Zusammenfassung
Hintergrund
Die endotracheale Intubation gilt als „golden standard“ bei der Atemwegssicherung mit geringer Komplikationsrate. Perforierende Verletzungen des Atem- und Speiseweges zählen hierbei zu den seltenen schwer wiegenden Komplikationen.
Material und Methode
Es werden zwei Fälle einer Hypopharynxperforation als Komplikation nach elektiver Intubationsnarkose im Vergleich zur Literatur vorgestellt.
Ergebnisse
Während bei einer Patientin die Intubation als erschwert eingeschätzt wurde, war die zweite Patientin ohne Risikofaktoren. Die erste Patientin entwickelte das typische klinische Bild am ersten postoperativen Tag. Die andere Patientin zeigte zunächst eine geringe klinische Symptomatik. Erst zunehmende Schluckbeschwerden im Verlauf führten zur Diagnose eines ausgedehnten retropharyngealen Abszesses. Als Folge entwickelte sich ein Atemnotzustand, der einen primär invasiven Atemwegszugang erforderte. In beiden Fällen führte die chirurgische Intervention in Kombination mit einer antibiotischen Therapie zur folgenlosen Abheilung.
Schlussfolgerungen
Ärzte, die endotracheal intubieren oder Patienten nach einer Intubation behandeln, sollten das klinische Bild einer Perforation des Hypopharynx kennen. Nur so sind eine frühzeitige Diagnostik und Therapie vor der Ausbildung einer manifesten Mediastinitis möglich. Bei drohender „Cannot-intubate-cannot-ventilate-Situation“ hat ein weitlumiger transtrachealer Atemwegszugang unter Lokalanästhesie und Spontanatmung Vorrang; hierbei nimmt die temporäre Tracheotomie einen wichtigen Stellenwert für die Atemwegsicherung ein. Präventiv sind die konsequente Evaluierung „schwieriger Atemwegsverhältnisse“ und eine atraumatische Durchführung der direkten Laryngoskopie und endotrachealen Intubation von Bedeutung.
Abstract
Background
Endotracheal intubation is regarded as the gold standard technique to secure the airway with a low complication rate, however, perforating tracheal or esophageal injuries are rare but severe complications.
Materials and methods
Two cases of hypopharyngeal perforation after intubation are presented and discussed.
Results
While intubation of the first patient was anticipated to be difficult, the second patient did not present any risk factors. One patient developed a typical clinical pattern of difficult swallowing, soft tissue emphysema of the neck, pyrexia, and leukocytosis. The other initially showed minor symptoms but increasing difficulties in swallowing led to the diagnosis of a retropharyngeal abscess. A subsequent acute airway obstruction required emergency invasive airway access. In both cases surgical intervention in combination with antibiotic therapy resulted in complete healing.
Conclusions
Physicians performing endotracheal intubation or dealing with patients after intubation, should be aware of the clinical symptoms because only early diagnosis and therapy can prevent development of mediastinitis. In “cannot intubate-cannot ventilate” situations, wide bore transtracheal airway access under local anaesthesia and spontaneous breathing should have priority and temporary tracheotomy should also be considered. To prevent hypopharyngeal injury a thorough evaluation of the “difficult airway” and the atraumatic performance of direct laryngoscopy and endotracheal intubation are mandatory.
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Die endotracheale Intubation mit der konventionellen direkten Laryngoskopie stellt heute ein sehr sicheres, vielfach durchgeführtes Standardverfahren für die Atemwegssicherung bei Allgemeinanästhesien für elektive diagnostische und operative Eingriffe, in prähospitalen und innerklinischen Notfallsituationen oder während intensivmedizinischer Behandlung dar. Die Inzidenz methodischer Komplikationen, d. h. leichter Verletzungen des Atemweges, wird unter Elektivbedingungen mit 5%, unter Notfallbedingungen mit 17% angegeben. Zu den schwerwiegendsten Komplikationen zählen die unbemerkte ösophageale Intubation mit nachfolgender hypoxischer Hirnschädigung oder Tod sowie perforierende Verletzungen des Atem- bzw. Speiseweges.
Die häufigsten iatrogenen Traumatisierungen wurden am Larynx beobachtet, gefolgt von den Verletzungen des Pharynx und Ösophagus [9]. Unsere Analyse der Literatur zwischen 1966 und 2002 erbrachte insgesamt 157 Fallberichte der Verletzung des Hypopharynx bzw. Ösophagus im Zusammenhang mit einer endotrachealen Intubation. Dabei zeigt sich eine Zunahme von Berichten über diese Komplikation im Verlauf der letzten 15 Jahre. Waren zwischen 1966 und 1986 insgesamt 30 Mitteilungen im Schrifttum zu verzeichnen [6, 14, 15, 18, 21, 27], wurden weitere 127 Fälle im Zeitraum von 1987–2002 publiziert [10, 22, 24, 30, 31, 33, 34, 39, 40, 41]. Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Perforationen des Speiseweges können daraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Für Deutschland wird die Zahl der Narkosen auf 7 Mio. jährlich geschätzt; zum Anteil der Intubationsnarkosen existiert keine Aussage [16].
Wir berichten über zwei Patientinnen mit einer Perforation des Hypopharynx nach elektiv durchgeführten Intubationsnarkosen. Nachfolgend werden die Begleitumstände, die durchgeführte Diagnostik und die therapeutischen Maßnahmen unter Einbeziehung der Literatur vorgestellt.
Kasuistiken
Patientin 1
Bei der 70-jährigen Patientin erfolgte im Dezember 2001 zur Durchführung einer Ablatio mammae eine endotracheale Intubation in einem auswärtigen Krankenhaus. Vom ausführenden Anästhesisten wurde die Intubation aufgrund der Adipositas, einer vorausgegangenen Strumektomie und des kurzen Halses als erschwert eingeschätzt; eine Score-bezogene Beurteilung lag nicht vor. Nach dem ersten (fehlgeschlagenen) Intubationsversuch kam es zu einer geringen Blutung aus dem Hypopharynx. Der zweite Intubationsversuch war erfolgreich. Am Abend des Operationstages klagte die Patientin über Schluckstörungen, war sonst jedoch klinisch unauffällig. Am Morgen des Folgetages verstärkten sich die Schluckbeschwerden; es bestanden Temperaturen um 40°C und eine Leukozytose von 24 Gpt/l. Außerdem zeigte sich ein ausgeprägtes, rechts betontes zervikales Hautemphysem. Die Röntgenaufnahme des Thorax wies eine Mediastinalverbreiterung nach. Die Antibiose wurde mit Cefotiam und Metronidazol eingeleitet. Bei stabilem Allgemeinzustand erfolgte die Verlegung in die HNO-Klinik Jena. Zum Aufnahmezeitpunkt hatte sich das Hautemphysem auf die obere Thoraxapertur ausgedehnt; bei der indirekten Laryngoskopie fand sich ein Fibrinbelag im rechten Sinus piriformis. Das Computertomogramm zeigte ein Emphysem aller Halsweichteile bis in das obere Mediastinum und zur Schädelbasis (Abb. 1a, b). Die Patientin wurde mithilfe einer flexiblen Fiberoptik in Schleimhautanästhesie wach intubiert. Während der starren Hypopharyngoösophagoskopie zeigte sich eine Verletzung der Spitze des rechten Sinus piriformis mit Übergang auf den Killian-Mund. Anschließend erfolgte die kollare Mediastinotomie, bei der sich im Bereich der Perforation reichlich trübes Sekret fand; die übrigen Halsweichteile und das obere Mediastinum waren wenig entzündlich verändert. Aufgrund der erheblichen Superinfektion der Perforationsränder war ein Nahtverschluss nicht möglich. Nach Spülung der Wundhöhle erfolgte die offene Wundbehandlung. Die Patientin wurde intubiert und beatmet auf die Intensivstation verlegt. Die Antibiotikatherapie erfolgte zunächst kalkuliert mit Piperacillin, Sulbactam und Metronidazol; nach dem Antibiogramm (Pseudomonas aeruginosa) erhielt die Patientin Ceftazidim und Meropenem. Unter dieser Therapie kam es zur raschen Entfieberung und zum Rückgang der Leukozytenzahlen und des C-reaktiven Proteins (CRP). Zwei Tage postoperativ wurde der erste Tamponadenwechsel durchgeführt, die Patientin wurde extubiert. Die Extubation erfolgte nach den klinisch üblichen Kriterien [26] über einen Tubuswechsler (Fa. Cook Deutschland GmbH, Mönchengladbach), der nach 2 h entfernt werden konnte. In den Abendstunden kam es bei klinisch freien Atemwegen zum Abfall der Sauerstoffsättigung, die Patientin erschöpfte sich respiratorisch, eine fiberoptische Reintubation und Beatmung wurden erforderlich. Wegen eines persistierenden Ödems von Larynx und Pharynx wurde die Patientin tracheotomiert. Nach schrittweisem „weaning“ erfolgte am 10. postoperativen Tag die Rückverlegung auf die HNO-Wachstation. Am 16. postoperativen Tag wurden der sekundäre Wund- und Tracheostomaverschluss durchgeführt und die Patientin bei guter Schluck- und Atemfunktion eine Woche später in die häusliche Betreuung entlassen.
Patientin 2
Die 55-jährige Patientin wurde im März 1992 in einer auswärtigen Einrichtung orotracheal intubiert. Grund der Intubation war eine geplante Cholezystektomie. An Begleiterkrankungen bestanden ein arterieller Hypertonus, eine beginnende Leberzirrhose und eine Eisenmangelanämie. Die Intubation war nach Aussage des durchführenden Anästhesisten bei der schlanken Patientin ohne Besonderheiten möglich. Ab dem 6. postoperativen Tag klagte die Patientin über zunehmende Schluckbeschwerden; es bestand keine Temperaturerhöhung. Der konsiliarisch hinzugezogene HNO-Arzt diagnostizierte in Höhe des Oro- und Hypopharynx eine Vorwölbung der Rachenhinterwand, die dem Zungengrund anlag. Der Kehlkopf war nicht spiegelbar. Die konventionelle Röntgendiagnostik von Hals und Thorax (ein Computertomograph stand nicht zur Verfügung) zeigte in der seitlichen Aufnahme eine monströse Verbreiterung der retropharyngealen Halsweichteile mit einer Gasansammlung über einem Flüssigkeitsspiegel (Abb. 2). Die Atmung war zu diesem Zeitpunkt in Ruhe unbeeinträchtigt; bei kleinster Belastung oder Erregung der Patientin kam es zu inspiratorischem Stridor. Es begann eine kalkulierte Therapie mit einem Breitbandantibiotikum sowie einem Kortikosteroid. Die Patientin wurde mit der Verdachtsdiagnose eines retropharyngealen Abszesses mit beginnender Mediastinitis ohne Angabe von Gründen erst am 8. postoperativen Tag in unsere Klinik verlegt; hier gelangte sie sofort in den Operationssaal. Die indirekte Laryngoskopie zeigte eine breite Vorwölbung der Rachenhinterwand, die Strukturen von Larynx und Hypopharynx konnten nur unvollständig eingesehen werden. Eine tastende Orientierung anhand äußerer anatomischer Landmarken war infolge der ausgeprägten Weichteilschwellung kaum möglich. Die Patientin atmete in sitzender Position mit nasaler O2-Sonde relativ ruhig. Die Leukozytose betrug 25 Gpt/l. Eine herkömmliche Narkoseeinleitung war wegen des drohenden Risikos einer „Cannot-intubate-cannot-ventilate-Situation“ kontraindiziert; dies galt ebenfalls für sedierende Maßnahmen. Es sollte der Versuch einer kontrollierten Wachintubation in Schleimhautanästhesie über ein nasotracheal geführtes Fiberbronchoskop erfolgen. Die Patientin erhielt zunächst abschwellende Nasentropfen beidseits. Bereits während der Anlage der topischen Anästhesie des Nasopharynx mit Xylocain®-Pumpspray entwickelte sich eine akute respiratorische Insuffizienz (SaO2-Abfall, Zyanose). Die Oxygenierung per Gesichtsmaske/“continuous positive airway pressure“ (CPAP) war ohne Effekt (bei bestehender Kontraindikation für naso- bzw. oropharyngeale Luftbrücken), eine vorsichtige Anhebung des Zungengrundes mit einem Laryngoskopspatel nach Macintosh ermöglichte unter stridoröser, spontaner Restatmung einen langsamen Wiederanstieg der SaO2. In halb sitzender Position erfolgte ein notfallmäßiger transtrachealer Atemwegszugang mit einer Trokarpunktion nach Denker in Lokalanästhesie. Es resultierte sofort eine freie Atmung. Ein über das Behelfstracheostoma platzierter Spiraltubus (28 Charr) ermöglichte die Einleitung einer Allgemeinanästhesie. Die Patientin wurde zunächst regulär tracheotomiert (Trachealkanüle Gr. 8). Im Anschluss führten wir die kollare Mediastinotomie links durch. Es fand sich eine große retro- und parapharyngeale Abszesshöhle, aus der sich ca. 200 ml Pus mit fötiden Gasbeimengungen unter Druck entleerten (Abb. 3). Anschließend erfolgte die starre Ösophagoskopie mit dem Nachweis einer Läsion in der Spitze des linken Sinus piriformis. Die Halswunde wurde über eine offene Wundbehandlung therapiert. Mikrobiologisch konnten vergrünende Streptokokken und Staphylococcus aureus nachgewiesen werden. Die weitere Therapie bestand aus der Gabe von Zinacef® und Ciprobay® gemäß Antibiogramm sowie 2-täglichen Verbandswechseln. Ab dem 6. postoperativen Tag erfolgte der orale Kostaufbau. Am 8. postoperativen Tag wurden der Tracheostomaverschluss und die sekundäre Naht der Halswunde durchgeführt; 16 Tage nach der operativen Erstversorgung konnten wir die Patientin in die häusliche Betreuung entlassen.
Diskussion
Perforierende Verletzungen des Hypopharynx oder des zervikalen Ösophagus infolge ärztlicher Maßnahmen am aerodigestiven Übergang können wegen der sich entwickelnden Mediastinitis auch im Zeitalter moderner Antibiotika vital bedrohlich für den Betroffenen werden. Hawkins u. House [15] berichteten noch im Jahr 2001 über den letalen Ausgang bei 2 von 5 Fällen einer Perforation des oberen Speiseweges nach endotrachealer Intubation. Horn et al. [19] geben eine Mortalität von ca 50% an, die sich bei einem Behandlungsbeginn binnen 12 h signifikant verringert. Nur durch die rasche Erkennung und konsequente Kombination aus chirurgischer und antibiotischer Therapie lassen sich schwer wiegende Folgen für den Patienten vermeiden [15]. Das typische klinische Bild mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden bis zur Schluckinsuffizienz, verbunden mit einem (primär unilateralen) Weichteilemphysem des Halses, das sich auf die obere Thoraxapertur ausbreiten kann sowie einer Leukozytose und Fieber ist wegweisend (Tabelle 1). Am Übergang der Hypopharynxhinterwand zum Ösophagus befindet sich eine muskuläre Schwachstelle (Killian-Dreieck), die möglicherweise einen Locus minoris resistenciae bildet. Als weitere häufige Prädilektionsstelle für Perforationsverletzungen ist der rechte Sinus piriformis bekannt, der bei üblicher direkter Laryngoskopie von rechts gefährdet ist. Binnen 24–48 h treten in der Regel die ersten klinischen Anzeichen auf [22]. Allerdings gibt es auch Verletzungen des linken Sinus piriformis, wie unsere zweite Kasuistik zeigt. In diesem Fall ist als eine weitere mögliche Ursache die „blinde“ Einlage einer nasogastralen Ernährungssonde zu diskutieren [32]. Angaben hierzu liegen uns nicht vor.
Wie der Fall der ersten Patientin zeigt, kann es innerhalb von Stunden nach der Verletzung zur Ausbildung dieser Symptome kommen. Durch die erstbehandelnde Einrichtung wurde infolge rascher Diagnosestellung und Verlegung zur fachspezifischen Therapie die Entwicklung einer zervikalen Abszedierung bzw. einer deszendierenden Mediastinitis vermieden.
Bei supraglottischer Einengung des Atemweges (hier durch eine Weichteilschwellung) ist eine Beurteilung der Extubierbarkeit z. B. durch direkte Laryngoskopie erschwert. Ein qualitativer und quantitativer Nebenatmungsversuch („cuff-leak test“) ist für laryngeale Postextubationsstenosen evaluiert, nicht jedoch für supraglottische und oropharyngeale Stenosen. Eine mechanische bzw. funktionelle Atemwegsobstruktion lässt sich mit der flexiblen Fiberoptik nur im Wachzustand und während Spontanatmung eindeutig untersuchen, d. h., wenn der Endotrachealtubus entfernt ist. Die temporäre Verwendung eines Tubuswechslers als Platzhalter bzw. Hilfsmittel zur Oxygenierung und Reintubation ist hierbei ein möglicher Kompromiss.
Demgegenüber werden in der Literatur vereinzelt Kasuistiken mit einer Diagnoseverzögerung von bis zu 3 Wochen aufgrund geringer, uncharakteristischer klinischer Symptome beschrieben [23, 40]. Bei der Mehrzahl dieser Fälle kam es zur Ausbildung eines retro- bzw. parapharyngealen Abszesses, z. T. unter gleichzeitiger Entwicklung einer Mediastinitis. Derart gestaltete sich der Verlauf bei unserer zweiten Patientin. Die Symptome waren anfangs unspezifisch; es bestanden lediglich schmerzhafte Schluckbeschwerden ohne Hautemphysem. Die Nebenwirkung „Schluckbeschwerden“ ist mit einer Inzidenz von bis zu 24% nach einer Intubationsnarkose für 1–2 Tage zunächst nicht ungewöhnlich [37]. Erst durch erneute, zunehmende Schluckbeschwerden nach einem möglicherweise durch die postoperative Schmerztherapie maskiertem Intervall konnte nach einem Konzil des HNO-Arztes am 6. postoperativen Tag mithilfe der konventionellen Röntgendiagnostik ein Abszess des Retropharyngealraums nachgewiesen werden. Spätestens dann hätten sich operative Konsequenzen ergeben müssen.
Neben der erwähnten klinischen Befundkonstellation kommt der bildgebenden Diagnostik eine wichtige Aufgabe bei der Diagnosestellung einer entzündlichen para- bzw. retropharyngealen sowie mediastinalen Komplikation zu (Tabelle 1). Das Spiral-CT mit Kontrastmittel stellt heute zweifelsfrei den diagnostischen Standard dar [33]. Zur präziseren Detektion einer perforierenden Läsion kann diese Diagnostik durch eine Schluckpassage mit Tee-verdünntem Isovist®, das bei versehentlicher Aspiration unkritisch ist, ergänzt werden. Doch gelangt man bereits mit der konventionellen Röntgendiagnostik, d. h. der Darstellung der Halsweichteile seitlich, zu einer schlüssigen Diagnose beim Vorliegen eines retropharyngealen Abszesses [4, 37].
Wegen der Diagnoseverzögerung kam die zweite Patientin vor Beginn der kausalen Therapie in eine lebensbedrohliche Atemnotsituation, die eine situative Nottracheotomie durch weitlumige Punktion als einzige Option für die Oxygenierung/Atemwegssicherung erforderlich machte. Das Ligamentum cricothyroideum war wegen fehlender anatomischer Orientierung durch die zervikale Weichteilschwellung nicht präzise zugänglich, so dass anstatt der beabsichtigten Koniotomie ein trachealer Zugang unterhalb des Ringknorpels resultierte. Der Trokar nach Denker besteht aus einem wiederverwendbaren Metallset (Schafthandgriff, gebogenes spitzes Ende, konischer Anschliff, adaptierte Metallkanüle) und erlaubt eine weitlumige transtracheale Punktion. Bei supraglottischer Raumforderung kann ggf. auch der Einsatz eines Notfalltracheoskops („Notrohr“) vor einem ultimativen chirurgischen Trachealzugang erwogen werden, wenn anatomische Landmarken im ventralen Halsbereich fehlen [13]. Dies verbot sich bei dieser Patientin wegen des nichtkalkulierbaren Risikos einer Abszessperforation mit trachealer Aspiration. Unter klinischen Bedingungen notfallmäßig durchgeführte, chirurgische Trachealzugänge weisen ein vergleichsweise geringes Komplikationsrisiko auf [12]. Allerdings muss betont werden, dass eine reguläre chirurgische Tracheotomie sowie die heute geübten Verfahren der Punktionstracheotomie auch bei einem erfahrenen Operateur aufgrund der Hypoxiegefahr zeitkritisch werden können und deshalb für einen notfallmäßigen Atemwegszugang nicht das Verfahren der ersten Wahl darstellen.
Die chirurgische Therapie besteht in der Regel aus der operativen Darstellung des Defektes mit dem Versuch des Verschlusses sowie der großzügigen Drainage der Faszienräume des Halses und des oberen Mediastinums, kombiniert mit einer breit angelegten antibiotischen Therapie unter Einbeziehung des Antibiogramms [20, 28, 29]. Damit konnte in beiden beschriebenen Fällen eine Ausheilung ohne bleibende Folgen erreicht werden. Alternativ kann man im Einzelfall bei frühzeitiger Diagnosestellung und Ausbleiben lokaler und systemischer entzündlicher Reaktionen auch eine alleinige antibiotische Therapie bzw. einen damit kombinierten endoskopischen Verschluss der Perforation erwägen [24, 30]. Als antimikrobielle Chemotherapeutika werden intravenös Breitspektrumpenicilline oder Cephalosporine der neueren Generation in Kombination mit Metronidazol mit gutem Erfolg eingesetzt.
Die Ernährung kann in der postoperativen Phase über eine nasogastrale Ernährungssonde erfolgen. In der Akutphase würde die konventionelle Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie- (PEG-)Sonde eine zusätzliche Gefährdung wegen der erforderlichen flexiblen Ösophagogastroskopie darstellen, sodass wir darauf verzichteten.
Für die Perforation des Speiseweges im Rahmen der endotrachealen Intubation dominieren in der Literatur 3 wesentliche Ursachen:
- 1.
-
2.
die „erschwerte“ elektive Intubation inklusive der Verwendung von Führungsmandrins [18, 22, 33, 37, 40],
-
3.
der unerfahrene Anästhesist bzw. Intubierende [18, 25, 37, 38, 40].
Die Definition der „schwierigen“ Laryngoskopie und Intubation ist uneinheitlich. In der aktuellen Fassung der Leitlinie zum Management des schwierigen Atemweges [1] wurden diese Begriffe neu formuliert; dies erleichtert den Vergleich künftiger Untersuchungen. In der anästhesiologischen Praxis hat sich auch der Score nach Cormack u. Lehane für die Schwierigkeitsgrade der direkten Laryngoskopie bewährt [7].
Schwierige Laryngoskopie bzw. schwierige Intubation im Zusammenhang mit einer Allgemeinanästhesie werden je nach untersuchter Patientengruppe mit einer Häufigkeit zwischen 1,5 und 8,5%, die misslungene Intubation mit 0,13–0,3% [9] angegeben. Besonderer Stellenwert kommt deshalb der Prävention potenzieller Atemwegsprobleme durch eine sorgfältige klinische Evaluierung des Patienten zu [1, 8, 12, 16]. Die Einbeziehung der vorhandenen Bildgebung kann als wichtige Ergänzung dienen. Die oben gemachten Angaben zeigen, dass Komplikationen beim Atemwegsmanagement nicht ausschließbar sind, noch weniger unter dringlichen oder Notfallbedingungen. Auch sind nicht alle klinischen Situationen (z. B. die periglottische Obstruktion) in den bekannten Algorithmen zum Management des schwierigen Atemweges abgebildet [1, 16].
Treten Schwierigkeiten im Rahmen der konventionellen Laryngoskopie auf, sollte zunächst eine Optimierung der Laryngoskopiebedingungen erfolgen. In diesem Zusammenhang wird empfohlen, die Anzahl der Laryngoskopie- bzw. Intubationsversuche (auf 3) zu limitieren, weil sich die Chancen für eine erfolgreiche Intubation dramatisch verringern, andererseits das Risiko einer fortschreitenden Traumatisierung überproportional ansteigen kann [25, 36, 41]. In einer solchen Situation ist nicht die endotracheale Intubation, sondern die Sicherung der Oxygenierung vordergründig. Nur wenn durch geeignete Maßnahmen die Oxygenierung gewährleistet ist, kann man z. B. durch einen Methodenwechsel am primären Ziel der endotrachealen Intubation festhalten. Maßnahmen des Atemwegsmanagements, insbesondere aber die hierbei auftretenden Schwierigkeiten, sollten unter den genannten Aspekten wahrgenommen, in geeigneter Weise dokumentiert und kollegial weitergegeben werden. Das schließt eine angemessene Information des Patienten ein.
Zur Häufigkeit schwer wiegender traumatischer Komplikationen im Zusammenhang mit einer endotrachealen Intubation stehen kasuistische Angaben zur Verfügung. Allerdings wird seit Mitte der 1980er-Jahre in den USA durch die American Society of Anesthesiologists (ASA) eine sorgfältige Registrierung und Auswertung von Komplikationen im Zusammenhang mit anästhesiologischen Maßnahmen durchgeführt (http://www.closed.claims.org). Domino et al. [9] publizierten aus dieser Statistik 1999 eine Häufigkeit der Verletzungen des oberen Aerodigestivtrakts von 6% (266 Fälle) bei 4460 Haftpflichtfällen. Während Verletzungen des Larynx mit einem Drittel der Fälle (89) die häufigste Schädigung darstellen, stellen Hypopharynx- (19%; 50 Fälle) und Ösophagusverletzungen (18%; 48 Fälle) die nächsthäufigen Verletzungen dar. Die Verletzungen von Hypopharynx und Ösophagus traten in Fällen mit einer schwierigen Intubation, bei Frauen sowie bei Patienten >60 Jahre deutlich häufiger auf. Spekulativ muss bleiben, ob das Perforationsrisiko infolge hormoneller Imbalancen, bei Dauermedikation mit Kortikosteroiden oder beim Vorliegen von Systemerkrankungen mit Bindegewebsbeteiligung größer ist. Letztere Patienten weisen allein durch die Grunderkrankung häufiger schwierige Atemwegsverhältnisse auf (z. B. Kollagenosen, rheumatischer Formenkreis). Hirsch et al. [17] berichteten in einer prospektiven Untersuchung über eine Komplikationsrate von 7,5% im Rahmen von Intubationsnarkosen; in 4% der Fälle beobachteten Verletzungen des Pharynx. Als prädisponierende Faktoren beschrieben diese Autoren den unerfahrenen Anästhesisten, die erschwerte Intubation, den Spateltyp für die direkte Laryngoskopie und mehrfache aufeinander folgende Intubationsversuche. Als weitere Ursachen für eine Perforationsverletzung des oberen Speiseweges werden die Verwendung eines Führungsmandrins zur Intubation [8, 37], der Krikoiddruck [36] und die „blinde“ Einführung einer Magensonde während der Narkose [9, 25] angegeben. Raven et al. [34] fanden bei intubierten, erfolglos reanimierten Patienten postmortale Läsionen des Hypopharynx und des Recessus piriformis in 16 bzw. 12%.
Während bei unserer ersten Patientin die erwähnten Risikofaktoren (Alter >60 Jahre, weiblich, erschwerte Intubation) zutrafen, hatte die zweite Patientin bis auf ihr Geschlecht keinen der erwähnten Faktoren für ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Auch für andere im Rahmen des Atemwegsmanagements verwendete supraglottische Luftbrücken, wie Larynxmaske oder ösophagotrachealer Kombitubus, sind Perforationsverletzungen des Ösophagus publiziert worden [5]. Die Symptome dieser seltenen, aber gravierenden Komplikation einer endotrachealen Intubation sollten sowohl jedem Anästhesisten als auch anderen intubierenden Ärzten in der Notfall- und Intensivmedizin sowie operativ tätigen Kollegen bekannt sein. Persistieren die erwähnten Symptome und kommt es zur Ausbildung eines (unilateralen) kollaren Weichteilemphysems und einem Anstieg der Entzündungsparameter, besteht an der Diagnose der Perforation des Atem- oder Speiseweges wenig Zweifel. Der Nachweis eines Pneumomediastinums bzw. einer retropharyngealen Komplikation durch die Bildgebung (Computertomogramm, seitliches Halsröntgen) sowie der endoskopische Nachweis einer Läsion sichern die Diagnose (Tabelle 1).
Aber auch Patienten mit Halsschmerzen und persistierenden Schluckbeschwerden ohne Emphysem der Halsweichteile, die nach einer endotrachealen Intubation >48 h andauern, sollten aufmerksam überwacht und dem HNO-Arzt zur Mitbeurteilung vorgestellt werden. Das betrifft ebenso Patienten, bei denen Eingriffe am oberen Atem- oder Speiseweg notfallmäßig stattfanden oder das elektive Atemwegsmanagement mit „Erschwernissen“ verknüpft war.
Neben der korrekten Diagnose der Komplikation sollte auch ein klar strukturiertes Konzept der Sicherung der Atemwege abrufbar sein. Wie der Fall der zweiten Patientin zeigt, wurde aus dem damaligen Erfahrungsstand heraus bereits bei dem Versuch der topischen nasopharyngealen Anästhesie für eine geplante flexible fiberoptische Wachintubation bei vorbestehender, grenzwertiger pharyngealer Obstruktion eine vital bedrohliche Atemnotsituation verursacht. Als aggravierend sind möglicherweise der hohe Alkoholgehalt des verwendeten 10%igen Pumpsprays (38 Vol.-%, seit 2001 28,6 Vol.-%) in Verbindung mit der hoch entzündlich veränderten, irritablen Pharyngealschleimhaut sowie die bestehende Schluckinsuffizienz zu diskutieren. Schleimhautanästhesie führt konzentrationsabhängig infolge der Verminderung des Muskeltonus sowie einer Blockade rezeptorabhängiger Regulationsmechanismen sowohl supraglottisch als auch glottisch zur Abnahme des Atemwegsquerschnitts [2, 18]. Atemwegswiderstand und Flussrate ändern sich gegensinnig. Bei vorbestehend grenzwertiger Obstruktion können außerdem die forcierte Inspiration (z. B. Panikreaktion), liegende Körperposition, Übersedierung, Laryngospasmus, Hustenreiz, Hypersalivation, Sekretstau oder Schleimhautblutung eine akute respiratorische Insuffizienz beschleunigen.
Aus heutiger Sicht verbietet sich bei einem derart extremen Lokalbefund, d. h. der drohenden „Cannot-intubate-cannot-ventilate-Situation“ einerseits sowie der Gefahr der Abszessperforation mit trachealer Aspiration andererseits, jegliche Manipulation am oberen Atemweg. Ein primärer, weitlumiger trachealer Zugang durch (Punktions-)Koniotomie in Lokalanästhesie und unter Spontanatmung ist zwingend [3, 31]. Nach Sicherung der Oxygenierung und Prävention des Aspirationsrisikos durch eine blockbare Luftbrücke (Trachealkanüle, Spiraltubus) kann die Allgemeinanästhesie eingeleitet und die operative Versorgung der Komplikationsfolgen begonnen werden. Ist demgegenüber der Atemweg bei retropharyngealem Abszess nicht kompromittiert, bestehen weitere weniger zeitkritische Optionen zu dessen Sicherung, wie z. B. die inhalative Einleitung einer Allgemeinanästhesie mit Sevofluran (Spontanatmung, ggf. auch in Seitenlage) mit nachfolgender trachealer Intubation, eine reguläre chirurgische Tracheotomie in Lokalanästhesie/Spontanatmung, im Einzelfall auch eine orientierende Inspektion mit der flexiblen Fiberoptik in Lokalanästhesie/Analgosedierung, ggf. mit nachfolgender Wachintubation. Die notwendige Schleimhautanästhesie sollte mit körperwarmer 1- bis 4%iger Lidocainlösung (z. B. Instillation, Inhalation) erfolgen.
Beide vorgestellten Patientinnen wurden mit einem temporären mukokutanen Tracheostoma versorgt, einmal unter den Bedingungen des vorausgehenden Atemwegsnotfalls, zum anderen, wenn auch verzögert, im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung. Als Vorzüge im Vergleich zur prolongierten endotrachealen Intubation sind bei dieser speziellen Indikation u. a. zu nennen:
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eine Ruhigstellung der unmittelbaren Entzündungsregion,
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der problemlose Kanülenwechsel,
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die Erleichterung der Tracheobronchialtoilette,
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eine geringe Komplikationsrate,
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die frühzeitige Verlegung auf eine nachgeordnete Station sowie
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geringere Kosten.
Der Tracheostomaverschluss erfolgte jeweils vor der Klinikentlassung.
Fazit für die Praxis
Die typischen klinischen Symptome einer Perforation des oberen Aerodigestivtrakts im Zusammenhang mit einer endotrachealen Intubation sollten sowohl jedem Anästhesisten als auch jedem anderen Arzt in der Notfall- und Intensivmedizin bzw. in operativen Fachdisziplinen bekannt sein.
Operative Therapie der Wahl ist die kollare Mediastinotomie mit Defektverschluss, Drainage oder „offene“ Wundbehandlung in Kombination mit initial kalkulierter, im Verlauf gezielter Antibiose gegen aerobe und anaerobe Keime (Breitbandpenicilline, -cephalosporine, Metronidazol). Beim fortgeschrittenen retropharyngealen Abszess mit relevanter supraglottischer Atemwegsobstruktion ist ein primärer transtrachealer Atemwegszugang in Lokalanästhesie unter Erhalt der Spontanatmung zu empfehlen, um einer „Cannot-intubate-cannot-ventilate-Situation“ bzw. der trachealen Aspiration als Folge einer Abszessperforation zu begegnen.
Die Erkennung „schwieriger Atemwegsverhältnisse“ im Vorfeld jeglichen Atemwegsmanagements sowie Maßnahmen zur atraumatischen direkten Laryngoskopie und endotrachealen Intubation sind geeignet, iatrogene Komplikationen am oberen Atem- und Speiseweg zu verringern.
Für die Beherrschung von Atemwegsnotfällen sollte ein adaptierter Handlungsablauf etabliert sein, der abhängig von der klinischen Situation und dem ärztlichen Erfahrungsstand in differenzierter Weise auch die invasiven Techniken der Atemwegssicherung berücksichtigt.
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Danksagung
Für Hinweise bei der Abfassung des Manuskripts danken wir Frau Dr. med. Rotraud Neumann, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, sowie Frau Dr. med. Rosemarie Fröber, Institut für Anatomie I, Klinikum der FSU Jena.
Interessenkonflikt:
Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
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Koscielny, S., Gottschall, R. Die Perforation des Hypopharynx als seltene, lebensbedrohliche Komplikation der endotrachealen Intubation. Anaesthesist 55, 45–52 (2006). https://doi.org/10.1007/s00101-005-0873-7
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-005-0873-7
Schlüsselwörter
- Endotracheale Intubation
- Komplikation
- Hypopharynxperforation
- Diagnostik
- Mediastinitis
- Kopf-Hals-Chirurgie
- Prävention