Jährlich werden über 20 Mio. Notfallpatienten in Notaufnahmen von deutschen Krankenhäusern ambulant und stationär versorgt. Die Notfallversorgung in Kliniken ist somit nicht nur aus medizinisch-fachlicher Sicht, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher und gesundheitspolitischer Perspektive als wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sehen. Trotzdem sucht man in den Statistiken des Bundes, den öffentlichen Qualitätsberichten der Krankenhäuser oder dem innerbetrieblichen Berichtswesen vergeblich nach standardisierten Kennzahlen zur Beschreibung der Notfallversorgung in Krankenhäusern.

„Every system is perfectly designed to get the results it gets. We must change systems to improve performance. ...“ (Donald Berwick, Institute of Medicine 2001)

Defizitäre aktuelle Lage in der Notfallversorgung

Mit dem einprägsamen Titel „Notaufnahmen vor dem Kollaps“ wurde in der Presse über die starke Frequentierung der Notaufnahmen in den Wintermonaten 2014/2015 berichtet. Die Meldungen erstreckten sich von München [19] über Köln [26] nach Hamburg [22]. Diese Berichtserstattungen zeigen auf, dass das gesamte Bundesgebiet betroffen war und viele Notaufnahmen durch eine etwas stärker verlaufende Influenzawelle an ihrer Belastungsgrenzen gekommen waren. Die nachfolgenden Diskussionen auf regionaler, föderaler und Bundesebene weisen auf erhebliche Defizite in der deutschen Notfallversorgung hin: Es fehlen auf allen Ebenen abgestimmte Kennzahlen, die eine fundierte Analyse und eine darauf aufbauende Steuerung der Notfallversorgung in Deutschland ermöglichen [23]. Anhand von Strichlisten und manuellen Analysen haben verschiedene Notaufnahmen die Basis geschaffen, um Influenzaverdachtsfälle im Rahmen des Bettenmanagements gezielt auf die vorgesehenen Stationen zu verteilen. Auf regionaler Ebene etablierten einige Rettungszweckverbände ad hoc papierbasierte Abmeldeprozeduren, um die zugehörigen Krankenhäuser sowie die integrierten Leitstellen über die Belegung der Notaufnahmen zu informieren und steuernde Eingriffe zu ermöglichen. Aufgrund der geschilderten Vorkommnisse zum Jahrwechsel 2014/2015 werden aktuell auf föderaler Ebene und Bundesebene gesundheitspolitische Diskussionen zur zukünftigen Ausgestaltung der Notfallversorgung in Deutschland geführt. Aktuell ist es nicht möglich, aus standardisierten Datenquellen, wie beispielweise Datensätze gemäß § 301 Sozialgesetzbuch (SGB) V oder § 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), relevante Daten zur Analyse und Steuerung der Notfallversorgung abzuleiten.

Die Ableitung relevanter Daten aus geeigneten Quellen ist aktuell unmöglich

Vielmehr werden Fakten zur Entscheidungsvorbereitung durch aufwändige Fragebögen erfasst und zusammengestellt, wie dies für die Erstellung des „Gutachtens zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus – Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auch notwendig war [10].

Fehlen belastbarer Datensätze zur Analyse

Die fachlich exzellente Notfallversorgung ist ein zentrales Grundbedürfnis für die Bevölkerung. Neben der hohen medizinisch-fachlichen Expertise hat die Notfallversorgung in Deutschland auch aus der quantitativen Perspektive eine immense Bedeutung: Ein Blick in die Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zeigt, dass innerhalb der 1684 teilnehmenden Krankenhäuser der Anteil der Notfallpatienten an der stationären Patientenversorgung bei durchschnittlich 38 % liegt [4]. Damit beginnt die Behandlung von 7,3 der 16,2 Mio. Krankenhausfällen pro Jahr in Notaufnahmen. Je nach Fachrichtung und Schwerpunkt einzelner Häuser kann dieser Anteil deutlich höher sein. Beispielsweise wurden am Klinikum Nürnberg 45 % aller stationär versorgten Patienten im Jahr 2013 über die Notaufnahme aufgenommen. Im DKG-Gutachten [10] wird angegeben, dass zusätzlich etwa 10 Mio. Patienten pro Jahr in Notaufnahmen von Kliniken versorgt werden und die weitere Betreuung ambulant erfolgt. Durchschnittlich werden somit etwa 60 % aller Notfallpatienten in Kliniken ambulant betreut, wobei dieser Anteil je nach lokalen Gegebenheiten variiert. Demgegenüber werden im notfallärztlichen Dienst der kassenärztlichen Vereinigung etwa 3,9 Mio. Patienten versorgt [14]. In Meinungsbeiträgen wird die Zusammenstellung dieser Zahlen kritisch hinterfragt und zur Richtigstellung auf andere Studien verwiesen [13]. Diese Auseinandersetzung zeigt das bereits angesprochene Manko auf: Es fehlen exakte belastbare und akzeptierte Daten zur Analyse der Notfallversorgung in Deutschland.

Fehlen standardisierter Kennzahlen

Bislang fehlen standardisierte und verlässliche Kennzahlen zur Beschreibung der Notfallversorgung in Deutschland im Allgemeinen und insbesondere in der an Krankenhäusern durchgeführten Notfallversorgung. Die im Folgenden aufgeführten Gründe sind zu diskutieren.

Derzeit wird die Notfallversorgung innerhalb des Systems zur Abrechnung stationärer Fälle nicht berücksichtigt. Es existiert kein eigener Fachabteilungsschlüssel. Innerhalb der Kostenmatrix des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) wird die Notaufnahme anderen Bereichen zugeordnet. Controlling- und Berichtsstrukturen sind in Kliniken eng mit der Entwicklung des Systems der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) verknüpft [5]. Daher ist der Bereich der Notfallversorgung in den internen Steuerungssystemen der Krankenhäuser historisch unterrepräsentiert [21].

Die Notfallversorgung ist in internen Steuerungssystemen unterrepräsentiert

Diese Situation ist vermutlich durch die Historie der Aufbauorganisation der Notaufnahmen bedingt. Über viele Jahre war es in den Kliniken üblich, dass zumindest in größeren Krankenhäusern die Notfallversorgung fachspezifisch und dezentral organisiert war. Im Bereich der internistischen Kliniken wurden die Kapazitäten häufig in einer Einheit gebündelt, die jedoch als inhärenter Bestandteil einer internistischen Klinik organisiert war. Erst in den letzten Jahren wurden Notaufnahmen als eigenständige Abteilungen mit eigenen ärztlichen und pflegerischen Leitungen etabliert [6]. Zusammenfassend fehlte über viele Jahre eine Instanz, die vom Krankenhausmanagement Kenngrößen zur Steuerung ihres Kerngeschäfts – die Behandlung aller Notfallpatienten – eingefordert hätte.

Der Bedarf eines Facharztes für Notfallmedizin wird kontrovers diskutiert

Seit Jahren wird innerhalb der Ärzteschaft der Bedarf für einen eigenständigen Facharzt für Notfallmedizin kontrovers diskutiert. Insbesondere die beiden Fachgesellschaften Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) beanspruchten die berufspolitische und medizinisch-inhaltliche Führungsrolle für die Notfallversorgung in Deutschland. Gleichzeitig haben die einzelnen Fachverbände, in deren Fachlichkeit Aspekte der Notfallversorgung beinhaltet sind, eigene Vorstellungen über die Organisation derselben, wobei erste Zeichen einer Annäherung erkennbar sind [21]. Zusammenfassend fehlt auf Ebene der Fachgesellschaften eine einheitliche Stimme, die die Bedürfnisse der Notfallversorgung, die auch zentrale strukturelle und organisatorische Aspekte berücksichtigt, gegenüber Krankenhausträgern, Politik, Regierung und Ärztekammern vertritt.

Zentrale Aufgabe des zuständigen Arztes in den Notaufnahmen ist es zu klären, ob der sich vorstellende Patient innerhalb des Krankenhauses versorgt werden muss oder eine ambulante Weiterbehandlung möglich ist. Damit befinden sich Notaufnahmen am Übergang zwischen dem ambulanten und stationären Sektor. Traditionell handelt es sich in diesem Übergang um einen Bereich, in dem Verantwortlichkeiten kontrovers diskutiert werden und möglicherweise dadurch verbindliche Regelungen fehlen. Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsberichte der Krankenhäuser ist die Notfallversorgung nahezu gänzlich ausgeklammert. Auch innerhalb der externen Qualitätssicherung nach § 137 SGB V gibt es keine gesonderten Indikatoren zur Beschreibung von „Notfallversorgung“. Eine Ausnahme bilden hier nur selektive Indikatoren für „Tracerdiagnosen“, wie die Module Schlaganfall, akuter Myokardinfarkt oder ambulante erworbene Pneumonie. Bei den Qualitätssicherungsbausteinen des ambulanten Sektors wiederholt sich diese Bild, denn auch hier ist Notfallversorgung ein Randthema.

Nutzung individueller Gestaltungsspielräume

Die Kosten für Personal, Infrastruktur und Sachmittel zum Betrieb von Notaufnahmen haben einen hohen Anteil an den Gesamtkosten eines Krankenhauses. Fehlende Standards für Kennzahlen der Notfallversorgung auf Ebene der Krankenhäuser sind aus ökonomischer Sicht prekär: Setzt man die im DKG-Gutachten ermittelten durchschnittlichen Fallkosten von 126 € pro ambulanten Fall an, verursacht alleine die ambulante Notfallversorgung am Klinikum Nürnberg jährliche Kosten in Höhe von 6 Mio. €, ohne entsprechend gegenfinanziert zu sein. Die aktuell geführten gesundheitspolitischen Diskussionen zur Finanzierung von Vorhaltekosten unterstreichen die makroökonomische Bedeutung derartiger Basiszahlen [21].

Das Management sollte die Entwicklung von Steuerungsmitteln vorantreiben

Neben der betriebswirtschaftlichen Perspektive müssen auch medizinisch-fachliche Steuerungsmöglichkeiten evaluiert werden. So lässt beispielweise die standardisierte Dokumentation der Leitsymptome bei der Patientenvorstellung eine Analyse des leitliniengerechten Einsatzes von diagnostischen und therapeutischen Optionen zu [9]. Dabei kann bei der Etablierung von solchen medizinischen Steuerungsparametern auch auf internationale Vorschläge zurückgegriffen werden (Infobox 1). In diesem Fall bietet sich beispielsweise die Verwendung der international anerkannten Klassifikation gemäß Canadian Emergency Department Information Systems (CEDIS) an [12]. Aufgrund der stark fragmentierten und hochspezialisierten Versorgungsstrukturen innerhalb der Kliniken ist zudem die fachlich korrekte Patientenverlegung in die stationären Versorgungsbereiche von essenzieller Bedeutung [3]. Hierzu müssen die in Notaufnahmen getroffenen Entscheidungen zu medizinischen Prozessen analysiert und die Ergebnisse dieser Analysen in die tägliche Arbeitspraxis integriert werden.

Zusammenfassend haben Notaufnahmen eine hohe ökonomische Bedeutung für die stationäre und ambulante Versorgung von Patienten in Krankenhäusern. Das Management von Krankenhäusern ist daher dazu anzuregen, die Entwicklung von Steuerungsmitteln aktiv vorranzutreiben und potenzielle Aktivitäten durch Gremien und Verbände zu unterstützen.

Notaufnahmesteuerung aus unterschiedlicher Perspektive

Bei der Erarbeitung eines Kennzahlensystems für die Notfallversorgung sollten verschiedene Perspektiven der „balanced scorecard“ ausgewogen vertreten sein (Abb. 1a). Beispielsweise würde eine reine Steuerung der Notaufnahmen aus ökonomischer Perspektive (Personal-, Sachkosten etc.) der Bedeutung für die Steuerung der stationären Behandlung nicht gerecht. Vielmehr müssen auch die prozessuale Perspektive sowie die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit betrachtet werden, um eine ganzheitliche Steuerung der Notaufnahme zu ermöglichen. Da die in der Notaufnahme getroffenen Entscheidungen auch Einfluss auf die weitere stationäre Krankenhausversorgung haben, sollten für Notaufnahmepatienten auch „allgemeine“ Kennzahlen, wie beispielsweise die stationäre Verweildauer oder die Prüfquote des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), berücksichtig werden (Abb. 1b). Definitionen zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Fachtermini für das Themengebiet Steuerung sind in Infobox 2 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Kennzahlensystem zur Steuerung von Notaufnahmen für die Dimension zentrale Notaufnahme (ZNA; a) bzw. für die Dimension Gesamthaus (b). MDK medizinischer Dienst der Krankenkassen

Finanzperspektive

Aus ökonomischer Perspektive der Notfallversorgung werden in vielen Häusern die medizinischen Sachkosten, die Personalkosten und die Kosten von diagnostischen Leistungen (z. B. Labor, Radiologie) erfasst. Die Erlösseite wird häufig vernachlässigt und unzureichend berücksichtigt. Da die Hälfte der Notfallpatienten ambulant versorgt wird und erhebliche Unterschiede zwischen der ambulanten Behandlungspauschale (einheitlicher Bewertungsmaßstab, EBM) und der fachspezifischen vorstationärer Pauschale (DRG) bestehen, sollten die Quoten von Ein- und Überweisungen transparent dargestellt werden. Zudem sollte die Möglichkeiten der Abrechnung von Einzelleistungen (z. B. spezielle Medikamente, Großgerätediagnostik) mit Kennzahlen überwacht und gesteuert werden.

Die Erlösseite wird häufig vernachlässigt und unzureichend berücksichtigt

Ein besonderes Augenmerk sollte auch darauf gelegt werden, dass Vereinbarungen für Privat- und Wahlleistungspatienten zeitnah erfasst werden. Im Gegensatz zu elektiv eingewiesenen Patienten, die innerhalb der normalen Kernarbeitszeiten eines Krankenhauses durch speziell geschultes Personal aufgenommen werden, erfolgt die administrative Aufnahme von Notfallpatienten oft nur in Form eines Minimaldatensatzes durch pflegerisches Personal. Die dadurch notwendige Nachbearbeitung der Daten sollte angemessen geplant und umgesetzt werden, um Erlöseinbußen durch verspätet unterzeichnete Behandlungsverträge zu vermeiden.

Mitarbeiterperspektive

In vielen Kliniken ist die innerklinische Notfallversorgung räumlich zentral organisiert und wird durch eine, wenige oder viele Fachabteilungen betrieben. Dabei trägt meist die kontinuierliche pflegerische Besetzung zur Stabilität des Arbeitsumfelds bei. Die Struktur der Ärzteschaft in den Notaufnahmen wird durch 2 Faktoren beeinflusst. Erstens wird in den Weiterbildungsordnungen der Fachspezialitäten der Einsatz in der Notaufnahme in unterschiedlicher Art und Weise festgelegt: In einzelnen chirurgischen Fächern wird ein verpflichtender Einsatz in den Notaufnahmen über 6 Monate innerhalb der ersten Ausbildungsjahre gefordert, während u. a. in konservativen Fächern der Einsatz in der Notfallmedizin fehlt. Zweitens erschwert eine bisher bundesweit fehlende qualifizierte Weiterbildung die langfristige Bindung erfahrener Mitarbeiter an die Notaufnahmen. Aufgrund dieser Konstellation haben sich für die ärztliche Besetzung heterogene Modelle entwickelt. Diese reichen von täglich wechselnder Diensteinteilung über mehrmonatige Rotationen bis zu festen ärztlichen Teams. Dabei ist es unumstritten, dass sowohl die individuelle medizinische Erfahrung als auch ein gut eingespieltes ärztlich-pflegerisches Team für eine effektive und effiziente Notfallversorgung essenziell sind. Daher sollten diese Aspekte mit Kennzahlen, wie Facharzt- oder Stammpersonalquote, analysiert werden [6]. Da Notaufnahmen in der Regel rund um die Uhr funktionsbereit sein müssen und nicht langfristig abgemeldet werden können, sollten zudem der Krankenstand der dort tätigen Mitarbeiter fortlaufend beobachtet werden und Personalausfallkonzepte vorliegen. Insbesondere die Erfahrungen mit der Influenzawella in den Jahren 2014/2015 haben im Haus der Autoren gezeigt, dass es wichtig ist, frühzeitig auf erhöhte Krankenstände reagieren zu können.

Für eine effiziente Notfallversorgung ist ein gut eingespieltes Team essenziell

Trotz der Nacht- und Wochenenddienste orientiert sich die stationäre Krankenversorgung in ihrer Gesamtheit auch heute noch an einer 5-Tage-Woche mit einer Kernarbeitszeit von 08.00 bis 16.00 Uhr. Im Gegensatz dazu liegen die Leistungsspitzen der Notaufnahmen in den späten Nachmittags- und Abendstunden sowie an Wochenenden und Feiertagen. Daraus resultiert eine erhebliche Belastung durch schichtdienstbedingte Wechselzeiten. Zusätzlich haben Notaufnahmen beschränkte Möglichkeiten, die Leistungsdichte zu reduzieren. So kann zwar eine Abmeldung bei der integrierten Leitstelle erfolgen, trotzdem dürfen gefährdete Patienten nicht abgewiesen oder ein Zwangsbelegungsrecht eingeschränkt werden. Ein Bereitschaftsdienst zur Pufferung dieser Leistungsspitzen wird im aktuellen Vergütungssystem nicht gegenfinanziert. Folglich besteht die Gefahr, dass die Volatilität des Patientenaufkommens zwangsläufig zu hohen physischen und psychischen Belastungen der ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter der Notaufnahmen führt. Vermutlich bestehen in einigen Kliniken mit allgemeinen Mitarbeiterbefragungen und Analysen zur Schichtbelastung sowie Fluktuations- und Krankheitsquote bereits Reportingstrukturen. Beispielhaft würden sich u. a. Instrumente zur Erfassung der psychischen Belastung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) anbieten [18].

Patienten- und Partnerperspektive

Die Patientensicht wird in vielen Kliniken durch eigenständige Patientenbefragungen und Rückmeldungen durch Krankenkassenportale, wie beispielsweise die Weiße Liste, abgedeckt. Bei diesen in kontinuierlichen oder regelmäßigen Abständen stattfindenden Befragungen werden häufig nur stationäre Patienten einbezogen. Durch diese Struktur werden die ambulanten Patienten ausgeklammert, deren Anteil am Patientenkollektiv der Notaufnahme bei 50–60 % liegt. Auch bei der Befragung von stationären Patienten sollte berücksichtigt werden, dass diese in der Regel nicht dezidiert zwischen Leistungen der Notaufnahme und des stationären Aufenthalts unterscheiden können. Folglich erscheint eine direkte Befragung von Patienten in der Notaufnahme sinnvoll. Entsprechende Befragungen erfolgen z. B. in Großbritannien durch etablierte Dienstleister. Die besondere emotionale Anspannung von Notfallpatienten und deren Angehörigen begünstigt Beschwerden, sodass dies bei der Bewertung von Beschwerdequoten und Beschwerdekategorien entsprechend berücksichtigt werden muss.

Gerade in Ballungsräumen können Rettungsdienste und Notärzte verschiedene Kliniken anfahren und somit den wirtschaftlichen Erfolg dieser Kliniken beeinflussen. Daher erscheint auch eine regelmäßige Befragung dieser Partner sinnvoll. Im Idealfall ermöglichen Kooperationen mehrerer Kliniken hausübergreifende Vergleiche [1]. Neben der geplanten elektiven Einweisung in Fachabteilungen der Kliniken überweisen viele niedergelassene Ärzte ihre Patienten zur weiteren Abklärung direkt in die Notaufnahmen. Da die Erfahrungen mit den Notaufnahmen auch die Meinung über die elektiven Strukturen eines Krankenhauses beeinflussen, sollte dieser Aspekt in die Einweiserbefragung integriert sein.

Klassischerweise werden innerhalb der Gesundheitsversorgung bei der Patientenperspektive auch harte, die Ergebnisqualität beschreibende Kennzahlen integriert. Häufig wird in diesem Kontext von Qualitätsindikatoren gesprochen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit speziellen Indikatoren der klinischen Notfallversorgung beschäftigen [17, 25]. In Deutschland findet keine Bewertung nach diesen Vorbildern statt, auch gesetzliche Vorgaben decken diese Herausforderungen nur unzureichend ab. Lediglich Fachgesellschaften erheben innerhalb ihres jeweiligen Fachgebiets spezielle Indikatoren aus Sicht von Diagnosen. Hierfür seien beispielhaft das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und verschiedene regionale Schlaganfall- oder Herzinfarktregister genannt.

Prozessperspektive

Die Prozessperspektive von Notaufnahmen kann über viele Betrachtungsweisen analysiert werden [20]. Dabei gibt es v. a. in angelsächsischen Ländern eine lange Tradition vorgegebener Datensätze, die teilweise gesetzlich verpflichtend zu erheben sind [16]. In Deutschland arbeiten 2 Fachgesellschaften (DIVI, DGINA) zwischenzeitlich gemeinsam an der Etablierung eines Datensatzes für die klinische Notfallversorgung.

Ein standardisierter Datensatz für die klinische Notfallversorgung wird erarbeitet

Die DIVI verfolgt zusätzlich das Ziel, die standardisierten Daten in einem nationalen Notfallregister zu sammeln, um damit standortübergreifende Vergleiche zu ermöglichen sowie eine Basis für verschiedenste Fragstellungen der Versorgungsforschung zu schaffen [16]. Damit wäre beispielsweise die detaillierte Analyse der Abläufe bei wichtigen Krankheitsbilder denkbar [2, 11]. In Ergänzung zu diesen medizinisch-inhaltlichen Daten der Ergebnisqualität sind aus dem Blickwinkel des Krankenhausmanagements Daten zu den im Folgenden dargestellten Items von essenzieller Bedeutung. Diese würden eine strategische Steuerung der Abläufe erheblich erleichtern.

Prozessuale Effizienz

Die alleinige Analyse der Aufenthaltsdauer innerhalb der Notaufnahme ist für die Darstellung der notfallmedizinischen Abläufe unzureichend. Vielmehr sollte der Gesamtprozess durch definierte Zeitstempel, wie „Triage abgeschlossen“, „erstmals im Untersuchungsraum“, „pflegerische Erstversorgung begonnen“, „ärztliche Erstversorgung“ begonnen, „Notfallbehandlung abgeschlossen“ und „Verlegung beziehungsweise Entlassung erfolgt“, unterteilt werden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zeitstempel zur Unterteilung des Prozesses der klinischen Notfallversorgung. (Adaptiert nach [20])

Die alleinige Analyse der Aufenthaltsdauer in der Notaufnahme ist unzureichend

Dabei kann die Granularität der Zeiterfassung weiter erhöht werden. Es wäre beispielweise denkbar, die Dauer für technisch aufwändige und häufig limitierende Untersuchungen (z. B. Coputertomographie, Magnetresonanztomographie) und die anschließende Befundungszeiten zu erfassen. Bei der Analyse der jeweiligen Zeiträume sind aufgrund der hohen Volatilität der Auslastung der Notaufnahmen neben dem Mittelwert und Median insbesondere die Quartile sowie die Minimal- und Maximalwerte zur nachhaltigen Steuerung relevant.

Diagnostische Effektivität

Es sollte hinterfragt werden, ob innerhalb der Notaufnahme die verschiedenen diagnostischen Möglichkeiten effektiv und effizient eingesetzt werden. Beispielsweise sind Kreuzvergleiche mit den jeweiligen Leitsymptomen und der anschließend auf der Station angeordneten Diagnostik von Interesse [8].

Fallkomplexität

Neben den klassischen Anforderungen externer diagnostischer Maßnahmen sollten zudem die innerhalb der Notaufnahmen organisierten fachspezifischen Leistungen – oft als Mitbehandlungen oder Konsile bezeichnet – betrachtet werden. Diese führen zu erhöhtem ärztlichem und pflegerischem Aufwand und kennzeichnen die Komplexität medizinischer Herausforderungen [15].

Auswirkungen auf das gesamte Krankenhaus

Es sollte für alle zentralen, das Gesamthaus betreffenden Kennzahlen, wie beispielsweise Verweildauer, Case Mix Index (CMI), Deckungsbeitrag oder MDK-Kürzungsquote, zu differenzieren sein, ob die jeweilige Krankenhausbehandlung in der Notaufnahme oder direkt auf der Station (elektive Patienten) begonnen hat.

Übergreifende Aspekte

Neben dem Rettungsdienst und den Notaufnahmen spielen für die Notfallversorgung der Bevölkerung auch die kassenärztlichen Vereinigungen (KV) mit den von ihnen betriebenen Bereitschaftsdiensten eine wichtige Rolle. Insbesondere wenn Kooperationsmodelle zwischen KV-Diensten und klinischer Notfallversorgung etabliert sind, sollte diese Zusammenarbeit faktenbasiert ausgestaltet werden. Neben einer übergreifenden Analyse der Inanspruchnahme der Dienstleister könnten auch die gegenseitige Unterstützung und Kooperation dargestellt werden. Dadurch ließe sich evaluieren, welche Patienten die Notaufnahmen aufsuchen und welche diagnostischen oder therapeutischen Möglichkeiten, die im ambulanten Sektor zum jeweiligen Beanspruchungszeitpunkt nicht zur Verfügung stehen, diese benötigen. Diese Schnittstelle könnte in enger Kooperation mit den KV beziehungsweise den niedergelassenen Ärzten angesteuert werden.

Generierung von Kennzahlen

Eine rein papierbasierte Erarbeitung und Darstellung der bereits aufgeführten Kennzahlen ist nicht denkbar, vielmehr ist informationstechnologische (IT-)Unterstützung zur Beherrschung solcher Kennzahlensysteme unumgänglich. Dabei liegen viele Kennzahlen mit primär betriebswirtschaftlichem Hintergrund bereits heute in den Krankenhäusern elektronisch vor. So erfolgt sämtliche Buchhaltung elektronisch, und auch die ökonomischen Daten, wie Abrechnungsdaten oder Personal- und Sachkosten, erfolgen EDV-basiert. Ebenso werden Befragungen von Patienten oder Partner sicherlich mit IT-Unterstützung organisiert. Hingegen erfolgt häufig die Erfassung der klinischen Routinetätigkeiten in Notaufnahmen vielerorts noch auf Papierbögen.

Zur Etablierung von Kennzahlensystemen ist IT-Unterstützung notwendig

Um auch in Notaufnahmen Kennzahlen ableiten zu können, stehen prinzipiell 2 Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einem könnten die auf Papier erfassten Daten nach Abschluss der Behandlung in ein IT-System übertragen werden. Aufgrund der Arbeitsverdichtung erscheint es unrealistisch, dass ärztliche und pflegerische Mitarbeiter diese manuelle Datenübertragung übernehmen [24]. Folglich ist nur, wie beispielsweise in Krebsregistern, die Übertragung durch zusätzliche Dokumentationskräfte möglich. Zum anderen wäre eine originär digitale Datenerfassung von Routinedaten denkbar, aus denen sich Indikatoren ableiten lassen. So könnten beispielsweise Daten in der Arztbriefschreibung vorgeblendet werden oder die Angabe des Leitsymptoms die Prozesssteuerung (z. B. automatisierte Laboranforderungen) unterstützen.

Medizinische Prozesse müssen kontinuierlich analysiert werden

Bezüglich der kontinuierlichen Analyse der medizinischen Prozesse in Notaufnahmen und der internen Entscheidungsabläufe sind 2 Zielstellungen zu unterscheiden, so zum einen die täglichen Berichte zur Analyse des Vortags. So können beispielsweise die Reevaluierung von Fällen mit besonders langer Verweildauer durchgeführt oder die nichtindizierte Veranlassung von diagnostischen Verfahren auf den Prüfstand gestellt werden, um ein zeitnahes Feedback an die verantwortlichen Mitarbeiter zu ermöglichen. Den 2. Baustein bilden Analysen auf Managementebene. Neben Übersichten zur routinemäßigen Steuerung sollten in Einzelauswertungen Trends herausgearbeitet oder Zusammenhänge hinterfragt werden. So könnten beispielsweise besonders lange Verweildauern bei einem bestimmten Leitsymptom auf fehlende multidisziplinäre Absprachen und/oder fehlende Behandlungspfade für diese Erkrankung hindeuten.

Schlussfolgerungen

Die Notfallversorgung in Krankenhäusern ist ein zentrales Element für die Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung. Notaufnahmen in Kliniken befinden sich an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und wurden bisher in der Systematik von Kostenträgern und Politik unzureichend berücksichtigt. Die Erfassung von Kennzahlen und Indikatoren in Notaufnahmen, die verschiedene Perspektiven der Notfallversorgung aufzeigen, sind jedoch unabdingbar, um der medizinisch-fachlichen aber auch ökonomischen Bedeutung von Notaufnahmen Rechnung zu tragen. In vielen Ländern, in denen Notfallmedizin als eigene Fachlichkeit etabliert ist, trägt eine kennzahlenbasierte Erfassung der Leistungen dazu bei, notfallmedizinische Herausforderungen zu steuern. Auch in Deutschland sollte ein entsprechend adaptiertes System aufgebaut und etabliert werden, um für zukünftige Anforderungen vorbereitet zu sein.

Fazit für die Praxis

  • In Deutschland fehlen abgestimmte Kennzahlen zur Lenkung der Notfallversorgung auf regionaler, föderaler und Bundesebene.

  • Aufgrund der immensen medizinischen und betriebswirtschaftlichen Bedeutung von Notaufnahmen sollten Krankenhäuser Kennzahlensysteme zu deren operativen Steuerung etablieren.

  • Es sind hierbei verschiedene Perspektiven der Steuerung, wie betriebswirtschaftliche und medizinische Aspekte sowie die Sicht der Patienten, Partner und Mitarbeiter, zu beachten.

  • Innovative Modellprojekte in anderen Ländern bzw. publizierte Erfahrungsberichte können die Etablierung dieser Kennzahlensysteme unterstützen.

  • Sobald auf Ebene der Politik oder der Fachgesellschaften konsentierte Kennzahlen existieren, können Krankenhäuser diese im Sinne des Benchmarkings nutzen.

Infobox 1 Internationale Perspektive zu Indikatoren und Klassifikationen

Infobox 2 Relevante Definitionen

  • Qualitätsmanagement: Qualitätsmanagement (QM) bezeichnet alle organisatorischen Maßnahmen, die der Verbesserung der Struktur, Prozess- und Ergebnisqualität. Nach § 137 SGB V ist jedes Krankenhaus in Deutschland dazu verpflichtet ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement aufzubauen.

  • Kennzahl: Zusammenfassung von quantitativen Informationen für den innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Vergleich. Kennzahlen werde im Sinne des Controllings zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Unternehmensaktivitäten herangezogen. Dabei wird zwischen absoluten und relativen Kennzahlen unterschieden.

  • Kennzahlensysteme: In der Regel ist eine isoliert betrachtete Einzelkennzahl für die Steuerung von Systemen insuffizient. Daher werden Einzelkennzahlen systematische zu Kennzahlensystemen verknüpft. Dabei kann diese Verknüpfung mathematischer oder sachlogischer Natur sein. Kennzahlensysteme sind geeignet, die Zahl der Steuerungsparameter zu begrenzen und damit einer nicht mehr überblickbaren Informationsfülle entgegen zu wirken.

  • „Balanced scorecard“: Beispiel für ein Kennzahlensystem, in dem der häufig überproportional ausgeprägte Bereich der ökonomischen Kennzahlen um die Perspektiven Kunden, interne Prozesse sowie Mitarbeiter beziehungsweise Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten ergänzt. Dies ermöglicht eine nachhaltigere Steuerung des Unternehmens.