Hintergrund

Die jährliche Inzidenz des außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstands („out-of-hospital cardiac arrest“, OHCA) ist mit ungefähr 400.000 Fällen in Europa und den USA seit Jahren unverändert hoch. Die Mehrzahl der OHCA-Patienten erreicht hierbei nicht die Klinik, sondern verstirbt noch an der Einsatzstelle. Auch nach primär erfolgreicher Kreislaufstabilisierung und früher Revaskularisation beträgt die Mortalität des infarktbedingten kardiogenen Schocks ungefähr 50 %. Ebenso ist die Überlebensrate mit einem günstigen neurologischen Outcome bei OHCA-Patienten unter konventioneller CPR mit 5–10 % niedrig [1, 2]. Aufgrund der zunehmenden medizinischen Fortschritte sowie der damit einhergehenden Implementierung von sog. ECMO-Zentren (Zentren für extrakorporale Membranoxygenierung) an spezialisierten Kliniken erfolgt die Vorstellung zur notfallmäßigen Koronardiagnostik darüber hinaus in diesem Umfeld zunehmend unter laufenden Reanimationsmaßnahmen. Häufig präsentiert sich unter diesen Umständen das Gesamtbild einer bereits prolongierten Reanimationsdauer sowie einer ausgeprägten metabolischen Acidose. Die extrakorporale kardiopulmonale Reanimation („extracorporeal cardiopulmonary resuscitation“, eCPR) kann in diesen Situationen als Rettungsversuch für selektierte Patienten mit refraktärem Herz-Kreislauf-Stillstand und potenziell reversibler Ätiologie erwogen werden [3]. Bezüglich der Indikationsstellung zur eCPR bestehen jedoch bis zum heutigen Tag keine validierten Kriterien, so dass die endgültige Entscheidung zur eCPR anhand von prognostischen Prädiktoren derzeitig weiterhin eine große klinische Herausforderung darstellt [4]. Die hier vorgestellte Kasuistik beschreibt den Verlauf eines jungen Patienten nach fast 2‑stündiger CPR bei therapierefraktärem Kammerflimmern sowie ausgeprägter Laktatacidose mit einem pH-Wert von 6,7 bei Ankunft im Herzkatheterlabor.

Falldarstellung

Anamnese und präklinischer Verlauf

Ein 52-jähriger Patient kollabierte im häuslichen Umfeld. Durch den Sohn wurde eine Laienreanimation initiiert. Der hinzu gerufene Notarzt traf bereits 4 Minuten nach der Alarmierung in der Wohnung des Patienten ein. Als Initialrhythmus zeigte sich ein Kammerflimmern, weshalb eine sofortige Defibrillation (360 J, biphasisch) durchgeführt und im Anschluss durch erweiterte Maßnahmen die CPR fortgeführt wurde. Entsprechend den aktuellen Reanimationsleitlinien erfolgte in regelmäßigen Abständen eine Reevaluation der Kreislaufsituation. Elektrokardiographisch zeigten die Extremitätenableitungen nach temporärem Wiedereinsetzen eines Spontankreislaufs („return of spontaneous circulation“, ROSC) ST-Strecken-Hebungen in der Ableitung aVR sowie ST-Strecken-Senkungen in den Ableitungen I, II, III und aVF (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Präklinisches EKG mit Nachweis von ST-Strecken-Hebungen in der Ableitung aVR sowie ST-Strecken-Senkungen in den Ableitungen I, II, III, aVF. Die Ableitung von Brustwandableitungen war unter mechanischer CPR nicht suffizient möglich

Elektrokardiographische Veränderungen unmittelbar nach Etablierung eines ROSC scheinen insgesamt weniger prädiktiv für akute Koronarstenosen als bei Patienten ohne vorherigen Herz-Kreislauf-Stillstand zu sein. Ursächlich hierfür sind in dieser Situation unter anderem eine prolongierte Ischämiezeit und Reanimationsdauer mit konsekutiver Schädigung des Myokards, die intravenöse Gabe von gewissen Medikamenten, Elektrolytveränderungen sowie repetitive elektrische Defibrillationen. Der Nachweis von ST-Strecken-Hebungen während eines ROSC weist jedoch dennoch einen hohen prädiktiven Wert auf das Vorliegen eines akuten Koronarsyndroms als Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstands auf [5].

Bei persistierendem Kammerflimmern waren repetitive Defibrillationen sowie intravenöse Gaben von Amiodaron notwendig, sodass bei temporärem ROSC die Indikation zur mechanischen Reanimation (mCPR mit LUCAS® Device [Jolife AB, Lund, Schweden]) vor Ort gestellt und der Patient nach insgesamt 90-minütiger Reanimationsdauer, bedingt durch lange Transportzeiten, aufgrund der zwischenzeitlich registrierten ausgeprägten EKG-Veränderungen zur Akutkoronarangiographie in das Herzzentrum der Uniklinik Köln transportiert wurde.

Klinischer Befund

Bei Ankunft im Herzkatheterlabor zeigte sich ein intubierter und beatmeter Patient. Eine Katecholamintherapie erfolgte über einen Perfusor (Adrenalin, Dosierung 1 µg/kgKG und Minute). Nach strukturierter Übergabe erfolgte eine orientierende körperliche Untersuchung unter mCPR, in der sich mittelweite reagible Pupillen, beidseits belüftete Lungen, ein weiches Abdomen, die Anlage von 2 peripheren Venenverweilkanülen in Kubitalvenen (jeweils 1,3 mm [18 Gauge]), nachweisen ließen.

Diagnostik

Im Monitor-EKG bestätige sich ein Kammerflimmern, sodass eine erneute Defibrillation (200 J, biphasisch) notwendig war. Hiernach konnte erfolgreich ein Spontankreislauf für kurze Zeit etabliert werden. Nach wenigen Minuten trat jedoch wiederholt ein Kammerflimmern auf, sodass bei nur intermittierenden und kurz anhaltenden ROSC-Phasen eine fast durchgehende mCPR notwendig war. In der Notfallsono‑/Echokardiographie zeigten sich minimale linksventrikuläre Kontraktionen. Andere reversible sonographische Ursachen (u. a. Pneumothorax, Perikardtamponade, freie Flüssigkeit) konnten nicht nachgewiesen werden. Nach Anlage einer arteriellen Schleuse via A. femoralis dextra zum hämodynamischen Monitoring und zur Bestimmung der arteriellen Blutgase präsentierte sich ein pH-Wert von 6,70 (Normalwert 7,35–7,45) und ein Serumlaktat von 20 mmol/l (Normalwert <2,2 mmol/l). Nach Abwägung von Pro- (beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand, vermutete kardiale Genese, durchgehende CPR-Maßnahmen) und Kontrakriterien (prolongierte CPR, fragliche effektive Laienreanimation, unklare No-flow-Zeit, niedriger pH-Wert und hohes Laktat) wurde im multidisziplinären eCPR-Team, bestehend aus Kardiologe, Herzchirurg, Notfall- und Intensivmediziner, in Anlehnung an die hauseigene Standardvorgehensweise gegen die Anlage einer venoarteriellen (va‑)ECMO, jedoch bei minimalen linksventrikulären Kontraktionen in der Echokardiographie für eine Koronarangiographie entschieden. Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung zeigten sich Stenosierungen der linken Koronararterie und ein Abbruch der rechten Koronararterie (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Koronarogramm unter mCPR. a Proximale Stenose des Ramus interventricularis anterior (RIVA, Pfeil) sowie distale Stenose des Ramus circumflexus (RCX, Pfeil); Projektion LAO 14° kranial 23°. b Zudem zeigte sich ein Abbruch der rechten Kranzarterie (RCA, Pfeil; Projektion AP kranial 32°)

Therapie und Verlauf

Sowohl der Abbruch der rechten Koronararterie als auch die prominente Stenose des Ramus interventricularis anterior wurden mittels primärem Koronarstenting (jeweils 2 Drug-eluting-Stents) unter mCPR erfolgreich versorgt. Wenige Minuten nach perkutaner Koronarintervention und erneuter Defibrillation konnte ein anhaltender ROSC etabliert werden. Der Patient wurde auf die kardiologische Intensivstation – mittlerweile unter reduzierter Katecholamintherapie (Wechsel auf Noradrenalin, Dosierung 0,2 µg/kgKG und Minute) – aufgenommen und entsprechend der S3-Leitlinie des infarktbedingten kardiogenen Schocks versorgt. Nach zielgerichtetem Temperaturmanagement (34 °C konstant über 24 h) konnte der Patient 3 Tage nach dem Akutereignis rasch extubiert und zum großen Erstaunen aller Beteiligten ohne Hinweise auf neurologische Defizite auf die Intermediate-care-Station verlegt werden.

Diskussion

Die Entscheidung zum Abbruch von Reanimationsmaßnahmen beruht in der Mehrzahl der Fälle auf der Annahme einer bereits länger andauernden Anoxie. Prognostische Indikatoren hierfür sind unter anderem ein erniedrigter pH-Wert und/oder erhöhter Laktatwert, der das Vorliegen einer Gewebehypoxie mit konsekutiver Entwicklung eines anaeroben Stoffwechsels anzeigt [6]. Valide Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit eines guten Überlebens nahelegen, existieren jedoch bis zum heutigen Tag nicht [7].

Zahlreiche Arbeiten berichten über die Assoziation eines erniedrigten pH-Werts und/oder erhöhten Serumlaktatspiegels mit einer schlechten Prognose bei OHCA-Patienten. Ein derartiger Zusammenhang wird jedoch aktuell weiterhin in der Literatur kontrovers diskutiert. Zudem variieren die Cut-off-Werte der einzelnen Parameter zum Teil deutlich zwischen den Studien. So konnte unter anderem die Kombination aus einem Base Excess von weniger als −10 mmol/l sowie einer Laktatkonzentration von mehr als 12 mmol/l in einer retrospektiven Beobachtungsstudie aus dem Jahr 2014 die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Multiorganversagens bei OHCA basierend auf einem akuten Koronarsyndrom mit einer Sensitivität von 70 % und einer Spezifität von 100 % vorhersagen [8]. Ein ähnlicher Laktatgrenzwert von mehr als 11 mmol/l war unabhängig von Alter und Geschlecht ebenfalls mit einer signifikanten Erhöhung der 30-Tage-Mortalität assoziiert [9].

Ebenso konnte bereits ein Zusammenhang zwischen einem schlechten neurologischen Verlauf nach Herz-Kreislauf-Stillstand und einer erhöhten Laktatkonzentration mit einem Wert von mehr als 16,3 mmol/l nachgewiesen werden [10]. In einer prospektiven Studie aus dem Jahr 2016 hingegen wiesen Patienten nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand mit günstigem Verlauf zwar ebenso höhere pH-Werte und niedrigere Laktatspiegel auf; der pH-Wert schien hierbei jedoch ein viel besserer Prädiktor für das neurologische Outcome zu sein als die Laktatkonzentration [11]. Kongruent hierzu konnte im Rahmen einer retrospektiven Analyse von prospektiven Registerdaten von OHCA-Patienten gezeigt werden, dass ein pH-Wert <6,8 mit einem schlechten neurologischen Outcome assoziiert war, sodass dieser Parameter hinsichtlich der Beurteilbarkeit einer etwaigen Erholung der neurologischen Funktionen insgesamt vorteilhafter erscheint [12]. Aktuelle Daten bestätigen ebenso die Wertigkeit des pH-Werts und des Serumlaktats. Hier war das Überleben mit günstigem neurologischem Ausgang bei Vorliegen eines schockbaren Herzrhythmus, einer kurzen Low-fow-Dauer, eines höheren pH-Werts sowie einer niedrigeren Serumlaktatkonzentration signifikant erhöht [4]. Auch hier haben sich somit der pH-Wert und das Serumlaktat als prognostische Faktoren hervorgetan. Diese sollten jedoch nicht isoliert, sondern, insbesondere in Anbetracht der zuvor geschilderten ambivalenten Gesamtdatenlage, immer im klinischen Gesamtkontext betrachtet werden. So ist beispielsweise ein pH-Wert von 6,7 nach bisheriger Lehrbuchmeinung in der Regel nicht mehr mit dem Leben vereinbar [13]. Einige wenige weitere Fallberichte bestätigen jedoch ebenso die Möglichkeit eines guten neurologischen Überlebens bei einem noch tieferen pH-Wert im Fall einer optimalen Rettungskette [14].

Die Anwendung einer eCPR erbrachte als lebensrettende Maßnahme in einer ausgewählten Patientenkohorte einen Therapieerfolg, z. B. in der Terminierung von therapierefraktären ventrikulären Tachykardien als Folge einer akuten Myokarditis oder eines Koronarspasmus [15]. Einige Beobachtungsstudien zeigen kongruent hierzu, dass die eCPR bei selektierten OHCA-Patienten im Vergleich mit der konventionellen CPR mit einer Zunahme der Überlebensrate von bis zu 30 % einhergeht. Ein initial nachgewiesener defibrillierbarer Herzrhythmus ist hierbei ein wichtiger prognostischer Faktor für Patienten mit OHCA; dennoch sollte aufgrund fehlender randomisierter kontrollierter Studien zu diesem Themenkomplex die eCPR für Patienten ohne defibrillierbaren Rhythmus kategorisch nicht ausgeschlossen werden [2]. Da diese positiven Erfahrungen jedoch insgesamt nur auf einzelnen Fallserien oder retrospektiven Studien basieren, wird die Erwägung einer derartigen Maßnahme als Klasse-IIb-Indikation entsprechend den Leitlinien der American Heart Association daher ausschließlich bei Patienten <75 Jahre mit minimaler No-flow-Zeit und unmittelbar verfügbarer Möglichkeit einer perkutanen Koronarintervention (PCI) empfohlen [1]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011 deutete ebenso die Möglichkeit eines guten neurologischen Überlebens unter eCPR an; eindeutige Aussagen, insbesondere bei lang andauernden Herz-Kreislauf-Stillständen, lassen sich hieraus jedoch nicht ableiten [16]. Als prädiktiver Marker der 30-Tage-Mortalität unter va-ECMO scheinen im Gegensatz zur mCPR insbesondere der dynamische Verlauf des Serumlaktats sowie die Laktatclearance nach 24 h einer einzelnen absoluten Messung überlegen zu sein [17].

Die ärztliche Tätigkeit in der Akutmedizin erfordert im klinischen Alltag eine hohe Anzahl an komplexen Ad-hoc-Entscheidungen, die häufig auf der Grundlage unzureichender anamnestischer Angaben oder unvollständiger Untersuchungsbefunde getroffen werden müssen [18]. Da die Grenze zwischen Leben und Tod beim außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand meist fließend ist und bis zum heutigen Tag weder ein nationaler noch ein internationaler Konsens in Form einer Leitlinie oder eines Konsensuspapiers zur eCPR vorliegen, sollte die Entscheidung zur eCPR stets im multiprofessionellen Heart-ICU-Team unter Abwägung aller zur Verfügung stehenden klinischen und laborchemischen Indikatoren stets individuell getroffen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Mortalität des infarktbedingten kardiogenen Schocks ist mit ungefähr 50 % nach wie vor hoch.

  • Klinische Parameter, wie ein schockbarer Herzrhythmus und eine fehlende (bis minimale) No-flow-Zeit, sind ebenso wie ein hoher pH-Wert und ein niedriges Serumlaktat mit einem günstigen Outcome assoziiert.

  • Valide prognostische Prädiktoren zur Identifizierung von Patienten für eine eCPR existieren bis zum heutigen Tag nicht.

  • Die Entscheidung zur eCPR oder zum Abbruch von kardiopulmonalen Reanimationsmaßnahmen sollte daher unter individueller Abwägung aller zur Verfügungen stehenden Indikatoren im multiprofessionellen Heart-ICU-Team erfolgen.

  • Generell sollten der pH-Wert und das Serumlaktat niemals alleine zur Entscheidungsfindung bei CPR-Patienten herangezogen werden.