Die Prognose einer kompensierten Leberzirrhose ist mit einem 2-Jahres-Überleben von etwa 90  % relativ gut. Bei einer Dekompensation steigt das Letalitätsrisiko aber dramatisch an, sodass regelhaft auch eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird. Dennoch haben sich in Deutschland die Todesfälle infolge einer Leberzirrhose in den letzten 25 Jahren verdoppelt [24]. Ursächlich hierfür ist zum einen die Zunahme chronischer Lebererkrankungen, z. B. der alkoholischen und nichtalkoholischen (metabolischen) Fettlebererkrankungen. Zum anderen entwickeln nun Patienten mit chronischer Virushepatitis B oder C, die sie zwischen den 1970er und 1990er Jahren akquiriert haben, Komplikationen der langjährigen Grunderkrankung [46]. Insgesamt hat sich die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner zwischen den Jahren 1980 und 2005 von 5 auf etwa 10 verdoppelt [24]. Somit rückt die Leberzirrhose auch zunehmend in das Blickfeld der Intensivmediziner. Die Leberzirrhose ist ein unabhängiger Prädiktor für ein schlechtes Outcome bei kritisch kranken Patienten [7, 45]. Daher ist die Option einer definitiven Therapie mittels Lebertransplantation bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose, die auf die Intensivstation aufgenommen werden, stets zu prüfen.

Schwerkranke Zirrhosepatienten können von verschiedensten typischen Komplikationen betroffen sein. Dies sind z. B. gastrointestinale Blutungen aus Ösophagus- oder Fundusvarizen bei begleitender portaler Hypertension, refraktärer Aszites oder die hepatische Enzephalopathie (HE). Daneben sind aber regelhaft auch die renalen, kardialen, respiratorischen und zerebralen Funktionen dieser Patienten kompromittiert. Patienten mit Leberzirrhose sind zudem durch eine erhöhte Infektanfälligkeit gefährdet; die Entwicklung einer spontan bakteriellen Peritonitis (SBP) prädestiniert weiterhin für einen septischen Verlauf. Aus diesen Gründen stellen Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose eine besondere Herausforderung für den Intensivmediziner dar. Von entscheidender Bedeutung sind zunächst die Stabilisierung und Rekompensation des Patienten und im weiteren Verlauf die Evaluation und Vorbereitung einer möglichen Lebertransplantation.

Diagnostik

Für das weitere Management auf der Intensivstation ist es wichtig, direkt bei Aufnahme zu identifizieren, ob bei einem Patienten eine Leberzirrhose bzw. sogar eine Dekompensation der Leberzirrhose vorliegt. Einige wichtige Leitfragen können helfen, den diagnostischen Algorithmus zu strukturieren (Tab. 1). Die Diagnose einer Leberzirrhose lässt sich im Allgemeinen relativ leicht stellen, indem eine gezielte Anamnese und körperliche Untersuchung durchgeführt wird. Diese wird durch Routinelaborparameter zur

  • Leberschädigung (Transminasen),

  • Cholestase (Bilirubin, alkalische Phosphatase, γ-Glutamyltransferase),

  • Lebersynthese- (Albumin, Pseudocholinesterase, Gerinnungstests) und Leberentgiftungsfunktion (Ammoniak)

ergänzt.

Ferner sollte eine Abdomensonographie zur Darstellung von Zirrhosezeichen, Aszites, Raumforderungen, Gallenwegserweiterungen etc. sowie eine Pfortader- und Lebervenen-Doppler-Sonographie durchgeführt werden. Sollte eine Abgrenzung zum akuten Leberversagen oder zu anderen Ursachen gestörter Leberwerte nicht gelingen, kann eine Leberbiopsie erwogen werden. Aufgrund der meist kompromittierten thrombozytären und plasmatischen Gerinnung bei Zirrhosepatienten bietet sich auf der Intensivstation die Durchführung einer transjugulären Biopsie oder einer Minilaparoskopie an, die gegenüber der perkutanen Biopsie ein niedrigeres Blutungsrisiko aufweist.

Tab. 1 Leitfragen bei Aufnahme von Patienten mit vermuteter Leberzirrhose auf die Intensivstation

Die Langzeitprognose von Patienten mit Zirrhose kann gut mit dem Child-Pugh-Score abgeschätzt werden. Für die Vorhersage der 3-Monats-Letalität ist der Model-of-end-stage-liver-disease(MELD)-Score besser geeignet [46]. Daneben hat auch die zugrunde liegende Ätiologie der Leberzirrhose Einfluss auf die Prognose, sodass die mögliche Ursache einer Leberzirrhose (z. B. entzündlich viral, alkoholbedingt, metabolisch, cholestatisch, vaskulär, hereditär, autoimmun, toxisch) frühzeitig durch geeignete spezifische Diagnostik geklärt werden muss. Hierbei ist auch wichtig, nichthepatisch bedingte Ursachen, wie z. B. akute Rechtsherzdekompensation, septische Hepatopathie u. a., differenzialdiagnostisch auszuschließen. Im Folgenden soll auf die typischen Komplikationen der Leberzirrhose sowie Ursachen der Dekompensation detailliert eingegangen werden.

Fallbericht eines Patienten mit schwerem Ikterus

Ein 48-jähriger Patient italienischer Abstammung wurde mit progredientem Ikterus aus einem auswärtigen Krankenhaus auf die Intensivstation der Autoren aufgenommen. Bislang waren bei dem Patienten keine Vorerkrankungen, insbesondere keine Lebererkrankung, bekannt. Der Patient nahm keine Medikamente ein. Anamnestisch hatte er als Kind bereits einmal einen Ikterus gehabt. Bei Aufnahme zeigten sich folgende Laborbefunde:

  • Bilirubin: 25,2 mg/dl (Normwert: 0,2–1,0),

  • Aspartataminotransferase (AST): 173 U/l (Normwert: 10–50),

  • Alanintransaminase (ALT): 108 U/l (Normwert: 10–50),

  • Thrombozyten: 93 G/l (Normwert: 150–350),

  • „international normalized ratio“ (INR): 1,52.

Anhand der in Tab. 1 dargestellten Leitfragen sollen die im weiteren Verlauf erhobenen Untersuchungsbefunde präsentiert und eingeordnet werden.

Diagnose der Leberzirrhose

Laborchemisch (s. o.) zeigte sich eine geringe entzündliche Aktivität (ALT, AST), aber eine schlechte Leberfunktion und eine Thrombozytopenie. Weitere Laborwerte (Protein, Albumin, Pseudocholinesterase) wiesen tatsächlich auf eine typische Zirrhosekonstellation hin. Zudem waren sonographisch Zeichen der Zirrhose sowie bereits eine Spur Aszites nachweisbar. Gastroskopisch wurden Ösophagusvarizen dokumentiert.

Schweregrad

Bei dem jungen Patient lag unerwarteterweise eine Leberzirrhose im Stadium Child B vor. Der MELD-Score betrug 23 (abgeschätzte 3-Monats-Mortalität 16–20 %).

Ursache

Wegweisend waren folgende Testergebnisse:

  • „hepatitis B surface antigen“ (HBsAg) positiv,

  • „hepatitis B core antibody“ (anti-HBc) positiv (Immunglobulin Typ IgM negativ),

  • „hepatitis B envelope antigen“ (HBeAg) negativ,

  • anti-HBe positiv, Hepatitis-B-Virus(HBV)-DNA 300.000 IU/ml,

  • anti-HDV positiv.

Zusammengefasst wurde die Diagnose einer Leberzirrhose im Stadium Child B bei (bislang unerkannter) chronischer Hepatitis–B-Virusinfektion mit begleitender δ-Hepatitis gestellt. Andere Differenzialdiagnosen wurden ausgeschlossen.

Komplikationen

Sonographisch wurde ein Aszites nachgewiesen. Eine SBP wurde durch diagnostische Punktion ausgeschlossen. In der Gastroskopie fanden sich Ösophagusvarizen ohne Blutungszeichen.

Auslösende Faktoren der Dekompensation

Bei einer Hepatitis B muss immer an die Hepatitis-D-Virusinfektion gedacht werden, die bei dem aus Italien stammenden Patienten nachweisbar war. Diese kann sowohl eine rasche Progression der Zirrhose als auch eine Dekompensation verursachen. Auffällig ist bei diesem Patienten die vergleichsweise hohe Hepatitis-B-Viruslast bei gleichzeitig bestehender Hepatitis D.

Affektion weiterer Organsysteme

Beteiligungen weiterer Organsysteme waren bei diesem Patienten nicht nachweisbar. Dieser Fall sollte daran erinnern, dass Patienten mit Leberzirrhose häufig jahre- bzw. jahrzehntelang symptomfrei oder symptomarm sind. In einem erheblichen Teil der Patienten wird eine Leberzirrhose erst bei der ersten Dekompensation diagnostiziert.

Pfortaderhochdruckassoziierte Komplikationen

Die portale Hypertonie ist als pathologische Erhöhung des venösen Pfortaderdrucks definiert. Hierdurch steigt der Druckgradient zwischen der Pfortader und der V. cava inferior (sog. hepatisch-venöser Druckgradient, HVPG) über seinen Normalwert (1–5 mmHg) an. Steigt der hepatisch-venöse Druckgradient auf größer 10 mmHg, treten regelhaft Komplikationen des portalen Hochdrucks auf. Die Messung des hepatisch-venösen Druckgradienten kann daher beim kritisch kranken Zirrhosepatienten sowohl zu diagnostischen Zwecken als auch zur Risikostratifikation eingesetzt werden [5].

Obere gastrointestinale Blutung und Varizenblutung

Von den Patienten mit Leberzirrhose entwickeln 2 Drittel im Laufe ihrer Erkrankung Ösophagusvarizen. Die akute Varizenblutung ist eine lebensbedrohliche Komplikation, deren Letalität trotz Fortschritten in der Therapie noch immer mit bis zu 30 % innerhalb von 6 Wochen nach Blutungsereignis angegeben wird [12]. Eine schwere obere gastrointestinale Blutung ist eine häufige Komplikation des Pfortaderhochdrucks und betrifft 30–40 % aller Patienten mit Zirrhose [17, 43]. In einer eigenen retrospektiven Untersuchung an 7376 Intensivpatienten zeigte sich für Zirrhosepatienten ein signifikant erhöhtes Risiko für obere gastrointestinale Blutungen, welches neben Varizenblutungen auch nichtvariköse Blutungen (z. B. Ulkusblutung) mit einschließt [19].

Die akute Varizenblutung erfordert eine unmittelbare intensivmedizinische Therapie

Die akute Varizenblutung (Abb. 1) erfordert eine unmittelbare intensivmedizinische Therapie mit den folgenden essenziellen Maßnahmen [12, 47]:

  • intensivmedizinische Basismaßnahmen: großvolumige Zugänge und (ggf. invasives) Monitoring, Flüssigkeitssubstitution, Transfusion, Optimierung der Gerinnung, ggf. bei respiratorischer Insuffizienz oder erheblicher Aspirationsgefahr Intubation und maschinelle Beatmung;

  • medikamentöse Senkung des Pfortaderdrucks mit vasoaktiven Substanzen (Terlipressin initial 1–2 mg i.v. als Bolus, anschließend alle 8 h 1 mg i.v.);

  • Notfallendoskopie: Ligatur/Sklerosierung von Ösophagusvarizen, Obliteration von Fundusvarizen; bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung ggf. Insertion eines speziellen Ösophagusstents oder Anlage einer Sengstaken-/Linton-Nachlasssonde als kurzfristige Überbrückungsmaßnahme;

  • ggf. notfallmäßige Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS);

  • Antibiotikagabe (Chinolon oder Cephalosporin der 3. Generation) für 5–7 Tage zur Reduktion der Rate bakterieller Infektionen und von Rezidivblutungen.

Abb. 1
figure 1

Komplikationen der portalen Hypertension. Endoskopisches Bild von ausgeprägten Ösophagusvarizen (a), einer akuten Varizenblutung (b) sowie der Gummibandligatur von Ösophagusvarizen während der Notfallendoskopie (c)

Die Anlage eines TIPS (Abb. 2) ist seit langem eine etablierte Option zur Behandlung rezidivierender Varizenblutungen oder des therapierefraktären Aszites [13]. Dieses Verfahren beinhaltet jedoch einige spezifische Risiken, insbesondere Entwicklung einer HE (in Abhängigkeit des TIPS-Shuntvolumens), progrediente Rechtsherzbelastung sowie prozedurassoziierte Komplikationen (Abb. 2). Bei akut nicht intervenierbarer oder mit hohem Rezidivblutungsrisiko behafteter Varizenblutung ist die notfallmäßige TIPS-Anlage innerhalb von 72 h nach Blutungsbeginn aber eine anerkannte Therapiemöglichkeit [10].

Abb. 2
figure 2

Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS). Ein TIPS kann zur Reduktion des Pfortaderhochdrucks auch im Rahmen von Notfallsituationen eingelegt werden (a). Kontrolle des TIPS in der Einmündung in die Lebervenen/Vena cava inferior mittels Farb-Doppler-Untersuchung im Abdomenultraschall (b). Seltene Komplikation nach TIPS-Anlage: Ausriss der sog. Stenttulpe und Dislokation in die rechte Pulmonalarterie (c, Pfeil, Ausschnitt aus Röntgenaufnahme des Thorax)

Aszites und spontan bakterielle Peritonitis

Das Auftreten von Aszites als weitere häufige Komplikation des Pfortaderhochdrucks bei Patienten mit Leberzirrhose ist prognostisch ungünstig. Aszites beeinträchtigt die Zwerchfellbewegungen der Atmung, verschlechtert die Nierenperfusion und birgt das Risiko einer SBP. Aus der Bildung von Aszites resultieren typischerweise eine zentrale Hypovolämie und arterielle Hypotension mit konsekutiver Aktivierung der Vasokonstriktoren, des Renin-Angiotensin-Systems und des sympathischen Systems. Der Nachweis von Aszites erfolgt am sensitivsten mittels einer abdominellen Ultraschalluntersuchung [13].

Bei Nachweis von Aszites bei Patienten mit Leberzirrhose auf der Intensivstation sind die folgenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einzuleiten [13, 47]:

  • Abdomensonographie inkl. Farb-Doppler-Untersuchung zum Nachweis bzw. Ausschluss von Pfortaderthrombose, Budd-Chiari-Syndrom bzw. sinusoidaler Obstruktion;

  • diagnostische Punktion bei jedem Patienten mit neu diagnostiziertem Aszites (SBP: mehr als  250 Neutrophile/mm3, Kultur, Zytologie bei Verdacht auf Peritonealkarzinose, Serum-Aszites-Albumingradient (Serumalbuminkonzentration minus Aszitesalbuminkonzentration ist größer 1,1 g/dl bei Leberzirrhose), Differenzierung Transsudat/Exsudat);

  • bei Nachweis einer SBP unmittelbare empirische Antibiotikatherapie (typischerweise Cephalosporine der 3. Generation oder Chinolone unter Berücksichtigung des erwarteten Keim- und Resistenzspektrums) und begleitende Albumingabe;

  • medikamentöse Basistherapie des Aszites (diätetische Kochsalzrestriktion unter 5 g/d, Spironolacton, Schleifendiuretika) unter Kontrolle der Hämodynamik, der Elektrolyte (insbesondere Serumnatrium) und der Nierenfunktion;

  • therapeutische Parazentese bei Spannungs- oder therapierefraktärem Aszites unter Kontrolle der Hämodynamik;

  • ggf. Anlage eines TIPS.

Unter intensivmedizinischen Bedingungen ist es regelhaft notwendig, auch großvolumige Parazentesen durchzuführen. Die Gabe von Humanalbumin ist die beste Möglichkeit, einer Kreislaufdysfunktion und damit einer Verschlechterung der Nierenfunktion vorzubeugen und sollte bei einer Parazentese größer 5 L obligatorisch erfolgen (6–8 g Albumin/l Aszites). Wenn das Volumen unter 5 l liegt, ist keine Gabe von Humanalbumin oder eines Plasmaexpanders notwendig [13]. Wenn regelmäßig größere Volumina abpunktiert werden müssen, kann die Anlage eines TIPS zur Behandlung des refraktären Aszites erwogen werden [2]. Sie ist jedoch i. d. R. bei vorbestehender chronischer HE (höher als Grad 1), einem Serumbilirubin größer 5 mg/dl oder bei vorbestehender Rechtsherzbelastung kontraindiziert [13].

Eine SBP ist eine häufige Ursache für eine Dekompensation der Zirrhose, Zunahme von Aszites oder ein hepatorenales Syndrom (HRS). Als diagnostischer Goldstandard gilt der Nachweis von mehr als 250 Granulozyten pro mm3 Aszites. Wahrscheinlich wegen einer geringen Bakterienkonzentration im Aszites bleiben mikrobiologische Kulturen in etwa der Hälfte der Fälle negativ [11]. Als wichtige Differenzialdiagnose sollte man aber immer auch eine sekundäre Peritonitis, z. B. als Folge einer Cholezystitis oder Divertikulitis, bedenken. Dies gilt insbesondere, wenn sich untypische Befunde wie eine massive Leukozytenzahl im Aszites, Anaerobier oder eine bakterielle Mischkultur finden. Die SBP wird hauptsächlich durch gramnegative Erreger (vor allem E. coli) verursacht, weshalb meist Cephalosporine der 3. Generation oder Chinolone als empirische Antibiose empfohlen werden [13]. Allerdings ist zu beachten, dass bei nosokomialer SBP auch multiresistente Keime auftreten und die Bedeutung von Enterokokken, bei denen Cephalosporine generell unwirksam sind, in den letzten Jahren zugenommen hat. Daher können auf der Intensivstation in Abhängigkeit der lokalen Resistenzlage auch Piperacillin/Tazobactam oder Carbapeneme als empirische Antibiose in Betracht kommen [36]. Neben einer unmittelbaren empirischen Antibiotikatherapie profitieren Patienten mit einer SBP von einer Albumintherapie (1,5 g/kgKG an Tag 1 und 1 g/kgKG an Tag 3) zur Prophylaxe des HRS [42]. Aktuell befinden sich neue Verfahren zur Optimierung der SBP-Diagnostik und der Erregeridentifikation in der klinischen Erprobung, wie z. B. der Nachweis bakterieller DNA mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) oder von Inflammationsmarkern, wie „soluble urokinase plasminogen activator receptor“ (suPAR) im Aszites [51].

Infektionen

Durch verschiedene Mechanismen, wie u. a. Dysfunktion von Neutrophilen, Monozyten und Kupffer-Zellen, endotoxinbedingte Permeabilität der Darmwand, veränderte Expression von Toll-like-Rezeptoren oder Verminderung von Faktoren des Komplementsystems, zeigen Patienten mit Leberzirrhose vielfältig gestörte Funktionen ihres Immunsystems. Hierdurch können sie ähnlich immunsupprimiert sein, wie onkologische Patienten nach Chemotherapie oder transplantierte Patienten unter medikamentöser Immunsuppression [22]. Die Inzidenz für Infektionen und Sepsis ist deutlich höher, ihr Outcome ist deutlich schlechter im Vergleich zu anderen Patienten [14]. Infektionen, eventuell auch ohne klinisch apparenten Fokus, sind ein häufiger Grund für eine Dekompensation bei Patienten mit Leberzirrhose. Daher sollten bei jeder medizinischen Maßnahme, durch die Körperflüssigkeiten oder Sekrete gewonnen werden können (z. B. Intubation, Parazentese, Pleurapunktion, Anlage eines zentralvenösen Zugangs), Kulturen für die mikrobiologische Untersuchung angelegt werden [1]. Bei Nachweis einer Infektion, insbesondere bei Verdacht auf Sepsis, sind Patienten mit Leberzirrhose selbstverständlich nach den gültigen intensivmedizinischen Leitlinien, wie von der internationalen Surving-Sepsis-Campaign publiziert, mit Fokussuche und -sanierung, früher hämodynamischer Stabilisierung, sofortiger empirischer Antibiotikatherapie und adäquaten supportiven intensivmedizinischen Maßnahmen zu behandeln [8]. Bei Vorliegen von Aszites kann eine antibiotische Therapie bei Patienten mit Child-B- oder -C-Leberzirrhose auch ohne Nachweis einer SBP die Prognose verbessern [13]. Das frühzeitige Erkennen und die gezielte Behandlung von Infektionen sind für die Letalität von Patienten mit Leberzirrhose entscheidend.

Das frühzeitige Erkennen einer Infektion ist für die Letalität von Zirrhosepatienten entscheidend

Eine persistierende Entzündung, reflektiert beispielsweise über den Nachweis des bereits erwähnten neuen Biomarkers suPAR im Serum, kann die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenen Lebererkrankungen ähnlich genau vorhersagen, wie die etablierten prognostischen Werkzeuge MELD- oder Child-Pugh-Score [50].

Niereninsuffizienz

Nierenfunktionsstörungen betreffen mindestens 19 % der hospitalisierten Patienten mit Leberzirrhose und sind mit einer dramatisch verschlechterten Prognose vergesellschaftet [48]. Dieser Tatsache wird im MELD-Score zur Prädiktion der kurzfristigen Prognose bei Zirrhosepatienten durch die Berücksichtigung des Serumkreatinins zusammen mit dem Serumbilirubin und der INR Rechnung getragen. Nierenfunktionsstörungen bei Patienten mit Leberzirrhose ergeben sich aus 3 Hauptursachen: prärenales Nierenversagen, renales Nierenversagen im Sinne der akuten Tubulusnekrose und HRS [41, 48].

Bei Patienten mit Leberzirrhose scheint insbesondere der hyperdyname Kreislaufzustand mit geringem peripherem Widerstand eine zentrale Rolle in der Pathogenese der meisten Formen des akuten Nierenversagens zu spielen. Die Vasodilatation initiiert die Sekretion von Vasokonstriktoren (u. a. Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, sympathisches Nervensystem, antidiuretisches Hormon), welche den renalen Blutfluss verringern [41, 48]. Hierdurch steigt die Anfälligkeit für andere Risikofaktoren, wie die Verabreichung von nichtsteroidalen Antiphlogistika und intravenösem Kontrastmittel, oder für eine toxische Schädigung durch Gallensalze bzw. Endotoxine. Die Nierenfunktionsstörungen werden durch Faktoren aggraviert, die mit einer Abnahme des effektiv zirkulierenden Blutvolumens einhergehen, wie beispielsweise rasche Flüssigkeitsverluste (z. B. gastrointestinale Blutungen, Diarrhoe), Sepsis und/oder SIRS-bedingte Vasodilatation sowie intensivierter Gebrauch von Diuretika und Restriktion peroraler Flüssigkeitszufuhr zur Aszitestherapie [41, 48].

Hepatorenales Syndrom

Das HRS ist eine potenziell reversible Nierenfunktionsstörung bei Patienten mit Leberzirrhose, die als Organmanifestation eines systemischen Problems, nämlich der hämodynamischen Veränderungen in der Zirrhose, gesehen werden sollte [41, 48]. Ein wesentlicher pathophysiologischer Faktor ist die Vasodilatation im Splanchnikusgebiet. Diese führt zu einem verminderten Blutdruck und verringertem zentralen arteriellen Blutvolumen, was wiederum die Aktivierung neurohumoraler Systeme mit renaler Vasokonstriktion, erniedrigter Nierendurchblutung und reduzierter glomerulärer Filtrationsrate bedingt [47]. Traditionell wird das HRS in 2 Typen unterteilt: Typ 1 ist durch eine abrupte Verschlechterung der Nierenfunktion, meist nach einem vorrausgehenden Akutereignis (z. B. SBP), gekennzeichnet, Typ 2 durch eine langsam fortschreitende Form des Nierenversagens. Gemäß der deutschen Leitlinie aus dem Jahr 2010 ist Typ 1 des HRS durch eine Verdoppelung des Serumkreatinins auf über 2,5 mg/dl in weniger als 2 Wochen definiert, während Typ 2 durch einen langsamen Anstieg des Kreatinis auf den Bereich zwischen 1,5 und 2,5 mg/dl gekennzeichnet ist ([13], Infobox 1). Im Jahr 2011 hat eine internationale Arbeitsgruppe neue diagnostische Kriterien für akute und chronische Formen des HRS definiert und einheitliche Standards für die Diagnose des akuten Nierenversagens und der chronischen Niereninsuffizienz bei Leberzirrhose vorgeschlagen. Diese basieren auf einer Erweiterung der Modification-of-Diet-in-Renal-Disease(MDRD)-Formel. Das HRS vom Typ 1 wird hier als besondere Form des akuten Nierenversagens gesehen, das HRS vom Typ 2 als Form der chronischen Niereninsuffizienz. Weiterhin wurden die Risk-injury-failure-loss-end-stage-kidney-disease(RIFLE)-/Acute-kidney-injury-network(AKIN)-Kriterien für diese Gruppe von Patienten vorgeschlagen [49]. Die diagnostischen Kriterien (Infobox 1) sind derzeit sicher noch nicht befriedigend, weil insbesondere spezifische Tests zur Diagnose des HRS fehlen und an Hand des Serumkreatinins bei Patienten mit Zirrhose und reduzierter Muskelmasse die tatsächliche Nierenfunktion eher überschätzt wird. Neuere Marker der Nierenfunktion wurden vorgeschlagen (u. a. Cystatin C, Lipidperoxidationsprodukte, Interleukin(IL)-18, Urin-Aquaporin-1, „kidney injury molecule (KIM) 1“ und neutrophiles gelatinaseassoziiertes Lipocalin). Deren diagnostische Aussagekraft bedarf aber weiterer Untersuchungen [15].

Bei Nachweis von schwerwiegenden Nierenfunktionsstörungen bei Patienten mit Leberzirrhose auf der Intensivstation sind die folgenden Maßnahmen einzuleiten [13, 15, 47]:

  • Behandlung der zugrunde liegenden Ursache für die verschlechterte Nierenfunktion (Infekte wie SBP, gastrointestinale Blutung, kardiale Dekompensation) und Evaluation einer evtl. vorbestehenden spezifischen Nierenerkrankung (Urinsediment, Ultraschall der Nieren zum Ausschluss eines renalen/postrenalen Nierenversagens);

  • Absetzen der Diuretika sowie aller nephrotoxischen Medikamente, Dosisanpassung der notwendigen Medikamente (z. B. Antibiotika) an die Nierenfunktion;

  • Ausgleich eines Volumenmangels (kristalline Flüssigkeit, ggf. Transfusion);

  • Volumenexpansion durch Humanalbumin (Startdosis 1 g/kgKG bis maximal 100 g/Tag, dann 20–40 g/Tag);

  • Terlipressin (1 mg/4–6 h als Bolus i.v., ggf. Dosissteigerung);

  • zurückhaltende Indikation zum Einsatz von Nierenersatzverfahren.

Nach dem Volumenersatz und der Albuminsubstitution besteht die effektivste Behandlung des HRS vom Typ 1 aus der Gabe von Vasopressinagonisten. Nach der aktuellen Datenlage scheint Terlipression das wirksamste Medikament zu sein. Die Anwendung ist mit wenigen Nebenwirkungen vergesellschaftet und verbessert insbesondere das kurzfristige Überleben [13, 38]. Kontraindikationen zur Terlipressingabe sind systemischer arterieller Hypertonus, symptomatische koronare Herzkrankheit oder periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie schwere Herzrhythmusstörungen [13]. Als Anfangsdosis wird typischerweise 1 mg als Bolus alle 4–6 h mit der Option der Dosissteigerung bis zu 12 mg täglich vorgeschlagen [13, 47]. Im längerfristigen Management der Patienten kann die Anlage eines TIPS die Niereninsuffizienz verbessern. Bezüglich anderer Vasokonstriktoren (Noradrenalin, Midodrin zusammen mit Octreotid) oder einer kontinuierlichen Terlipressingabe mittels Perfusor kann derzeit aufgrund der sehr niedrigen Fallzahlen in den verfügbaren Studien keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden [13, 47].

Sollte das akute Nierenversagen unter den genannten Maßnahmen nicht beherrschbar sein, kann der Einsatz einer Nierenersatztherapie notwendig werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Prognose des HRS durch den Einsatz einer Dialyse grundsätzlich nicht verbessert wird [13]. Deswegen sollte die Indikationsstellung für Nierenersatzverfahren beim HRS streng erfolgen, d. h. v. a. wenn eine akute Komplikation (Hyperkaliämie, metabolische Azidose, Überwässerung etc.) beherrscht werden muss und/oder auf diese Weise eine Überbrückung bis zur Lebertransplantation erreicht werden kann [13].

Kardiopulmonale Komplikationen

Respiratorische Komplikationen

Neben akuten gastrointestinalen Blutungen ist die akute respiratorische Insuffizienz bei Patienten mit Leberzirrhose eine der häufigsten Aufnahmeindikationen auf die Intensivstation [19, 23]. Obwohl die Differenzialdiagnosen umfangreich sind, muss v. a. an Pneumonie bzw. pneumogene Sepsis sowie an die zirrhosespezifischen Komplikationen, wie hepatischer Hydrothorax, portopulmonale Hypertonie und das hepatopulmonale Syndrom, gedacht werden. In Tab. 2 werden wesentliche Charakteristika der beiden letztgenannten Krankheitsbilder zusammengefasst.

Tab. 2 Differenzierung zwischen portopulmonaler Hypertonie und hepatopulmonalem Syndrom

Beim hepatischen Hydrothorax tritt Aszites vom Peritoneum durch kleine Defekte des Zwerchfells in den Pleuraraum. Eine primäre Herz- oder Lungenerkrankung sollte vor Diagnosestellung ausgeschlossen werden. Die Behandlung des klinisch relevanten Hydrothorax unterscheidet sich nicht von der Standardtherapie des Aszites. Sowohl bei Erstdiagnose als auch bei Wiedervorstellungen sollte eine diagnostische Pleurapunktion mit Bestimmung der Zellzahl, Zelldifferenzierung und Eiweißkonzentration erfolgen. Therapeutische abdominelle Parazentesen und (bei Bedarf) Thorakozentesen haben eine geringe Komplikationsrate. Analog zur Therapie des Aszites kann bei rezidivierendem klinisch relevantem Hydrothorax die Anlage eines TIPS erwogen werden. Ebenfalls besteht das Risiko für ein spontan bakterielles Empyem; die medikamentöse Behandlung erfolgt analog zur SBP [13].

Die portopulmonale Hypertonie ist als pulmonalarterielle Hypertension durch erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand in Anwesenheit eines Pfortaderhochdrucks und eines pulmonal-kapillären Verschlussdrucks („pulmonary capillary wedge pressure“, PCWP) kleiner 15 mmHg definiert [35]. Als Screening dient die transthorakale Echokardiographie zum Nachweis von Rechtsherzbelastungszeichen. Für die Diagnosestellung wird eine Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Druckmessungen benötigt [9]. An der Pathophysiologie sind wahrscheinlich Gefäßremodellierungen durch hepatisch nichtmetabolisierte vasoaktive Substanzen, Scherkräfte am Gefäßendothel, verstärkte Endothelin-1-Expression und Mikrothromben im pulmonalen Kreislauf beteiligt [16]. Von großer praktischer Wichtigkeit ist, dass Frühstadien der portopulmonalen Hypertonie (mittlerer Pulmonalarteriendruck, mPAP, 25–35 mmHg) durch eine Lebertransplantation potenziell reversibel sind und diese Patienten daher durch Match-MELD-Punkte in der Organvergabe bevorzugt werden. Hingegen stellen Spätstadien (mPAP größer 45 mmHg) unter anderem auch aufgrund des extrem erhöhten Operationsrisikos eine Kontraindikation zur Transplantation dar.

In der Therapie der portopulmonalen Hypertonie wurden Vasodilatatoren, Gefäßwachstumsfaktoren und „remodeling agents“ – insbesondere Epoprostenol, Bosentan, Sildenafil und Iloprost – vorgeschlagen. Die diesbezüglichen Erfahrungen sind jedoch zumeist auf kleine Studien beschränkt, und die meisten dieser Substanzen sind zudem hepatotoxisch [39]. Auf der Intensivstation kann in der Phase der akuten Dekompensation Prostazyklin (Epoprostenol) i.v. verabreicht werden. Als Dauermedikamente werden häufig Prostazykline, Sildenafil und/oder Bosentan eingesetzt. TIPS-Anlage (Rechtsherzbelastung), β-Blocker oder Nitrate können die portopulmonale Hypertonie verschlechtern und sollten bei diesen Patienten eher nicht eingesetzt werden [9].

Das hepatopulmonale Syndrom kann bei bis zu 30 % der Patienten mit Lebererkrankungen auftreten und ist durch eine Hypoxämie charakterisiert, die durch ein Ventilations-Perfusions-Missverhältnis, intrapulmonale Shunts, Vasodilatation pulmonaler Kapillargefäße, Sauerstoffdiffusionsdefizite und portale Hypertension entstehen kann [16]. In der Pathophysiologie scheint Stickstoffmonoxid eine wichtige Rolle in der Entstehung der Vasodilatation pulmonaler Kapillargefäße zu spielen. Andere diskutierte Faktoren sind Endothelin-1-induzierte Stickstoffmonoxidüberproduktion, intestinale Endotoxämie durch Überproduktion von Tumornekrosefaktor, Hämoxygenase-1 und „endothelium derived hyperpolarizing factor“ [34]. Als sensitives Screeningverfahren zum Nachweis intrapulmonaler Shunts dient die Kontrastmittelechokardiographie. Zur Quantifizierung der Shuntvolumina können Szintigraphie, Pulmonalisangiographie oder Rechtsherzkatheteruntersuchung herangezogen werden [16].

Das häufigste Symptom ist zunehmende Dyspnoe (Tab. 2), die sich typischerweise in sitzender Position aufgrund eines höheren schwerkraftabhängigen Blutflusses durch dilatierten Venen in der Lungenbasis verschlimmert (Platypnoe-Orthodeoxie-Syndrom; [34]).

Zunehmende Dyspnoe ist das häufigste Symptom des hepatopulmonalen Syndroms

Uhrglasnägel und Zyanose treten oft auf. Die Sauerstoffgabe steht im Vordergrund der Therapie des hepatopulmonalen Syndroms. Die Lebertransplantation bleibt die einzige definitive Therapie, die Symptomatik und Überleben verbessert [9].

Kardiale Komplikationen

Die kardialen Komplikationen bei Patienten mit Leberzirrhose sind oft mit einer Verschlechterung der hyperdynamen Zirkulation, hohem kardialen Output, steigender Pulsrate und einer Reduktion des systemischen vaskulären Widerstands verbunden, was zur Hypotension führt. Diese Pathophysiologie wurde in der Vergangenheit als sog. zirrhotische Kardiomyopathie bezeichnet [27]. Ein offizieller Konsensus bezüglich einer Definition existiert nicht. Jedoch wurde die zirrhotische Kardiomyopathie als kardiale Dysfunktion bei Patienten mit Leberzirrhose durch die herabgesetzte Kontraktilität unter Stress und/oder verminderter diastolischer Relaxation in Verbindung mit elektrophysiologischen Veränderungen – meistens QT-Verlängerungen – charakterisiert. Andere Herzerkrankungen (wie z. B. die alkoholische Kardiomyopathie) sollten ausgeschlossen sein [26].

Die akute Manifestation einer Kardiomyopathie ist oft mit dem Auftreten einer Sepsis assoziiert und kann segmentale Kinetikstörungen bei Zirrhosepatienten verursachen [37]. Dies kann die Unterscheidung von einem akuten Koronarsyndrom als wichtige Differenzialdiagnose schwierig machen, welches eine unmittelbare andere therapeutische Intervention (Antikoagulation, Notfallrevaskularisation) erfordern würde. Die myokardiale Perfusionsechokardiographie kann helfen, diese beiden Diagnosen zu differenzieren, da die septische (und zirrhotische) Kardiomyopathie im Gegensatz zum akuten Koronararterienverschluss typischerweise eine normale Perfusion mit segmentaler Kinetikstörung zeigt [25].

Eine weitere differenzialdiagnostische Ursache für eine akute kardiale Dekompensation bei Patienten mit Leberzirrhose stellt die Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts dar. Vasodilatation, Blutung oder exzessive Diuretikagabe verursacht, dass das anteriore Segel der Mitralklappe in den linksventrikulären Ausflusstrakt gerät, eine partielle oder komplette Obstruktion verursacht und zu Hypotension und inadäquater Koronarperfusion führt. Auch hier wird der Defekt einfach durch eine Standardechokardiographie mit Doppler-Untersuchung dargestellt [26].

Hepatische Enzephalopathie

Die HE ist als neuropsychiatrische Beeinträchtigung mit Bewusstseinsstörungen bei Patienten mit Lebererkrankungen definiert. Die genaue Pathogenese der HE bei Leberzirrhose ist komplex, doch Ammoniak scheint eine zentrale Rolle zu spielen. Astrozyten haben die Eigenschaft, durch Amidierung von Glutamat mithilfe des Enzyms Glutaminsyntethase Ammoniak zu eliminieren. Ammoniak induziert das Anschwellen der Astrozyten, was durch die intrazelluläre Akkumulation des osmotisch aktiven Glutamins verursacht wird [5]. Daneben scheint es aber auch synergistische Effekte von proinflammatorischen Zytokinen, die bei Infektionen freigesetzt werden, auf den zerebralen Blutfluss und das Gliaödem durch Ammoniak zu geben. Ähnliches wird auch für Hyponatriämie vermutet [31].

Zur Diagnosestellung müssen andere Pathologien, welche unabhängig zerebrale Komplikationen verursachen oder den Schweregrad der HE verschlechtern können, ausgeschlossen werden. Hierzu gehören insbesondere

  • intrakranielle Blutung,

  • Hyponatriämie,

  • rascher Natriumanstieg (zentrale pontine Myolinolyse),

  • Hypoglykämie,

  • Vitaminmangel (Wernicke-Enzephalopathie),

  • Kupfertransport- und -Speicherdefekte (M. Wilson),

  • Alkoholentzugssyndrom und der

  • Überhang von Sedativa (gerade bei eingeschränkter hepatischer Clearance).

Die HE hat von der minimalen HE bei chronischer Lebererkrankung bis hin zu Hirnödem und intrakraniellem Druckanstieg als Komplikation des akuten Leberversagens ein weites Spektrum von klinischen Erscheinungsformen.

Die hepatische Enzephalopathie hat ein weites Spektrum von klinischen Erscheinungsformen

Die Einstufung der HE ist subjektiv und ungenau, was durch die sich rasch ändernden klinischen Symptome bedingt ist. Die West-Haven-Kriterien [6] stellen das bislang meist verwendete Scoringsystem dar, wobei die Enzephalopathie in Grad1–4 eingeteilt wird (Tab. 3). Aus der Sicht des Intensivmediziners macht die Hinzunahme der Glasgow Coma Scale eine klinische Einstufung objektiver [5]. Hier werden für die Rubriken „Augen öffnen“, „beste verbale Antwort“ und „beste motorische Antwort“ die Punkte einzeln vergeben und anschließend addiert. Die maximale Punktzahl beträgt 15 (keine Bewusstseinseinschränkungen), minimal sind 3 Punkte erreichbar (tiefes Koma). Bei 8 Punkten oder weniger ist von einer sehr schweren Funktionsstörung mit der Gefahr von lebensbedrohlicher respiratorischer Insuffizienz und Aspiration auszugehen, sodass eine Sicherung der Atemwege durch endotracheale Intubation erwogen werden muss.

Tab. 3 Klinische Einteilung der hepatischen Enzephalopathie nach den West-Haven-Kriterien

Für das Management von Patienten mit HE sind folgende Säulen der Diagnostik und Therapie etabliert [1, 5, 47]:

  • auslösende Ursache behandeln: insbesondere Diagnostik/Therapie von Infektionen (z. B. SBP) bzw. gastrointestinalen Blutungen, Absetzen von Sedativa, Ausgleich von Elektrolytstörungen bzw. Exsikkose (cave: Diuretikaüberdosierung), ggf. Reduktion eines TIPS-Stents bei großem Shuntvolumen;

  • Differenzialdiagnosen von Bewusstseinsstörungen ausschließen (zerebrale Bildgebung): zerebrale Ischämie, zerebrale Blutung, Intoxikationen (Sedativa, Alkohol, Antihistaminika, Morphine etc.), Elektrolytstörungen, Hypoglykämie etc.;

  • supportive intensivmedizinische Maßnahmen: insbesondere Sicherung der Atemwege und ggf. invasive Beatmung bei Aspirationsgefahr;

  • spezifische Interventionen: Laktulose oral (30–60 ml/d in 2–3 Dosen) und/oder als Einlauf; Rifaximin (nicht resorbierbares Antibiotikum, 1100 g/d in 2 Dosen); evtl. L-Ornithin-L-Aspartat (3-mal 6 g/d).

Die Evidenzlage der spezifischen pharmakologischen Maßnahmen zur Behandlung der HE ist allerdings eher schwach. Laktulose, ob oral oder rektal appliziert, wird meistens im Sinne einer Erstlinientherapie angewendet. Obwohl manche Studien gezeigt haben, dass Laktulose in der Verbesserung der akuten und chronischen HE effektiv ist, haben Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien keinen positiven Effekt auf das Überleben nachweisen können [31, 32, 40]. Das nicht resorbierbare Antibiotikum Rifaximin ist ebenfalls in der Therapie der akuten HE wirksam [18, 31] und inzwischen in der Sekundärprophylaxe der HE fest etabliert [4]. In ähnlicher Intention werden vereinzelt auch Neomycin, Metronidazol, Acarbose oder Probiotika eingesetzt [31]. Das Salz der beiden Aminosäuren L-Ornithin-L-Aspartat, welche Substrate für die Konversion von Ammoniak zu Harnsäure und Glutamin darstellen, kann ebenfalls zur Behandlung der HE eingesetzt werden [47].

Ernährungstherapie bei Leberzirrhose

Bei Patienten mit Leberzirrhose liegt häufig eine schwere Mangelernährung, insbesondere mit Eiweißdefizit und Proteinkatabolismus, vor, die deutlich mit einer verschlechterten Prognose der Patienten assoziiert ist [28]. Dem muss eine unmittelbar eingeleitete individualisierte adäquate Ernährungstherapie auf der Intensivstation Rechnung tragen. Hierzu existieren Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM, http://www.dgem.de. Zugegriffen: 3. September 2013), der DGVS (http://www.dgvs.de. Zugegriffen: 3. September 2013) sowie der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN, http://www.espen.org. Zugegriffen: 3. September 2013), die im Wesentlichen die folgenden Empfehlungen beinhalten [28, 29, 30]:

  • ausreichende Kalorienzufuhr (Gesamtenergie 30 kcal/kgKG/Tag);

  • ausreichende Eiweißzufuhr (1,2–1,5 g/kgKG/Tag, bei gastrointestinalen Blutungen oder Enzephalopathie Grad 1-4 bevorzugt als verzweigtkettige Aminosäuren);

  • ausreichende Fettzufuhr als Energieträger (mit reduziertem Anteil von ω-6-Fettsäuren);

  • bevorzugt enterale Ernährung (Sonde, Trinknahrung); parenterale Ernährung, falls enteral nicht ausreichend;

  • Vitamin B1 (insbesondere bei Alkoholkrankheit) und andere Vitamine/Spurenelemente substituieren.

Teilweise wird noch immer die Befürchtung geäußert, durch die (bedarfsangepasste) Zufuhr von Eiweißen könnte eine Enzephalopathie verstärkt werden. Für den Großteil der Zirrhosepatienten trifft dies sicher nicht zu. Hier wirkt die adäquate Ernährung sogar einer Enzephalopathie entgegen [28]. Unter der skizzierten Ernährungstherapie muss aber von Beginn an bei kritisch kranken Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose auf der Intensivstation auch mit anderen schweren Komplikationen gerechnet werden. Zum einen kann unter der Ernährungstherapie ein lebensbedrohliches sog. Refeeding-Syndrom auftreten. Aus diesem Grund ist die tägliche Phosphatbestimmung und der Ausgleich einer Hypophosphatämie auf der Intensivstation für diese Patienten obligat. Zum anderen kann sich, gerade bei alkoholbedingter Zirrhose, ein Thiaminmangel demaskieren (Wernicke-Enzephalopathie, Laktatazidose). Daher muss immer eine ausreichende Substitution von Thiamin sichergestellt werden (Vitamin B1: 100-300mg/Tag, [28]).

Stellenwert von Leberersatzverfahren bei dekompensierter Leberzirrhose

Seit über 20 Jahren sind mittlerweile zellfreie und zellbasierte extrakorporale Leberunterstützungsverfahren (sog. „artificial liver support“) in der klinischen Erprobung. Von diesen sind v. a. die dialysebasierten Verfahren relativ breit in Deutschland verfügbar, die einerseits eine Detoxifikation wasserlöslicher Toxine mittels herkömmlicher Dialyse und andererseits eine Detoxifikation proteingebundener Toxine mittels einer sog. Albumindialyse verbinden. Dies kann beispielsweise über entsprechende Adsorber, wie beim Prometheus®-Verfahren (Fa. Fresenius), oder über eine Dialyse gegen albuminhaltiges Dialysat, wie beim Molecular-adsorbent-recirculating(MARS®)-System (Fa. Gambro), erreicht werden [33]. Es gab über viele Jahre zunächst nur kleinere Studien, in denen sich insgesamt gute Entgiftungsergebnisse, d. h. Abfall von Bilirubin und Verringerung der Enzephalopathie einhergehend mit günstigen Auswirkungen auf die Hämodynamik, gezeigt haben [21, 44].

In 2 größeren prospektiven randomisierten multizentrischen Studien wurde nun aktuell untersucht, inwieweit für Patienten mit sog. akut-auf-chronischem Leberversagen, d. h. insbesondere Patienten mit dekompensierter Zirrhose, durch diese Verfahren ein Überlebensvorteil erreicht werden kann. Leider ließ sich weder mit dem MARS- [3] noch mit dem Prometheus-Verfahren [20] ein Überlebensvorteil für die mit Leberunterstützungsverfahren behandelten Patienten gegenüber der standardmedizinischen Kontrollgruppe nachweisen. Erfreulicherweise waren allerdings beide Verfahren im klinischen Alltag sicher und zeigten effektive Detoxifikationsergebnisse. In der Subgruppenanalyse ergab sich interessanterweise ein signifikanter Vorteil in Bezug auf das Überleben für Patienten mit einem MELD-Score über 30 in einer der beiden großen Studien [20].

Gegenwärtig kann aufgrund dieser Daten keine generelle Empfehlung zum Einsatz von Leberunterstützungsverfahren bei dekompensierter Leberzirrhose gegeben werden. In ihrem Zentrum setzen die Autoren solche Verfahren nur bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose ein, wenn diese auf der Transplantationswarteliste stehen, d. h. keine Ausschlusskriterien für eine Lebertransplantation erfüllen. Darüber hinaus sollen sie – in Analogie zur sog. Helios-Studie mit dem Prometheus-Verfahren – einen MELD-Score größer 30 aufweisen. Dann kann der Einsatz eines Detoxifikationsverfahrens nach Auffassung der Autoren dazu beitragen, den Zeitraum bis zur Transplantation zu überbrücken und den Zustand des Patienten für die Transplantation zu stabilisieren.

Fazit für die Praxis

  • Das strukturierte intensivmedizinische Management der dekompensierten Leberzirrhose und ihrer Komplikationen verbessert die Prognose dieser Hochrisikopatienten.

  • Die akute Varizenblutung wird durch endoskopische Intervention, vasoaktive Substanzen, Antibiotika, supportive intensivmedizinische Behandlung und ggf. durch Notfall-TIPS behandelt.

  • Bei Vorliegen von Aszites muss neben der etablierten medikamentösen Behandlung eine Parazentese zum Ausschluss einer SBP und ggf. eine unmittelbare antibiotische Therapie erfolgen.

  • Nierenfunktionsstörungen erfordern eine diagnostische Aufbereitung und bei Nachweis eines HRS eine Kombinationstherapie aus Vasokonstriktoren und Humanalbumin.

  • Bei respiratorischer Insuffizienz ist neben Pneumonie, Lungenembolie oder kardialer Dekompensation an hepatopulmonales Syndrom, portopulmonale Hypertonie oder hepatischen Hydrothorax zu denken.

  • Die adäquate Ernährungstherapie mit ausreichender Kalorien- und Proteinzufuhr ist bei häufig kachektischen Patienten mit Leberzirrhose essenziell.

  • Bei dekompensierter Leberzirrhose ist stets die Indikation und Möglichkeit der Lebertransplantation zu evaluieren. Leberersatzverfahren haben derzeit höchstens eine Rolle als Überbrückungsverfahren bis zur definitiven Transplantation.