diksaitis A, Georgieff M (1995) Perioperatives Kreislaufverhalten unter Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer-Therapie. Anaesthesist [Suppl 1] 44: S95
Schuetz WH, Lindner KH, Georgieff M et al. (1998) The effect of i.v. enalaprilat in chronically treated hypertensive patients during cardiac surgery. Acta Anaesthesiol Scand 42: 929–935
Unger T (2002) The role of the renin-angiotensin system in the development of cardiovascular disease. Am J Cardiol 89: 3A–10A
Wagner F, Yeter R, Bisson S et al. (2003) Beneficial hemodynamic and renal effects of intravenous enalaprilat following coronary artery bypass surgery complicated by left ventricular dysfunction. Crit Care Med 31: 1421–1428
Zarbock A, Prien Th, Aken H, Meißner A (2004) Umgang mit Dauermedikamenten in der perioperativen Phase. Anaesth Intensivmed 45: 361–371
Interessenkonflikt
Es besteht kein Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Schirmer, U., Schürmann, W. Zur perioperativen Gabe von ACE-Hemmern. Anaesthesist 56, 557–561 (2007). https://doi.org/10.1007/s00101-007-1177-x
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-007-1177-x