Vorbemerkungen

Knienahe Osteotomien sind bewährte Therapieverfahren. Korrekturen sollten, wenn möglich, am Ort der Deformität erfolgen. Eigene Untersuchungen konnten zeigen, dass 20 % aller Patienten vor Osteotomie eine relevante Fehlstellung am Femur aufwiesen. Osteotomien am distalen Femur werden jedoch nur selten durchgeführt und bislang konnte sich keine Standardtechnik durchsetzen [1,2,3,4,5].

Im Folgenden wird die schließende Osteotomie des distalen Femurs in biplanarer und muskelschonender Technik dargestellt. Das operative Vorgehen wird für die varisierende schließende Femurosteotomie von medial beschrieben, kann jedoch lateral als valgisierende schließende Osteotomie in vergleichbarer Technik realisiert werden.

Operationsprinzip und -ziel

Ziel der schließenden varisierenden Osteotomie ist die Korrektur einer konstitutionellen Valgusdeformität des distalen Femurs mit Entlastung des geschädigten lateralen Kompartiments. Der Subvastus-Zugang ist weichteilschonend und erlaubt eine zügige, schmerzarme Nachbehandlung. Die biplanare Osteotomietechnik beugt intraoperativen Rotationsfehlern vor und reduziert das Risiko von postoperativen Beugedefiziten. Die knöchernde Konsoldierung der Osteotomie wird gefördert.

Vorteile

  • Weichteilschonender Operationszugang ohne Ablösung von Muskulatur

  • Anatomisch konfigurierter Plattenfixateur vermindert implantatbezogene Beschwerden

  • Biplanare Osteotomietechnik:

    • Schutz vor intraoperativen Rotationsfehlern

    • Schnellere knöcherne Konsolidierung

    • Reduktion von postoperativen Beugedefiziten durch Schonung des suprapatellaren Rezessus

    • Schnelle Rehabilitation

    • Weniger postoperative Schmerzen

Nachteile

  • Bei falscher präoperativer Planung schwierige Rückzugsmöglichkeit insbesondere bei Überkorrektur

  • Technisch anspruchsvolle Operationstechnik

Indikationen

  • Konstitutionelle oder posttraumatische Valgusfehlstellungen des distalen Femurs

  • Ausreichende präoperative Beweglichkeit des Kniegelenks (Flexion mindestens 90°, Streckdefizit bis 10°)

  • Gute Compliance für die Nachbehandlung

Kontraindikationen

  • Fehlende konstitutionelle Deformität (Gelenkwinkel normal, ggf. Valgusstellung durch intraartikulären Defekt verursacht)

  • Valgusdeformität überwiegend im Bereich der Tibia

  • Höhergradige Knorpelschäden im medialen Gelenkabschnitt

  • Kompletter Verlust des Innenmeniskus

  • Ungenügende Weichteilverhältnisse im Bereich des distalen Femurs (z. B. offene Wunden, indurierte Narben etc.)

  • Akute oder chronische Entzündungen (lokal oder systemisch, rheumatoide Arthritis)

  • Erheblich eingeschränkte Beweglichkeit des Kniegelenks

  • Fehlende Compliance

Patientenaufklärung

  • Aufklärung über allgemeine chirurgische Komplikationen wie Infektion (Früh‑/Spätinfekt), Verletzung von Gefäßen, Nerven, Muskeln, Sehnen

  • Wundheilungsstörungen

  • Postoperatives Hämatom, ggf. revisionspflichtig

  • Postoperative Schwellung

  • Pseudarthrose mit nachfolgender erneuter Operation

  • Bewegungseinschränkungen

  • Teilbelastung der operierten Extremität für mindestens 4 Wochen

  • Bei Rauchern: höheres Risiko einer verzögerten Knochenheilung sowie einer Wundheilungsstörung

Operationsvorbereitungen

  • Röntgenaufnahmen des Kniegelenks in 2 Ebenen unter Belastung sowie Tangentialaufnahme der Patella

  • Anfertigung einer a.-p-Ganzbeinaufnahme der betroffenen Extremität unter Belastung. Markieren der mechanischen Achsen von Femur und Tibia, Bestimmung des distalen lateralen Femurwinkels und des proximalen medialen Tibiawinkels (Abb. 1 mit bereits eingezeichneter mechanischer Belastungsachse)

  • Bestimmung der Kniegelenkwinkel nach Paley [7, 9], insbesondere des lateralen distalen Femurwinkels (mLDFA) und des medialen proximalen Tibiawinkels (MPTA) und der CORA („center of rotation of angulation“) zur Analyse und Lokalisation der valgischen Fehlstellung. Bei korrekter Indikation wird der distale Femurwinkel pathologisch sein. Bei der nachfolgenden Planung muss ggf. ein pathologischer Gelenköffnungswinkel berücksichtigt werden.

  • Optional: Magnetresonanztomographie (MRT)

  • Detaillierte Planung der Operation (Abb. 2): Die exakte präoperative Planung ist bei dieser Operationstechnik von entscheidender Bedeutung, da das Korrekturausmaß intraoperativ nach Entnahme des Knochenkeils nur sehr begrenzt modifiziert werden kann. Die Planung kann sowohl zeichnerisch als auch digital (PACS-System oder Planungssoftware) erfolgen. Bei der Bestimmung des Korrekturausmaßes sollte der individuelle Vergrößerungsfaktor der Röntgenaufnahme berücksichtigt werden, da anderenfalls Fehlbestimmungen möglich sind. In der von den Autoren angewandten Vorgehensweise wird das Korrekturausmaß in Millimetern angegeben und die Planungsmethode nach Miniaci verwendet [6,7,8].

Abb. 1
figure 1

Präoperative Ganzbeinaufnahme des zu operierenden Beins unter Belastung. Die rote Linie markiert die präoperative Mikulicz-Linie (Verbindung Hüftkopfzentrum – Sprunggelenkszentrum). (Aus [5])

Abb. 2
figure 2

Präoperative Planung. a Zunächst wird das Hüftkopfzentrum (H) sowie die Mitte des oberen Sprunggelenks (M) eingezeichnet. Die Verbindungslinie dieser zwei Punkte ergibt die präoperative Mikulicz-Linie, welche bei einer valgischen Deformität durch das laterale Gelenkkompartiment verlaufen sollte. Die Tibiagelenklinie wird ebenfalls eingezeichnet (Parallele zu den Gelenkflächen des Tibiaplateaus). Auf dieser Linie wird der gewünschte Schnittpunkt mit der postoperativen Mikulicz-Linie markiert (neuer Schnittpunkt). Bei Valgusfehlstellung wird eine anatomische Korrektur angestrebt. Die angestrebte postoperative Mikulicz-Linie kreuzt die Tibiagelenklinie 4–8 mm medial des geometrischen Mittelpunkts des Kniegelenks, etwas medial der medialen Eminentia intercondylaris. Eine Überkorrektur sollte am Femur vermeiden werden, da eine pathologische Ausrichtung des Kniegelenks resultieren würde. b Das Drehzentrum D der Osteotomie wird knapp oberhalb der Knorpelgrenze des lateralen Femurkondylus auf der Kortikalis markiert (Scharnierpunkt der Osteotomie). Eine Hilfslinie wird vom Hüftkopfzentrum nach medial eingezeichnet. Diese Linie bildet einen 90°-Winkel mit der präoperativen Mikulicz-Linie. Es wird eine weitere Gerade eingezeichnet, welche den Mittelpunkt M des oberen Sprunggelenks mit dem Schnittpunkt S verbindet. Diese Linie wird nach proximal verlängert, bis sie die Hilfslinie H schneidet. Der Schnittpunkt dieser Gerade mit der Hilfslinie wird mit E bezeichnet. Danach werden zwei Linien gezogen: von Punkt H (Hüftkopfzentrum) zu Punkt D (Drehzentrum der Osteotomie) und von Punkt E zu Punkt D. Der durch diese beiden Linien gebildete Winkel wird α genannt (Korrekturwinkel des distalen Femurs). c Im nächsten Schritt wird die Osteotomie am distalen Femur definiert. Der Korrekturwinkel α wird bestimmt. Die ermittelte Gradzahl wird als geplante Osteotomie eingetragen. Die Keilresektion sollte so erfolgen, dass die zwei Kortikalisanteile nach der Operation exakt aufeinander stehen. Der einfachste Weg, dies zu erreichen, besteht darin, eine virtuelle Osteotomielinie exakt 90° zur Kortikalis des Femurs auf den Scharnierpunkt hin zu konstruieren. Der Startpunkt dieser Linie sollte unter Berücksichtigung des Implantats ca. 2 cm oberhalb des Kondylenmassivs liegen. Von dieser virtuellen Linie wird der gewünschte Keil nach kranial und nach kaudal abgemessen und eingezeichnet. Der Keil wird auf Basis des gemessenen Korrekturwinkels α bemessen (Korrekturausmaß in Millimetern). Es entsteht eine symmetrische Resektion, ein isoskeles Dreieck und eine optimale Kortikalisabstützung. Cave: Für die Übertragung in die Operation muss der Vergrößerungsfaktor des Röntgenbilds einberechnet werden. (a Modifiziert nach [5])

Instrumentarium und Implantate

  • TomoFix-MDF-interner Plattenfixateur (mediales distales Femur), Links- bzw. Rechtsversion des Implantats (Abb. 3a, b)

  • Bohrhülsen, inkl. Einsatz für Kirschner-Drähte (2 mm) sowie Positionierhilfe (Abb. 4)

  • Kopfverriegelungsschrauben

  • Bildverstärker

  • Kirschner-Drähte (2,5 mm) mit Bohrspitze als Führungsdrähte

  • Sterile Metallstange zur intraoperativen Überprüfung der Beinachse

  • Sterile Messlehre zur Beurteilung der Höhe des Osteotomiekeils

  • Ozillierende Säge mit einem breiten Sägeblatt (Länge 90 mm) und einem schmalen Sägeblatt (Länge 50 mm) für den aufsteigenden Schenkel der biplanaren Osteotomie. Alternativ: Stryker Precision Saw (verringert die Oszillation des Sägeblatts und erlaubt eine optimale Schonung der Weichteile)

  • 4,5-mm-Kortikalisschraube in verschiedenen Längen als temporäre Zugschraube

Abb. 3
figure 3

a Interner Plattenfixateur TomoFix-MDF (MDF = mediales distales Femur). Es ist eine Rechts- und Linksversion erhältlich. b Die Schraubenpositionen sind so optimiert, dass bei korrekter Plattenlage keine Fehlposition auftreten kann. c TomoFix-MDF mit eingebrachten Schrauben. (Mit freundl. Genehmigung der Synthes GmbH)

Abb. 4
figure 4

Mit dieser Positionierhilfe werden die Bohrhülsen in die bereits vorgegebenen Windungen des Plattenfixateurs eingebracht. Sie wird nach Eindrehen der Bohrhülsen wieder entfernt. (Mit freundl. Genehmigung der Synthes GmbH)

Anästhesie und Lagerung

  • Intubationsnarkose oder rückenmarksnahe Regionalanästhesie

  • Systemische Antibiotikaprophylaxe („single shot“), z. B. mit Cefazolin 2 g i. v.

  • Rückenlage

  • Abdeckung des gesamten Beins inklusive des Beckenkamms, um eine intraoperative Kontrolle der mechanischen Beinachse zu ermöglichen (Abb. 5). Eine Blutsperre ist nicht nötig.

  • Absenken des gegenseitigen Beins, um eine Durchleuchtungskontrolle in 2 Ebenen zu ermöglich und um dem auf der Innenseite der zu operierenden Extremität stehenden Operateur Bewegungsfreiheit zu garantieren

  • Platzieren des Bildverstärkers ipsilateral des betroffenen Beins

Abb. 5
figure 5

Lagerung des Beins. Vor Beginn der Operation wird das betroffene Bein inklusive des Beckenkamms steril abgedeckt. Auf diese Weise kann auch intraoperativ die Mitte des Hüftkopfzentrums und somit die intraoperative Tragachse radiologisch ermittelt werden. (Modifiziert nach [5])

Operationstechnik

(Abb. 67891011121314)

Abb. 6
figure 6

Zugang. a Markierung der anatomischen Landmarken auf der Haut: Patella, Tuberositas tibiae und Ligamentum patellae, Gelenkspalt, Epicondylus medialis, Verlauf des MPFL (mediales patellofemorales Ligament). Die Hautinzision beginnt auf Höhe des Epicondylus medialis und reicht ca. 5 cm nach proximal. Sie kann der Erfahrung des Operateurs angepasst werden und sollte vor allem bei weniger erfahrenen Operateuren nicht zu kurz sein. b Nach Durchtrennung des Subkutangewebes wird die Faszie des M. vastus medialis inzidiert. Abschieben des Muskels vom darunterliegenden Septum intermusculare auf ca. 3 cm. Es kommen stets drei auf dem Periost nach anterior verlaufende Gefäße zur Ansicht („die drei Schwestern“). Bei normaler Anatomie kommt auf Höhe dieser Gefäße die Osteotomie zu liegen

Abb. 7
figure 7

Inzision des Septum intermusculare knochennah im Bereich der Femurmetaphyse. Abschieben der posterioren Weichteile, so dass ein stumpfer Hohmann-Haken (bevorzugt Karbon) bzw. ein Finger zum Schutz der Gefäße eingeschoben werden kann. Um ausreichende Übersicht zu erlangen, muss meist das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) kurzstreckig inzidiert werden (am Operationsende Verschluss notwendig!). a Mit einem Elektrokauter wird (vorsichtig!) das Septum knochennah längs gespalten und die Gefäße werden koaguliert. b Digital und mit einem stumpfen Raspatorium werden die posterioren Weichteile vom Periost des Femurs abgeschoben. Die Präparation kann ohne Mühe bis ganz nach lateral durchgeführt werden

Abb. 8
figure 8

Markierung der Osteotomie. Die gewünschte schräge Osteotomie beginnt ca. 2 cm oberhalb des Kondylenmassivs und endet nach absteigendem Verlauf innerhalb der lateralen Kondyle. Erfahrungsgemäß findet sich meist auf der idealen Höhe der Osteotomie ein aufsteigendes Gefäßbündel im Periost der Femurmetaphyse (eine Arterie, zwei Venen). Bei unklaren Verhältnissen kann auch die Platte unter Bildwandlerkontrolle auf korrekter Höhe aufgelegt werden. Die Keilbasis der Osteotomie sollte unter dem soliden Anteil der Platte zu liegen kommen. Markierung der posterioren Osteotomie mittels Kirschner-Drähten (mit Bohrspitze). Die Keilbasishöhe der medialen Kortikalis entspricht dem Ausmaß der präoperativen Planung (in Millimetern), konvergierend ca. 5 mm vor der lateralen Gegenkortikalis. Um den Sägevorgang nicht zu behindern, werden die Kirschner-Drähte vor Beginn der Osteotomie ggf. gekürzt. Markierung der aufsteigenden Osteotomie. Der Startpunkt liegt zwischen mittlerem und vorderem Drittel des medialen Durchmessers des Femurs auf Höhe der Osteotomie. Die anteriore Osteotomie verläuft parallel zur Femurhinterkante und verlässt die Kortikalis ca. 3 cm weiter proximal. a Die Osteotomiehöhe wird markiert. Die TomoFix-Platte kann zur Bestimmung der Höhe eingeschoben werden. Bei korrekter Lage der Platte befindet sich die Osteotomie hinter dem soliden Anteil des Plattenfixateurs. Bei digitaler Planung kann die Osteotomiehöhe auch über die Software bestimmt werden. Auf die Bedeutung der Resektion eines isoskelen Dreiecks bei dieser Osteotomieform wurde bereits hingewiesen. Zwei 2,5-mm-Bohrdrähte mit Bohrspitze werden im vorgeplanten Abstand eingebracht und markieren das zu entnehmende Dreieck. Alternativ können auch pro Osteotomieschnitt 2 Bohrdrähte unter Bildwandlerkontrolle exakt parallel platziert werden. b Die Spitze des Dreiecks (der Scharnier- oder Drehpunkt) sollte ca. 5 mm vor der lateralen Kortikalis noch innerhalb des Kondylenmassivs liegen, knapp oberhalb der radiologisch sichtbaren Knorpelgrenze des posterioren lateralen Femurkondylus. c Schematische Darstellung der Osteotomieschnitte und insbesondere der Lage des anterioren Schnitts. (Modifiziert nach [5])

Abb. 9
figure 9

Osteotomie. a Die posterioren Osteotomien (hintere 2/3 des Femurs) werden unter sorgfältigem Schutz der posterioren Weichteile innerhalb des durch die Bohrdrähte definierten „Käfigs“ durchgeführt. Die Säge wird dabei unter BV-Kontrolle in der Frontalebene (exakt a.-p.) ausgerichtet, d. h. das Sägeblatt ist als Strich zu sehen. Die Osteotomien werden immer mit einem neuen Sägeblatt durchgeführt, bevorzugt mit der Stryker Precision Saw. Die zwei Osteotomien laufen ca. 5 mm vor der Gegenkortikalis zusammen. Beim Anlegen dieser hinteren Sägeschnitte ist auf einen permanenten Weichteilschutz der unmittelbar hinter dem Septum intermusculare befindlichen Gefäße und Nerven zu achten. Ein stumpfer und flacher Hohmann-Hebel (bevorzugt Karbon) kann unter Bildwandlerkontrolle exakt hinter der geplanten Osteotomie platziert werden. Alternativ kann der Operateur einen Finger der Hand, welche nicht die Säge führt, hinter das Femur einschieben und damit einen ausreichend großen Raum für die Säge schaffen. Diese Methode eignet sich vor allem dann, wenn die Stryker Precision Saw verwendet wird, da hier die Oszillation des Sägeblatts wegfällt. Die zwei Sägeschnitte können im Bildwandler verfolgt werden. Nach Abschluss der posterioren Osteotomien wird der biplanare anteriore Schnitt durchgeführt. b Der im Winkel von 90–95° nach proximal zielender Knochenschnitt erreicht nach ca. 3 cm die vordere Kortikalis und durchtrennt diese komplett. Anschließend vorsichtige Entnahme des Knochenkeils. Nachdem die Osteotomien vollständig durchgeführt wurden, erfolgt die Entnahme des herausgetrennten hinteren Knochenkeils. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass sämtliche Knochenanteile, insbesondere im posterioren Bereich entfernt werden, um beim folgenden Schließen der Osteotomie kein Hypomochlion zu kreieren, welches zu einem Bruch der lateralen Kortikalis führen könnte. Die Osteotomie kann hierzu ggf. durch den Assistenten vorsichtig etwas mehr geöffnet werden. (b Modifiziert nach [5])

Abb. 10
figure 10

Schließen der Osteotomie. Das Schließen der Osteotomie erfolgt am besten durch axiale Kompression vom Fuß aus. Der Assistent lehnt sich gegen den Fuß und übt kontinuierlich Druck aus. Der Operateur kontrolliert die Osteotomie im Bildwandler. Ggf. führt er die Säge erneut ein und schwächt unter Bildwandlerkontrolle weiter die laterale Seite. Wenn sich die Osteotomie langsam schließt, kann die Säge weiter im Spalt benutzt werden, um Knochenreste zu entfernen. Die Osteotomieflächen dienen dabei als Sägeschlitz. Im Normalfall schließt sich die Osteotomie über einen Zeitraum von 1–2 min unter konstanter Beibehaltung des Drucks durch den Assistenten. Sollte eine Korrektur in der Sagittalebene erforderlich sein (z. B. bei Flexionsfehlstellung und Streckhemmung), kann in begrenztem Umfang durch Druck auf die Osteotomie und evtl. Schwächung des anterioren Schenkels die Stellung des distalen Fragments beeinflusst werden. Für größere mehrdimensionale Korrekturen empfehlen wir dieses Verfahren nicht. Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer Dislokation der Osteotomie und einem Versagen des lateralen Scharniers kommen, empfehlen wir zunächst eine digitale Reposition jeder Dislokation in der Sagittalebene. Translationen lassen sich meist ebenfalls digital korrigieren, in Einzelfällen haben wir sehr vorsichtig einen Einzinkerhaken nach lateral eingeführt, um Zug auszuüben. Die mediale Platte sollte dann aufgelegt und zumindest mit Bohrdrähten über die Führungsbüchsen und die Reduzierhülsen fixiert werden. Dann sollte lateral über einen kleinen Zugang eine Kleinfragmentplatte (z. B. 4‑Loch-DC, winkelstabil) über der Osteotomie platziert werden, um das Scharnier wiederherzustellen. Die Osteosynthese medial kann dann fortgesetzt werden, ohne dass es zu einer Veränderung der Korrektur kommt. Nach einer bilateralen Plattenversorgung kann die Nachbehandlung uneingeschränkt durchgeführt werden. Sollten Schwierigkeiten mit der Korrektur bereits präoperativ absehbar sein (z. B. posttraumatische Fehlstellungen), kann ein osteotomieüberbrückender Fixateur externe auf der Lateralseite hilfreich sein, um Dislokationen des Scharniers zu vermeiden. Die Osteotomie wird unter vorsichtigem axialen Druck geschlossen. Der Assistent steht in dieser Phase am Ende des Operationstischs und lehnt sich vorsichtig gegen den Fuß des Patienten. Der Operateur kontrolliert die Annäherung der Osteotomieflächen. Sämtliche Knochenreste müssen aus dem Spalt entfernt werden. Ggf. kann die Säge unter Bildwandlerkontrolle eingeführt werden, um die Osteotomie zu reinigen oder den Osteotomiespalt zu vertiefen. Es sollte keinesfalls Varusstress ausgeübt oder Hebelkraft angesetzt werden. Dies führt obligat zur Fraktur der lateralen Knochenbrücke und zur Instabilität der Osteotomie

Abb. 11
figure 11

Kontrolle der Beinachse. Nach dem Abschluss der Osteotomie kann die nun erzielte anatomische Situation intraoperativ kontrolliert werden. Dazu wird eine Metallstange (z. B. Fa. Synthes) sowohl über das mittels Bildverstärker bestimmte Hüftkopfzentrum, wie auch über die Mitte des oberen Sprunggelenks gehalten (a). Schließlich kann durch die radiologische Darstellung des Kniegelenks a.-p. der Verlauf der Mikulicz-Linie und die Ausrichtung der Gelenklinie dargestellt werden (b). Die Achse sollte leicht medial der medialen Eminentia intercondylaris verlaufen. Bei bestehender Unterkorrektur ist eine Nachresektion zu diesem Zeitpunkt möglich. Alternativ kann ein Navigationssystem benutzt werden, um die Korrektur zu beurteilen. Die Osteotomie wird unter axialem Druck geschlossen gehalten. Nun kann die erreichte Korrektur überprüft werden. Eine lange Metallstange (Alignment rod, Fa. Synthes) mit Zentrierhilfe wird unter Bildwandlerkontrolle zwischen Zentrum des Hüftgelenks und Zentrum des Sprunggelenks ausgerichtet. Die Mikulicz-Linie sollte nun das Kniegelenk im Bereich der medialen Eminentia kreuzen. (Modifiziert nach [5])

Abb. 12
figure 12

Vorbereitung und Einbringen des Implantats. Der TomoFix-MDF-Plattenfixateur ist an die anatomischen Gegebenheiten des distalen Femurs angepasst und daher in einer Rechts- und Linksversion erhältlich. Die jeweilige Seite ist mit einem Großbuchstaben auf der Platte markiert. a Bevor der Plattenfixateur in den Operationssitus eingebracht wird, müssen die 4 distalen Bohrhülsen mit Hilfe einer Positionierhilfe in die 4 distalen Bohrlöcher eingedreht werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Gewindegänge der Platte geschützt und die vorgegebene Richtung der Schrauben respektiert werden. Sie kann nun sehr leicht unter den M. vastus medialis eingeschoben und anteromedial im Bereich des distalen Femurs positioniert werden, wobei unbedingt auf eine parallele Lage der Platte im Schaftbereich zu achten ist. Die Position wird zunächst unter Bildwandlerkontrolle a.-p. so gewählt, dass alle distalen Schrauben unterhalb des Osteotomiespalts liegen. Alle Schraubenpositionen in der Platte sind so berechnet, dass eine Fehlpositionierung der Schrauben bei korrekter Plattenlage unwahrscheinlich ist. b Die Platte wird nun unter digitaler Kontrolle am Schaft ausgerichtet und distal mit einem Bohrdraht 2 mm (Zentrierhülse in die Bohrhülse schieben) fixiert. Proximal wird eine Stichinzision über dem zweiten Loch der Platte angelegt. Eine Bohrhülse wird unter digitaler Kontrolle fixiert (der Operateur schiebt dazu seinen Finger von distal in den Raum zwischen Platte und M. vastus medialis). Nun erfolgt eine Röntgenkontrolle in seitlicher Projektion. Dabei sollten die Löcher der Platte bzw. die Bohrhülsen exakt im Strahlengang liegen. Alle Löcher müssen sich in den Schaftbereich des Femurs projizieren, der distale Plattenanteil sollte weder anterior oder posterior überstehen. Ggf. kann die Plattenlage sehr einfach durch Wechsel der Bohrdrähte modifiziert werden. Ein Anheben der Extremität ist in dieser Phase zur seitlichen Röntgenkontrolle bei korrekter Ausführung der biplanaren Osteotomie gefahrlos möglich

Abb. 13
figure 13

Osteosynthese. Nachdem eine zufriedenstellende Position des TomoFix-MDF erreicht ist, wird die Platte mittels eines 2‑mm-Kirschner-Drahts provisorisch fixiert. Hierzu wird eine spezielle Führungshülse für Kirschner-Drähte in eine der distalen Bohrhülsen eingebracht und die Position der Platte mittels Bildverstärker überprüft. Alle distalen Schrauben sollten unterhalb der Osteotomielinie zu liegen kommen. Korrekturen können unmittelbar vorgenommen werden. Danach wird die Platte vorläufig mit einem Kirschner-Draht fixiert. Nun wird der Plattenfixateur am Femurschaft ausgerichtet und mit einem Kirschner-Draht im zweiten Loch von proximal fixiert. Die Plattenposition wird im seitlichen Strahlengang überprüft. Dabei sollte der Strahlengang exakt auf die Bohrlöcher eingestellt werden. Bei korrekter Plattenposition werden die Bohrungen für die selbstschneidenden 5,0-mm-LCP-Kopfverriegelungsschrauben mit einem kalibrierten 4,0-mm-Bohrer durch die auf der Platte fixierten Bohrhülsen angelegt. Nach Bestimmung der Schraubenlänge wird die Kopfverriegelungsschraube mit der Maschine eingebracht und anschließend mit dem Drehmomentschraubendreher mit 3,5 Nm einmalig verriegelt. Keinesfalls sollte die Schraube die laterale Kortikalis überragen, um Weichteilirritationen zu vermeiden. Alle distalen Schrauben werden eingebracht. Um die Kompression zwischen den Osteotomieflächen zu erhöhen und somit die knöcherne Konsolidierung zu verbessern, erfolgt nun das Einbringen einer temporären Zugschraube. Diese selbstschneidende 4,5-mm-Kortikalisschraube wird mit der DC-Bohrlehre im dynamischen Anteil des proximal zur Osteotomie gelegenen Kombilochs rechtwinkelig zum Schaft bikortikal eingebracht. Bei manuellem Andrehen der Schraube ist nun eine zusätzliche Kompression möglich, was radiologisch kontrolliert werden kann. Falls es zu einer Fraktur der lateralen Kortikalis gekommen sein sollte, kann mit dieser temporären Zugschraube in aufsteigender Richtung ein nach kaudal gerichteter Kompressionsvektor geschaffen werden, welcher das laterale Scharnier schließen kann. a Bei Bestätigung der korrekten Plattenlage werden zunächst die distalen Schrauben eingebracht und verriegelt. Anschließend kann eine DC-Schraube in Loch 1 verwendet werden, um die Osteotomie zu komprimieren. b Die proximalen Schrauben werden durch Umsetzen der Bohrhülse in der Stichinzision besetzt. Hier kann eine Arbeitskanüle (Passport Cannula, Fa. Arthrex) hilfreich sein. Der Operateur kann diesen Vorgang digital von der Inzision aus kontrollieren. (Abb. a Modifiziert nach [5])

Abb. 14
figure 14

a Konstitutionelle Femurvalgusdeformität bei einer 26-jährigen Patientin. b Planung: Closed-wedge-Osteotomie 10 mm. c Postoperatives a.-p.-Bild. d Postoperatives seitliches Bild. e Ganzbeinaufnahme

Postoperative Behandlung

  • Elastische Wickelung des Beins inklusive des Oberschenkels im Operationssaal

  • Postoperativ sofortiger Beginn der Kühlbehandlung

  • Schmerztherapie nach dem WHO-Schema

  • Verbandswechsel am 1. postoperativen Tag, dann täglich

  • Physiotherapie und manuelle Lymphdrainage ab dem 1. postoperativen Tag

  • Teilbelastung für 6 Wochen

  • Thromboseprophylaxe z. B. mit niedermolekularen Heparinen bis zum Erreichen der sicheren Vollbelastung unter Kontrolle der Thrombozytenzahl

  • Röntgenkontrolle am 2. oder 3. postoperativen Tag, ggf. mit Ganzbeinaufnahme (Abb. 14e)

  • Entlassung bei reizlosen und trockenen Wundverhältnissen

  • Entfernung des Nahtmaterials nach 10–12 Tagen

  • Röntgenkontrolle nach 4 postoperativen Wochen, in Abhängigkeit vom Röntgenbefund Dosierung des Belastungsaufbaus

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Über- bzw. Unterkorrektur durch ungenügende oder falsche präoperative Planung: Bei Unterkorrektur Nachresektion am Osteotomiespalt möglich. Daher intraoperative Kontrolle der Beinachse mittels Bildwandler obligat

  • Valgische Fehlstellung nicht femoral bedingt; postoperativ schräge Gelenklinie mit erheblichen postoperativen Beschwerden des Patienten

  • Falsche Verriegelungstechnik und Schraubenfehllage durch ungenügende Kenntnis des Implantats

  • Risiko von Pseudarthrosen durch Schädigung der Knochenoberfläche aufgrund falscher Osteotomietechnik (keine Kühlung, schnelles, aggressives Sägen)

  • Erhebliches Risiko einer Verletzung der poplitealen Hauptgefäße bei nicht ausreichender Weichteilpräparation bzw. nicht ausreichendem Weichteilschutz bei der posterioren Osteotomie

Ergebnisse

In der ersten Serie nach Entwicklung der Technik wurden von Januar 2005 bis Oktober 2008 insgesamt 60 varisierende Femurosteotomien in Closed-wedge-Technik und mit TomoFix-MDF durchgeführt, davon 30 in biplanarer Technik (seit November 2006). Von den Patienten waren 35 männlich, 25 weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 39,7 Jahren (Spanne 17–79 Jahre). Die Patienten waren im Durchschnitt 2,3-mal voroperiert (Spanne 0–6). Das Korrekturausmaß lag im Mittel bei 7,6 mm (Spanne 4–13 mm). Die Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte nach 6,5 Tagen (Spanne 4–12 Tage). Das mittlere Follow-up betrug 21 Monate (Spanne 3–45 Monate). Die präoperative Beugefähigkeit des betroffenen Kniegelenks lag bei durchschnittlich 126° (Spanne 95–140°), wobei postoperativ eine mittlere Flexion von 128° (Spanne 105–140°) ermittelt werden konnte. Insgesamt 25 Patienten wiesen präoperativ ein Streckdefizit von mindestens 5° (Spanne 5–15°) im Vergleich zur Gegenseite auf, wohingegen 10 Patienten auch postoperativ zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung noch keine volle Extension des Kniegelenks erreicht hatten.

Insgesamt mussten 7 Revisionsoperationen durchgeführt werden. Dabei handelte es sich um eine Hämatomentlastung (Patientin mit äthyltoxischem Leberschaden), 3 Pseudarthrosen (Patient mit starkem Nikotinabusus mit 50 Zigaretten täglich, eine Patientin mit retrospektiv zu wenig intraoperativer Kompression im Bereich des Osteotomiespalts und eine weitere Patientin ohne erkennbare Ursache) sowie eine oberflächliche/subkutane und eine tiefe Infektion, welche nach mehreren Revisionen beherrscht werden konnte und schließlich in einer Knie-TEP endete. Bei einer Patientin kam es nach einem erneuten Sturz 7 Wochen nach der Operation zu einer Fraktur proximal der TomoFix-Platte, welche durch eine Osteosynthese mittels LISS-Platte (Less Invasive Stabilisation System) und Anlagerung von Spongiosa behandelt wurde. Die knöcherne Konsolidierung nach dieser Revision war unkompliziert. Der Tegner-Score stieg von präoperativ 2,8 (Spanne 1–4) auf postoperativ 5,6 (Spanne 2–9). Im IKDC (International Knee Documentation Committee) erreichten 18 Patienten Grad A, 27 Patienten Grad B, 9 Patienten Grad C und 6 Patienten Grad D. Die Werte der visuellen Analogskale (VAS) betrugen präoperativ durchschnittlich 6,8 (Spanne 9–2), postoperativ 3,1 (Spanne 0–8).

Eine zweite Auswertung erfolgte für die Jahre 2014 und 2015. In diesem Zeitraum führten wir 107 distale Femurosteotomien durch. Dabei wurden 4 verzögerte Heilungen dieser Osteotomie verzeichnet, die durch autologe Spongiosaplastik und additive Kleinfragment-Plattenosteosynthese auf der Seite des Drehpunkts der Osteotomie zur Ausheilung gebracht werden konnten. In einem Fall (weiblich, 120 kg Körpergewicht) kam es zu einem Plattenbruch. Hier erfolgte eine Reosteoteosynthese mit einer lateralen LISS-Platte plus eine autologe Spongiosaplastik. Alle anderen Osteotomien konnten in einem Zeitraum von 4–6 Wochen postoperativ zur Ausheilung gebracht werden. Mit der verbesserten Operationstechnik konnten im Gegensatz zur ersten Serie keine Einschränkungen der Beugung mehr festgestellt werden.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die biplanare Osteotomietechnik wesentlich sicherer und komplikationsärmer ist: Es traten deutlich seltener intraoperative Schwierigkeiten (insbesondere durch instabile Osteotomien) auf, die Heilung verlief schneller und die Patienten hatten wesentlich weniger Schwierigkeiten, die Beugefähigkeit des Kniegelenks wiederzuerlangen. Die biplanare Operationstechnik kann als ein ganz wesentlicher Fortschritt dieser Operationstechnik angesehen werden. Lateral öffnende Femurosteotomien wurden von den Autoren vor der beschriebenen Serie durchgeführt, hatten in der Praxis jedoch eine hohe Komplikationsrate, so dass dieses Verfahren bis auf Einzelfälle verlassen wurde.