Nach Lektüre dieses Beitrags

• ist Ihnen bekannt, dass das Konzept der Triagesysteme in der Notaufnahme

a) die Kategorisierung der sich vorstellenden Notfallpatienten,

b) die Priorisierung der Behandlung und

c) die Zuweisung an den notwendigen Behandlungsort beinhaltet.

• wissen Sie, dass insbesondere bei hoher Patientenlast mit Erschöpfung der vorgehaltenen personellen Ressourcen sichergestellt sein muss, dass Patienten mit vital bedrohlichen Erkrankungen zeitnah erkannt und therapiert werden, um die Krankenhausmortalität (und Verweildauer) zu reduzieren.

• ist Ihnen bekannt, dass die Validität eines Triagesystems beschreibt, ob die Erkrankungsschwere zuverlässig erfasst wird.

• ist Ihnen die Definition der Reliabilität eines Triagesystems als Übereinstimmungsmaß von Einschätzungen verschiedener Triagekräfte bekannt.

• kennen Sie die Stärken und Schwächen der 4 international etablierten Notaufnahmetriagesysteme.

• können Sie die methodischen Herausforderungen bei der wissenschaftlichen Analyse der 4 international etablierten Notaufnahmetriagesysteme bewerten.

Das Wort Triage leitet sich vom französischen Verb „trier“ ab, was sortieren bedeutet. Die während der napoleonischen Koalitionskriege (1792–1815) entwickelten Triagesysteme der Militärmedizin waren sehr unsystematisch. Erst die 1934 gefasste Definition der Triage durch die französischen Ärzte Spire und Lombardy beinhaltete konkrete Triageziele:

  • Diagnose der vorliegenden Verletzung,

  • Beurteilung der Dringlichkeit des Eingriffs,

  • Beurteilung der Transportfähigkeit und

  • Angabe des Bestimmungsorts des Verwundeten.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Militärtriagesysteme für den zivilen Sektor weiterentwickelt.

Grundlagen der klinischen Triage

Definition und Abgrenzung

Präklinische Triage

Sie wird am Ort des Massenverletztenanfalls direkt vorgenommen und umfasst im Extremfall auch einen Behandlungsausschluss , um die Anzahl der Überlebenden durch eine Fokussierung auf noch zu rettende Individuen zu maximieren. Entsprechend darf die präklinische Triage in Deutschland nur durch Ärzte vorgenommen werden.

Klinische Triage

Für sie mussten die präklinischen Systeme weiterentwickelt werden. Bei Eintreffen des Patienten in der Notaufnahme wird grundsätzlich von dessen Überleben ausgegangen. Entsprechend kann die klinische Triage auch durch Pflegekräfte erfolgen, wobei diesbezüglich weder in Deutschland noch in Österreich noch in der Schweiz gesetzliche Regelungen existieren. Insgesamt bewerten die Haftpflichtversicherer die Triage durch Pflegekräfte jedoch als positive Weiterentwicklung für Situationen, in denen zu viele schwer- und leichtkranke Patienten um personelle und apparative Ressourcen der Notaufnahme konkurrieren. Moderne Triagesysteme müssen dabei sicherstellen, dass gerade bei hohem Patientenaufkommen der Schweregrad der Erkrankung von Notfallpatienten zuverlässig erfasst, eine Behandlungspriorität festgelegt sowie der geeignetste Behandlungsort zugewiesen werden [8].

Allgemeine Entwicklung der Notaufnahmen in Deutschland

Im Sinne einer Optimierung der Vorhaltereserven klinischer Institutionen nimmt die Zahl der zentralen Notaufnahmen (ZNA) mit einem interdisziplinären Versorgungskonzept im deutschsprachigen Raum kontinuierlich zu [24]. Bemerkenswert ist, dass die Patientenzahl pro Jahr praktisch aller ZNA steigt. Hierfür werden folgende Gründe diskutiert:

  • Die demographische Entwicklung und die sich weiter verbessernde medizinische Versorgung bedingen immer ältere und von immer mehr Komorbiditäten betroffene Patienten.

  • Der hausärztliche Versorgungssektor ist zunehmend finanziellen Restriktionen ausgesetzt, was zu einer Verlagerung von früher primär hausärztlichen Patienten (Niedrigprävalenzbereich) in den Hochprävalenzbereich der Krankenhäuser/Universitätskliniken führt [14].

  • ZNA fungieren als Visitenkarte des Krankenhauses, entsprechend hoch ist ihr Bekanntheitsgrad bei Rettungsdiensten und Patienten.

  • Auch patientenspezifische Faktoren könnten eine Rolle spielen: Bequemlichkeit (man erhält alle Untersuchungen, kürzere Wartezeiten), erwarteter Qualitätsvorteil (apparative Ausstattung) oder Fehleinschätzung der medizinischen Notwendigkeit bei Selbstvorstellern.

Übersteigt der identifizierte Bedarf an Behandlungen die verfügbaren Ressourcen einer Notaufnahme, entsteht in deren Wartebereichen eine sog. Crowding-Situation [2]. Dabei bleibt die exakte Messmethode hierfür wegen der vielen Einflussvariablen (Patientenzahl, Akuität, „case mix“, usw.) umstritten. Aufgrund des Crowding kann das Fi-Fo-Prinzip („first in – first out“) in ZNA nicht akzeptiert werden. Die Entwicklung moderner Triageinstrumente ist die logische Konsequenz [8].

Anforderungen an klinische Triagesysteme

Folgende Punkte sollte ein gutes Triagesystem erfüllen:

Diskriminationsfähigkeit

Die Triageskala soll jedem Notfallpatienten sicher einer Kategorie mit definierter Behandlungspriorität bzw. -ort zuordnen.

Zeitaufwand

Die Triage sollte weniger als 2–3 min erfordern, um gerade bei hoher Patientenbelastung trotz Überschreitung der personellen Ressourcen zuverlässig zu triagieren.

Ressourcenverbrauch

Er sollte so gering wie möglich sein.

Praktikabilität

Das System soll anwenderfreundlich sein. Vertrautheit und damit Vertrauen fördern die Anwendungsdichte.

Dynamische Komponente

Eine klinische Verschlechterung während der Wartezeit des Patienten darf nicht übersehen werden, sodass ggf. eine Reevaluation nötig ist (Beispiel: Manchester-Monitor, [21]).

Reliabilität

Das Triagesystem sollte unabhängig von der Triagekraft bzw. dem Zentrum dasselbe Triageergebnis liefern.

Validität

Das Triagesystem misst, was es messen soll. Die Prädiktion der akuten Erkrankungsschwere sollte besser sein als das Ergebnis individueller Einschätzungen durch das Notaufnahmepersonal.

Sicherheit

Patienten mit der niedrigsten Triagestufe sollten keine Krankenhausmortalität aufweisen.

Unabhängigkeit von persönlicher Erfahrung

Eine Triagemethode, deren Erfolg auf Faktenwissen und nicht auf langjähriger klinischer Erfahrung fußt, ist besser schul- und übertragbar. Sie kann unabhängiger durch mehr Personal oder gar unterschiedliche Berufsgruppen durchgeführt werden, was wiederum die Zuverlässigkeit der Triage in Belastungsphasen sichert.

IT-Fähigkeit (IT: „information technology“)

Eine Schnittstelle zum lokalen Krankenhausinformationssystem ist für die Dokumentation und die Verfügbarkeit der Triageergebnisse wichtig (Abb. 1).

Methodische Grundlagen zur Bewertung klinischer Triagesysteme

Reliabilität

Sie kann durch 3 verschiedene Maßzahlen erfasst werden:

Konkordanzrate

Sie beschreibt den Prozentsatz von Patienten, die von unterschiedlichen Untersuchern (Fallvignetten, Sequenzialtriage realer Patienten) demselben Triagelevel zugeordnet wurden.

Verwendung einer κ-Statistik

  • κ: Bei einer nur zufälligen (bzw. kompletten) Triageübereinstimmung beträgt κ=0 (bzw. 1). Man spricht von einer schlechten (κ<0,2), ausreichenden (0,2 <κ<0,4), befriedigenden (0,4 <κ<0,6), guten (0,6 <κ<0,8) und sehr guten (0,8 <κ<1) Reliabilität [8].

  • Gewichtetes κ: Es erfasst zusätzlich auch Teilübereinstimmungen („one-level-disagreements“), bei denen die Einschätzung verschiedener Untersucher nur um eine Triagestufe differieren, und gilt als das beste Maß [28].

Validität der Triagesysteme

Sie gilt als schwierig zu bestimmen, da es keinen Goldstandard zur Messung der Behandlungsdringlichkeit gibt. Somit können nur Surrogatparameter herangezogen werden, was als Konstruktvalidität bezeichnet wird. Übliche Surrogatparameter sind [13][18]:

  • Wartezeit bis zur Behandlung („time to treatment“)

  • Krankenhausmortalität

  • Ressourcenverbrauch

  • Verweildauer in der Notaufnahme

  • Aufnahmerate auf Intensivstation

  • Verweildauer auf Intensivstation

  • Verweildauer im Krankenhaus

Unschwer lässt sich erkennen, dass eine suboptimale Triage per se alle Surrogatparameter direkt beeinflusst.

Sicherheit einer Triageskala

Zu ihrer Bewertung wird oft die Krankenhausmortalität der niedrigsten Dringlichkeitsstufe analysiert. Diese sollte im Idealfall 0% betragen [13].

Etablierte Triagesysteme

In den 1990er Jahren wurden verschiedenste Triagesysteme entwickelt, wobei sich international 4 Skalen durchsetzen konnten (Tab. 1). Generell akzeptiert ist, dass 5-stufige Systeme den 3-stufigen bezüglich der Differenzierung von Krankenhausmortalität, Aufnahmerate oder stationärer Verweildauer überlegen sind [27].

Tab. 1 Übersicht der gängigen 5-Stufen-Triagesysteme

ATS („Australasian triage scale“)

Entwicklung

Die ATS wurde im Jahr 2000 durch die ACEM („Australasian College of Emergency Medicine“) entwickelt und verwendet als Basis die „national triage scale“ aus den Jahren 1993/94. Die Verwendung der ATS ist für die Notaufnahmen Australiens/Neuseelands bindend.

Beschreibung

Die ATS beinhaltet 5 Kategorien, an jede ist ein definiertes Zeitfenster für die maximale Wartezeit gebunden. Zustandsdefinitionen, genannt Deskriptoren , z. B. ein systolischer Blutdruck unter 80 mmHg (Einstufung in die höchste Dringlichkeitsstufe: Kategorie 1) oder eine akute Hemiparese/Dysphasie (Kategorie 2 usw.), vereinfachen dem Triagepersonal die Kategorisierung [1]. Diagnosen oder bekannte Vorerkrankungen fanden dabei keinen Eingang in die ATS. Ein „performance indicator threshold“ definiert eine Kennzahl für ein nationales Benchmarking [1].

Vorteile

  • Es existiert ein „emergency triage education kit“ zur Schulung von Pflegekräften, welcher 237 Übungsszenarien enthält [15].

  • Die bindende Skala mit Benchmarkindikator würde ein Qualitätsmanagement auf nationaler Ebene ermöglichen, wenn die Reliabilität noch verbessert werden würde.

  • 2 Studien (n=127.079 Patienten) bescheinigen der ATS eine Mortalität von 0,03–0,1% in Kategorie 5 (niedrigste Dringlichkeitsstufe), sodass sie als relativ sicher gelten kann.

Nachteile

Die ATS ist für Schwangere, Kinder und psychiatrisch Erkrankte aufgrund ihrer schlechten Reliabilität bei der Einschätzung dieser Patientengruppen eher weniger gut geeignet [16]. Sie ist komplex und erlaubt dem Triagierenden eine relativ breite Interpretation der vorliegenden Befundkonstellation trotz der Deskriptoren. Entsprechend wird die Reliabilität allenfalls als ausreichend bewertet [8, 13]. Die Erfahrung der Triagekraft spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle [16].

MTS (Manchester-Triage-System)

Entwicklung

Das MTS wurde 1994 in mehreren Notaufnahmen in Manchester entwickelt und 1995 lokal eingeführt. Innerhalb kürzester Zeit wurde das 5-stufige System das Standardtriageinstrument innerhalb des NHS („National Health System“) in Großbritannien. Auch in Deutschland ist es das meist eingesetzte Triagesystem [20], welches in einer autorisierten, wissenschaftlich allerdings nicht validierten Übersetzung vorliegt [21].

Beschreibung

Notfallpatienten werden symptomorientiert anhand von 52 Hauptbeschwerden (MTS-Originalversion) erstklassifiziert, wobei in die deutsche Fassung nur 50 Leitsymptome übernommen wurden (Tab. 2). Diese liegen als Präsentationsdiagramm vor. Im zweiten Schritt folgt eine Stratifizierung nach 5 Dringlichkeitsstufen:

  • Rot: sofort (0 min)

  • Orange: sehr dringend (10 min)

  • Gelb: dringend (30 min)

  • Grün: normal (90 min)

  • Blau: nicht dringend (120 min),

wobei sich die Zeiten auf die maximale Wartezeit bis zum ärztlichen Erstkontakt beziehen. Für die Stratifizierung werden generelle (bei allen Hauptbeschwerden) und spezifische (nur beim jeweiligen Hauptsymptom) Indikatoren verwendet. Die generellen Indikatoren sind:

  • Lebensgefahr

  • Schmerzen

  • Blutverlust

  • Bewusstsein

  • Temperatur

  • Krankheitsdauer

Spezifische Indikatoren für das Hauptsymptom Durchfälle und Erbrechen sind beispielsweise akuter frisch- oder altblutiger Stuhlgang (10 min), Teerstuhl (30 min) oder Anzeichen für Dehydration (30 min, Abb. 2). Zur Quantifizierung der Schmerzen wurde das MTS in Deutschland fortentwickelt und beinhaltet eine visuelle Analogskala, das sog. Schmerzmeter [21].

Tab. 2 Liste der MTS-Präsentationsdiagramme
Abb. 1
figure 1

Triagenotebook (MTS) im Zentralbereich Notaufnahme der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen, digitale Übertragung des Triageergebnisses an das Display im Hintergrund, dort mit MTS-Zeit farblich kodierte Darstellung

Abb. 2
figure 2

MTS-Beispieldiagramm Durchfälle und Erbrechen, KV kassenärztliche Notfallpraxis im Krankenhaus, Ma Major-Behandlungsbereich (z. B. großer Eingriffsraum), S Schockraum. (Aus [21], mit freundl. Genehmigung des Hans Huber Verlags)

Vorteile

  • Das MTS steht in einer deutschen Übersetzung zur Verfügung [21].

  • Es werden autorisierte MTS-Schulungen in Deutschland angeboten [20].

  • 47 der 50 Präsentationsdiagramme sind auch für Kinder geeignet, die Sensitivität (63%) und Spezifität (79%) für Hochrisikokinder wäre allerdings zu verbessern. Besonders bei internistisch erkrankten Kindern wird die Validität des MTS angezweifelt, was dem Indikator Temperatur mit konsekutiver Übertriage zugeschrieben wird. Besser schneidet das MTS bei Kindern mit Trauma ab [29].

  • Das schrittweise und in den Diagrammen klar definierte Vorgehen ermöglicht auch weniger erfahrenen Pflegekräften die Durchführung der Triage.

  • Sobald ein Indikator als positiv bewertet wird, ist die Triage auf der entsprechenden Stufe abgeschlossen. In erfahrenen Zentren können somit Triagezeiten von unter 2 min erreicht werden.

Nachteile

  • Die Studien zur Überprüfung der Reliabilität sind insgesamt sowohl bezüglich der Untersuchungsmethodik als auch der statistischen Auswertung sehr heterogen. Die Reliabilität des MTS wird als mäßig beurteilt (ungewichtetes κ=0,48; [8, 13]).

  • Das MTS wurde in seiner deutschen Fassung nicht wissenschaftlich validiert.

  • Aus Sicht des Patienten mag es befremdlich wirken, wenn die Triagekraft als Erstversorgender während der Anamnese in ein Buch oder Notebook blickt.

  • Der zu erwartende Ressourcenverbrauch wird bei diesem Triagesystem nicht berücksichtigt. Als Endpunkt des Triagesystems resultiert somit nur eine angestrebte Arzt-Kontakt-Wartezeit des Patienten. Diesem Nachteil kann durch Zuordnung von Folgeschritten (inklusive der Anordnung sog. Laborpakete) anhand vorliegender Indikatoren begegnet werden [24].

  • Für die Prognose entscheidende Vitalparameter werden entweder nur indirekt (Beispiel sehr heißer Erwachsener bei Temperaturen  >41°C) oder gar nicht (Herzfrequenz) erfasst.

CTAS („Canadian triage and acuity scale“)

Entwicklung

Die CTAS ist eine Weiterentwicklung der Vorstufe NTS der ATS aus dem Jahr 1995. Sie wurde 1997 in ganz Kanada eingeführt und 2004 revidiert [6, 7].

Beschreibung

Die CTAS umfasst eine Präzisierung der Leitsymptome der NTS und integriert Verdachtsdiagnosen . Primäre und sekundäre Modifikatoren beeinflussen die Einstufung in dieses 5-stufige System.

Vorteile

  • Die Mortalität der niedrigsten Prioritätsstufe betrug 0% in einer großen Studie mit 29.346 Patienten. Die CTAS kann somit als sehr sicher bewertet werden [12].

  • Die Reliabilität und die Validität werden bei Erwachsenen und Kindern als gut bewertet [8], die Studienlage ist jedoch in Bezug auf die Methodik relativ heterogen.

  • Eine Onlineschulung steht zur Verfügung [4].

Nachteile

  • Da die CTAS Verdachtsdiagnosen zur Entscheidungsfindung beinhaltet und Diagnosen in Deutschland nur durch Ärzte gestellt werden dürfen, ist das System in Deutschland nicht einsetzbar bzw. würde als Triagekraft immer einen Arzt erfordern.

  • Bei der Kategorisierung durch nicht erfahrene Pflegekräfte schneidet die CTAS bezüglich der Reliabilität eher schlecht ab [13].

ESI („emergency severity index“)

Entwicklung

Der ESI wurde als letztes der hier vorgestellten 4 Systeme im Jahr 1999 in den USA in Massachusetts und North Carolina entwickelt. Es folgten innerhalb relativ kurzer Zeit (6 Jahre) 3 Überarbeitungen, die aktuell gültige Version 4 stammt aus dem Jahr 2005 [17].

Der ESI ist nach dem MTS das am zweithäufigsten im deutschsprachigen Raum eingesetzte System (z. B. Universitätsspital Basel, Asklepios-Klinik Hamburg-Altona, Klinikum Nürnberg, CRONA Notaufnahme Universitätsklinikum Tübingen, usw.).

Abb. 3
figure 3

Algorithmus der ESI-Triage, AF Atemfrequenz, ESI „emergency severity index“, HF Herzfrequenz, J Jahre, M Monate, SpO2 pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung

Beschreibung

Die ESI-Triage umfasst 4 Entscheidungspunkte , die der Reihe nach abgearbeitet werden (Tab. 3, Tab. 4). Sobald ein Entscheidungspunkt erfüllt ist, ist die Triage beendet (Abb. 3):

Tab. 3 Entscheidungspunkte der ESI-Triage
Tab. 4 Ressourcendefinition analog des ESIa. (Nach [3])

Vorteile

  • Dem ESI wird insgesamt eine gute bis hervorragende Reliabilität bescheinigt [8]. Die Interraterreliabilität ist dabei sowohl zwischen Arzt und Pflegepersonal [30] als auch innerhalb verschiedener Pflegekräfte [26] hoch. Dies gilt auch für Kinder [5].

  • Der ESI wird als valide eingestuft und korreliert mit Krankenhaussterblichkeit und Ressourcennutzung bei Erwachsenen [8, 30] und mit Verweildauer und Ressourcenverbrauch bei Kindern [8].

  • Es existiert eine autorisierte deutsche Übersetzung des ESI [18].

  • Es werden Schulungen im DACH-Raum (DACH: Deutschland, Österreich, Schweiz) angeboten [11].

  • Validität und Reliabilität der deutschsprachigen ESI-Version wurden in einer am Universitätsspital Basel durchgeführten Studie bestätigt [18]. Dies gilt insbesondere auch für ältere Patienten [19].

  • Der Endpunkt der Triage der Patienten mit niedrigerer Priorisierung (ESI-Stufen 3–5) ist der Ressourcenverbrauch. Kombiniert mit einer frühen ärztlichen Mitbeurteilung („first view“) kann die Wartezeit sinnvoll für diagnostische Maßnahmen genutzt werden.

  • Erfahrene Triagekräfte können ohne schriftliche oder elektronische Hilfsmittel triagieren. Die Dauer der Triage beträgt inklusive Dokumentation  maximal <3 min, häufig sogar  <1 min (persönliche Mitteilung, Klinikum Nürnberg).

  • Psychiatrisch Erkrankte erhalten automatisch die Stufe ESI 2 (großes Leid), in anderen Triagesystemen sind psychiatrische Probleme nur unzureichend abgebildet.

Nachteile

  • Der ESI neigt bei älteren Patienten zu einer zu geringen Triageeinstufung, nur knapp die Hälfte aller Studienteilnehmer mit einer sofort notwendigen, lebensrettenden Intervention konnten identifiziert werden [19, 23]. Gründe hierfür sind vermutlich die im Alter eher unzuverlässigen Vitalzeichen.

  • Gerade die Einschätzung der ESI-Stufe 2 (Hochrisikosituation) bedarf einer breiten klinischen Erfahrung. Es existiert keine Untersuchung mit klinisch noch unerfahrenen Pflegekräften bezüglich der Reliabilität und Validität.

EWS („early warning signs“) – eine Alternative?

In Großbritannien und Südafrika werden aktuell einfache Vitalparameterscores als Alternative getestet. EWS beinhalten Einflussgrößen wie Herz-/Atemfrequenz, Temperatur, systolischer Blutdruck, Bewusstseinslage, O2-Sättigung und manchmal auch die Urinausscheidung [10]. Erste Studienergebnisse sind vielversprechend [22].

Notwendige Analysen für die Zukunft

Insgesamt hatte die Einführung der hier vorgestellten 4 Triagesysteme in verschiedensten Gesundheitssystemen verbesserte Abläufe in den Notaufnahmen zur Folge. Der wissenschaftliche Nachweis von Validität, Reliabilität, Verbesserung der Patientensicherheit oder z. B. Reduktion der Mortalität ist jedoch nicht einfach zu erbringen, da lokale Gegebenheiten und damit verbundene unterschiedliche Patientenkollektive („case mix“) eine sehr große Rolle spielen. Die Verwendung von Kontrollgruppen ist ethisch nicht zu verantworten. Umso wichtiger wären prospektive Vergleiche zwischen 2 etablierten Triagesystemen in einem realen Umfeld. Selbst in simulierten Szenarien wurden solche Studien bis dato nur punktuell durchgeführt [25].

Ein möglichst kleiner Zeitfaktor ist bei einer Triage extrem wichtig. Er sollte unter 2–3 min betragen, da das System gerade in Belastungssituationen zuverlässig anwendbar bleiben muss. Umso wichtiger wäre es, „ED-crowding“ (ED: „emergency department“) anhand scharfer und übertragbarer Kennzahlen messbar zu machen. Nur so können Studien diese wichtige Einflussvariable statistisch berücksichtigen und den Nutzen der Triagesysteme prospektiv untersuchen. Zukünftige Studien müssen auch auf das Alter als wichtigen Prognosefaktor und das Geschlecht adjustieren, was bisher nicht erfolgte.

Besondere Patientengruppen

Insbesondere die 3 Patientenkollektive Schwangere , Kinder und geriatrische Patienten sind aufgrund ihrer Besonderheiten in Subanalysen gesondert zu untersuchen.

Tipps zur Implementierung eines Triagesystems

Wichtigste Voraussetzung ist eine adäquate Schulung des Personals.

Die Triage sollte möglichst in einem abgetrennten Raum (Datenschutz!) stattfinden. Eine elektronische Unterstützung kann insbesondere die Implementierung des MTS massiv erleichtern, da Präsentationsdiagramme als elektronischer Abfragealgorithmus hinterlegt weniger befremdlich auf den Patienten wirken als eine Triagekraft mit einem Buch in der Hand. So konnte die MTS-Triagedichte durch EDV (elektronische Datenverarbeitung ) deutlich gesteigert werden [24]. Eine EDV-Integration der Triagedaten zur Unterstützung des Arbeitsablaufs in einer Notaufnahme ist auch für den Informationsfluss wichtig (Abb. 1). Eine kulturelle und sprachliche Adaptierung muss grundsätzlich berücksichtigt werden [19, 21]. Für den Erfolg des Triagesystems muss man sich schlussendlich auch verbindlich an dieses halten [9].

Fazit für die Praxis

  • Ziel eines Notaufnahmetriagesystems sind die Erkennung des Schweregrads einer Erkrankung, die Festlegung einer Behandlungspriorität sowie ggf. die Zuweisung eines geeigneten Behandlungsorts.

  • MTS, ESI, ATS und CTAS gelten als international etabliert, in Deutschland finden vorwiegend MTS und ESI Verwendung.

  • MTS, ESI, ATS und CTAS assoziieren mit Krankenhausmortalität, Verweildauer und Intensivpflichtigkeit.

  • Die Reliabilität der Systeme ist methodisch nur unzureichend untersucht.

  • Qualitativ hochwertige Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Triagesystemen fehlen.

  • Eine gut strukturierte Schulung des Personals – evtl. bis hin zur Spezialisierung (Triageschwester/-pfleger) – ist unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung. Eine elektronische Unterstützung verbessert den Informationsfluss.

  • Trotz der noch unzureichenden Studienlage werten wir die Etablierung eines Triagesystems aufgrund unserer klinischen Erfahrungen als wichtigen Bestandteil zentraler Notaufnahmekonzepte mit redundant hohem Patientenaufkommen.

CME-Fragebogen

Welches Notaufnahmetriagesystem triagiert die Patienten nach der Erkrankungsschwere und dem zu erwartenden diagnostisch-apparativen Ressourcenbedarf?

Manchester-Triage-System (MTS)

„Canadian triage and acuity scale“ (CTAS)

„Australasian triage scale“ (ATS)

„Emergency severity index“ (ESI)

„Geneva emergency triage scale“ (GETS)

Welche Aussage über Triagesysteme in der Notaufnahme ist richtig?

Die Notaufnahmetriage soll durch Ärzte erfolgen.

Für Notaufnahmen in Deutschland ist die Verwendung eines der etablierten Triagesysteme (MTS, CTAS, ATS, ESI) gesetzlich vorgeschrieben.

Die 3-stufigen Triagesysteme sind den 5-stufigen Systemen gleichwertig.

Die Präsentationsdiagramme des Manchester-Triage-Systems (MTS) beinhalten keine Diagnosen.

Die „Canadian triage and acuity scale“ (CTAS) könnte auch in Deutschland ohne Probleme durch Pflegekräfte durchgeführt werden.

Welche der genannten Kennzahlen darf nicht als Surrogatparameter für die Abschätzung der Validität einer Triageskala herangezogen werden?

Verweildauer des Patienten im Krankenhaus

Entlassdiagnose des Patienten

Aufnahmerate auf Intensivstation

Krankenhausmortalität

Wartezeit bis zur Behandlung („time to treatment“)

Welches der genannten Triagesysteme ist auf nationaler Ebene bindend?

„Australasian triage scale“ (ATS)

Manchester-Triage-System (MTS)

„Geneva emergency triage scale“ (GETS)

„Emergency severity index“ (ESI)

„Canadian triage and acuity scale“ (CTAS)

Welche Dimension wird nicht durch die generellen Indikatoren des Manchester-Triage-Systems (MTS) abgedeckt?

Blutverlust

Temperatur

Bewusstsein

Krankheitsdauer

Alter des Patienten

Welche Aussage zum „emergency severity index“ (ESI) trifft zu?

Der ESI wurde in Großbritannien im Jahre 1999 entwickelt.

Der ESI umfasst 3 klar voneinander abgegrenzte Entscheidungspunkte.

Der ESI wurde auch im deutschsprachigen Raum bezüglich Validität und Reliabilität wissenschaftlich untersucht.

Studien haben belegt, dass der ESI auch von unerfahrenen Pflegekräften sicher angewandt werden kann.

Der Endpunkt der Triage bei Patienten mit niedriger Priorität sind klar definierte Wartezeiten bis zum Erstkontakt mit dem behandelnden Arzt..

Welche Aussage zum Manchester-Triage-System (MTS) trifft zu?

Das MTS umfasst 80 Präsentationsdiagramme mit Leitsymptomen, anhand derer die Triage durchgeführt wird.

Das MTS wird in Deutschland kaum eingesetzt.

Das MTS ist zur Verwendung bei internistisch erkrankten Kindern besonders geeignet.

Schmerzen werden auf einer 5-stufigen visuellen Analogskala erfasst.

Das in Diagrammen klar definierte Vorgehen ermöglicht auch weniger erfahrenen Pflegekräften die Durchführung der Triage.

Welches Patientenkollektiv darf als am wenigsten problematisch bezüglich einer reliablen und validen Abbildung in einem Triagesystem betrachtet werden?

Schwangere

Schmerzpatienten

Alte Patienten

Kinder

Psychiatrisch erkrankte Patienten

Was ist nicht Aufgabe eines Notaufnahmetriagesystems?

Festlegung der Verlegungspriorität in periphere Stationen

Festlegung der Behandlungspriorität

Zuweisung eines Behandlungsorts

Zuweisung einer Wartezeit bis zum ersten Kontakt mit dem behandelnden Arzt

Zuweisung von Behandlungsressourcen

Welche Aussage zur präklinischen Triage und den Triagesystemen in der Notaufnahme trifft nicht zu?

Notaufnahmetriagesysteme beinhalten keinen Behandlungsausschluss.

Notaufnahmetriagesysteme legen die Behandlungspriorität fest.

Die klinische Triage in der Notaufnahme wird überwiegend von Pflegekräften durchgeführt.

Die präklinische Triage beinhaltet keinen Behandlungsausschluss.

Die präklinische Triage legt die Behandlungspriorität fest.