Vorbemerkungen

Fortgeschrittene Handgelenkarthrosen führen regelhaft zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und deutlichem Kraftverlust. Ursächlich hierfür kann sowohl eine Skaphoidpseudarthrose mit Ausbilden eines SNAC-Wrist („scaphoid non-union advanced collapse“) als auch eine alte skapholunäre Bandruptur mit Ausbilden eines SLAC-Wrist („scapho-lunate advanced collapse“) sein. Diese Klassifikation beschreibt, dass die Arthrose regelhaft in verschiedenen Stadien abläuft, zunächst radioskaphoidal, später auch mediokarpal. Bereits in den frühen 1980er Jahren veröffentlichte Watson grundlegende Arbeiten zur operativen Behandlung des fortgeschrittenen karpalen Kollapses (SNAC/SLAC 2–3) und etablierte die Skaphoidexstirpation und mediokarpale Teilarthrodese als ein Standardverfahren, das eine gute Restbeweglichkeit und Grobkraft sicherstellte und gleichzeitig zu einer deutlichen Schmerzreduktion führte [11]. Dabei bewährte sich die mediokarpale Teilarthrodese vor allem dann, wenn die mediokarpalen Gelenkflächen von dem arthrotischen Geschehen bereits betroffen waren (SLAC/SNAC 3). Dieses operative Verfahren gilt als empfehlenswert, wenn eine ausreichende Grobkraft erhalten werden soll (z. B. bei handwerklich tätigen Patienten), hat allerdings gegenüber anderen Verfahren den potenziellen Nachteil einer ausbleibenden knöchernen Konsolidierung [3, 8]. Neben der etablierten operativen Technik der mediokarpalen Teilarthrodese unter Verwenden von Kirschner-Drähten [7, 10] wurden bereits eine Vielzahl von Plattenosteosynthesen publiziert, die allerdings oft unbefriedigende Ergebnisse zeigten [2, 4, 5, 9]. Das hier beschriebene Implantat ermöglicht durch die Kombination von kortikalen Zugschrauben und winkelstabilen Schrauben eine gute Verblockung der Handwurzelknochen und erlaubt dadurch eine deutlich verkürzte postoperative Ruhigstellung [6].

Operationsprinzip und -ziel

Ausschalten arthrotischer Gelenkflächen durch Resektion des Skaphoids und Verblocken der vier Handwurzelknochen Lunatum, Kapitatum, Hamatum und Triquetrum, um eine alltagstaugliche Restbeweglichkeit und Grobkraft im Handgelenk zu erhalten und Schmerzen zu reduzieren.

Vorteile

  • Verkürzte postoperative Ruhigstellung

  • Metallentfernung nicht zwingend notwendig

  • Nichtauftragendes Implantat

  • Gute Verblockung der Handwurzelknochen durch winkelstabiles System

  • Vorsichtige Handgelenkmobilisierung frühzeitig postoperativ möglich

  • Titanimplantat, daher auch bei Nickelallergie verwendbar. Cave: Zur temporären Fixation dann auch Titandrähte verwenden!

Nachteile

  • Erhöhte Kosten des Implantats

  • Technisch anspruchsvolles Operationsverfahren

  • Keine signifikanten Unterschiede zu den Bewegungsumfängen herkömmlicher Verfahren

  • Möglichkeit der Pseudarthrosenbildung im Handwurzelbereich

Indikationen

  • Radioskaphoidale Arthrose (SNAC/SLAC 2)

  • Radio- und mediokarpale Arthrose (SLAC/SNAC 3)

  • Isolierte mediokarpale Arthrose

Kontraindikationen

  • Panarthrose des Handgelenks

  • Fortgeschrittener Gelenkverschleiß entzündlicher Genese (z. B. rheumatoide Arthritis)

  • Komplexe Bandinstabilitäten/Schädigungen des Handgelenks

  • Zerstörte Fossa lunata des Radius

  • Zerstörte proximale Gelenkfläche des Lunatums

  • Relative Kontraindikationen: Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Patientenaufklärung

  • Schnittführung, ggf. zusätzlich Beckenkamm als Ort der Spongiosaentnahme, wenn Radiusspongiosa nicht ausreichend ist

  • Art des Eingriffs und zu erwartende (geringe) Bewegungsausmaße im Sinne einer Teilversteifung, die einer Gelenkversteifung mit geringer, aber wertvoller Restbeweglichkeit entspricht.

  • Zu erwartende Kraftgrade

  • Skizzieren der postoperativen Behandlung (vor allem Bewegungstraining in sehr engem Ausmaß von ca. 20-0-20°) bis zur Vollbelastung. Dieses Bewegungsausmaß ist knapp unterhalb der Maximalbeweglichkeit. Ziel ist nicht zwingend die Maximalbeweglichkeit 30-0-30° zu erreichen, sondern eher schmerzarm eine Grundbeweglichkeit knapp darunter zu gewährleisten.

  • Möglichkeiten von Nervenirritationen im Operationsgebiet

  • Mögliches Ausbleiben der knöchernen Konsolidierung und weiteres Fortschreiten der Handgelenkarthrose

Operationsvorbereitungen

  • Röntgenuntersuchungen des Handgelenks in zwei Ebenen plus Monheim- und Stecher-Aufnahme (spezielle Zielaufnahmen in Ulnarduktion bzw. ulnares Anheben des Handgelenks), ggf. Clenched-pencil-View (Belastungsaufnahme im a.-p.-Strahlengang)

  • Dokumentation der Handgelenkbewegungsausmaße beidseits

  • Dokumentation der Grobkraft beidseits

  • Dokumentation des Schmerzstatus

  • Ausschluss von ggf. vorhandenen Metallunverträglichkeiten

Instrumentarium

  • Handchirurgisches Knocheninstrumentarium (inkl. mittelgroßem Luer mit schmalen Branchen, Raspatorium, Meißel etc.)

  • Bohrer, 1,4-mm-Kirschner-Drähte

  • Lupenbrille

  • Intraoperative Röntgenaufnahme: Hand-C-Bogen

  • Winkelstabiles Spezialimplantat (z. B. Medartis®-Sieb: Four-Corner-Fusion-Platte 2,0 oder 2,3 mm)

Anästhesie und Lagerung

  • Rückenlagerung

  • Plexusanästhesie oder Allgemeinnarkose

  • Rasur des Operationsgebiets im Vorraum des Operationsraums

  • Armtisch

  • Pneumatische Oberarmblutleere

Operationstechnik

(Abb. 123456)

Abb. 1a–c
figure 1

Nach Längsschnittführung am dorsalen Handgelenk (gestrichelte Linie) und unter Schonung der Äste des Ramus superficialis nervi radialis wird das dritte Strecksehnenfach eröffnet (3). Anschließend wird die Sehne des Extensor pollicis longus nach radial weggehalten und das vierte und fünfte Strecksehnenfach (45) nach ulnar abgehoben. Darstellen des Nervus interosseus posterior, der proximal koaguliert und abgesetzt und nach distal bis über die dorsale Handgelenkkapsel reseziert wird; dann Eröffnen des zweiten Strecksehnenfachs (2) und Weghalten der Extensor carpi radialis brevis und longus nach radial. So werden die dorsalen Handgelenkkapselbänder gut dargestellt. (Mod. nach [10])

Abb. 2a–c
figure 2

Eröffnen der Handgelenkkapsel nach Berger und Bishop [1] unter Bilden eines dorsal-radial gestielten Kapsellappens (dorsales V). Inspektion der betreffenden Gelenkflächen von Radius (v. a. Fossa lunata), Lunatum, Skaphoid, Kapitatum, Hamatum und Triquetrum. Resektion des Skaphoids unter Schonung der palmaren Handgelenkbänder, vor allem des Lig. radioscaphocapitatum (RSC-Band). Das RSC-Band ist von immenser Wichtigkeit, um die drohende ulnare Translation des Karpus nach Skaphoidektomie zu verhindern. Entknorpeln der korrespondierenden Gelenkflächen zwischen Kapitatum und Lunatum sowie anschließend zwischen Hamatum und Triquetrum sowie proximal zwischen Kapitatum und Hamatum, jeweils konturgerecht bis gerade in den spongiösen Knochen hinein. Mediokarpal sollte weit nach ulnar entknorpelt werden, da dies die korrekte Reposition des Lunatums vereinfacht. Die distalen Anteile von Lunatum und Triquetrum müssen nicht miteinander verblockt werden, da dies biomechanisch bei suffizient verblocktem Luno-Capitären(LC)-Spalt nachrangig ist und da es zudem zu vermeiden gilt, das LT-Band (Ligamentum lunotriquetrum) und damit auch die proximale Gelenkfläche zu schädigen bzw. ein „Absinken“ des Triquetrums zu provozieren. Anschließend Entnahme von Radiusspongiosa proximal des Tuberculum listeri über den proximalen Teil der Längsinzision bzw. ggf. über eine gesonderte kleine Hautinzision. Einbringen der Spongiosa in die entknorpelten Areale der Handwurzel. (Mod. nach [10])

Abb. 3
figure 3

Nun wird ein 1,4-mm-Kirschner-Draht als Repositions-Joystick ulnarseitig ins Lunatum eingebracht, um das Lunatum aus der DISI-Stellung („dorsal intercalated segment instability“, Streckfehlstellung des Lunatums) und der ulnaren Verschiebung heraus zu reponieren. Dabei wird darauf geachtet, dass das Kapitatum in Relation zum Lunatum in eine palmar-ulnare Richtung geschoben wird (Pfeile), um einer radialen Translation der Hand vorzubeugen und eine ausreichende Extension im Handgelenk zu ermöglichen. (Mod. nach [10])

Abb. 4
figure 4

Es erfolgt eine temporäre Transfixation von Lunatum und Kapitatum durch einen radialseitig ins Lunatum antegrad eingebrachten 1,4-mm-Kirschner-Draht, der im Lunatum genügend Platz für die Positionierung der Platte lassen muss. Nach Röntgenkontrolle der perfekten Einstellung der Arthrodese (Kapitatum und Lunatum in gerader Linie und neutraler Stellung ohne DISI, „dorsal intercalated segment instability“) wird der Joystick-Draht entfernt und die Platte provisorisch aufgelegt und ebenfalls mit Bildwandler in ihrer Position überprüft. (Mod. nach [10])

Abb. 5
figure 5

Dann wird mit der speziellen Rundfräse das Plattenlager geschaffen und diese bis zur Markierung der idealen Frästiefe versenkt, um einem späteren dorsalen Überstand der Platte vorzubeugen. Dies kann entweder per Handaufsatz oder (besser) unter beidhändiger Verwendung der Maschine mit langsamer Drehzahl erfolgen. Anschließend wird die Platte in das Lager eingelegt. Der innere Ring von vier Plattenlöchern wird mit je einer Kortikalisschraube in jeden der vier Karpalknochen besetzt, was die Montage schon gut unter Kompression bringt. Anschließend Röntgenkontrolle mit dem Bildwandler in Standardebenen, zusätzlich aber auch mit Durchleuchtung unter abwechselnder langsamer Supination und Pronation, um absolut sicherzustellen, dass keine Schraube ins verbliebene Handgelenk vorragt. Dies wird auch nach dem Einbringen der winkelstabilen Schrauben noch einmal wiederholt

Abb. 6
figure 6

Nach Besetzen des inneren Rings wird ein Teil der äußeren acht Plattenlöcher winkelstabil besetzt. Am Ende sollte in jedem der vier Handwurzelknochen neben der Kortikalisschraube mindestens eine winkelstabile Schraube eingebracht sein; im Lunatum sind auch zwei winkelstabile Schrauben sinnvoll, sofern sie ohne Irritation der proximalen Gelenkfläche eingebracht werden können. Entfernung des transfixierenden Kirschner-Drahts und Röntgenkontrolle. Beim Durchbewegen unter Röntgen und unter direkter Sicht sollte weder die Platte noch eine der Schrauben das Handgelenk beeinträchtigen. Verschluss der Handgelenkkapsel mit resorbierbarem Nahtmaterial, anschließend Rückverlagerung der Strecksehnenfächer inklusive der EPL-Sehne (Sehne des M. extensor pollicis longus). Naht des Retinaculum extensorum über sämtlichen Strecksehnen, Hautnaht und Unterarmgipsschiene in Neutralstellung

Variante

Bei zierlichen Handgelenken kann auch die kleine Platte eingesetzt werden, die nicht über einen inneren Ring von Plattenlöchern verfügt. Hier werden in der Regel ausschließlich winkelstabile Schrauben eingebracht.

Postoperative Behandlung

  • Am 2. postoperativen Tag Anpassen einer Unterarmlagerungsschiene

  • Ab dem 2. postoperativen Tag Beginn der vorsichtigen Bewegungstherapie aus der Schiene heraus, und zwar in einem Ausmaß von maximal 20-0-20° Extension-Flexion. Dieses Bewegungsausmaß sollte auch in der weiteren Therapie nicht gesteigert werden, sondern nach knöcherner Heilung (nach etwa 10–12 Wochen) ein Kraftaufbau mit dem Ziel einer guten schmerzfreien Kraftausübung innerhalb des genannten brauchbaren Bewegungsausmaßes erfolgen; die Beweglichkeit zeigt dann in der Regel noch einen spontanen Zuwachs von einigen Winkelgraden.

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Eine zu zentrale Positionierung des temporären Luno-Capitatum(LC)-transfixierenden Drahts verhindert die exakte Platzierung der Platte und der Schrauben.

  • Unzureichende Reposition des Lunatums in Bezug zum Kapitatum

  • Unzureichende Resektion der knorpeligen Anteile aller betroffenen Handwurzelknochen

  • Falsche Ausrichtung der Platte mit liegenden Schraubenlöchern über den ehemaligen Gelenkspalten und nicht zentriert über den Handwurzelknochen

  • Überstehende Schrauben insbesondere proximal ins verbliebene Handgelenk hinein

  • Postoperative Bewegungstherapie ohne Limitierung auf 20-0-20° Extension-Flexion des Handgelenks

  • Nervenirritationen (ein Fall eines posttraumatischen Karpaltunnelsyndroms)

  • Persistierende Handgelenkschmerzen (in einem Fall musste eine Konversion in eine Handgelenkarthrodese durchgeführt werden, wobei auch in diesem Fall eine knöcherne Konsolidierung der mediokarpalen Arthrodese nachweisbar war)

Ergebnisse

Zwischen 2012 und 2013 wurden 15 mediokarpale Teilarthrodesen unter Verwendung der Medartis®-Four-Corner-Fusion-Platte durchgeführt (Abb. 7). Von diesen Patienten konnten 11 (8 Männer, 3 Frauen; mittlerer Altersdurchschnitt zum Zeitpunkt der Operation 46 Jahre) nach einem Beobachtungszeitraum von 16 Monaten bezüglich Beweglichkeit, Kraft und Zufriedenheit nachuntersucht werden [6]. In keinem Fall traten implantatbasierte Komplikationen auf. Eine vollständige knöcherne Konsolidierung war bei allen Patienten durch Röntgenkontrollen 12 Wochen postoperativ festgestellt worden. Nach durchschnittlich 18 Wochen konnten die Patienten ihre ursprüngliche Tätigkeit wiederaufnehmen. Die postoperativen Bewegungsumfänge zeigten mit Extension-Flexion 53° ± 18° (47 % der gesunden Seite) und Radial-Ulnarduktion 30° ± 5° (58 % der gesunden Seite) insgesamt zufriedenstellende Ergebnisse. Die Werte der visuellen Schmerzskala (VAS) betrugen postoperativ in Ruhe 0,7 ± 1,2 und 4,3 ± 2,8 bei Belastung. Die Grobkraft betrug 19 ± 14 kg (56 % der nichtoperierten Seite) und der DASH-Wert („Disabilities of the Arm, Shoulder, Hand“) lag bei 33 ± 24.

Abb. 7
figure 7

SNAC 2. ac Ausgangsbefund mit sichtbarer Skaphoidpseudarthrose links: a.-p.- (a), seitliche (b) und Stecher-Aufnahme (c). d und e Befund 2 Monate postoperativ mit konsolidierter mediokarpaler Arthrodese unter Verwendung der Four-Corner-Fusion-Platte (Firma Medartis)

Die Autoren sehen den Vorteil der beschriebenen Technik darin, dass durch die Verwendung der winkelstabilen Trilock-Verblockungsschrauben eine zuverlässige und sichere Verblockung der vier Handwurzelknochen erreicht werden kann, wobei durch die multidirektional zu verwendenden Trilock-Schrauben auch die nötige Flexibilität in der Ausrichtung der winkelstabilen Schrauben in Bezug auf die Handwurzelknochen gewährleistet ist. In einem Fall wurde das beschriebene System verwendet, nachdem mittels herkömmlicher Methode (mediokarpale Teilarthrodese unter Verwendung von Kirschner-Drähten) eine unzureichende knöcherne Konsolidierung beobachtet worden war. Auch in diesem Fall konnte schließlich eine vollständige Konsolidierung erreicht werden. Dies mag bislang eine Einzelerfahrung sein, könnte sich aber aus Sicht der Autoren als eine spezielle Indikation des hier beschriebenen Systems etablieren. Weitere Studien müssen dies und möglicherweise verbesserte Bewegungsumfänge bei deutlich verkürzter postoperativer Ruhigstellung allerdings erst noch belegen.