Zusammenfassung
Die Koniotomie im Notarztdienst ist eine sehr invasive Methode zur Atemwegssicherung. Sie ist aber unabdingbar, wenn andere weniger invasive Verfahren der Atemwegssicherung misslingen oder sich situationsabhängig als nicht zweckmäßig erweisen. Für die Durchführung wurden verschiedene Verfahren beschrieben, die in anatomisch-chirurgische Präpariertechniken und Punktionsverfahren unterteilt werden können. Das im jeweiligen Notarztsystem bevorzugte Verfahren orientiert sich meist an abteilungsüblichen Standards, die vom klinischen Vorgehen abgeleitet werden. Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten für die einzelnen Verfahren bestehen in der Intensivmedizin, am Leichenpräparat und am Phantom. In dieser Arbeit werden verschiedene Methoden der Koniotomie besprochen sowie eine anatomische Präpariertechnik und 2 Punktionsverfahren im Detail dargestellt.
Abstract
Cricothyrotomy is a very invasive technique to secure the airway in an emergency but is irreplacable when less invasive techniques fail or cannot be instigated under the prevailing circumstances. Various techniques have been reported which can be subdivided into anatomical-surgical preparation or puncture techniques. The preferred strategy is mostly oriented towards the departmental standard procedure which will be decided by the clinical situation. Training for each procedure can be carried out in intensive care departments, and using autopsy material or a manekin. Various methods of cricothyrotomy will be discussed here, and additionally an anatomical preparation and two puncture techniques will be demonstrated in detail.
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Bereits im 16. Jh. wurde der chirurgische Zugang zum Atemweg als lebensrettend beschrieben. Im 19. Jh. konnten zahlreiche an Diphtherie erkrankte Patienten durch eine Tracheotomie, die als Notfallmaßnahme erkannt worden war, vor dem drohendem Erstickungstod bewahrt werden [15]. Im Jahr 1957 wurde das Lig. cricothyreoideum als die am oberflächlichsten gelegene Stelle des Atemwegs unterhalb der Glottisebene und somit als die ideale Lokalisation für einen notfallmäßigen chirurgischen Atemwegszugang vorgeschlagen [5, 10]. Mittlerweile hat die Koniotomie in den Leitlinien und Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften zum Management des schwierigen Atemwegs einen festen Platz [6, 19]. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Invasivität wird ihre Anwendung jedoch nur dann empfohlen, wenn andere Maßnahmen fehlschlagen oder nicht ausreichend schnell durchgeführt werden können.
Im Notarztdienst sind allerdings einige klinische Methoden kaum realisierbar. Insbesondere die „Rückwärtsstrategie“, also die Möglichkeit einen Patienten bei fehlgeschlagener Atemwegskontrolle nach Narkoseeinleitung wieder aufwachen zu lassen, ist häufig nicht praktikabel oder undurchführbar. Da viele Patienten bereits bewusstlos oder aufgrund lebensbedrohlicher Erkrankung bzw. Verletzung beatmungspflichtig sind, ist oft auch ein Zeitverlust bei der Sicherung der Atemwege nicht akzeptabel. Darüber hinaus sind einige in der Routineanästhesie gebräuchlichen Hilfsmittel zur Atemwegssicherung im Notarztdienst in aller Regel nicht verfügbar. Dies gilt derzeit insbesondere für die flexible Fiberoptik, die zumindest im deutschsprachigen Raum unter klinischen Bedingungen einen hohen Stellenwert im Rahmen des Atemwegsmanagements einnimmt. Zwar wurde ihr Einsatz auch im Rettungsdienst bereits publiziert [27]; eine weite Verbreitung hat sie aufgrund ihres hohen Anschaffungspreises und der für dieses Verfahren notwendigen großen klinischen Erfahrung bisher jedoch nicht erlangt. Aus den genannten Gründen folgt, dass die Koniotomie gerade für den Notarztdienst eine besonders hohe Bedeutung besitzt.
Indikationen
In Anlehnung an die oben genannten Leitlinien können für den Notarztdienst grundsätzlich 2 Szenarien unterschieden werden, bei denen die Indikation zur Koniotomie gestellt wird [6, 19]:
- (1) :
-
Maskenbeatmung und Intubation misslingen, die Oxygenierung des Patienten ist nicht gewährleistet.
In dieser als „cannot-ventilate-cannot-intubate“ bezeichneten Situation kann als zusätzliche Alternative vor der Koniotomie noch die Beatmung über eine supraglottische Atemhilfe (z. B. Larynxmaske, Larynxtubus, „Combitube“, „Easytube“) versucht werden. Misslingt deren Anwendung ebenfalls oder stehen diese Hilfsmittel nicht zur Verfügung, um eine Hypoxie abzuwenden, muss die Koniotomie sofort durchgeführt werden. Die Notwendigkeit einer Koniotomie ergibt sich v. a. dann, wenn weiche oder harte Hindernisse den Kehlkopf oder die oberen Atemwege verschließen und ein Atemwegszugang „von oben“ unmöglich ist (Tabelle 1).
- (2) :
-
Die endotracheale Intubation misslingt, eine Oxygenierung über Gesichtmaske oder supraglottische Atemhilfen ist zwar möglich, erscheint aber für den weiteren präklinischen Verlauf als nicht ausreichend.
Folgende Überlegungen spielen hier eine Rolle:
-
Bei Notfallpatienten muss immer mit fehlender Nüchternheit und daraus resultierender Aspirationsgefahr gerechnet werden. Nicht zuletzt deshalb gilt die endotracheale Intubation als „golden standard“ der Atemwegssicherung im Notfall. Im Vergleich dazu erhöht sich bei der Maskenbeatmung die Aspirationsgefahr mit zunehmender Anwendungsdauer [28]. Die Larynxmaske verringert zwar die Aspirationsgefahr im Vergleich zur Gesichtsmaske; einen sicheren Aspirationsschutz stellt sie jedoch ebenfalls nicht dar [8]. Lediglich Combitube und Easytube scheinen durch die Blockung im Ösophagus und die Möglichkeit der Ableitung von Mageninhalt durch das ösophageale Lumen nach außen eine Aspiration von Mageninhalt am ehesten zu vermeiden [1]. Bei schweren Blutungen in den Rachenraum, z. B. aufgrund eines Mittelgesichtstraumas oder einer Schädelbasisfraktur, können supraglottische Atemhilfen eine Aspiration von Blut nicht sicher verhindern.
-
Eine Vorwärtsstrategie in Richtung Koniotomie kann auch dann indiziert sein, wenn bei einer Schwellung der oberen Atemwege oder der Halsweichteile, z. B. bei Verbrennungen oder im Rahmen von allergischen Reaktionen, eine Oxygenierung über die Gesichtmaske oder supraglottische Atemhilfen gelingt, aber mit einer zunehmenden schwellungsbedingten Obstruktion der Atemwege und dadurch mit einem sekundären Verlust der Beatmungsmöglichkeit gerechnet werden muss.
Die Beantwortung der Frage, ob die Indikation für eine Koniotomie trotz aktuell möglicher Oxygenierung gestellt werden muss, hängt also von zahlreichen Einzelfaktoren ab, die individuell abgewogen werden müssen (Tabelle 2).
Inzidenz in der präklinischen Notfallmedizin
Die Häufigkeit einer Koniotomie im Rettungsdienst schwankt stark in Abhängigkeit vom Anwenderkollektiv. An einem US-amerikanischen Traumazentrum mit angeschlossenem Luftrettungsdienst wurden in einem 5-Jahres-Zeitraum 2730 Intubationen durchgeführt, davon etwa 90% im Schockraum und 10% präklinisch. Die präklinisch im Luftrettungsdienst tätigen und in einer chirurgischen Koniotomietechnik („Rapid-four-step-Technik“) ausgebildeten „flight nurses“ führten mit 10,9% deutlich häufiger Koniotomien durch als Ärzte im Schockraum (1,1%) [3, 9]. In einer älteren Untersuchung an einem deutschen unfallchirurgisch besetzten Luftrettungszentrum wird die Inzidenz der Koniotomie mit 2,4% angegeben [17]. Demgegenüber wurde im eigenen, ausschließlich mit Anästhesisten besetzten Luftrettungsdienst mit jährlich rund 1000, zur Hälfte beatmeten und überwiegend traumatologischen Notfallpatienten, die Indikation zur Koniotomie nur in 0,1% der Fälle gestellt [24].
Der Vergleich dieser Zahlen zeigt, dass die Koniotomie zwar durchaus eine Indikation in der Notfallmedizin hat, ihr Stellenwert jedoch erheblich von der Routine des eingesetzten Personals mit den Methoden der konventionellen Atemwegssicherung abhängt.
Anatomische Grundlagen
Die Lokalisation zur Anlage einer Koniotomie befindet sich in der unter der Haut tastbaren Lücke zwischen Schild- und Ringknorpel. Prominenteste Struktur ist der Schildknorpel (Cartilago thyreoidea) mit dem Adamsapfel (Prominentia laryngea). Zwischen Schildknorpel und Ringknorpel spannt sich das Lig. cricothyreoideum (Synonym: Lig. conicum) aus—die Zielstruktur der Koniotomie. Wesentliche Strukturen, die sich in unmittelbarer Nähe dieses Zugangsweges befinden und daher im Rahmen der Koniotomie verletzt werden können, sind die Schilddrüse (Glandula thyreoidea, ggf. mit akzessorischem Lobus pyramidalis) mit ihren zugehörigen Blutgefäßen (Vasa thyreoidea superiores et inferiores), die großen Halsgefäße (A. carotis communis, Vv. jugulares interna et externa), sowie der unmittelbar hinter der Trachea liegende Ösophagus (Abb. 1).
Techniken und Material
Eine Reihe verschiedener Präpariertechniken und Punktionsverfahren wurde beschrieben:
-
1.
Anatomisch-chirurgische Präpariertechniken:
-
a.
konventionelle Präparation,
-
b.
Rapid-four-step-Technik [9].
-
a.
-
2.
Punktionsverfahren:
Unabhängig davon, welche der oben genannten Techniken eingesetzt werden, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein: Das Instrumentarium muss unmittelbar zur Verfügung stehen, leicht zu handhaben und mit einem Standardkonnektor zum Anschluss der üblichen Beatmungseinheiten versehen sein. Das Verletzungsrisiko für benachbarte Strukturen sollte so gering wie möglich sein [16].
Eine Kopfüberstreckung erleichtert die Durchführung aller oben genannten Koniotomietechniken. Beim Training am Leichenpräparat gelang jedoch regelhaft allenfalls eine moderate Überstreckung des Kopfes, ohne dass sich Anhaltspunkte ergaben, dass die Maßnahme dadurch erschwert oder verzögert wurde [23, 24]. Die Bewegungen, die sich aus der Durchführung einer Koniotomie bei einem Patienten mit einer bestehenden Halswirbelsäulenverletzung ergeben und damit die potenzielle Gefahr, die Folgen einer derartigen Verletzung zu aggravieren, dürften bei moderater Kopfüberstreckung klinisch kaum relevant sein [18]—jedenfalls hat nach Ansicht der Autoren die Atemwegssicherung Priorität.
Im Folgenden werden ein chirurgisch-anatomisches Verfahren, ein Punktionsverfahren mit Stahlinnenkanülentechnik und eine Seldinger-Technik im Detail beschrieben.
Anatomisch-chirurgische Präpariertechniken
Konventionelle Präpariertechnik
Im Folgenden wird die Technik mit vorgepacktem Instrumentarium (Tabelle 3) beschrieben:
-
Der Notarzt steht oder kniet (als Rechtshänder) rechts vom Patienten.
-
Palpatorische Lokalisation des Schild- und Ringknorpels mit dem Zeigefinger der Arbeitshand und Fixieren des Schildknorpels mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand in Form eines nach kaudal offenen V [25].
-
Längsinzision der Haut in der Mittellinie (Skalpell Nr. 11), beginnend über der Mitte des Schildknorpels und endend über dem Ringknorpel (Schnittlänge max. 3,5 cm).
-
Stumpfes Spreizen des Unterhautgewebes mit der Präparierschere, Spaltung der Fascia praetrachealis, Auseinanderdrängen der infrahyoidalen Muskulatur und evtl. vorliegender Strukturen (Lobus pyramidalis oder Gefäße; Abb. 2).
-
Querinzision der Membrana cricothyreoidea (Lig. conicum) und der angrenzenden Trachealschleimhaut mit dem Skalpell unter Zuhilfenahme des Killian-Spekulums (Abb. 3).
-
Darstellung der Öffnung in der Membrana cricothyreoidea mit dem Killian-Spekulum, ohne dabei die beiden Knorpel visierartig auseinander zu drängen.
-
Einführen des mit einem Führungsmandrin (Spitze sollte leicht über die Tubusspitze herausstehen) armierten Endotrachealtubus (Abb. 4; hier ohne Mandrin dargestellt). Der Tubus sollte eine abgeschrägte Spitze aufweisen; damit lässt sich das allmähliche Auseinanderdrängen der Gewebsstrukturen beim Einführen des Tubus unter gleichzeitigem Zurückziehen des Killian-Spekulums erzielen. Außerdem gleitet ein abgeschrägter Tubus nach Zurückziehen des Mandrins leichter an der Trachealhinterwand entlang, so dass ein Abknicken nach kranial verhindert wird.
-
Zurückziehen des Killian-Spekulums während der Tubusinsertion, da die geschaffene Öffnung nicht gleichzeitig Tubus und Spekulumbranchen aufnehmen kann (Abb. 5).
-
Blocken des Tubus-Cuffs und Auskultationskontrolle.
-
Sicherung des Tubus mit Nahtmaterial im Hautniveau; ggf. kann auch eine Mullbinde verwendet werden.
Rapid-four-step-Technik
Die Rapid-four-step-Technik stellt eine Modifikation dieses Vorgehens dar: Der Notarzt steht oder kniet am Kopfende des Patienten und führt eine Querinzision von Haut und Lig. cricothyreoideum durch. Dann wird der Ringknorpel mit einem speziellen Trachealhaken gefasst und zusammen mit dem kaudal davon gelegenen Trachealanteil nach ventral und kaudal gezogen, so dass der Endotrachealtubus jetzt unterhalb des Hakens in die Trachea geschoben werden kann [9].
Punktionsverfahren
Stahlinnenkanülentechnik
Die Beschreibung erfolgt am Beispiel des Quicktrach-Punktions-Sets:
-
Der Notarzt steht oder kniet hinter dem Kopf des Patienten.
-
Palpatorische Lokalisation der Lücke zwischen Schild- und Ringknorpel.
-
Punktion der Haut und der Membrana cricothyreoidea mit der Quicktrach-Kanüle (Abb. 6). Die vom Hersteller (VBM, Sulz a.N.) vorkonnektierte 10-ml-Spritze muss bei der Punktionskoniotomie fest in die Hand genommen werden, während der Kanülenflügel mit der anderen Hand gesichert und dem Quicktrach damit eine zusätzliche Richtungsstabilität gegeben wird (Abb. 7 und 8). Verschiedene Anwender empfehlen, die Spritze vorher mit 2–3 ml Kochsalzlösung zu befüllen, so dass die erfolgreiche Punktion der Trachea durch die Aspiration von Luftblasen erkannt werden kann. Die aufgesetzte Stoppvorrichtung soll dabei eine Läsion der Tracheahinterwand bzw. eine Perforation zum Ösophagus verhindern. Eine Stichinzision durch die Haut vor der eigentlichen Punktion wird zwar vom Hersteller nicht vorgegeben, kann aber den erforderlichen Kraftaufwand reduzieren.
-
Luftaspiration über die Spritze (Abb. 9).
-
Entfernen der Stoppvorrichtung (Abb. 10).
-
Vorschieben des Kunststoffkatheters über die Punktionskanüle unter Abstützung mit der Hand, die die Spritze fixiert, [Abb. 11; am Kinn (A)] und Auskultationskontrolle.
-
Sicherung des Katheters mit einer Haltenaht.
Seldinger-Technik
Mit dem Melker-Koniotomie-Set (Cook, Mönchengladbach) mit blockbarer Kanüle (5 mm ID) wird wie folgt vorgegangen (Abb. 12) [21]:
-
Der Notarzt steht oder kniet hinter dem Kopf des Patienten.
-
Palpatorische Lokalisation der Lücke zwischen Schild- und Ringknorpel.
-
Punktion der Haut und der Membrana cricothyreoidea mit der Punktionskanüle und aufgesetzter Spritze.
-
Luftaspiration über die Spritze. (Auch hier kann die Spritze vorher mit 2–3 ml Kochsalzlösung befüllt werden, um die erfolgreiche Punktion der Trachea durch die Aspiration von Luftblasen erkennen zu können.)
-
Absetzen der Spritze, Einführen des Führungsdrahts und Herausziehen der Punktionsnadel.
-
Hautinzision beidseits neben dem Führungsdraht, jeweils 0,5–1 cm.
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Vorschieben von Dilatator und Koniotomiekanüle über den Führungsdraht in die Trachea (Abb. 13).
-
Entfernen des Dilatators, Blocken des Cuffs und Auskultationskontrolle (Abb. 13; kleines Bild: Lage in situ).
-
Sicherung der Koniotomiekanüle mit einer Haltenaht.
Vergleich der verschiedenen Verfahren
Folgende Kriterien lassen eine Bewertung der verschiedenen Methoden im Vergleich zu:
-
Zeitbedarf bis zur Oxygenierung,
-
Qualität der Ventilation,
-
Aspirationsschutz,
-
Komplikationsrate.
Zeitbedarf
Der Zeitbedarf zwischen einer Punktions- (13-G-Jetventilationskatheter) und der oben beschriebenen chirurgisch-anatomischen Koniotomietechnik wurde von den Autoren an unfixierten Leichen untersucht [24]. Dabei konnten die Anwender (Weiterbildungsassistenten der Anästhesiologie im 4. Weiterbildungsjahr) in durchschnittlich 25 s (Bereich 10–36 s) die Punktion des Lig. conicum vornehmen, während die chirurgische Technik 73 s (53–255 s) in Anspruch nahm. Eine andere Anwendergruppe, bestehend aus Medizinstudenten und weniger erfahrenen Weiterbildungsassistenten im 2. Weiterbildungsjahr, benötigte in der gleichen Untersuchung sogar durchschnittlich 180 s (75–280 s) für die chirurgisch-anatomische Koniotomietechnik [23]. Die Bedeutung dieser Zeitdifferenz wird deutlich, wenn man in Rechnung stellt, dass der Patient, bei dem eine Koniotomie durchgeführt werden muss, während der Entscheidungsfindung bzw. während der frustranen Versuche einer Maskenbeatmung oder endotrachealen Intubation bereits hypoxisch sein kann. In der Untersuchung von Bair et al. [3] benötigten „emergency physicians“ und Flight nurses in 13 von 50 Fällen mehr als 2 min für die Durchführung der Koniotomie in chirurgischer bzw. Rapid-four-step-Technik. In einer aufgrund der kleinen Fall- und Anwenderzahl schwer zu interpretierenden aktuellen Untersuchung benötigten erfahrene Anwender für die chirurgisch-anatomische Technik an 5 unfixierten Leichen durchschnittlich 22,4 s (18–26 s). Trotz der Einschränkungen weist diese Untersuchung darauf hin, dass in der Hand des Geübten eine Koniotomie auch in chirurgisch-anatomischer Technik innerhalb von 30 s durchgeführt werden kann [7].
In einer weiteren Studie an unfixierten Leichen wurde die chirurgisch-anatomische Präparation mit der Seldinger-Technik verglichen. Dabei konnten für die primäre Erfolgsrate, für die Geschwindigkeit der Durchführung und für die resultierenden Läsionen benachbarter Gewebsstrukturen keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden [14]. Als interessanter Nebenaspekt dieser Untersuchung wurde eine Lernkurve bei der Durchführung der verschiedenen Verfahren beschrieben, und die Autoren kamen zu dem Schluss, dass jeder Arzt die Technik wählen sollte, die am ehesten den bisher durchgeführten manuellen Techniken entspricht: Während Anästhesisten und Intensivmediziner mit der Seldinger-Technik beispielsweise durch Anlegen von zentralvenösen Kathetern vertraut sind, haben überwiegend operativ tätige Kollegen vergleichsweise mehr Übung in chirurgischen Präparationstechniken. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass der Seldinger-Draht bei nichtkorrekter Positionierung des „introducers“ abknicken kann und dann für einen weiteren Punktionsversuch nicht mehr verwendbar ist.
Qualität der Ventilation
Eine andere aktuelle Untersuchung beschäftigte sich mit der Frage, wie gut über verschiedene Koniotomiekanülen ventiliert werden kann [12]. Die Beatmung einer Modelllunge unter Simulation verschiedener Atemwegswiderstände erfolgte dabei jeweils über einen Endotrachealtubus (ID 6 mm), über nichtblockbare Koniotomiekanülen (ID 4 und 6 mm) und über eine Jetventilationskanüle (13 G). In diesem Modell konnte bei der Beatmung über den Endotrachealtubus ein Atemminutenvolumen (AMV) von etwa 15 l/min erreicht werden. Das über die nichtblockbaren Koniotomiekanülen erreichte AMV war mit über 5 l/min deutlich geringer. Bei Beatmung über die 13-G-Kanüle mit ca. 2 l/min gelang keine adäquate Ventilation. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass diese Untersuchungen nicht mit einem im Rettungsdienst üblicherweise eingesetzten (Hand-)Beatmungssystem, sondern mit einem konventionellen, im klinischen Routinebetrieb üblichen Narkosekreisteil durchgeführt wurden.
Aspirationsschutz
Für die Beurteilung des Aspirationsschutzes erscheint insbesondere von Bedeutung, ob die Koniotomiekanüle mit einem blockbaren Cuff versehen ist. Neben den bei der chirurgisch-anatomischen Technik eingesetzten Endotrachealtuben erscheint hier auch ein neuerdings mit einer blockbaren Koniotomiekanüle (ID 5 mm) angebotenes Koniotomieset (Melker Koniotomie-Set, Cook, Mönchengladbach) interessant zu sein.
Komplikationen
Eine unter Notfallbedingungen durchgeführte Koniotomie kann mit gravierenden Komplikationen behaftet sein. Insbesondere können Blutungen bei den chirurgisch-anatomischen Präpariertechniken die Sichtverhältnisse bei der Präparation und damit den Zugang zu den Atemwegen deutlich erschweren bzw. unmöglich machen. Bei eigenen Untersuchungen im Rahmen simulierter, in chirurgischer Präpariertechnik durchgeführten Notfallkoniotomien an insgesamt 38 Leichen kam es insbesondere zu venösen Gefäßverletzungen, Verletzungen des Schildknorpels und zur Tubusdeviation nach kranial (Tabelle 4) [19, 20]. Die Tubusfehllagen wurden in adäquater Zeit erkannt und korrigiert; in allen Fällen wäre eine Beatmung möglich gewesen.
Bei 50 letztlich erfolgreichen, teilweise in konventioneller chirurgischer, teilweise in Rapid-four-step-Technik durchgeführten Notfallkoniotomien in einem US-amerikanischen Patientenkollektiv wurden als Komplikationen insbesondere prätracheale Tubusplatzierungen, die Notwendigkeit einer direkten Revision der Inzision und erforderliche Tubusrepositionen beschrieben (Tabelle 5) [3].
Auch dem Erfahrenen können nicht oder nur schwer beherrschbare Schwierigkeiten bei der Durchführung der Koniotomie begegnen. Insbesondere bei Patienten mit Struma kann es zu massiven Blutungen oder auch zu Schwierigkeiten beim Vorschieben der Koniotomiekanüle bzw. des Endotrachealtubus kommen, z. B. aufgrund einer Verlagerung oder Stenose der Trachea.
Eine besondere Situation kann sich bei zunehmender Schwellung im Halsbereich, wie beispielsweise beim Thoraxtrauma mit massivem Mediastinalemphysem, oder bei Verbrennungen ergeben. Aufgrund einer Umfangszunahme der Halsweichteile kann eine primär erfolgreich platzierte kurze Koniotomiekanüle sekundär dislozieren. In diesen Fällen sollte daher die Verwendung eines Endotrachealtubus bevorzugt werden [22].
Studien, die Komplikationsraten verschiedener Methoden prospektiv evaluieren, liegen bisher nicht vor und erscheinen auch zukünftig, insbesondere im präklinischen Bereich, nicht realisierbar. Es ist jedoch anzunehmen, dass aufgrund der geringeren Gewebetraumatisierung bei der Stahlinnenkanülentechnik weniger Blutungskomplikationen zu erwarten sind als bei der chirurgisch-anatomischen Präparation. Punktionsverfahren mit der Seldinger-Technik scheinen hier keine Vorteile zu besitzen, vermutlich deshalb, weil auch hier in der Regel eine Inzision mit dem Skalpell notwendig ist [11, 14].
Die Durchführung der Koniotomie in der propagierten konventionellen chirurgischen Präpariertechnik (s. oben) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Notarzt seine Position am Kopf des Patienten zunächst aufgeben und sich (als Rechtshänder) auf die rechte Seite des Patienten und damit in eine im Rahmen des Atemwegsmanagements eher ungewohnte Position begeben muss [25]. Die Rapid-four-step-Technik bietet hier möglicherweise Vorteile, da dieser Eingriff vom Kopfende des Patienten durchgeführt werden kann: Nach Querinzision von Haut und Lig. cricothyreoideum wird der Ringknorpel auf einen besonderen Trachealhaken aufgelagert und zusammen mit dem kaudalen Trachealanteil nach ventral gezogen; dann wird der Endotrachealtubus unterhalb des Hakens in die Trachea geschoben [9]. Zwei Studien an formalinfixierten Leichen verglichen die beiden Präparationsverfahren [13, 20]. Die Rapid-four-step-Technik war schneller durchzuführen (im Mittel 43 s vs. 134 s); es wurde aber auch eine höhere Komplikationsrate beschrieben. Eine abschließende Beurteilung zum Stellenwert dieses Verfahrens in der präklinischen Notfallmedizin ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten
Die Punktionskoniotomie wird als Stahlinnenkanülentechnik oder Seldinger-Technik in einigen Zentren elektiv eingesetzt, einerseits zur Unterstützung der Oxygenierung, z. B. bei Patienten mit Oro- bzw. Hypopharynxtumoren, die ein konventionelles fiberoptisches Intubationsverfahren im Wachzustand nicht tolerieren würden [2], andererseits aber auch zum besseren Absaugen von trachealem Sekret bei Patienten auf der Intensivstation, die nach der Extubation noch einen zu schwachen Hustenstoß aufweisen. Der Atemwegszugang mithilfe der Seldinger-Technik kann zudem im Rahmen von perkutanen Dilatationstracheotomien erlernt und bezüglich der Vorgehensweise dann auch auf die Koniotomie im Notfall transferiert werden. Darüber hinaus stehen Phantome verschiedener Anbieter zur Übung von Punktionstechniken zur Verfügung. Alle Koniotomietechniken, insbesondere die chirurgischen, können am Tiermodell oder am Leichenpräparat trainiert werden.
Bei der Interpretation entsprechender Studienergebnisse und zur Beantwortung der Frage, welches Verfahren für welche Anwender eher geeignet erscheint, muss allerdings berücksichtigt werden, dass auch diese Verfahren ausreichend Übung und Training zur erfolgreichen Anwendung erfordern. Wong et al. [29] konnten dabei nachweisen, dass unter Übungsbedingungen erst nach 5 in Seldinger-Technik durchgeführten Koniotomien diese Methode vom bisher unerfahrenen Anwender zeitnah und sicher durchgeführt werden kann. Die Autoren weisen allerdings einschränkend darauf hin, dass bei realen Notfallsituationen auftretende individuelle und situationsbedingte Probleme unter Studienbedingungen nicht ausreichend berücksichtigt werden können [29].
Fazit für die Praxis
Zentrale Argumente für die Verwendung blockbarer Endotrachealtuben und damit für die anatomisch-chirurgische Koniotomietechnik sind der damit verbundene sichere Aspirationsschutz und die Möglichkeit, eine Ventilation mit ausreichendem AMV durchführen zu können; dies ist beispielsweise bei der Versorgung Schädel-Hirn-traumatisierter Patienten essenziell. Bei Anwendung der meisten Punktionstechniken wird kein sicherer Aspirationsschutz gewährleistet. Die Möglichkeit einer adäquaten Ventilation ist nicht bei allen Systemen garantiert; lediglich eine ausreichende Oxygenierung kann bei reduziertem AMV unter Verwendung einer FIO2 von 1,0 sichergestellt werden.
Welchem Koniotomieverfahren im Notfall der Vorzug gegeben wird, hängt letzlich von der Routine und Erfahrung des Notarztes ab. Aufgrund des geringeren Zeitbedarfes kann die Punktionskoniotomie in der „Cannot-ventilate-cannot-intubate-Situation“ auch zur „Überbrückung“ sinnvoll sein, bis ein anderes Verfahren zur Atemwegssicherung, beispielsweise eine chirurgisch-anatomische Koniotomie, durchgeführt werden kann.
Besonders für Notärzte aus nichtoperativen Fachdisziplinen empfiehlt sich der Besuch von praxisnahen Workshops, wie sie z. B. jährlich von der Klinik für Anästhesiologie in Zusammenarbeit mit dem Anatomischen Institut II der Universität Heidelberg, aber auch von anderen Institutionen angeboten werden. Hier kann die Koniotomie, neben anderen invasiven Notfalltechniken, am Leichenpräparat trainiert werden [30].
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Danksagung
Herrn Prof. Dr. M. Herrmann, Herrn Prof. Dr. J. Kirsch, Frau S. Doll und Herrn E. Voigt, Anatomisches Institut der Universität Ulm, wird an dieser Stelle nochmals für ihre außerordentliche Mühe und ihr Engagement bei der Bereitstellung anatomischer Präparate für unsere Untersuchungen und ihre Unterstützung bei der Anfertigung der zahlreichen Dokumentationsaufnahmen über viele Jahre gedankt.
Interessenkonflikt:
Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
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Mutzbauer, T.S., Keul, W., Bernhard, M. et al. Invasive Techniken in der Notfallmedizin. Anaesthesist 54, 145–154 (2005). https://doi.org/10.1007/s00101-004-0768-z
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