Das Problem

Bei der operativen Behandlung einer distalen Radiusfraktur mit einer palmaren winkelstabilen Platte wird der M. pronator quadratus (PQ) üblicherweise L‑förmig vom Knochen abgelöst. Eine stabile Refixierung des radial oder transmuskulär abgelösten PQ und die vollständige Bedeckung der palmaren Platte sind erfahrungsgemäß schwierig.

Die Lösung

Die Lösung ist eine modifizierte L‑förmige Ablösung des PQ mit einem kräftigen bindegewebigen, radialen Rand, bestehend aus dem radialen Anteil des Dachs des 1. Strecksehnenfachs und dem palmaren Schenkel des M.-brachioradialis-(BR-)Sehnenansatzes, und die stabile Refixierung des PQ mit vollständiger Bedeckung einer palmaren Platte nach Osteosynthese einer distalen Radiusfraktur [1].

Operationstechnik

(Abb. 1, 2, 3, 45, Video online)

Abb. 1
figure 1

Scharfe Präparation unterhalb der A. radialis zum 1. Strecksehnenfach und zum muskulotendinösen Übergang des M. brachioradialis. Als Landmarke für die weitere Präparation dient der kleine, gut zu tastende Knochenvorsprung radial am distalen Radius (Stern), an dem das 1. Strecksehnenfach inseriert und der als Führung für die Sehne des M. abductor pollicis longus dient

Abb. 2
figure 2

Inzision nach radial über den Knochenvorsprung bis zur Mitte des 1. Strecksehnenfachs. Eröffnen des 1. Strecksehnenfachs nach proximal, so dass die distalen Fasern des 1. Strecksehnenfachs als Luxationsschutz der Sehne des M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis erhalten bleiben. Weghalten der Sehne des M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis nach dorsoradial. Darstellen des flächigen Ansatzes der M.-brachioradialis-Sehne am Boden des 1. Strecksehnenfachs

Abb. 3
figure 3

Hälftige Tenotomie des BR-Sehnenansatzes im Faserverlauf von distal nach proximal (gestrichelte Linie) und Ablösen des palmaren Schenkels zusammen mit dem M. pronator quadratus

Abb. 4
figure 4

Durchtrennen des palmaren Schenkels des M.-brachioradialis-(BR-)Sehnenansatzes am Übergang zur freien BR-Sehne; dies entspricht in etwa der proximalen Begrenzung der faszialen Verbindung zwischen BR-Ansatz und radialem M.-pronator-quadratus-(PQ-)Ansatz. Ablösen des PQ vom distalen Radius mit dem Raspatorium nach ulnar, ohne Schädigung des von der Membrana interossea kommenden neurovaskulären Pedikels

Abb. 5
figure 5

Nach Osteosynthese Refixation des palmaren Schenkels des M.-brachioradialis-(BR-)Sehnenansatzes an den verbliebenen BR-Sehnenansatz über der palmaren winkelstabilen Platte mit 4‑0 Polydioxanon-(PDS®-)Einzelknopfnähten. Tipp: Als erstes die radial-distale Ecke des abgelösten M. pronator quadratus (PQ) an das kräftige Bindegewebe distal-radial der „watershed line“ nähen, dann den palmaren Schenkel des BR-Sehnenansatzes an den verbliebenen BR-Sehnenansatz nähen und abschließend den distalen muskulären Rand des PQ über die „watershed line“ an das Bindegewebe etwas proximal der palmaren Handgelenkbänder nähen. Hiermit wird der PQ etwas nach distal transponiert, was eine vollständige Bedeckung des distalen Rands der palmaren Platte ermöglicht

Ergebnisse

Seit 2014 wird die modifizierte Technik der Ablösung und stabilen Refixierung des PQ nach Hohendorff et al. [1] bei der palmaren Plattenosteosynthese einer distalen Radiusfraktur in unserer Klinik angewendet. Sofern keine ausgedehnte traumatische Zerreißung des Muskels vorliegt, ist die beschriebene Ablösung und Refixierung aus eigener Erfahrung immer möglich. Durch die leichte Transposition des Muskels nach distal ist eine vollständige Bedeckung des distalen Plattenrands auch bei einer ungünstigeren Plattenlage an der „watershed line“ (Soong Grad 1 und 2, [2]) – die grundsätzlich vermieden werden sollte – möglich.

Eine PQ-Refixierung mit vollständiger Bedeckung des distalen Plattenrands nach palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese führt zwar zu keiner funktionellen Verbesserung des Handgelenks und der Hand, vermindert aber möglicherweise das Risiko einer chronischen Schädigung der Fingerbeugesehnen.