In Deutschland erkranken jährlich bis zu 100.000 Patienten an einer schweren Sepsis und verursachen 20–40% der Kosten auf Intensivstationen. Störungen der mikrovaskulären Perfusion treten bereits in einer frühen Phase der Sepsis auf und scheinen eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie der Sepsis zu spielen. Methoden, die Aufschluss über das Ausmaß der Mikrozirkulationsstörungen geben, können als neue Werkzeuge in der Sepsisforschung und zukünftig als Monitoringverfahren in der klinischen Beurteilung kritisch kranker Patienten eingesetzt werden.

Sepsis beschreibt ein komplexes klinisches Syndrom, das durch eine überschießende und schädliche Immunantwort des Organismus auf eine Infektion charakterisiert ist [20]. Schwere Sepsis ist als Sepsis mit Organdysfunktion, Perfusionsstörungen oder Hypotension definiert. In Deutschland erkranken jährlich etwa 44.000–95.000 Patienten an einer schweren Sepsis [65, 81]. Trotz neuer und teilweise viel versprechender Therapieansätze [5, 14, 15, 75] bleiben Inzidenz und Letalität der verschiedenen Formen der Sepsis hoch. Die Sterblichkeit bei Sepsis beträgt 20%, bei schwerer Sepsis 20–40% und beim septischen Schock 40–60% [16]. Sepsis ist derzeit in den westlichen Industrieländern eine der häufigsten Todesursachen von Intensivpatienten.

Störungen der Mikrozirkulation spielen in der Pathophysiologie der Sepsis eine entscheidende Rolle [22]. Wenn es nicht gelingt, die mikrozirkulatorische Perfusion rasch wiederherzustellen, kann es zum Entstehen von Organdysfunktionen, Multiorganversagen und schließlich zum Tod des Patienten kommen [78]. In dieser Übersichtsarbeit soll ein Überblick über die mikrozirkulatorischen Veränderungen bei Sepsis gegeben werden und insbesondere auf Monitoringverfahren der Mikrozirkulation bei kritisch kranken Patienten eingegangen werden.

Definitionen der Sepsis

Bis vor gut 10 Jahren existierte eine große Heterogenität der Sepsisdefinition. In einer Konsensus-Konferenz wurde vom American College of Chest Physicians (ACCP) und der Society of Critical Care Medicine (SCCM) im Jahr 1991 erstmals eine einheitliche international akzeptierte Definition der Sepsis und des „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) erarbeitet [2]. In den folgenden Jahren fand diese Definition weit reichende Anwendung in der Patientenversorgung und bildete die Grundlage vieler klinischer Studien. Die relativ einfache, sich auf wenige Marker stützende Definition des SIRS wurde jedoch zunehmend kritisiert.

Aufgrund der anhaltenden Diskussion über die Sepsiskriterien und des wachsenden Verständnisses der Pathophysiologie der Sepsis wurden 2001 die Definitionen der Sepsis und des SIRS überarbeitet [59]. Hierbei wurden die Grundpfeiler der Sepsisdefinition, nämlich die Infektion als Ursache und die inflammatorische Antwort des Organismus, beibehalten. Die Diagnosekriterien der systemischen inflammatorischen Antwort wurden jedoch um eine Reihe klinischer und biochemischer Parameter erweitert (Tabelle 1). Der Bedeutung der Mikrozirkulationsstörungen in der Sepsis wurde mit der Berücksichtigung von neuen Parametern Rechnung getragen und in die Diagnosekriterien aufgenommen: Ödeme und eine verzögerte Rekapillarisierung sind Ausdruck einer gestörten Barrierefunktion des mikrovaskulären Endothels und einer kompromittierten peripheren Zirkulation. Eine erniedrigte gemischtvenöse Sättigung und ein erhöhter Serum-Laktat-Spiegel dienen als systemische Marker der sepsisinduzierten Gewebehypoxie [90]. Während ein invasives makrohämodynamisches Monitoring mittlerweile zum Standard bei der Behandlung septischer Patienten gehört, können die mikrozirkulatorischen Dysfunktionen hiermit nur unzureichend erfasst werden [78]. Moderne Monitoringverfahren ermöglichen es jedoch, bereits die zugrunde liegenden Mikrozirkulationsstörungen genauer zu beschreiben und zu quantifizieren. Darüber hinaus ermöglichen diese Verfahren Aussagen über die Prognose des septischen Patienten.

Tabelle 1 Diagnostische Kriterien der Sepsis (SCCM/ESICM/ACCP/ATS/SIS Konsensus-Konferenz 2001; nach Levy et al. [59])

Pathogenese der Sepsis

Eine Sepsis entsteht, wenn sich die zunächst adäquate immunologische Reaktion des Körpers auf eine Infektion durch Mikroorganismen der physiologischen Regulation entzieht und pathologisch verstärkt wird [20].

Die initiale Aktivierung erfolgt abhängig vom sepsisinduzierenden Erreger. Lipopolysaccharide (LPS) der Bakterienmembran gramnegativer Bakterien können eine systemische inflammatorische Reaktion hervorrufen. Bei grampositiven Erregern scheinen als sepsisinduzierende Komponenten vor allem Exotoxine (z. B. „Toxic-shock-syndrome-Toxin 1“) eine entscheidende Rolle zu spielen; einige Exotoxine können auch als „Superantigene“ zu einer Verstärkung der Immunantwort auf LPS führen [20].

Die Erkennung der mikrobiellen Komponenten durch das Immunsystem erfolgt über sehr unterschiedliche Wege. LPS, gebunden an ein LPS-bindendes Protein, führt über CD14 und einen „toll like rezeptor“ (TLR) oder CD11b/CD18 zu einer Aktivierung von NF-κB und schlussendlich zu einer vermehrten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen [u. a. Interleukin- (IL)-1, IL-6, IL-12, IL-18 und Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α] [71].

Die proinflammatorischen Mediatoren bewirken einerseits eine vermehrte Expression von β2-Integrinen (CD11/CD18) auf Leukozyten und andererseits eine gesteigerte Expression von Adhäsionsmolekülen auf der Zelloberfläche von Endothelzellen [z. B. P-Selectine, E-Selectin, „intercellular adhesion molecule- (ICAM-)1“] [20]. Hierdurch kommt es zunächst zu einem Rollen der aktivierten Leukozyten an der Endothelzelloberfläche, einer Adhärenz und späteren Transmigration der aktivierten Leukozyten in das Interstitium.

Einige proinflammatorische Zytokine (v. a. TNF-α, IL-1 und IL-6) zeigen gleichzeitig eine ausgeprägte gerinnungsaktivierende Wirkung und führen zu einer gesteigerten Expression des „tissue factors“ auf Monozyten und Endothelzellen. Zusätzlich kommt es im Rahmen des septischen Geschehens zu einer verminderten Produktion wichtiger antikoagulatorisch wirksamer Proteine (Antithrombin und Protein C). Gleichzeitig sind die regulierenden fibrinolytischen Vorgänge durch erhöhte Plasmaspiegel des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors-1 (PAI-1) gestört. Dem Protein C, das aus seiner inaktiven Vorstufe durch thrombomodulingebundenes Thrombin in seine aktiven Form (aPC) überführt wird, scheint hierbei eine wichtige antikoagulatorische und antiinflammatorische Rolle zuzukommen [15, 62].

Die immunologischen und gerinnungsaktivierenden Vorgänge in der Pathogenese der Sepsis führen im Weiteren zu einer mikrozirkulatorischen Dysfunktion. Die mikrovaskuläre Barrierefunktion wird gestört, und es kommt zur Ausbildung von Ödemen [18, 23]. Eine Dysregulation des (mikro-)vaskulären Gefäßtonus führt zu einer funktionellen Organminderperfusion, und letztendlich werden der Sauerstofftransport zu den Zellen sowie der Stoffwechsel in den Zellen gestört [55]. Obwohl in der Frühphase der Sepsis häufig eine hyperdyname Kreislaufsituation mit Vasodilatation und gesteigertem Herzzeitvolumen beobachtet wird, kann oftmals gleichzeitig eine nutritive Minderperfusion wichtiger Organe beobachtet werden.

Funktion der Mikrozirkulation

Die Mikrozirkulation besteht aus den kleinsten arteriolären, kapillären und venolären Gefäßen des Körpers (Durchmesser <300 µm) und stellt die größte endotheliale Oberfläche (>0,5 km2) unseres Körpers dar [92]. Verschiedenste Zelltypen, wie Endothelzellen, glatte Gefäßmuskelzellen, Erythrozyten und Leukozyten, interagieren in diesem funktionellen System [29].

Eine der entscheidenden Aufgaben der Mikrozirkulation besteht in der Versorgung der Gewebe mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen. Die mikrovaskuläre Perfusion muss hierbei regional an den metabolischen Bedarf der Zellen und den Blutfluss des Organs angepasst werden [29]. Bereits 1919 hob Krogh die Bedeutung des Kapillarisierungsgrades von Geweben für die nutritive Versorgung hervor [53]. Da die Diffusionsstrecke von Sauerstoff im Gewebe begrenzt ist, muss die nutritive Versorgung über ein dichtes mikrovaskuläres Netzwerk erfolgen. Die suffiziente Perfusion eines Organs wird also nicht nur durch das Sauerstoffangebot bestimmt, sondern hängt ganz entscheidend von der Verteilung des Sauerstoffs innerhalb des Organs ab [17]. Das mikrozirkulatorische Gefäßbett darf hierbei nicht als passives Versorgungssystem angesehen werden, sondern hat wichtige regulatorische Aufgaben [82].

Arteriolen regulieren über Änderungen des Gefäßwiderstands den Blutfluss und den Sauerstofftransport in Organen und verbrauchen dabei eine beträchtliche Menge Sauerstoff [91]. Zudem wird über den gleichen Mechanismus die Organperfusion regional dem Bedarf der Zellen angepasst [82]. Den mikrovaskulären Endothelzellen kommt bei diesen Regulationsmechanismen eine entscheidende Bedeutung zu. So werden beispielsweise vasodilatatorische Stimuli über Zell-Zell-Kontakte von kapillären und selbst postkapillären Venolen zu arteriolären Endothelzellen weitergeleitet, führen dort zu einer Reduktion des Gefäßwiderstands und somit zu einem erhöhten regionalen Blutfluss [21, 79]. Das Stickstoffmonoxid- (NO-)System und die induzierbare NO-Synthetase (iNOS) haben eine zentrale Bedeutung in der Autoregulation des mikrovaskulären Gefäßtonus [17]. Zudem scheint auch die Freisetzung von Adenosintriphosphat (ATP; einem potenten Vasodilatator) aus Erythrozyten eine wichtige Rolle bei der Anpassung der regionalen Perfusion zuzukommen. Hypoxie führt zu einer Freisetzung von ATP aus Erythrozyten; hierbei besteht eine lineare Beziehung zwischen dem Oxygenierungsgrad und der ATP-Freisetzung [45].

Das mikrozirkulatorische Netzwerk setzt sich aus einzelnen heterogenen Einheiten zusammen, deren rheologische Eigenschaften erhebliche Unterschiede aufweisen können. Diese Einheiten werden lokal reguliert, um eine Balance zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf der Zellen sicherzustellen [17]. Diese wichtige Funktion der Mikrozirkulation ist bei der Sepsis erheblich gestört.

Störungen der Mikrozirkulation bei Sepsis

Durch die generalisierte inflammatorische Reaktion kommt es im Rahmen der Sepsis zu einer massiven Aktivierung und Dysfunktion von mikrovaskulären Endothelzellen, glatten Gefäßmuskelzellen, Leukozyten und Erythrozyten sowie zu Veränderungen der Gerinnung [3] und in der Folge zu weit reichenden Störungen der Mikrozirkulation [44, 55, 78] (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung einiger wichtiger Veränderungen der Mikrozirkulation bei der Sepsis. Kursiv: die in dieser Arbeit vorgestellten Untersuchungsmethoden, die diese pathophysiologischen Komponenten erfassen können (IVM Intravitalmikroskopie; LDF Laser-Doppler-Fluxmetrie; VKP venöse Kompressionplethysmographie)

Die arterioläre Regulation ist im Rahmen der Sepsis durch eine Imbalance von vasokonstriktorischen und -dilatatorischen Mediatoren gestört [17]. Während einer Sepsis wird durch proinflammatorische Mediatoren vermehrt iNOS gebildet; dies führt im Folgenden zu einer verstärkten NO-Produktion und somit zu einer Vasodilatation. Die Expression der iNOS ist hierbei in den Organen jedoch sehr heterogen verteilt, was zu einem pathologischen „Shunt-Blutfluss“ in der Mikrozirkulation führen kann [73]. Zudem wird eine reduzierte Sensibilität der glatten Gefäßmuskulatur gegenüber endogenen und exogenen Katecholaminen beobachtet [30]. Auch die endotheliale Signaltransduktion, die für die bedarfsgerechte Perfusion einzelner Gewebe nötig ist [82], scheint während der Sepsis gestört zu sein [60]. Die Dichte der perfundierten Mikrogefäße pro Fläche ist bei schwerer Sepsis verringert, und die Anzahl der Kapillaren und postkapillären Venolen, die nur intermittierend oder nicht perfundiert werden, ist höher [8, 78]. Diese Faktoren führen dazu, dass die mikrovaskuläre Perfusion nicht mehr dem regionalen Sauerstoffbedarf der Gewebe angepasst ist und es zu Hypoxie und lokaler nutritiver Minderperfusion kommt.

Auch können die Aktivierung der Gerinnungskaskade und prokoagulatorische Eigenschaften des mikrovaskulären Endothels bei der Sepsis zu weiteren Perfusionsstörungen führen [3, 43, 62]. Unter anderem kommt es durch die erhöhte Expression des prokoagulatorischen Tissue factors und die Reduktion antikoagulatorischer Faktoren, wie Antithrombin und Protein C, sowie eine gestörte Fibrinolyse (PAI-1) zur verstärkten Bildung von Fibringerinnseln und Thrombosen kleiner Gefäße [20].

Des Weiteren wird die mikrovaskuläre Perfusion durch eine verringerte Verformbarkeit der Erythrozyten beeinträchtigt, die auf einer Änderung der erythrozytären Zellmembran beruht [7, 55]. Die vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen auf Leukozyten und Endothelzellen führt zu Adhärenz und Transmigration der aktivierten Leukozyten in präkapillären Arteriolen sowie postkapillären Venolen und verändert die Mikrohämodynamik und die Barrierefunktion des mikrovaskulären Endothels [20, 42, 43]. In tierexperimentellen Untersuchungen konnte die Zunahme der adhärenten Leukozyten während Endotoxinämie mit intravitalmikroskopischen Techniken gezeigt werden [42, 43, 55].

Typischerweise kommt es bei der Sepsis zum Flüssigkeitsverlust aus den Gefäßen in den Extravasalraum und folglich zur Ödembildung. Die gesteigerte Filtration von Flüssigkeit in das Interstitium ist hierbei nicht durch Veränderungen des intravasalen hydrostatischen oder kolloidosmotischen Drucks, sondern vielmehr durch eine Störung der Barrierefunktion der Mikrogefäße im Rahmen der pathophysiologischen Veränderungen der Sepsis zu erklären [20, 55]. Eine Erhöhung der mikrovaskulären Gefäßpermeabilität bei septischen Patienten konnte in plethysmographischen Studien quantifiziert werden [18, 23]. Der im Tierexperiment nachgewiesene Zusammenhang der mikrovaskulären Leckage mit einer erhöhten NO-Produktion und der gesteigerten Aktivität von Leukozyten konnte beim Menschen bisher nicht gezeigt werden [23]. Durch die erhöhte Permeabilität und die Ödembildung kommt es jedoch zur Abnahme des intravasalen Flüssigkeitsvolumens und zu Störungen von Organfunktionen [55].

Trotz des in der frühen Phase der Sepsis häufig erhöhten Herzzeitvolumens kann die Perfusion der Splanchnikusorgane stark eingeschränkt sein [55]. Besonders auf der Ebene der Mikrozirkulation finden sich hierbei ausgeprägte Durchblutungsstörungen mit einer Reduktion der funktionellen Kapillardichte und einer verstärkten Heterogenität der mikrovaskulären Perfusion [31, 83, 94]. Die Minderperfusion der Splanchnikusorgane bei septischen Patienten konnte mithilfe der gastrointestinalen Tonometrie [40, 46, 52] und gastralen Laser-Doppler-Fluxmetrie (LDF) [28, 67] nachgewiesen werden.

Monitoring der Mikrozirkulation am Menschen

Als Marker für eine gestörte Gewebeoxygenierung und einen anaeroben Stoffwechsel wird bei kritisch kranken Patienten häufig der Laktatspiegel bestimmt [89]. Mehrere Studien konnten die prognostische Bedeutung dieses Perfusionsparameters bei der Sepsis zeigen [10, 11, 68]. Neben einer vermehrten Produktion von Laktat, z. B. aufgrund einer Mikrozirkulationsstörung mit folgender Gewebehypoxie, müssen jedoch bei der Interpretation eines erhöhten Serum-Laktat-Spiegels auch nicht hypoxiebedingte Gründe einer Hyperlaktatämie berücksichtigt werden. Insbesondere Leber- und Nierenfunktionsstörungen beeinträchtigen die Verstoffwechselung und die Clearance von Laktat [48, 50]. Vor allem der Verlauf des Laktatspiegels und die Laktat-Clearance scheinen bei der Sepsis ein entscheidender Outcome-Prädiktor zu sein [1, 11, 68]. Ein erhöhter Serum-Laktat-Spiegel ist jedoch nur ein unspezifischer und indirekter Parameter einer Gewebehypoxie [48, 50].

Moderne technologische Entwicklungen ermöglichen heute die direkte Beurteilung der Mikrozirkulation am Patienten. Ziel eines adäquaten Monitorings sollte die Erfassung der nutritiven Versorgung, insbesondere vitaler Organe, sein. Im Folgenden werden Methoden zur Überwachung der Gewebeperfusion am Menschen vorgestellt. Insbesondere sollen auf die vorliegenden klinischen Studien bei septischen Patienten und auf den Einfluss, den das Monitoring auf therapeutische Interventionen hat, eingegangen werden.

Laser-Doppler-Fluxmetrie

Bei der LDF wird monochromatisches Laserlicht in das zu untersuchende Gewebe emittiert. Die elektromagnetischen Wellen des Laserlichts werden im Gewebe gestreut, und die reflektierten Anteile von einem Photodetektor erfasst (Abb. 2). Trifft das Licht dabei auf bewegte Objekte (z. B. Erythrozyten), kommt es zu einer Änderung der Frequenz („Doppler-Effekt“). Die Frequenz des Laserlichts bleibt hingegen bei Reflexion von unbewegten Objekten unverändert. Die Frequenzänderung des reflektierten Lichts ist von der relativen Geschwindigkeit des Objekts zur Strahlungsquelle abhängig. Die Bandbreite des veränderten Frequenzspektrums verhält sich proportional zur mittleren Geschwindigkeit und zur Anzahl der Blutkörperchen. Durch die Kalibration des Messsignals mit den Brown-Molekularbewegungen einer Mikrosphärensuspension ist eine Standardisierung möglich. Der berechnete LDF-Flux ist ein relativer Wert ohne Einheit. Auch nach einem kompletten Gefäßverschluss wird mit der LDF in vivo ein Fluxwert beobachtet. Dieses „biologische Zero“, u. a. bedingt durch Vasomotion, sollte wenn möglich (z. B. bei Messungen der Extremitätenperfusion) gemessen und vom Flusssignal subtrahiert werden. Der gemessene Fluxwert repräsentiert eine durchschnittliche Perfusion aller mithilfe der LDF erfassten Gefäße, sodass die Heterogenität des Blutflusses nur unzureichend berücksichtigt wird. Das „laser Doppler perfusion imaging“ erlaubt mithilfe derselben Technik unter Einsatz eines Laserscanners die großflächige Messung der Hautdurchblutung [26].

Abb. 2 a
figure 2

Schema des Messprinzips der Laser-Doppler-Fluxmetrie: Laserstrahlen werden vom „Transmitter“ in das Gewebe emittiert, dort gestreut und reflektiert. Bewegte Objekte (z. B. Blutzellen) führen über den „Doppler-Effekt“ proportional zur Menge und Geschwindigkeit der Erythrozyten zu einer Veränderung der Frequenz. Das reflektierte Signal wird zu einem dimensionslosen „Flux-Wert“ verrechnet. b Gesamtansicht der Messapparatur; c Positionierung der Messsensoren (weißer Sensor transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung, schwarzer Sensor LDF) auf der Haut des Unterarms. (Mit freundlicher Genehmigung von Perimed AB, Stockholm, Schweden)

Bei septischen Patienten ist diese Technik zur Beurteilung der Gewebeperfusion eingesetzt worden. So wurden die mikrovaskulären Blutflusswerte der Haut [72, 96] und der Muskulatur [66] gemessen. Hierbei wurden widersprüchliche Ergebnisse erzielt.

Der Effekt von Katecholaminen auf den mukosalen Blutfluss des Magens bei septischen Patienten ist ebenfalls mithilfe der LDF untersucht worden. So beobachteten Neviere et al., dass Dobutamin im Gegensatz zu Dopamin den mukosalen Blutfluss des Magens bei diesem Patientenkollektiv verbessert [67]. Ebenfalls bei septischen Patienten berichten Duranteau et al., dass der mukosale Blutfluss des Magens während Noradrenalingabe niedriger als während der Gabe von Adrenalin oder einer Kombination von Dobutamin und Noradrenalin ist [28]. Le Doux et al. konnten zeigen, dass ein Anstieg des mittleren arteriellen Blutdrucks von 65 auf 85 mmHg durch Gabe von Noradrenalin nicht den Blutfluss der Haut beeinträchtigt [25].

Weitere systematische Untersuchungen in der Sepsis liegen nicht vor. Insbesondere gibt es bisher keine Studien, bei denen die LDF Aussagen über den Krankheitsverlauf ermöglichte.

Die LDF ist eine einfache und schnell anzuwendende nichtinvasive Methode. Nachteile der LDF-Technik sind die geringe Eindringtiefe des Laserlichts von ca. 1 mm, die große Variabilität der erhaltenen Messwerte, und das Fehlen von Absolutwerten; dies erschwert einen interindividuellen Vergleich. Bei Untersuchungen der Hautperfusion stammt das remittierte Signal im Wesentlichen aus dem subpapillären Gefäßplexus, der nicht der nutritiven Versorgung der Haut dient. Rückschlüsse auf die nutritive, kapilläre Blutversorgung der Haut lassen sich daher nicht ziehen. Durch den Einsatz von gastralen LDF-Sonden kann die mikrovaskuläre Perfusion der Magenmukosa und somit die bei der Sepsis häufig kompromittierte Perfusion des Splanchnikusgebietes elegant und wenig invasiv untersucht werden. Dies ermöglicht es, die Wirkung von Therapiekonzepten der Sepsis auf die Durchblutung der Magenschleimhaut zu erfassen [28, 67].

Venöse Kompressionsplethysmographie

Mithilfe der VKP (Abb. 3) können neben dem arteriellen Blutfluss auch Parameter der mikrovaskulären Gefäßpermeabilität in Extremitäten von Patienten nichtinvasiv untersucht werden [33]. Das Messprinzip beruht auf der Registrierung von Umfang und Umfangsänderung einer Extremität während Erhöhung des mikrovaskulären hydrostatischen Drucks durch venöse Stauung mit einer Manschette proximal der Messstelle. Wird der venöse Ausstrom kurzzeitig durch eine schnelle Erhöhung des Drucks in der Manschette auf subdiastolische Werte unterbrochen, bleibt der arterielle Einstrom in die Extremität unbeeinflusst. Aus der resultierenden Umfangsänderung kann der Blutfluss berechnet werden [95]. Die Reaktivität des Gefäßsystems auf pharmakologische und metabolische Stimuli kann mit dieser Technik nichtinvasiv gemessen werden [49, 77]. Die mikrovaskuläre Gefäßpermeabilität und das Gleichgewicht der Starling-Kräfte [12, 18, 19, 23] sowie der Lymphfluss [13] können durch ein differenziertes Untersuchungsprotokoll ebenfalls bestimmt werden. Hierbei wird der hydrostatische Druck mit der Manschette stufenweise um jeweils etwa 10 mmHg für etwa 4–5 min erhöht (Abb. 3c). Sobald der venöse Druck überschritten wird, erfolgt eine rasche Volumenänderung der Extremität, die auf eine Änderung des Füllungszustands der Gefäße zurückzuführen ist. Wird der Stauungsdruck in der Manschette weiter erhöht, ist zudem eine langsam progrediente Umfangsänderung durch Filtration von Flüssigkeit aus den Mikrogefäßen in das Interstitium zu beobachten. Jede weitere Erhöhung des venösen Drucks führt zu einer zweiphasigen Volumenänderung, die sowohl aus der vaskulären Dehnungskomponente als auch der Flüssigkeitsfiltrationskomponente besteht. Die Filtrationskomponente tritt erst auf, wenn der Filtrationsdruck in den Mikrogefäßen überschritten wird. Die zwei Phasen der Volumenänderung haben einen unterschiedlichen zeitlichen Verlauf und können berechnet werden. Die lineare Beziehung von Flüssigkeitsfiltration und hydrostatischem Druck ist hierbei ein Maß der mikrovaskulären Permeabilität [12, 33].

Abb 3
figure 3

Venöse Kompressionsplethysmographie (VKP). a Die mobile Messeinheit ermöglicht eine bettseitige Anwendung. b Der Sensor zur Umfangsmessung wird am Unterarm (oder Unterschenkel) positioniert und detektiert Umfangsänderungen der Extremität mit einer Genauigkeit von wenigen Mikrometern. c Eine Erhöhung des hydrostatischen Drucks (schwarze Linie) führt zu einer Zunahme des Extremitätenumfangs (grüne und blau Kurven; hier: linker und rechter Unterschenkel) und ermöglicht die Bestimmung des Blutflusses und der mikrovaskulären Permeabilität in der Extremität

Bei 10 Patienten im septischen Schock konnte mit der VKP ein signifikant erhöhter Flüssigkeitsfiltrationskoeffizient (als Maß der Gefäßpermeabilität) gezeigt werden. Als Vergleichsgruppe dienten in dieser Studie 18 Patienten mit kardiogenem oder hämorrhagischem Schock [18]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Dhillon et al., die bei 15 septischen Patienten erhöhte Flüssigkeitsfiltrationskoeffizienten finden [23].

Bei Patienten mit schwerer Sepsis konnten zudem mithilfe der VKP ein gestörter mikrovaskulärer Blutfluss und eine abgeschwächte reaktive Hyperämie nach kurzzeitiger Ischämie gezeigt werden [49, 77].

Ein Nachteil der VKP ist die vergleichsweise lange Untersuchungsdauer zur Berechnung des Flüssigkeitsfiltrationskoeffizienten. Zudem müssen sich die Patienten während der Untersuchung sehr ruhig verhalten, da sonst Bewegungsartefakte eine Auswertung erschweren können. Die hier vorgestellten plethysmographischen Techniken ermöglichen nur Messungen an Extremitäten und lassen somit vorrangig Aussagen über Veränderungen der Mikrozirkulation der Skelettmuskulatur zu.

Das Gesamtpatientenkollektiv der plethysmographischen Studien bei Sepsis ist bisher jedoch klein, und es konnten keine prädiktiven Aussagen getroffen werden. Der Einfluss von Therapiestrategien der Sepsis auf plethysmographische Parameter wurde noch nicht untersucht. Die mikrozirkulatorischen Parameter ermöglichen jedoch eine Quantifizierung der Permeabilitätsänderungen [18, 23] und Perfusionsstörungen [49, 77].

Ein modifiziertes VKP-Protokoll erlaubt es zudem, Aussagen über die perfusionsregulierende Funktion des Gefäßendothels zu machen. Gamble et al. konnten zeigen, dass bei gesunden Probanden der Blutfluss des Unterschenkels durch eine Reduktion des Gefäßwiderstands während stufenweiser Erhöhung des hydrostatischen Drucks auf subdiastolische Werte konstant gehalten wird [34]. Die Autoren führen dies auf eine retrograde Signaltransduktion von der venösen Seite des mikrovaskulären Gefäßbetts zu präkapillären Arteriolen zurück, mit dem Ziel, den nutritiven Blutfluss konstant zu halten. Bei Patientinnen, die unter einer Präeklampsie leiden, einem Krankheitsbild, bei dem es zu Störungen der mikrovaskulären Endothelzellfunktion kommt, konnten Anim-Nyame et al. eine signifikante Reduktion des mikrovaskulären Blutflusses während dieses VKP-Protokolls nachweisen und zeigen, dass das Ausmaß dieser Perfusionsstörung mit Markern eines Endothelzellschadens [ICAM-1, „vascular cell adhesion molecule- (VCAM-)1 und E-Selectin] korreliert [4]. Möglicherweise kann mit diesem Untersuchungsprotokoll auch bei septischen Patienten der Grad der Endothelzelldysfunktion bestimmt werden.

Intravitalmikroskopie

Groner et al. entwickelten eine neue miniaturisierte Methode der Intravitalmikroskopie [37]. Beim „orthogonal polarization spectral (OPS) imaging“ (Abb. 4) wird das zu untersuchende Gewebe mit linear polarisiertem Licht der Wellenlänge 548 nm bestrahlt. Im Gewebe wird das Licht gestreut und dadurch depolarisiert und reflektiert. Durch einen weiteren Polarisator („analyzer“) vor der Kamera des OPS wird nur orthogonal polarisiertes (d. h. um 90° gedrehtes) Licht detektiert (Abb. 4a). Hierdurch entsteht eine virtuelle Lichtquelle im Gewebe in einer Tiefe von bis zu 300 µm, und das resultierende Bild gleicht den intravitalmikroskopischen Bildern unter Durchlichttechnik [39]. Durch eine ca. 300- bis 450fache Vergrößerung wird ein Bereich mit einer Fläche von 1 mm2 abgebildet [61, 80]. Eine quantitative Auswertung der OPS-Bilder erfolgt mit für die Intravitalmikroskopie etablierten Computerprogrammen. Es können Durchmesser der Gefäße, Flussgeschwindigkeit der Erythrozyten sowie Anzahl rollender und adhärenter Leukozyten bestimmt werden. Der auf der Basis der experimentellen Untersuchungen aussagekräftigste Parameter scheint jedoch die funktionelle Kapillardichte (Strecke der perfundierten Kapillaren pro Fläche) zu sein [47]. Am häufigsten verwendete Applikationsorte des OPS beim Menschen sind die gut zugängliche sublinguale Mukosa [9, 8, 78, 85] und die Haut beim Neugeborenen [35, 36].

Abb. 4 a
figure 4

Schema des optischen Messprinzips des „orthogonal polarization spectral imaging“ (OPS): Monochromatisches (Spektralfilter) und polarisiertes Licht wird an der Gewebeoberfläche ohne Änderung der Polarität reflektiert und vom zweiten, orthogonal (d. h. im 90°-Winkel) angeordneten Polarisator („analyzer“) abgelenkt. Nur mehrfach gestreutes und dabei depolarisiertes Licht gelangt durch den „Analyzer“ und trägt zur Bildgewinnung bei. (Mod. nach Groner et al. [37]). b Die mobile Messeinheit des OPS mit Videorekorder. c Messsonde. d Typische OPS-imaging-Bilder der kutanen Mikrozirkulation des Ohrs eines gesunden Neugeborenen (links Alter: 2 Tage, Gewicht 3400 g) und eines Neugeborenen mit Sepsis (rechts Alter: 2 Tage, Gewicht 2840) mit deutlicher Rarefizierung der perfundierten Mikrogefäße

Die OPS-Technologie zur Visualisierung der Mikrozirkulation ist tierexperimentell mehrfach validiert worden. Groner et al. konnten an der Rückenhautkammer des Hamsters mit der OPS-Technik und Intravital-Fluoreszenz-Videomikroskopie zeigen, dass Gefäßdurchmesser und funktionelle Kapillardichte vergleichbare Ergebnisse liefern [37]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Autoren, die die beiden Techniken an der Leberoberfläche der Ratte [54], am Pankreas der Ratte [24] und an der Rückenhautkammer des Hamsters vergleichen [39].

Bei Patienten im septischen Schock ist die Methode zur Beurteilung der sublingualen Mikrozirkulation verwendet worden. De Backer et al. führten bei 50 kritisch kranken Patienten mit Sepsis [“acute physiology and chronic health evaluation (APACHE) II score“ 17–25, „sepsis-related organ failure assessment (SOFA) score“ 10–13] ein mikrozirkulatorisches Monitoring mithilfe von OPS durch [8]. Die Anzahl der dauerhaft, intermittierend und nichtperfundierten Mikrogefäße wurde semiquantitativ erfasst. Es konnte gezeigt werden, dass während schwerer Sepsis v. a. Gefäße mit einem Durchmesser <20 µm signifikant schlechter durchblutet sind. Der Anteil der Mikrogefäße ohne oder mit intermittierendem Erythrozytenfluss lag in der Sepsis bei 50% (Kontrollgruppe 10%). Der Anteil der perfundierten Gefäße war hier bei den Patienten, die die Sepsis überlebten, signifikant höher. Die Perfusion konnte in der Sepsisgruppe durch lokale, sublinguale Applikation von Acetylcholin wiederhergestellt werden.

Ebenfalls mit OPS untersuchten Sakr et al. den Zeitverlauf von mikrozirkulatorischen Veränderungen während Sepsis und deren Bedeutung als Outcome-Parameter [78]. In einer prospektiven Studie wurde die sublinguale Mikrozirkulation bei 49 Patienten, die die Kriterien eines septischen Schocks erfüllten, täglich beurteilt. Trotz gleicher Ausgangsbedingungen berichteten die Autoren, dass der Anteil der perfundierten Mikrogefäße bei Überlebenden signifikant schneller zunahm als bei Patienten, die durch den septischen Schock verstarben. Außerdem konnten die Autoren zeigen, dass in ihrer Studie der Anteil der perfundierten Mikrogefäße ein besserer Outcome-Prädiktor als die meisten makrohämodynamischen Parameter darstellte.

Auch Spronk et al. verwendeten OPS als Monitoringverfahren der Mikrozirkulation bei septischen Patienten [85]. Nach ausreichender Volumensubstitution führte die kontinuierliche Infusion des Vasodilatators Nitroglyzerin bei 8 Patienten im septischen Schock zu einer Verbesserung der Perfusion sublingualer Mikrogefäße. Auch in dieser Arbeit wurde auf den möglichen Stellenwert der OPS-Technik als Monitoringverfahren der Mikrozirkulation bei kritisch kranken Patienten hingewiesen.

Auch die OPS-Technologie hat verschiedene Nachteile. Mit der Methode können nur Gewebe untersucht werden, die von einer dünnen epithelialen Schicht überzogen sind. Bewegungs- und Druckartefakte sowie die Anwesenheit von Blut und Speichel schränken die quantitative Beurteilung der Mikrozirkulation ein. Zudem steht bis heute nur eine „Off-line-Analyse“ zur Auswertung der Bilder zur Verfügung. Dennoch zeigen die aktuellen Studien das große Potenzial dieser Untersuchungsmethode und den möglichen Stellenwert der Intravitalmikroskopie als Monitoringverfahren kritisch kranker Patienten. Eine aktuelle Weiterentwicklung der Intravitalmikroskopie, die ebenfalls ein mikrozirkulatorisches Monitoring beim Menschen ermöglicht, ist das „sidestream dark-field imaging“ [44]. Validierung und vergleichende Untersuchungen stehen bei dieser Methode jedoch noch aus.

pCO2-Tonometrie

Die gastrointestinale pCO2-Tonometrie stellt eine indirekte Methode zur Bestimmung lokaler Durchblutungsverhältnisse dar. Das Prinzip besteht in der Messung des intramukosalen CO2-Partialdruckes (piCO2). Jede Abnahme der Perfusion muss dabei eine Zunahme des piCO2 (gestörter CO2-Abtransport), jede Steigerung der Perfusion eine Abnahme des piCO2 (verbesserter CO2-Abtransport) zur Folge haben [69]. Die Methode kann sublingual, ösophageal oder gastrointestinal angewandt werden. Es wird ein semipermeabler Ballon intraluminal platziert, der entweder mit Kochsalzlösung oder mit Raumluft gefüllt ist. Der Balloninhalt äquilibriert mit dem intraluminalen CO2-Partialdruck, der wiederum dem intramukosalen (intrazellulären) CO2-Partialdruck entspricht. Da der piCO2 auch von ventilatorischen Änderungen abhängig ist, sollte als diagnostische Größe die pCO2-Differenz („pCO2 gap“) berechnet werden. Diese kann durch einfache Subtraktion (intramukosaler pCO2−arterieller pCO2) errechnet werden [74].

Fiddian-Green et al. zeigten, dass die intrazelluläre Bikarbonatkonzentration intestinaler Organe unter bestimmten Voraussetzungen weit gehend dem arteriellen Bikarbonat entspricht, und ermöglichten damit die Berechnung eines intramukosalen pHi mithilfe einer modifizierten Henderson-Hasselbalch-Gleichung [32]. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass die Kalkulation des pHi zu einer Einbeziehung nichtrespiratorischer Störungen des arteriellen Säure-Basen-Status in die Tonometriemessung führt [97] (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Lage des Tonometriekatheters im Magen. (Mit freundlicher Genehmigung von GE Healthcare, Deutschland)

Die pCO2-Tonometrie ist anhand von Perfusionsmessungen der intestinalen Mukosa von Schweinen während unterschiedlicher Kreislaufbedingungen validiert worden. Dabei korrelierte der tonometrisch ermittelte pCO2 ausreichend gut mit den intrazellulären Mikroelektrodenmessungen [6].

Bei septischen Patienten konnte gezeigt werden, dass tonometrische Variablen (pHi, pCO2 Gap) von prognostischer Relevanz sein können [46]. Bei pädiatrischen, septischen Patienten sind die Aussagen widersprüchlich. Duke et al. schlagen den Laktatgehalt, aber nicht die tonometrischen Variablen pHi oder pCO2 Gap als Outcome-Prädiktoren vor [27]. Hingegen finden zwei Arbeitsgruppen bei septischen Kindern einen Vorteil der tonometrischen Parameter pHi und pCO2 Gap gegenüber systemischen Parametern hinsichtlich der Outcome-Vorhersage [40, 52].

Mithilfe der gastrointestinalen pCO2-Tonometrie sind in klinischen Studien bei septischen Patienten die Effekte zahlreicher Interventionen bezüglich tonometrischer Variablen evaluiert worden. Vor allem die Flüssigkeits- und die Katecholamintherapie mit dem Ziel der Wiederherstellung einer adäquaten Splanchnikusperfusion ist mit der pCO2-Tonometrie bei diesem Patientenkollektiv untersucht worden [38, 56, 57, 64, 67, 70, 84, 88]. Beispielsweise senken Noradrenalin und Dobutamin den erhöhten pCO2 Gap und bedingen einen Anstieg von pHi. Dagegen führten bei septischen Patienten Dopamin, Dopexamin und Adrenalin zu keiner Änderung oder zu einem weiteren Abfall des pHi [38, 56, 57, 64, 67, 88].

Der therapeutische Stellenwert der pCO2-Tonometrie wird trotz Einbeziehung in Therapiesteuerung und Therapiekontrolle kritisch beurteilt [51, 76, 93]. Sowohl die Änderung des Gehalts an Magensäure [41] als auch enterale Ernährung [58, 63] können zu einem Anstieg der regionalen pCO2-Werte führen. Zudem führt Kontakt von bikarbonathaltigem Darminhalt mit Wasserstoffionen des Magens zu einer erheblichen Zunahme des regionalen pCO2, ohne dass hierbei die Splanchnikusperfusion gestört ist [87]. Zusätzlich kann es im Rahmen der bakteriellen Fermentation zu einer Überschätzung des regionalen pCO2 kommen. Dennoch ermöglicht die pCO2-Tonometrie ein Monitoring der gastrointestinalen Perfusion und eine Quantifizierung von Mikrozirkulationsstörungen bei septischen Patienten, die mit den Routinelaborparametern und üblichen Monitoringverfahren auf Intensivstationen nicht erfasst werden können (Tabelle 2).

Tabelle 2 Methoden des mikrozirkulatorischen Monitorings beim Menschen

Zusammenfassung

Auch nach Wiederherstellung von stabilen Kreislaufverhältnissen können bei der Sepsis schwer wiegende Mikrozirkulationsstörungen vorliegen, die die Prognose der Patienten stark beeinflussen, mit dem routinemäßigen Monitoring jedoch nur unzureichend erfasst werden können. Die LDF und die VKP sind bisher v. a. zur Quantifizierung von mikrovaskulären Veränderungen während des Krankheitsverlaufes und nach Therapieinterventionen eingesetzt worden. Die prognostische Bedeutung der pCO2-Tonometrie und der Intravitalmikroskopie konnte bereits gezeigt werden; ihr Stellenwert ist jedoch noch nicht klar definiert. Ob, wie von einigen Autoren postuliert, mikrovaskuläre Variablen der Tonometrie und der Intravitalmikroskopie zukünftig in ein neuartiges Scoring-System zur Definition des Schocks [86, 90] eingehen werden, bleibt derzeit noch offen.

Fazit für die Praxis

Sepsis ist ein häufiges, akutes und oft lebensbedrohliches Krankheitsbild. Mikrozirkulationsstörungen treten bereits in einer frühen Phase des Krankheitsbildes auf. Trotz einer möglicherweise „hyperdynamen“ Kreislaufsituation mit erhöhtem Herzzeitvolumen und peripherer Vasodilatation kann die nutritive Perfusion lebenswichtiger Organe erheblich beeinträchtigt sein. Die Dysregulation des regionalen Blutflusses innerhalb der Organe scheint in der Pathophysiologie des Multiorganversagens eine entscheidende Rolle zu spielen. Moderne Monitoringverfahren ermöglichen es heute, die Besonderheiten der mikrozirkulatorischen Veränderungen bei kritisch kranken Patienten zu erfassen. Während die LDF, die VKP und die pCO2-Tonometrie eher globale Veränderungen der Organperfusion detektieren können, ist es mit der Intravitalmikroskopie möglich, die Heterogenität der Gewebeperfusion bei kritisch Kranken zu visualisieren und zu quantifizieren. Ob die vorgestellten Untersuchungsmethoden zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte beitragen werden oder für den Einsatz als bettseitiges Monitoringverfahren von kritisch kranken Patienten dienen können, ist noch unklar.