Die schwere Sepsis und der septische Schock sind offenbar eine der Haupttodesursachen bei kritisch kranken Patienten, auch wenn es bezüglich der Häufigkeit und der Mortalität der Sepsis unterschiedliche Angaben gibt [32, 50]. Es versterben 30–50% der Patienten mit Sepsis und bis zu 80% der Patienten mit septischem Schock [1, 2, 38, 59]. Während auf Normalstationen die Häufigkeit der Sepsis bei 2–3% liegt, sind es im intensivstationären Bereich 10–15% der Patienten, die eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock erleiden. Bezogen auf das gesamte Patientengut eines Krankenhauses entwickeln 10–45 von 1000 aufgenommenen Patienten eine Sepsis [2, 25, 50]. Betrachtet man nur Patienten auf Intensivstationen, so liegt die Inzidenz bei 144–163/1000 Patienten.

Die Prävalenz der schweren Sepsis und des septischen Schocks auf deutschen Intensivstationen wurde durch das SepNet (Kompetenznetzwerk zur Erforschung der Sepsis, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung) querschnittlich in einer repräsentativen Untersuchung in 454 Intensivstationen an 310 Krankenhäusern erfasst. Bei dieser groß angelegten Untersuchung wurden insgesamt 3877 Patienten gescreent. Von 1348 Patienten mit vorliegender Infektion, erfüllten 473 Patienten die Kriterien der Sepsis. Bei 415 Patienten lag eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock vor. Die Prävalenz der schweren Sepsis/des septischen Schocks betrug 11%. Pro Jahr erkranken damit in Deutschland schätzungsweise 75.000 Patienten an einer schweren Sepsis/einem septischen Schock. Bei einer Krankenhausmortalität, die in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung 47–62% beträgt, versterben damit jährlich ca. 40.000 Patienten (ca. 61 Patienten/100.000 Einwohner pro Jahr). In den USA sind es ca. 750.000 Patienten/Jahr, von denen 200.000 versterben [2]. Auch wenn die Mortalität in den letzten Jahren reduziert werden konnte [20], ist sie weiterhin inakzeptabel hoch. Vor dem Hintergrund der Fortschritte, z. B. in der operativen Medizin, die Eingriffe auch bei Hochrisikopatienten ermöglicht, einer steigenden Invasivität in der Intensivmedizin sowie demographischen Veränderungen einer alternden Gesellschaft, muss mit einer weiteren Zunahme gerechnet werden [2, 32]. Neue therapeutische Konzepte, wie die frühzeitige aggressive hämodynamische Stabilisierung und Verbesserung des peripheren Sauerstoffangebots („early goal-directed therapy“) [47], die konsequente Therapie erhöhter Blutzuckerwerte (intensivierte Insulintherapie) [6] oder der Einsatz von rekombinantem aktiviertem Protein C (rhAPC; Drotrecogin alfa, Xigris®)) [7] sind viel versprechend, müssen ihren Weg in die tägliche Routine allerdings noch finden. Nationale oder internationale Fortbildungsaktivitäten, wie die der Deutschen Sepsis-Gesellschaft (DSG) oder die Surviving Sepsis Campaign [17] sind geeignet, dieses Wissen zu verbreiten.

Die ökonomische Belastung, die durch die Sepsis verursacht wird, ist beträchtlich [36]. In den USA betragen die jährlichen Kosten schätzungsweiseUS$ 6,7 Mrd. [2]. Leider gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, die sich mit den Kosten einzelner Krankheitsbilder, speziell der Sepsis, auseinander setzen. Die unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung verhindern zusätzlich eine ausreichende Vergleichbarkeit der publizierten Ergebnisse [10, 21].In den meisten Studien wurden die Kosten durch Verteilung der entstanden Gesamtkosten auf die gesamte Patientenzahl ermittelt, andere rechneten mit der Vergütung, die für den jeweiligen Patienten erfolgt [21]. Genaue Angaben zu den wirklich entstandenen Kosten der Intensivtherapie bei individuellen Patienten lassen sich so allerdings nicht erreichen [34] und sind nur durch die Erfassung der direkten durch die Intensivbehandlung verursachten Kosten zu errechnen [23, 42]. Die Ausgaben für eine Antibiotikumtherapie resultieren beispielsweise nicht allein aus den Kosten des jeweiligen Antibiotikums. Zwischen 8–33% der Kosten entstehen durch Infusionssysteme, Lösungsmittel sowie durch den Arbeitsaufwand für Anmischung und Verabreichung [60]. Aktuell führen wir im Auftrag der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) eine multizentrische Untersuchung zu den Kosten der Intensivtherapie an deutschen Universitätskliniken durch. Hierbei werden auch die Kosten der Sepsistherapie erfasst.

Neben den hohen Kosten der Intensiv- oder Krankenhausbehandlung sind vor allem die sog. indirekten Kosten, die für die Gesellschaft durch den Produktivitätsverlust infolge zeitweisen oder permanenten Arbeitsausfalls oder durch das frühzeitige Versterben der Patienten entstehen, beträchtlich.

In Zeiten limitierter Budgets sind wir einem stetig steigenden Druck ausgesetzt, die Kosten in den einzelnen Bereichen des Gesundheitssystems zu reduzieren. Aufgrund dieses wachsenden Drucks steigt auch das Interesse an einer ökonomischen Effizienz, insbesondere dann, wenn es um die Einführung innovativer und möglicherweise teurer Therapien geht. Neben der therapeutischen Effektivität, spielen Fragen der Kosteneffektivität schon jetzt eine zunehmende Rolle. Am Beispiel von aktiviertem Protein C zur Therapie der schweren Sepsis lässt sich allerdings zeigen, dass weder der Nachweis einer therapeutischen Überlegenheit noch eine aus gesellschaftlicher Sicht gesicherte Kosteneffektivität ausreichen, um eine Therapie zu etablieren, wenn die Finanzierung auf der lokalen Ebene der Intensivstation nicht gesichert ist.

Kosten der Intensivtherapie

Die Intensivmedizin stellt einen der kostenintensivsten Bereiche in einem Krankenhaus dar [43, 57]. Auch wenn sich die Kosten nur schwer errechnen lassen, dürften sie einen Anteil von 5–20% des Krankenhausbudgets haben [15]. Intensivpatienten stellen allerdings kein kostenhomogenes Patientengut dar. Vielmehr verursacht ein relativ kleiner Anteil von schwer kranken Patienten einen überproportional hohen Teil der entstehenden Kosten [39, 43, 57]. Zwischen 40 und 70% der Intensivkosten werden durch Personalkosten verursacht. Neben dem größeren Anteil verbrauchter Ressourcen ist es daher vor allem die lange Liegedauer bei personalintensiver Behandlung, die zu hohen Gesamtkosten pro Patient führen [18, 35, 36, 52, 54]. Oye u. Bellamy [43] fanden deutlich höhere Intensivbehandlungskosten bei Patienten mit erhöhtem Krankheitsschweregrad [“acute physiology and chronic health evaluation (APACHE) score II]. Nach Aufteilung in 2 Patientengruppen stellten die Autoren fest, dass eine relativ kleine Gruppe von Patienten (8% der Intensivpatienten) fast 50% der Ressourcen verbrauchte.

Eine weitere Untersuchung zeigte ähnliche Ergebnisse [57]: Von insgesamt 10.606 Intensivpatienten verursachten 10% der Patienten 48,7% der Intensivliegetage und 50% der Gesamtkosten. Bei diesen Patienten lag nicht nur ein höherer Krankheitsschweregrad vor, auch die Infektions- und Sepsisraten sind deutlich erhöht [33, 35]. Wir konnten in einer eigenen Untersuchung zeigen, dass von den 10% der Patienten mit den höchsten direkten variablen Intensivbehandlungskosten 72% im Verlauf des stationären Aufenthalts Infektionen erlitten [33]. In einem „Matched-pair-Vergleich“ zweier Patientengruppen mit vergleichbaren Eigenschaften (Aufnahmegrund, Alter und Geschlecht), in der einen Gruppe mit Infektionen, in der anderen ohne Infektion, zeigten sich sowohl bei den mittleren direkten variablen Tageskosten (EUP 397 vs. EUR 305) als auch bei den Gesamtkosten pro Patient signifikante Unterschiede (EUR 14.507 vs. EUR 3985). In einer kürzlich durchgeführten Untersuchung konnten wir nachweisen, dass durch eine kleine Patientengruppe (3% von insgesamt 1631 Intensivpatienten) mit einer Liegedauer ≥20 Tage insgesamt 22% der Gesamtkosten verursacht wurde. Innerhalb dieses kostenintensiven Patientenkollektivs erfüllten 79% der Patienten Sepsiskriterien [39].

Die Therapiekosten und der Behandlungserfolg bei Patienten mit schwerer Sepsis wurden in einer britischen Untersuchung bei 213 Patienten einer Intensivstation (10 Monate in 1995) [18] analysiert. Dabei wurde bei 36 Patienten eine schwere Sepsis diagnostiziert (Inzidenz 17%, Letalität 53%). Die Autoren differenzierten die Sepsispatienten in Patienten mit Sepsis bei Aufnahme sowie bei Manifestation am zweiten Tag und im weiteren stationären Verlauf. Bei Patienten ohne Sepsis lagen die Kosten im Median bei US$ 1666/Patient, die Tageskosten bei US$ 751/Patient. Bei Sepsispatienten betrugen die direkten Patientenkosten im Median 10623 US$ und waren, abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens, 2- bis 11fach erhöht (Gesamtkosten zwischen US$ 3802–17.963/Patient, Tageskosten US$ 931–1079/Patient). In einer retrospektiven Analyse von 385 Patienten mit schwerer Sepsis aus 3 Universitätskrankenhäusern in Deutschland zeigten sich ähnlich hohe Kosten bei Sepsispatienten. Die mittleren Kosten der schweren Sepsis lagen bei EUR 23.297 (EUR 1318/Tag) [36]. Die Mortalität lag bei 43%, verglichen mit 53% in der britischen Studie.

In allen bisherigen Untersuchungen war die Liegedauer der Sepsispatienten im Vergleich zu Patienten ohne Sepsis deutlich verlängert. Die direkten Intensivbehandlungskosten der Sepsis in der deutschen Studie [53] fielen im Vergleich mit Daten aus Österreich [52] und der Schweiz [54] allerdings etwas niedriger aus (Tab. 1). Im Rahmen der in Deutschland durchgeführten Prävalenzstudie SepNet wurde aus 454 Intensivstation eine repräsentative Auswahl von 51 Intensivstationen besucht und neben strukturellen Daten auch die Kosten der Intensivtherapie an einem Stichtag erfasst. Auch hier zeigte sich, dass septische Patienten deutlich teurer waren als nichtseptische (EUR 1076±421 vs. 744±255). Diese erhöhten Kosten bei Patienten mit Sepsis zeigten sich unabhängig davon, ob der Patient in einem Krankenhaus der Maximalversorgung oder der Grundversorgung betreut wurde [37]. Neben den erhöhten Kosten für Therapie und notwendige diagnostische Maßnahmen (z. B. Mikrobiologie oder bildgebende Verfahren) sind die Therapiedauer und die daraus resultierenden hohen Personalkosten der Hauptgrund für diese Unterschiede. Dabei spielt der Aufnahmegrund natürlich eine Rolle; chirurgische Patienten waren teurer als internistische oder neurologische Patienten. Auch das Outcome hat einen entscheidenden Einfluss: Patienten, die nicht überlebten, sind teurer als die Überlebenden. Diesen Einfluss bestätigen frühere Untersuchungen; sie spiegeln den Versuch der Intensivmediziner wider, das Versterben der Patienten mit allen Mitteln zu verhindern [2, 14, 55]. Im Vergleich zu den britischen Daten wurde in der deutschen, aber auch in den Untersuchungen aus der Schweiz und Österreich, insgesamt höhere Kosten für die Intensivtherapie festgestellt. Diese Unterschiede resultieren möglicherweise aus einem unterschiedlichen Patientenkollektiv, mit einem etwas größeren Anteil an Traumapatienten in der deutschen Untersuchung im Vergleich zu der britischen Studie [59].

Tab. 1 Vergleich der direkten Kosten der Intensivtherapie und der indirekten Kosten

Neue Medikamente zur Therapie der Sepsis

Sepsistherapie gründet sich im Wesentlichen auf 3 Prinzipien, der kausalen Therapie (chirurgische Sanierung eines Infektionsherdes, Antibiotikumtherapie), supportive Therapien (Organersatzverfahren, wie die maschinelle Beatmung und Nierenersatzverfahren, hämodynamische Stabilisierung, enterale oder parenterale Ernährung) und adjuvante Therapien (Kortisonsubstitution beim septischen Schock und aktiviertes Protein C zur Therapie der schweren Sepsis) [22, 27].

Bisher waren die erhöhten Kosten der Sepsistherapie im Wesentlichen Folge der hohen Kosten supportiver Verfahren und im Bereich der medikamentösen Therapie auf hohe Antibiotikumkosten zurückzuführen [36]. Neue therapeutische Strategien, wie die engmaschig kontrollierte Blutzuckernormalisierung mithilfe von Insulingabe oder die frühe zielgerichtete Kreislauftherapie sowie der Einsatz von niedrig dosiertem Hydrokortison, sind in der Lage, die Mortalität zu reduzieren. Ihre Kosteneffektivität wurde bisher allerdings nicht untersucht [4, 6, 47]. In den letzten 10 Jahren wurden verschiedene Versuche unternommen, die generalisierte inflammatorische Reaktion des Körpers zu unterbrechen, ohne dass allerdings die erhoffte Reduktion der Letalität gezeigt werden konnte [5, 8]. Ein weiterer therapeutischer Ansatz liegt in der Behandlung der sepsisinduzierten, disseminierten intravasalen Gerinnung. Mit rhAPC, das antithrombotische, profibrinolytische und antiinflammatorische Eigenschaften besitzt, steht jetzt eine Substanz zur Behandlung der schweren Sepsis zur Verfügung, die eine signifikante Reduktion der Mortalität bewirkt (19,4% adjustierte relative Risikoreduktion) [7]. Das Medikament ist für Patienten mit mindestens Zweiorganversagen bzw. einem APACHE-II-Score >24 zugelassen. Eine Folgestudie [Administration of Drotrecogin Alfa (Activated) in Early Stage Severe Sepsis (ADDRESS) Study], die den Effekt bei Patienten mit geringerem Krankheitsschweregrad untersuchte (APACHE-II-Score <25 oder Einorganversagen), wurde aufgrund des fehlenden Behandlungserfolgs nach einer Interimsanalyse gestoppt. Die Kosten einer Therapie mit aktiviertem Protein C liegen (bei einem Einzelpreis von EUR 237,50/Charge) bei ca. EUR 7400/Patient. Die hohen Therapiekosten von aktiviertem Protein C haben nicht nur bewirkt, dass man sich in einer ungewohnt großen Anzahl von Studien mit der Frage der Kosteneffektivität auseinander setzte [3, 16, 19, 31, 40, 48, 56], sondern es kam auch zu einer regen Diskussion um die Frage, ob wir uns Fortschritte in der Intensivmedizin weiterhin leisten können [9, 46]. Neilson et al. kamen in einer Untersuchung zur Kosteneffektivität von rhAPC zu dem Schluss, dass die Intensivtherapiekosten von EUR 18.100 auf 26.400 steigen, wenn ein Patient behandelt wird. Die Kosteneffektivität wurde mit EUR 14.100/gewonnenen Lebensjahr kalkuliert und ist damit vergleichbar mit anderen lebensrettenden Maßnahmen [40]. Die Behandlung der schweren Sepsis mit rhAPC stellt daher – vom gesundheitsökonomischen Standpunkt her – eine kosteneffektive Maßnahme dar. Grundsätzlich muss eine therapeutische Strategie die Kosten nicht reduzieren, um als kosteneffektiv bewertet zu werden; sie sollte allerdings mit einem Nutzen verbunden sein, der die erhöhten Ausgaben rechtfertigt [14]. Das aktuelle Problem bei der Einführung innovativer Therapien, wie dem Einsatz von aktiviertem Protein C ist, dass auch ein nachgewiesener medizinischer Nutzen für den Patienten sowie die erwiesene Kosteneffektivität aus gesamtgesellschaftlicher Sicht, nicht unbedingt zu einer direkten Etablierung in die klinische Routine führen muss. In Zeiten limitierter Budgets wird möglicherweise auf den Einsatz kostenintensiver Verfahren verzichtet, um im Bereich der etablierten Standardtherapie keine Restriktionen erfahren zu müssen. Eine faire Kostenerstattung ist daher gerade im Bereich kostenintensiver klinischer Bereiche, wie der Intensivmedizin, notwendig, um einen Standard auf hohem Niveau zu erhalten und gleichzeitig neue Therapien in die Routine einführen zu können. Das deutsche „Diagnosis-related-groups- (DRG-)System“ ermöglicht neuerdings für innovative Verfahren eine Vergütung außerhalb des normalen Krankenausbudgets (NUB). In der Therapie der Sepsis treffen die Rahmenbedingungen für eine NUB auf die Therapie mit rhAPC zu (s. unten). Diese Chance der extrabudgetären Vergütung wird die Einführung von rhAPC in die klinische Routine möglicherweise erleichtern.

Gesamtkosten der Krankenhaustherapie und Langzeitkosten

Lucioni et al. [30] errechneten anhand von Daten aus 99 italienischen Intensivstationen, dass sich die Krankenhauskosten pro Patient mit dem Auftreten einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks nahezu verdoppeln. Bei Patienten, die im Verlauf des stationären Aufenthalts eine schwere Sepsis entwickelten, resultierten im Vergleich zu Patienten ohne Sepsis zusätzliche mittlere Kosten von EUR 15.200/Patient. In einer kanadischen Studie wurden 1999 retrospektiv die Krankenhauskosten von 100 Patienten mit schwerer Sepsis/septischem Schock über einen Zeitraum von 28 Tagen ausgewertet [28]. Die mittleren Krankenhaustageskosten beliefen sich auf 1064 kanadische Dollar (CND$), die Gesamtkosten auf CND$ 11.474/Patient (1 CND$ = 0,71 EUR). Der Anteil der Intensivtherapie an den Gesamtkosten betrug 38% im Vergleich zu 18% für die Normalstation. Ärztliche Personalkosten wurden gesondert berechnet (8% der Gesamtkosten). Auf dem Boden dieser 28-Tage-Erhebung errechnen die Autoren für die Sepsis direkte jährliche Kosten von CND$ 36,4–72,9 Mio. für das kanadische Gesundheitssystem. Ergänzt man die Kosten, die nach dem 28. Tag entstehen, dann liegen die geschätzten Gesamtkosten bei CND$ 151,4 Mio./Jahr. In einer epidemiologischen Studie errechneten Angus et al. [2] die Kosten der schweren Sepsis in den USA über die Krankenhausvergütung („charges“) der entsprechend verschlüsselten Fälle anhand der Intensiv- und Krankenhausliegedauer. Die mittleren Kosten pro Patient betrugen US$ 22.100 (mittlere Liegedauer 19,6 Tage). Bei Patienten, die nicht überlebten, lagen die Kosten mit US$ 25.900 deutlich höher als bei den Überlebenden (US$ 20.600). Die Kosten für chirurgische Patienten mit Sepsis waren deutlich höher als die für internistische Patienten (US$ 30.800 vs. US$ 19.700). Die direkten Kosten wurden durch den Krankheitsschweregrad, das Geschlecht und das Alter der Patienten beeinflusst. Infolge unterschiedlicher Liegedauer lagen die Krankenhauskosten bei Männern höher als bei Frauen (US$ 23.000 vs. US$ 21.200). Bei Patienten mit nur einem Organversagen waren die Kosten deutlich niedriger, verglichen mit den Patienten mit >Vierorganversagen (US$ 19.500 vs. US$ 32.800). Der Einfluss des Alters war ausgeprägt (<1 Jahr US$ 54.300, 1–19 Jahre US$ 28.000, Erwachsene US$ 21.000–25.000, >85 Jahre US$ 14.600). Aufgrund der höheren Inzidenz war der Anteil an den Gesamtkosten durch ältere Patienten jedoch am höchsten (Patienten >75 Jahre = 30,8% der Gesamtkosten). Anhand dieser Daten errechneten die Autoren für die USA Gesamtkosten von US$ 16,7 Mrd.

Über die Langzeitkosten der Sepsis ist bisher nur wenig bekannt. Quartin et al. haben festgestellt, dass bei Patienten mit Sepsis, die die ersten 30 Tage überlebt hatten, eine niedrigere Lebenserwartung besteht als bei nichtseptischen Patienten [44]. Die Therapiekosten sind auch in den folgenden Jahren noch deutlich erhöht und haben sich nach 5 Jahren, ausgehend von den initialen Krankenhauskosten, mehr als verdoppelt [58]. Hierbei besteht eine Korrelation zwischen dem Schweregrad der Sepsis (Zahl der Organversagen) und den Langzeitkosten.

Indirekte Kosten der Sepsis

Indirekte Kosten entstehen der Gesellschaft infolge des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls, der Frühberentung und des Versterbens [11, 24, 29]. Ausgehend von 44.000–95.000 Fällen/Jahr mit schwerer Sepsis in Deutschland schätzten Schmid et al. [53] die mittleren Kosten von EUR 3432/Patient infolge temporärer und EUR 10.159/Patient infolge permanenter Arbeitsunfähigkeit bei den überlebenden Patienten. Aus der hohen Letalität errechnen sich zusätzliche Kosten von EUR 46.000/Patient. Insgesamt belaufen sich die indirekten Kosten der Sepsis in Deutschland, den Schätzungen der Autoren folgend, auf EUR 2024–4370 Mio. Im Rahmen der Studien zur Kosteneffektivität von rhAPC wurden neben den direkten Krankenhauskosten teilweise auch die Folgekosten, die nach Überleben einer Sepsis für das Gesundheitssystem entstehen, sowie die indirekten Kosten durch Arbeitsausfall geschätzt [31]. Die Kosten pro überlebendem Patienten („costs per life saved“) betragen US$ 160.000. Verglichen mit der statistischen Lebenserwartung der US-Normalpopulation (alters- und geschlechtsadaptiert) müssen für die Überlebenden pro gewonnenes Lebensjahr US$ 27.936 ausgegeben werden. Bei ausschließlicher Aufnahme von Patienten mit höherem Krankheitsschweregrad (APACHE-II-Score >25) zeigte sich eine deutlich bessere Kostenrelation (US$ 785.000/Überlebenden; US$ 19.723/gewonnenes Lebensjahr). Der Vergleich der verschiedenen Studien wird nicht nur durch die Aufnahme unterschiedlicher Patientenpopulationen erschwert. Studien aus verschiedenen Ländern legen zudem unterschiedliche Kosten für verbrauchte Ressourcen zugrunde und haben unterschiedliche Personalkosten sowie eine andere Versorgungsstruktur bezüglich der Bettenzahl der Intensivstastion und der Personalausstattung [12, 13]. Es muss dabei weiterhin berücksichtigt werden, welche Kosten erfasst wurden, wie genau diese Erfassung war, und aus welcher Perspektive diese Kosten beurteilt wurden. Auch der Zeitpunkt der Untersuchung spielt eine Rolle: Für internistische Intensivpatienten wurden Behandlungskosten für das Jahr 1997 von DM 11.489/Patient errechnet [26]. Anhand eines Vergleichkollektivs aus dem Jahre 1992 konnten die Autoren zeigen, dass die Kosten der Intensivtherapie innerhalb von 5 Jahren aufgrund neuer Therapieverfahren und höherer Personalkosten um 44% gestiegen waren [26].

Die Abbildung der Sepsis und ihrer Therapie im Diagnosis-related-groups-System

Die schwere Sepsis, ein Krankheitsbild mit hoher Morbidität und Mortalität, ist in dem auf die Grundursache ausgelegten DRG-System sehr unterschiedlich abgebildet. Je nach Ätiologie der Sepsis sowie je nach Notwendigkeit und Dauer einer Respiratortherapie gelangt ein Patient mit diesem Krankheitsbild in extrem differente Fallgruppenpauschalen. Im bisherigen System wurden gerade die besonders schweren Fälle, die häufig von infektiologischen Komplikationen mit Auftreten von Sepsis und Multiorganversagen geprägt werden, unzureichend vergütet. Eine eigene in 2003 durchgeführte Untersuchung zeigte, dass ein Defizit von EUR 2,6 Mio. entstanden wäre, wenn die intensivmedizinische Leistung zu diesem Zeitpunkt anhand des damaligen DRG-Katalogs vergütet worden wäre. Gerade die schwere Sepsis trug in erheblichem Maße zu diesem Problem bei. Ein extrem kleiner Anteil von Patienten (3%) verursachte immerhin 23% der insgesamt entstandenen Kosten. In dieser Gruppe lag der Anteil der Patienten mit schwerer Sepsis bei 79%. Einiges ist seitdem geschehen, um in Zukunft eine ausreichende Vergütung intensivmedizinischer Leistungen zu gewährleisten, und gerade für Patienten mit schwerer Sepsis steigt damit die Chance einer adäquaten Vergütung intensivmedizinischer Leistungen.

Kodierung der Sepsis

Um in den nächsten Jahren eine aufwandgerechte Vergütung herbeiführen zu können, haben DSG und DIVI erstmalig und erfolgreich Merkmale (in Form von gesetzlich verbindlichen Diagnosen- und Prozedurenschlüsseln) für diese Patienten beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beantragt (Tab. 2, Näheres unter: http://www.dimdi.de). Neue Diagnosen-Zusatzkodes für das systemische inflammatorische Response-Syndrom (SIRS) und die schwere Sepsis („R65.-!“), die zusätzlich zu den primären „Sepsis-Kodes“ (z. B. A41.0 für Sepsis durch Staphylococcus aureus) kodiert werden, sollen die Patienten in der Kostenkalkulation erkennbar machen, die – nach den Kriterien der DSG – eine schwere Sepsis oder ein SIRS haben.

Tab. 2 Zusatzschlüssel: SIRS-Kodes für SIRS infektiöser Genese

Um therapeutische Maßnahmen im Entgeltsystem korrekt abzubilden, ist die richtige Anwendung der neuen „International-classification-of-diseases- (ICD-10)Schlüssel“ für schwere Sepsis von hoher Bedeutung (Tab. 2).

Alle Intensivmediziner sollten die neuen Kodierungen in Zukunft unbedingt verwenden, da nur auf dieser Grundlage im Jahr 2007 eine aufwandgerechte Vergütung beantragt werden kann.

Als Prozedur wurde u. a. auch die Dokumentation der Gabe von rhAPC gesetzlich verankert. So kann bei der Kostenkalkulation der Daten aus 2005 erkennbar gemacht werden, dass z. B. dieses kostspielige Medikament unter Umständen einen großen Teil der Fallkosten ausgemacht hatte. Fast immer müssen Patienten mit einer schweren Sepsis auf einer Intensivstation behandelt werden. Die anfallenden Kosten wurden im Entgeltsystem bislang hauptsächlich über die Beatmungsstunden repräsentiert. Jedoch werden bei weitem nicht alle Patienten mit einer schweren Sepsis so lange beatmet, wie sie auf der Intensivstation liegen. Außerdem ist ein beatmeter Patient mit schwerer Sepsis im Schnitt teurer als ein beatmeter Patient ohne schwere Sepsis.

Intensivmedizinische Komplexbehandlung OPS-Kode 8–980

Mit der Einführung der sog. intensivmedizinischen Komplexbehandlung wird dem Grundproblem Rechnung getragen, dass die besonders kostenaufwändigen intensivmedizinischen Leistungen weniger an das Vorliegen einer bestimmten Hauptdiagnose, sondern vielmehr an die Behandlung von Organsystemen geknüpft ist. Mit der Einführung der Operationenschlüssel- (OPS-)Kodes 8–980 wird diesem Problem Rechnung getragen. Diese ist allerdings an die folgenden Strukturbedingungen („Mindestmerkmale“) geknüpft, die für ihre Anwendung erfüllt sein müssen:

  • Es muss eine kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme der Patienten kennen, gewährleistet sein.

  • Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein.

Zur quantitativen Bewertung werden täglich Aufwandpunkte ermittelt. Hierfür werden die „Simplified-acute-physiology-score- (SAPS-)II-Punkte [ohne die „Glasgow-coma-scale- (GCS-)Punkte] errechnet und einige besonders aufwändige Maßnahmen (etwa apparative Beatmung, Infusion multiple Katecholamine, Flüssigkeitsersatz über 5 l/24 h, Linksvorhofkatheter/Pulmonaliskatheter, Hämofiltration etc.) über die entsprechenden „Therapeutic-intervention-scoring-system- (TISS-)Punkte“ hinzugefügt. Die täglichen Aufwandspunkte werden über die gesamte Dauer der Intensivbehandlung aufsummiert.

Bereits für 2006 werden in eigens hierfür neu- bzw. umgestalteten DRGs für Fälle mit mehr als 1104 Aufwandspunkten nach dieser OPS-Ziffer vergütet: Intensivmedizinische Aufwandspunkte dienen als Splittkriterien in den Langzeitbeatmungs-DRGs (A06A/B, A07A/C, A11A, A13A). Darüber hinaus werden intensivmedizinische Komplexziffern auch außerhalb der prä-MDC in der MDC 05 (F97Z), der MDC 06 (G36Z) und der MDC 21A Polytrauma (W36Z) bei der Gruppierung berücksichtigt.

Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

Die Einführung innovativer Therapien ist häufig mit höheren Kosten verbunden, die im Fallpauschalenkatalog und der diesem zugrunde liegenden Kalkulation nicht abgebildet sind und damit möglicherweise nicht sachgerecht vergütet werden. Geregelt durch den § 6.2 des Krankenhausentgeltgesetzes ist die zeitlich befristete Vereinbarung gesonderter Entgelte oder Zusatzentgelte unter Begrenzung auf ausgesuchte Schwerpunktkrankenhäuser möglich.

Im Jahr 2005 war die Therapie mit rhAPC bei schwerer Sepsis mit 175 beantragenden Häusern der absolut am häufigsten gestellte Antrag. Für das Jahr 2006 galt dies ebenso mit 200 beantragenden Krankenhäusern. Aus dem positiven Antrag resultierte die Möglichkeit, entsprechende Entgelte für die Therapie mit der Krankenkasse zu verhandeln.

Fazit für die Praxis

Die Sterblichkeit bei Patienten mit schwerer Sepsis ist weiterhin außerordentlich hoch. Diese Patienten haben eine lange Intensiv- und Krankenhausverweildauer und verursachen hohe Behandlungskosten. Die hohen direkten und indirekten Kosten dieses Krankheitsbildes verursachen Gesamtkosten, die eine beträchtliche Belastung für unsere Gesellschaft darstellen.