Das ambulante Operieren wurde im § 115b des Sozialgesetzbuches (SGB), fünftes Buch im Jahr 1992, ausdrücklich als „ambulantes Operieren im Krankenhaus“ definiert und eingeführt. Zulassung und Ausweitung des ambulanten Operierens auf die vertragsärztliche Praxis erfolgten erst später und führten zu einer deutlichen Verlagerung der Operationen aus dem Krankenhaus in die Praxis. Das ambulante Operieren ist von Beginn an als ein „Sparpotenzial in Milliardenhöhe“ konzipiert gewesen, von dessen Erfolg sowohl Politiker als auch Ärzteorganisationen überzeugt waren [5].

Wie ist die Rechtslage?

Bei der Durchführung von ambulanten Eingriffen kam dem Fach Anästhesie eine besondere Bedeutung zu. Lange vor der Veröffentlichung des Gesundheitsstrukturgesetzes 1992 wurden in der Bundesrepublik Deutschland ambulante Operationen durchgeführt, an denen Anästhesisten beteiligt waren. Deshalb hat der Berufsverband Deutscher Anästhesisten bereits 1989 eine Stellungnahme zur Qualitäts- und Qualifikationssicherung praxis-ambulanter Anästhesie [1] veröffentlicht, in der, ohne auf die Indikation für die durchzuführende Anästhesie einzugehen, Qualitätsmaßstäbe für praxis-ambulant und klinik-ambulant durchzuführende Anästhesien festgelegt worden sind. Sie betrafen die persönliche Qualifikation des die Narkose durchführenden Arztes, die organisatorischen Voraussetzungen, personelle Voraussetzungen, apparative- und instrumentelle Ausstattung sowie räumliche Voraussetzungen in der Praxis. Die 1998 in der Zeitschrift Anästhesiologie und Intensivmedizin veröffentlichten „Leitlinien für ambulantes Operieren bzw. Tageschirurgie“ [4] beschäftigten sich zum ersten Mal mit der Patientenselektion für ambulante Eingriffe. Die Berücksichtigung insbesondere sozialer Aspekte ergab sich aus den Bestimmungen, die von den Spitzenverbänden der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum ambulanten Operieren erlassen wurden. Deshalb finden sich in den Ausführungen der zitierten Leitlinien zum ersten Mal genaue Hinweise für die Patientenauswahl sowie Entlassungskriterien nach der durchgeführten ambulanten Operation.

Die Leitlinien fordern, dass der Patient, der ambulant operiert werden soll, durch eine

verantwortliche Person für den Heimtransport sowie für die postoperative Überwachung in den ersten 24 Stunden

begleitet wird. Ferner fordern die Leitlinien, dass die den Patienten in den ersten 24 Stunden betreuende Person

in der Lage sein soll, die Instruktionen zu verstehen und physisch und mental in der Lage sein, Entscheidungen zum Wohle des Patienten, wenn notwendig, zu treffen.

In den Entlassungskriterien wird zusätzlich ausgeführt, dass dem Patienten bei der Entlassung nach Hause

eine schriftliche und mündliche Instruktion für alle relevanten Aspekte der postnarkotischen und postoperativen Nachsorge, auch der Begleitperson, übermittelt und mitgegeben werden soll.

Die Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen bei ambulanten Operationen und bei sonstigen stationsersetzenden Leistungen gemäß § 15 des Vertrages nach § 115, Abs. 1, SGB V, zwischen den GKV-Spitzenverbänden und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Köln, erwähnt die postoperative Nachsorge des Patienten mit keinem Wort. In der Anlage 2 zum Vertrag nach § 115b, Abs. 1, SGB V, werden unter (2a) lediglich die „Tatbestände“ aufgezählt, die eine Sicherstellung der Versorgung bzw. der pflegerischen Nachbetreuung des Patienten im familiären bzw. häuslichen Umfeld gefährden und somit eine Kontraindikation für ambulantes Operieren darstellen. Die Bedeutung und die Rolle einer „begleitenden Person“ wird in diesem Dokument nicht erwähnt und nicht erörtert.

In der im Januar 2005 erschienenen Entschließung des BDA und der DGAI zur „Qualitätssicherung ambulante Anästhesie“ [2], die eine Fortsetzung der Leitlinien aus dem Jahr 1998 ist, werden an die Person, die die Versorgung des Patienten nach der Entlassung aus der Ambulanz gewährleisten soll, dieselben Anforderungen wie bereits 1998 gestellt. Darüber hinaus wird in der Entschließung festgestellt,

der Operateur prüft und dokumentiert die entsprechende Sozialanamnese und informiert den Anästhesisten.

In einem Kommentar zu der soeben erschienenen Vereinbarung zur Qualitätssicherung „ambulante Anästhesie“ des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen [3], deren Wortlaut identisch mit der Entschließung aus dem Jahr 2005 ist, betont Weißauer [6], gestützt auf den Text der Vereinbarung:

An praxis- und klinik-ambulant durchgeführte Anästhesieverfahren müssen die gleichen Qualitätsmaßstäbe angelegt werden wie an stationäre; sie haben sich auch nach den medizinischen Erfordernissen und dem aktuellen Leistungsstandard des Fachgebietes zu richten.

Hierzu stellt Weißauer kommentierend fest, dass die ambulante Durchführung von Narkosen und Operationen (neben der Prüfung, ob der Eingriff hic et nunc indiziert ist), die zusätzliche Prüfung, ob sich durch die ambulante Durchführung die Erfolgsaussichten gegenüber einer stationären Behandlung verschlechtern und/oder verbessern, gehören.

Zu prüfen ist, ob es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Nutzen-Risiko-Bilanz, die jeder ärztlichen Indikationsstellung zugrunde liegt, beim ambulanten Eingriff (z. B. wegen des schlechten Allgemeinzustands des Patienten, wegen Vor- und Begleiterkrankungen oder fehlender häuslicher Pflege) verschlechtern würde [6].

Wie sieht die Praxis aus?

Gesicherte statistische Daten über die medizinischen Erfolge und/oder Misserfolge im Zusammenhang mit ambulantem Operieren existieren nicht. Wer sich die Mühe machen wollte, epidemiologische Daten zu diesem Thema zusammenstellen zu wollen, wird zu dem Ergebnis kommen, dass es diese nicht gibt. Bekanntlich werden vom Statistischen Bundesamt Deutschland weder Erfassungen der stationär noch der ambulant durchgeführten operativen Eingriffe bzw. Anästhesien durchgeführt. Theoretisch könnten Daten über die Anzahl von ambulanten Operationen, nicht aber der Zwischenfälle, bei den zahlreichen Kassenärztlichen Vereinigungen, die die Abrechnungen durchführen, abgefragt werden; dies würde jedoch einen enormen Arbeits- und Zeitaufwand bedeuten. Hinzu kommt, dass zusätzlich eine beachtliche Anzahl von ambulanten Eingriffen von den privaten Krankenversicherungen finanziert und abgerechnet wird. Nicht zuletzt stößt das Erfassen von Daten über die Gesamtanzahl der ambulanten Operationen aus Datenschutzgründen auf Probleme und ist deshalb praktisch kaum möglich.

Gänzlich unmöglich ist es, eine Auskunft über Zwischenfälle beim ambulanten Operieren zu erhalten. Das ist außerordentlich bedauerlich, zumal inzwischen zahlreiche Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland mit Klagen über Zwischenfälle, die sich beim oder nach ambulantem Operieren ereignet haben, und die zu bleibenden Schäden oder sogar zum Tode des Patienten geführt haben, beschäftigt sind.

In vielen der stattfindenden Prozesse, insbesondere Strafprozesse, spielt die Betreuung des Patienten nach der Entlassung aus der Praxis eine wichtige Rolle. Allein aus meiner forensischen Tätigkeit ist in den letzten 3 Jahren über 9 tödliche Zwischenfälle im Zusammenhang mit ambulantem Operieren zu berichten gewesen, bei denen die postoperative Betreuung des Patienten durch die „geeignete Person“ bzw. die Person, die nach den Leit- und Richtlinien „die notwendigen Entscheidungen zum Wohle des Patienten“ treffen sollte, aus den verschiedensten Gründen versagt hat.

Dabei wird besonders deutlich, dass die Forderungen, Beteuerungen bzw. Verpflichtungen, die in den neuesten Vereinbarungen zur Qualitätssicherung für die ambulanten Anästhesien und die Operationen zu finden sind, wonach sowohl für den Anästhesisten als auch für den Chirurgen die gleichen Qualitätsmaßstäbe angelegt werden müssen wie an eine stationäre Behandlung, allenfalls für die Zeit des Aufenthalts des Patienten in der ambulanten Praxis einzuhalten sind.

Wesentliche kostensparende Faktoren bei der Durchführung von ambulanten Operationen sind die Unterbringung des Patienten in seiner häuslichen Umgebung und das Wegfallen der stationären Behandlung. Somit ist diese Phase der Behandlung, zumindest in den ersten postoperativen 24 Stunden, unumstritten als ein Teil der Gesamtbehandlung und als ein Ersatz für die stationäre Betreuung zu verstehen.

Die ausdrücklich gewollte Einbindung einer den Patienten zu Hause betreuenden „Begleitperson“ am gesamten Behandlungskomplex „ambulantes Operieren“ bürdet dieser „Begleitperson“ nicht nur eine Verantwortung auf, sondern macht zugleich die in der Präambel geforderten Bedingungen von gleichen Maßstäben, wie sie bei stationären Behandlungen gelten, unerfüllbar. Zugleich wird für die zu übernehmende Aufgabe in der Regel eine Person in Kauf genommen, deren Eignung für diese Aufgabe kaum beurteilt werden kann und bei den Untersuchungen ex post meistens als „gar nicht vorhanden“ festgestellt werden muss.

Die Betreuung der Patienten in der postoperativen Phase birgt eine Reihe von potenziellen Gefahren in sich.

Die stattgefundenen prozessualen Auseinandersetzungen zeigen in einer Reihe von Beispielen, dass die Begleitperson allzu häufig die ihr in den Leit- und Richtlinien zugedachten Aufgaben nicht zu erbringen in der Lage ist. Die in den Richtlinien bzw. Leitlinien enthaltene Forderung, dass diese Person „notwendige Entscheidungen zum Wohle des Patienten“ treffen soll, bedeutet nicht mehr als einen in der Regel durch keine nachprüfbaren Fakten begründeten Wunsch oder eine Hoffnung.

Die Antwort auf die Frage, wer die geforderte physische und mentale Stärke dieser Begleitperson und aufgrund welcher Erkenntnisse ex ante beurteilen soll, ist an keiner Stelle der Leitlinien bzw. Entschließungen enthalten bzw. kommentiert. Da weder die psychische noch die mentale Stärke der Begleitperson, die in der Regel über keine fachliche Kompetenz verfügt, vor der Durchführung von ambulanten Operationen geprüft und beurteilt werden kann, ist dieser Person für die ihr zugedachten Aufgaben, in den meisten Fällen, nicht mehr als eine Alibifunktion zuzuerkennen.

Demgegenüber gehört zum Standard einer jeden postoperativen Betreuung der stationär operierten Patienten eine ausgebildete Krankenpflegekraft. Ihre Ausbildung und ihre Erfahrung sind der Garant für die sachgerechte Erfüllung ihrer Aufgaben. Zugleich wird deutlich, dass diese Versorgungsqualität durch eine „Begleitperson“ nicht gewährleistet und schon gar nicht ersetzt werden kann.

Für das ambulante Operieren können die fachspezifischen Qualitätsstandards, wie sie für die stationäre Patientenversorgung gelten, nicht erfüllt werden.

Fallbeispiele

Aus den bereits stattgefundenen gerichtlichen Prozessen sollen zwei kurze Beispiele erläutert werden:

  • In einem Raum in einem Krankenhaus ohne Überwachungsgeräte und ohne Personal werden ein Vater und eine Mutter beauftragt, ihre operierten Kinder zu überwachen. Die Kinder schlafen, die beiden Elternteile kommen ins Gespräch und beachten die Kinder für eine kurze Zeit nicht. Als sodann der Vater nach seinem Sohn schaut, muss er feststellen, dass das Kind nicht mehr atmet und blau verfärbt ist. Die sofort erfolgte Reanimation war erfolglos. Das Kind verstarb.

  • Ein kleines Kind wird einige Stunden nach einer banalen Operation den Eltern übergeben. Sie fahren mit ihm nach Hause. Das Kind bekommt in kurzer Zeit hohes Fieber, das die Eltern nicht sofort bemerken. Drei Stunden nach der Entlassung aus der ambulanten Praxis wird ein Hausarzt herbeigerufen. Er muss das Kind reanimieren. Seine Bemühungen bleiben erfolglos.

In beiden Fällen waren die Begleitpersonen mit der Überwachung überfordert. Sie haben über die möglichen Gefahren keine Vorstellung gehabt und waren deshalb nicht genügend wachsam. Der Vater hatte von einer möglichen Atemdepression nach einer Allgemeinanästhesie noch nie etwas gehört, und die Eltern des anderen Kindes waren beruhigt, dass das Kind schlief, ohne rechtzeitig die Temperatur gemessen zu haben.

In drei anderen Fällen wurde das zunehmende Ödem im Bereich der Subglottis bei einem Kind nicht rechtzeitig bemerkt, eine aufgetretene massive Nachblutung zu spät gemeldet und eine späte Nachwirkung eines Analgetikum nicht rechtzeitig erkannt.

Fazit

Die erhofften Milliardenersparnisse durch das ambulante Operieren haben sich in dem vermuteten Umfang bisher nicht bestätigt. Leider müssen inzwischen nachweislich viele Todesfälle beklagt werden, über die in der Öffentlichkeit überhaupt nicht berichtet wird. Das Einschalten einer „Begleitperson“ ersetzte zwar die Beschäftigung einer an dieser Stelle früher tätigen geschulten Krankenpflegeperson und half dadurch die Behandlungskosten zu senken. Die Hoffnung, damit die Qualitätssicherung des ambulanten Operierens gewährleisten zu können, erfüllte sich indes nicht.

Das ganze Ausmaß der dadurch entstehenden Probleme wird erst bei prozessualen Auseinandersetzungen deutlich. Erst dann wird die gesamte Unzulänglichkeit der getroffenen Lösung klar, abgesehen von der psychischen Belastung durch Vorwürfe, die die „Begleitperson“ häufig über sich ergehen lassen muss. Es sind meistens Eltern, die sich später selbst Vorwürfe machen müssen, ihr Kind vielleicht doch nicht gewissenhaft genug überwacht zu haben, obwohl sie dafür, in den meisten Fällen jedenfalls, keine Schuld tragen.