Vorhofflimmern ist die mit Abstand häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Aktuelle Schätzungen gehen von einer Häufigkeit des Vorhofflimmerns von etwa 2–3 % bei Erwachsenen jenseits des 20. Lebensjahres aus. Begleiterkrankungen wie arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung (KHK) oder Herzklappenerkrankungen, aber auch Übergewicht, ein Diabetes mellitus oder eine chronische Nierenerkrankung erhöhen die Inzidenz von Vorhofflimmern. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und die Europäische Vereinigung für Herz-Thorax-Chirurgie (European Association of Cardio-Thoracic Surgery, EACTS) haben erstmals Ende August 2016 eine gemeinsame Leitlinie für die Behandlung von Vorhofflimmern herausgegeben [1]. Die Leitlinie ersetzt die zuletzt im Jahre 2012 überarbeitete europäische Leitlinie. In über 1000 Literaturstellen finden sich Verweise zu den der Leitlinie zugrunde liegenden Publikationen. Die 17 Autoren und 82 Gutachter der nationalen Fachgesellschaften verdeutlichen die europäische Handschrift. Im Autorenteam haben Kardiologen, Herzchirurgen, ein Neurologe und eine im kardiologischen Bereich tätige Krankenschwester zusammengearbeitet.

Die Leitlinie beinhaltet einige interessante neue Aspekte. Neben allgemeinen Aussagen zu Pathophysiologie, Diagnostik, Bedeutung der Antikoagulation und insbesondere auch zu frequenzregulierender oder rhythmuserhaltender Therapie werden spezielle Themengebiete wie angeborene Kardiomyopathien, Ionenkanalerkrankungen, Sport, eine Schwangerschaft und postoperatives Vorhofflimmern diskutiert. Darüber hinaus gibt es, wie bereits zuletzt bei der überarbeiteten Leitlinie zum plötzlichen Herztod [2], ein Kapitel mit der Überschrift „gaps in evidence“. Der Empfehlungsgrad und der jeweilige Evidenzgrad (Tab. 1) sind in der Leitlinie gekennzeichnet. Um die Umsetzung der Leitlinie in der Praxis zu unterstützen, wurden zudem ESC Pocket Guidelines und eine Smartphone-App entwickelt.

Tab. 1 In den ESC Leitlinien verwendete Empfehlungs- und Evidenzgrade. (Nach Kirchhof et al. [1])

Die Task Force der Leitlinie schlägt vor, sog. Atrial Fibrillation Heart Teams zu bilden, um schwierige Behandlungsentscheidungen in lokalen interdisziplinären Teams von Vorhofflimmerexperten zu diskutieren. Wie dies in der Praxis umsetzbar sein wird, bleibt offen. Nur wenige Herzchirurgen beschäftigen sich bislang intensiv mit der Behandlung von Vorhofflimmern. Gemäß der Leitlinie sollen Patienten noch stärker in die Behandlung ihres Vorhofflimmerns einbezogen werden. Die Smartphone-Apps, die hierzu beitragen sollen, wurden im Rahmen des EU-Forschungskonsortiums CATCH ME (Characterizing Atrial fibrillation by Translating its Causes into Health Modifiers in the Elderly) unter Beteiligung des AFNET entwickelt. Einige der CATCH-ME-Materialien sind bereits erhältlich, weitere befinden sich derzeit in Vorbereitung (siehe http://www.catch-me.info/).

Neben einer systematischen Sichtung und Wertung der aktuellen Literatur zum Vorhofflimmern wurde von der Task Force der Leitlinie die Analyse von drei Fragestellungen extern beauftragt:

  1. 1.

    Was ist der Vorteil (falls vorhanden) einer interventionellen Rhythmustherapie bei persistierendem oder lang anhaltend persistierendem Vorhofflimmern (Katheterablation, chirurgische Ablation) gegenüber einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie, also einer Kardioversion und medikamentösen antiarrhythmischen Behandlung?

  2. 2.

    Wie hoch ist die Schlaganfallrate bei Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Score von 1 für Männer bzw. von 2 für Frauen mit und ohne orale Antikoagulation?

  3. 3.

    Was sind die Risiken und Vorteile einer begleitenden Vorhofflimmerchirurgie bei Patienten, bei denen eine Herzoperation durchgeführt wird?

Die Ergebnisse dieser Analysen sind in die Empfehlungen der Task Force eingegangen.

EKG-Diagnostik und Screening

Die Leitlinie empfiehlt ein Screening auf Vorhofflimmern bei Patienten nach Vollendung des 65. Lebensjahrs (Empfehlungsgrad/Evidenzgrad IB), sowie die regelmäßige Suche nach asymptomatischen atrialen Hochfrequenzepisoden bei Herzschrittmacherpatienten (IB). Nach einem ischämischen Schlaganfall oder einer transienten ischämischen Attacke (TIA) wird ein EKG-Screening zum erstmaligen Nachweis von Vorhofflimmern für zumindest 72 h (IB) empfohlen. Zudem kann bei Schlaganfallpatienten ein additives (nicht-)invasives Langzeitscreening erwogen werden (IIaB).

Zur Diagnosestellung von Vorhofflimmern wird unverändert ein EKG gefordert (IB). Die klinische Einteilung in paroxysmales und persistierendes Vorhofflimmern hat sich geändert. In Anlehnung an internationale Expertenempfehlungen [3] werden jetzt auch Vorhofflimmerepisoden von weniger als 7 Tagen, die kardiovertiert werden, als paroxysmales Vorhofflimmern klassifiziert. Wenn atriale Hochfrequenzepisoden von Schrittmachern oder Defibrillatoren detektiert werden, wird eine weiterführende EKG-Diagnostik empfohlen. Sollte es sich bei einer atrialen Hochfrequenzepisode (>5–6 min und >180/min) im Schrittmacherelektrogramm eindeutig um Vorhofflimmern handeln, sollte in Abhängigkeit vom CHA2DS2-VASc-Score eine orale Antikoagulation erfolgen. Hierbei lassen die Leitlinien offen, wie bei Patienten mit kürzeren oder langsameren Episoden vorgegangen werden soll. Ob letztere in Schrittmachern bzw. Defibrillatoren tatsächlich ein geringeres Schlaganfallrisiko bedeuten, erscheint zumindest fraglich und die Festlegung auf mehr als 5–6 min und mehr als 180/min recht willkürlich, wobei sie zum Teil technisch bedingt ist, da kürzere Episoden oftmals auch Artefakten entsprechen.

Neben dem Screening von Vorhofflimmern spielen die Patientenaufklärung und die Beeinflussung kardiovaskulärer Risikofaktoren (u. a. Blutdruckeinstellung, Gewichtsreduktion) in der Leitlinie eine besondere Rolle. Bei allen Patienten mit Vorhofflimmern sollte die Nierenfunktion mittels Serumkreatinin oder Kreatinin-Clearance untersucht (Empfehlungsgrad/Evidenzgrad IA) und unter oraler Antikoagulation zumindest jährlich kontrolliert werden (IIaB). Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung sollte bei allen Patienten ein Echokardiogramm (IC) durchgeführt werden. Zur exakteren Klassifikation der Symptomatik wurde die 2010 in die europäische Leitlinie aufgenommene EHRA (European Heart Rhythm Association)-Klassifikation modifiziert (Tab. 2). Für die wenig symptomatischen Patienten (EHRA II) wird empfohlen, eine Unterteilung der Symptomatik zwischen gering (IIa) und moderat (IIb) zu verwenden, wobei sich letztere von den gering symptomatischen dadurch unterscheiden, dass sie durch die Symptome zwar beeinträchtigt sind, aber ihre Alltagsaktivitäten nicht eingeschränkt werden. Ab EHRA III ist das tägliche Leben durch Vorhofflimmern relevant beeinträchtigt.

Tab. 2 Entsprechend der ESC-Leitlinie 2016 modifizierter EHRA (European Heart Rhythm Association)-Score zur Einteilung der Vorhofflimmersymptomatik

Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Die Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern sowie der Umgang mit Blutungen unter oraler Antikoagulation sind ein wesentlicher Bestandteil der Leitlinie. Vorhofflimmern ist mit einem 1,5- bis 2‑fach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert und für etwa 20–30 % aller Schlaganfälle verantwortlich. Der Stellenwert einer oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) und nicht-Vitamin-K-basierten oralen Antikoagulanzien (NOAK) für die Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls bei Vorhofflimmern ist durch zahlreiche kontrollierte Studien belegt. In Übereinstimmung mit der Europäischen Schlaganfallorganisation (ESO) gibt die Leitlinie dezidierte Hinweise, wann und unter welchen Umständen nach einem ischämischen Schlaganfall bzw. einer intrakraniellen Blutung mit einer oralen Antikoagulation begonnen werden kann. Des Weiteren werden Maßnahmen erläutert, die bei einer akuten Blutung zu ergreifen sind. Die Klassifikation „valvuläres Vorhofflimmern“ wurde in der neuen Leitlinie auf Patienten mit moderater bis schwerwiegender Mitralklappenstenose und Patienten mit mechanischem Klappenersatz beschränkt.

Folgende Empfehlungen finden sich in der Leitlinie im Einzelnen:

  • Die Verwendung des CHA2DS2-VASc Score zur Abschätzung des Risikos thrombembolischer Ereignisse wird unverändert empfohlen (Empfehlungsgrad/Evidenzgrad IA).

  • Das weibliche Geschlecht als Risikofaktor wurde abgewertet (Abb. 1). Entsprechend der Leitlinie sollen Männer mit einem CHA2DS2-VASc-Score (Tab. 3) von ≥2 sowie Frauen mit einem Score ≥3 antikoaguliert werden (IA). Bei Männern mit einem CHA2DS2-VASc-Score von 1 und Frauen mit einem CHA2DS-2VASc-Score von 2 sollte eine Antikoagulation unter Berücksichtigung des einzelnen Patienten und seiner Vorlieben erwogen werden (Klasse IIaB). Dies bedeutet, dass in der neuen Leitlinie für Frauen im Vergleich zu Männern keine strengere Empfehlung zur Antikoagulation besteht und damit auch alternativ der CHA2DS2-VASc-Score ohne das „weibliche Geschlecht“ genutzt werden kann. Die Verwendung von Biomarkern (z. B. hoch sensitives Troponin (cTn-hs), atriales natriuretisches Peptid) kann zusätzlich erwogen werden (IIbB).

  • Bei Niedrigrisikokonstellation (CHA2DS2-VASc-Score: 0 bzw. 1 bei Männern bzw. Frauen) besteht unverändert keine Indikation für eine orale Antikoagulation oder eine Therapie mit Plättchenaggregationshemmern wie Acetylsalicylsäure (ASS; IIIB).

  • Die Verwendung von „Blutungs-Scores“ (z. B. des HAS-BLED-Scores) zur Abschätzung des Blutungsrisikos unter oraler Antikoagulation tritt demgegenüber in den Hintergrund (IIaB), da das Risiko thrombembolischer Ereignisse das Blutungsrisiko in der Regel übertrifft. Auf die Bedeutung beeinflussbarer Risikofaktoren für Blutungen wie einen hohen Blutdruck, Begleitmedikation und/oder übermäßigen Alkoholkonsum wird mit Nachdruck hingewiesen.

  • In der Leitlinie werden NOAK (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban) bei Neueinstellungen als Antikoagulanzien der ersten Wahl empfohlen (IA). NOAK verhindern ischämische Schlaganfälle ebenso effektiv wie Warfarin und waren in allen kontrollierten Phase-III-Studien mit weniger Hirnblutungen und teilweise auch weniger Todesfällen verbunden. Angesichts fehlender Vergleichsdaten erfolgt keine Empfehlung zur Wahl eines spezifischen NOAK. Lediglich bei Patienten mit einem hohen Risiko für eine gastrointestinale Blutung sollte ein VKA oder Apixaban gegenüber Dabigatran (150 mg 2‑mal/Tag), Rivaroxaban (20 mg 1‑mal/Tag) oder Edoxaban (60 mg 1‑mal/Tag) bevorzugt werden (IIaB).

  • Unter Therapie mit einem VKA sollte auf eine bestmögliche Zeitdauer im therapeutischen Bereich („time in therapeutic range“, TTR; INR [International Normalized Ratio]: 2–3) geachtet werden (IA) und bei fehlender suffizienter TTR eine Umstellung auf ein NOAK erwogen werden (IIbA).

  • In der Sekundärprävention eines ischämischen Schlaganfalls sollte einem NOAK gegenüber VKA bei Vorhofflimmerpatienten ebenfalls der Vorzug gegeben werden (IB).

  • VKA sollten zur Schlaganfallprophylaxe bei mittelgradiger bis schwerer Mitralklappenstenose oder mechanischen Herzklappen eingesetzt werden (IB).

  • Besteht bei Vorhofflimmern eine Kontraindikation für eine lang dauernde orale Antikoagulation (z. B. bei vorangehender relevanter Blutung unter Antikoagulation), kann die Implantation eines LAA (linkes Vorhofohr, „left atrial appendage“)-Okkluders erwogen werden (IIbB), obwohl ein Nutzen in dieser Situation anhand einer randomisierten Studie nicht belegt ist.

  • Für die chirurgische Okklusion oder Exzision des LAA ergibt sich in der Leitlinie derselbe Empfehlungsgrad (IIbB). Bemerkenswerterweise sollen alle Patienten nach chirurgischer Okklusion oder Exzision des linken Vorhofohrs bei vorhandener Risikokonstellation dauerhaft antikoaguliert werden (IB). Die zurückhaltende Einstufung von LAA-Verschluss bzw. -Exzision ist im Wesentlichen auf das Fehlen kontrollierter Daten zurückzuführen. Ob nach Kontrolle des chirurgischen Exzisionsergebnisses mittels transösophagealer Echokardiographie (TEE) auf ein Fortsetzen der oralen Antikoagulation verzichtet werden kann, lässt die Leitlinie offen. Sie erscheint den Autoren dieser Arbeit aber vertretbar.

  • In der Langzeittherapie bei stabiler KHK werden NOAK den VKA gleichgesetzt, auch wenn die diesbezügliche Datenlage begrenzt ist. Die Kombinationstherapie aus Plättchenaggregationshemmern und oraler Antikoagulation sollte bei akutem Koronarsyndrom und/oder stabiler KHK und Koronarintervention möglichst kurzzeitig erfolgen. Hier werden in der Leitlinie detaillierte Empfehlungen zur Dauer einer Triple-Therapie bzw. einer dualen Antikoagulation gegeben.

  • Für Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie und Vorhofflimmern wird eine dauerhafte orale Antikoagulation empfohlen (IB).

  • Eine geplante Katheterablation von Vorhofflimmern sollte unter kontinuierlicher Antikoagulation mit einem VKA (IIaB) oder einem NOAK (IIaC) erfolgen. Für NOAK ist nach Einschätzung der Autoren dieser Arbeit unter Nutzen-Risiko-Abwägung eine z. B. 24-stündige Pause vor Ablation zu erwägen.

  • Nach Katheterablation von Vorhofflimmern (IIaB) oder chirurgischer Ablation (IIa) sollte eine zumindest 8‑wöchige Antikoagulation erfolgen. Die weitere Antikoagulation richtet sich nach dem CHA2DS2-VASc-Score.

  • Patienten mit Vorhofflattern sollen hinsichtlich der Antikoagulation wie bei Vorhofflimmern behandelt werden. Ob Patienten mit alleinigem Vorhofflattern nach rechtsatrialer Isthmusablation dauerhaft antikoaguliert werden sollten, bleibt offen. Eine dauerhafte Antikoagulation erscheint angesichts des häufig zusätzlich im Verlauf auftretenden Vorhofflimmerns vertretbar, ist aber möglicherweise bei Patienten mit lediglich gering oder moderat erhöhtem Schlaganfallrisiko, bedingt durch die hohe Erfolgsrate einer Ablation des Vorhofflatterns, nicht erforderlich.

  • Bei perioperativem Vorhofflimmern nach Herzoperation sollte unter Risikoabwägung eine dauerhafte Antikoagulation erwogen werden (IIaB).

Abb. 1
figure 1

Vereinfachtes Schema zur Empfehlung einer oralen Antikoagulation zur Prävention eines Schlaganfalls in Abhängigkeit vom CHA2DS2-VASc-Score für Männer und Frauen (grün im Hintergrund ESC (European Society of Cardiology)-Leitlinie 2010/2, rot im Vordergrund ESC-Leitlinie 2016)

Tab. 3 Risikofaktorenbasiertes Punktesystem zur Abschätzung des Risikos für thrombembolische Ereignisse (CHA2DS2-VASc-Score; max. Punktzahl entspricht 9, da das Alter zu 0, 1 oder 2 Punkten führt)

Frequenzregulierende Therapie bei Vorhofflimmern

Zur Frequenzregulation werden unverändert Betablocker, Digoxin sowie Diltiazem/Verapamil empfohlen, wobei Kalziumantagonisten lediglich bei einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) von 40 % oder mehr eingesetzt werden sollten (Empfehlungsgrad/Evidenzgrad IB). Es sollte in Abhängigkeit von den Beschwerden eine zurückhaltende Frequenzregulation (mittlere Herzfrequenz [HF]: <110/min) bzw. ggf. eine kombinierte medikamentöse Behandlung erfolgen (IIaC).

  • Vom Einsatz von Antiarrhythmika zur alleinigen Frequenzregulation bei permanentem Vorhofflimmern wird ausdrücklich abgeraten (IIIA).

  • Lediglich bei hämodynamischer Instabilität und reduzierter linksventrikulärer Funktion kann Amiodaron zur Frequenzregulation erwogen werden, wenn andere frequenzregulierende Medikamente auch in Kombination nicht ausreichen (IIbB).

  • Bei frequenzregulierender Therapie sollte bei Nichtansprechen der medikamentösen Therapie und persistierenden Beschwerden eine Atrioventrikular (AV)-Knoten-Ablation mit Schrittmacherversorgung erwogen werden (IIaB).

  • Bei asymptomatischem perioperativen Vorhofflimmern sollten eine Frequenzregulation und eine Antikoagulation erfolgen (IIaB).

Rhythmuskontrollierende Therapie von Vorhofflimmern

Unverändert finden sich in der überarbeiteten Leitlinie ausführliche Hinweise zur elektrischen Kardioversion, zum Einsatz von Antiarrhythmika und zum Stellenwert der Katheterablation bei Vorhofflimmern. Angesichts fehlender Daten besteht keine Indikation zu einer rhythmuserhaltenden Therapie bei asymptomatischen Patienten. Eine antiarrhythmische Therapie dient weder der Vermeidung einer Antikoagulation noch einer Reduktion des Schlaganfallrisikos oder der Prognoseverbesserung. Ziel einer rhythmuserhaltenden Behandlung ist, zumindest aktuell, allein die Symptomverbesserung der Patienten (IB).

Die Empfehlungen zur Kardioversion lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Unabhängig vom CHA2DS2-VASc-Score wird für jede pharmakologische und/oder elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern/Vorhofflattern eine anschließende effektive Antikoagulation für wenigstens 4 Wochen empfohlen (IB). Eine medikamentöse Kardioversion mittels medikamentöser antiarrhythmischer Therapie als „Pill-in-the-pocket“-Behandlung ist hiervon bei Patienten mit niedrigem CHA2DS2-VASc-Score nach Ansicht der Autoren dieser Arbeit ausgenommen.

  • Eine Kardioversion kann nach 3‑wöchiger effektiver oraler Antikoagulation oder nach Ausschluss kardialer Thromben mittels TEE (IB) sowohl unter Heparin als auch unter einem NOAK durchgeführt werden (IIaB). Dies wird unterstützt durch die noch nicht in der Leitlinie berücksichtigte, kürzlich publizierte ENSURE-AF-Studie [4].

  • Die Indikation zu einer dauerhaften Antikoagulation nach Kardioversion richtet sich nach dem CHA2DS2-VASc-Score (IB).

  • Auf eine TEE vor Kardioversion sollte lediglich bei Patienten mit sicherer Vorhofflimmerdauer unter 48 h verzichtet werden (IIA). Da bei der Mehrzahl der Patienten die genaue Dauer des Vorhofflimmerns unbekannt ist und viele Episoden asymptomatisch verlaufen, sollte unseres Erachtens aber im Zweifel immer eine TEE-Untersuchung erfolgen.

  • Bei Nachweis eines Thrombus sollte nach zumindest 3‑wöchiger Antikoagulation vor Kardioversion eine erneute TEE-Untersuchung erfolgen (IIaC).

Im Mittelpunkt der rhythmuserhaltenden Therapie stehen der Einsatz von Antiarrhythmika sowie die interventionelle und/oder chirurgische Behandlung von Vorhofflimmern. Im Vergleich zu vorherigen Leitlinien nimmt die chirurgische Ablation von Vorhofflimmern trotz relativ begrenzter Datenlage einen großen Stellenwert in der aktuellen Leitlinie ein. Neben einer medikamentösen und/oder interventionellen Therapie des Vorhofflimmerns werden eine Gewichtsreduktion bei Adipositas und die Therapie einer obstruktiven Schlafapnoe ausdrücklich empfohlen (IIaB). Die Indikation zur medikamentösen antiarrhythmischen Therapie sollte regelmäßig überprüft werden (IIaC) und auf hierauf zu beziehende EKG-Veränderungen besonders geachtet werden.

Für die Empfehlungen zur medikamentösen antiarrhythmischen Rezidivprophylaxe gilt:

  • Die Wahl des Antiarrhythmikums richtet sich neben der Vorhofflimmerlast unverändert nach Vorhandensein und Ausmaß einer strukturellen Herzerkrankung, vorhandenen Komorbiditäten und dem Patientenwunsch (IA).

  • Andere Medikamente („Nichtantiarrhythmika“) spielen in der Prävention bei Patienten mit Vorhofflimmern eine untergeordnete Rolle. Zur Prophylaxe von Vorhofflimmern sollten bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter LVEF Betablocker erwogen werden (IIaB). ACE („angiotensin-converting enzyme“)-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker sollten bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter systolischer Funktion sowie bei Patienten mit linksventrikulärer Hypertrophie sowie arterieller Hypertonie erwogen werden (IIaB).

  • Dronedaron, Flecainid, Propafenon oder Sotalol werden bei normaler LV-Funktion gleichwertig empfohlen (IA). Eine Einschätzung des unterschiedlichen antiarrhythmischen Potenzials erfolgt nicht. Angesichts des größeren Nebenwirkungsprofils wird Amiodaron trotz besserer antiarrhythmischer Wirksamkeit als Mittel der zweiten Wahl betrachtet (IIaC).

  • Bei stabiler KHK und fehlender Herzinsuffizienz wird Dronedaron empfohlen (IA).

  • Amiodaron wird bei Herzinsuffizienz empfohlen (IB).

  • Amiodaron sollte zur Prophylaxe von perioperativem Vorhofflimmern erwogen werden (IIaA).

  • Bei einem QT-Intervall >0,5 s werden Antiarrhythmika nicht empfohlen (III).

  • Für die Prävention von perioperativem Vorhofflimmern wird eine Betablockertherapie empfohlen (IB).

Für die Empfehlungen zur interventionellen antiarrhythmischen Rezidivprophylaxe gilt:

  • Treten bei paroxysmalem Vorhofflimmern symptomatische Rezidive trotz medikamentöser Therapie mit einem Antiarrhythmikum auf, besteht eine eindeutige Empfehlung zur Katheterablation (IA).

  • Eine primäre Ablation als Alternative zu einer medikamentösen Behandlung sollte im Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung von Patientenwunsch und Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen (IIaB).

  • Eine Vorhofflimmerablation sollte zur Vermeidung einer Schrittmacherimplantation bei Bradykardie im Zusammenhang mit Vorhofflimmern erwogen werden (IIaC).

  • Ziel der Ablation sollte die Isolation der Pulmonalvenen mittels Radiofrequenzstrom oder Kryoenergie sein (IIaB).

  • Bei vermuteter Tachykardiomyopathie sollte eine Ablation bei symptomatischen Patienten mit Herzinsuffizienz erwogen werden (IIaC).

  • Bei persistierendem oder lang anhaltend persistierendem Vorhofflimmern sollte unter besonderer Nutzen-Risiko-Abwägung eine interventionelle oder chirurgische Ablation erwogen werden (IIaC).

  • Bei erfolgloser Katheterablation sollte eine minimal-invasive chirurgische Pulmonalvenenisolation erwogen werden (IIaC).

  • Eine biatriale „Maze“-Operation sollte bei symptomatischen Patienten, bei denen eine Herzoperation ohnehin geplant ist, erwogen werden (IIaA).

„Gaps in evidence“

Viele Empfehlungen – einige der wichtigsten sind in Tab. 4 zusammengefasst – beruhen auf einem Expertenkonsensus und bedürfen einer Überprüfung in zukünftigen Studien. Einige Wissenslücken werden in der Leitlinie explizit genannt. Hierzu zählen u. a. folgende Aspekte, in denen Unsicherheit und Fragen bestehen:

  • Pathophysiologie von (insbesondere persistierendem) Vorhofflimmern.

  • Bedeutung der Vorhofflimmerlast und/oder Episodendauer für das Embolierisiko und sich daraus ergebende therapeutische Konsequenzen.

  • Verbessert der Erhalt von Sinusrhythmus das Überleben?

  • Welche Bedeutung hat intensiviertes EKG-Screening?

  • Stellenwert der oralen Antikoagulation und/oder eines LAA-Verschlusses nach einer Blutung.

  • Bedeutung eines LAA-Verschlusses im Vergleich zu NOAK.

  • Stellenwert einer chirurgischen LAA-Exzision.

  • Stellenwert einer Antikoagulation bei Niereninsuffizienz.

  • Stellenwert/Dauer einer Antikoagulation nach Katheterablation.

  • Stellenwert der Ablation bei persistierendem und lang persistierendem Vorhofflimmern.

  • Stellenwert einer chirurgischen „Stand-alone“-Ablation von Vorhofflimmern.

  • Vorgehen nach einmaliger und/oder mehrfacher erfolgloser Ablation.

Tab. 4 Modifizierte kurze Zusammenfassung von wichtigen Empfehlungen zur Behandlung von Vorhofflimmerpatienten, entsprechend der ESC (European Society of Cardiology)-Leitlinie 2016. (Nach [1])

Fazit für die Praxis

  • Die ESC-Leitlinie zum Vorhofflimmern 2016 gibt einen detaillierten Überblick über den aktuellen Wissensstand in der Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern.

  • Im Vergleich zur letzten Aktualisierung aus dem Jahr 2012 wurden der Patient und die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärker in den Vordergrund gerückt; ob dies tatsächlich die Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern verbessert, bleibt abzuwarten.

  • Wie alle Leitlinien stellt sie eine Richtschnur dar, an der sich behandelnde Ärzte orientieren sollten und von der unter individueller Nutzen-Risiko-Abwägung in begründeten Fällen abgewichen werden kann.