FormalPara Beteiligte Fachgesellschaften
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)

  • Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Coloproktologie (CACP)

  • Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK)

  • Berufsverband der Coloproktologen Deutschlands (BCD)

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

  • Deutsche Dermatologischen Gesellschaft (DDG)

  • Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)

  • Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und plastische Beckenbodenrekonstruktion e. V. (AGUB) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)

Einleitung und Definition

Abszesse in der perianalen Region sind ein häufiges Krankheitsbild. Die starke lokale Schmerzhaftigkeit zwingt zu einer schnellen Intervention. Häufigste Ursache ist eine Entzündung der beim Menschen rudimentär angelegten Proktodealdrüsen. Dabei stellt der Analabszess das akute und die Analfistel das chronische Stadium des gleichen Krankheitsbildes dar [109]. Bezüglich der Behandlung von Analfisteln wird auf die entsprechende Leitlinie, die im Internet zugänglich ist [82, 84], verwiesen.

Von dieser Krankheitsgenese sind Analabszesse anderer Genese zu unterscheiden, die nicht Bestandteil dieser Leitlinie sind. Die wichtigste Differenzialdiagnose stellen der Pilonidalsinus und die Acne inversa dar, die sich ebenfalls als akute Abszedierung manifestieren können. Auch hier wird auf die entsprechenden Leitlinien verwiesen. Sonderformen stellen Abszesse bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn; [70, 72]), immunsupprimierenden Erkrankungen (z. B. HIV, Leukämie) und Malignomen [9] sowie nach operativer Behandlung im Bereich des Beckens (z. B. tiefe anteriore Rektumresektion) oder Verletzungen [48] dar. Sehr selten sind Abszesse bei speziellen Erregern (z. B. Tuberkulose, Aktinomykose, Gonorrhöe u. a; [6, 11, 18, 20, 28, 69, 104]). Weitere Sonderformen stellen Abszesse durch Fremdkörperingestion [23, 26] dar.

Methodik

Die Erstellung dieser Leitlinie erfolgte auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) mit ihrer Arbeitsgemeinschaft für Coloproktologie (CACP).

Die vorliegenden Leitlinien gelten primär für Analabszesse auf dem Boden einer Proktodealdrüsenentzündung, auch wenn dies im Rahmen der akuten Intervention nicht immer differenziert werden kann. Der Text stellt eine komplett überarbeitete Fassung der Leitlinie aus dem Jahr 2011 [81, 85] dar.

Berücksichtigung fanden die Leitlinien anderer Fachgesellschaften (American Society of Colon and Rectal Surgeons [107, 124]), Italienische Gesellschaft für Kolorektale Chirurgie (SICCR; [7]), vorliegende Reviews [92, 95] und eine Cochrane-Analyse [71]. Diese wurden im Rahmen der PubMed-Analyse erfasst, aber nicht als bindend angesehen. Daher fand keine methodische Bewertung der Leitlinien statt.

Der Inhalt der vorliegenden Leitlinie basiert weiterhin auf einem umfangreichen aktuellen Review der Literatur unter Nutzung der Datenbanken PubMed und Cochrane unter den Stichworten „anal“ and „abscess“ (n = 76) „anal“ and „suppuration“ (n = 27), „perianal“ and „abscess“ (n = 54) sowie „perianal“ and „suppuration“ (n = 31) sowie „anal“ and „sepsis“ (n = 57). Um eine Beschränkung der Zahlen zu erzielen wurde jeweils „201*“ hinzugefügt. Stichtag war der 26.12.2015. Die Suche ergab insgesamt 245 Treffer, von denen 83 als doppelt gestrichen wurden. Nach Auswertung von Titeln und Abstracts wurden alle Zitate ausgeschlossen, bei denen sich bereits aus dem Titel keine Beziehung zur Leitlinie nachweisen ließ (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Abszesse nach anorektalen Eingriffen, kindliche Abszesse, Sprache nicht deutsch oder englisch). Es verblieben 28 neue Literaturstellen. Außerdem wurden relevante, nicht in PubMed gelistete deutschsprachige Arbeiten, insbesondere aus den Zeitschriften coloproctology und Viszeralchirurgie mitberücksichtigt, da insbesondere aus dem deutschen Sprachraum, für den die vorliegenden Leitlinien bestimmt sind, auch wichtige Beiträge nur in deutscher Sprache publiziert wurden. Weitere Publikationen wurden anhand der Literaturlisten verschiedener Arbeiten identifiziert.

Die auf diesem Weg identifizierten neuen Literaturstellen wurden bezüglich der im Folgenden definierten Fragestellungen zunächst anhand des Abstracts und ggf. auch des Volltextes evaluiert. In Bezug auf die einzelnen Kapitel der Leitlinie wurden die übrigen Literaturstellen bzgl. ihrer Aussage zu Epidemiologie und Ätiologie herausgefiltert. Hinsichtlich der Diagnostik wurden die Stichwörter „Klinische Untersuchung“, „Endosonographie“ und „Magnetresonanztomographie“ berücksichtigt. In Bezug auf die möglichen Therapieoptionen wurden neben den randomisierten Studien alle Arbeiten ausgewertet, die Follow-up-Ergebnisse lieferten. In einer Evidenztabelle (Tab. 5) wurden dabei folgende Ergebnisse der einzelnen Studien erfasst: Anzahl der behandelten Patienten, Lokalisation der behandelten Abszesse, Studiendesign (retro-/prospektiv, randomisiert), Therapieverfahren, Häufigkeit des primären und sekundären Fistelnachweises, Rate der Rezidivabszesse und Häufigkeit von Kontinenzstörungen sowie die Follow-up-Zeit. Die Bewertung der vorliegenden Literatur zur Behandlung der Analabszesse erfolgte im Sinne eines methodenkritischen Lesens. Problematische Punkte in den meisten Publikationen waren dabei kleine Fallzahlen, retrospektive Aufarbeitung des Patientenguts sowie unvollständige Nachuntersuchung. Da jedoch die wenigen randomisierten Studien nur unzureichend das Therapiespektrum wiedergeben oder gar vergleichen, mussten auch diese z. T. methodisch minderwertigen Arbeiten als Gesamtheit herangezogen werden, um eine Einschätzung der einzelnen Operationsverfahren vornehmen zu können.

Die Studien, in denen Ergebnisse der operativen Therapiemaßnahmen beschrieben wurden, werden sowohl im Text, als auch in Tab. 5 als Evidenztabelle zusammen mit den entsprechenden Fußnoten bewertet.

Definitionen von Evidenzlevel und Empfehlungsgrad wurden in Anlehnung an die Empfehlungen des Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford, UK [99] festgelegt (Tab. 1). Für die jeweilige Bestimmung des Empfehlungsgrades wurde das Diagramm der Abb. 1 zugrunde gelegt (nach [99]). Die Konsensusstärke wurde anhand von Tab. 2 festgelegt [47]. Bei fehlender Evidenz wurde ein klinischer Konsensuspunkt (KKP) empfohlen als gute klinische Praxis („good clinical practice point“) im Konsens und aufgrund der klinischen Erfahrungen der Mitglieder der Leitliniengruppe als ein Standard in der Behandlung, bei dem keine experimentelle wissenschaftliche Erforschung möglich oder angestrebt ist.

Die Ausarbeitung des Textes geschah im Rahmen einer Konsensuskonferenz von Mitgliedern der beteiligten Fachgesellschaften (Tab. 3), die am 11.03.2016 in München im Rahmen der Koloproktologietage 2016 stattfand. Die Vorbereitung und die Organisation wurden vom Koordinator (Dr. Andreas Ommer) übernommen. Die Konsensuskonferenz wurde durch den unabhängigen Moderator (Dr. Jan Jongen, Kiel) moderiert. Der unabhängige Moderator (Dr. Jan Jongen) wies keine Interessenkonflikte in Bezug auf Firmen, die Produkte zur Behandlung von Analfisteln vertreiben, auf. Der Text wurde Punkt für Punkt durchgesprochen und diskutiert. Der Text war allen Mitgliedern zuvor per Mail zugegangen. Unklare Stellen wurden nach Diskussion korrigiert. Die Abstimmung erfolgte per Handzeichen. Alle anwesenden Mitglieder der Leitliniengruppe hatten die gleiche Stimmberechtigung. Die Mitglieder der Leitliniengruppe, die an den Treffen nicht teilnehmen konnten, stimmten dem Text später getrennt zu. Auch die jeweiligen Vorstände der beteiligten Fachgesellschaften bekundeten ihre Zustimmung zu der vorliegenden definitiven Textfassung. Eine methodische Überprüfung des Textes erfolgte durch Frau Muche-Borowski als Vertreterin der AWMF. Eine kritische Beurteilung nach dem DELBI-Verfahren fand durch die beiden Chirurgen Dr. Roland Scherer, Berlin, und Dr. Gerd Kolbert, Hannover, statt.

Eine Liste möglicher Interessenkonflikte aller an der Erstellung dieser Leitlinie beteiligten Ärzte ist online unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-005.html nachzulesen. Keiner der Autoren gibt relevante Interessenskonflikte an, die in direktem Zusammenhang mit den Aussagen dieser Leitlinien stehen. Bei der Behandlung des Analabszesses kommen keine speziell für diesen Zweck verwendeten Materialien irgendwelcher Firmen zu Einsatz, die möglicherweise Einfluss auf die Behandlung haben könnten.

Die nächste Überarbeitung der Leitlinie wird geplant für 03/2021.

Epidemiologie

Aktuelle epidemiologische Daten zur Inzidenz des Analabszesses liegen nicht vor. In Analogie zu den Analfisteln finden sich Analabszesse überwiegend bei jüngeren Erwachsenen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr [73, 80, 121], wobei Männer deutlich häufiger als Frauen betroffen sind. Eine Sonderform von Analfisteln und Abszessen findet sich bei Kleinkindern [15, 30, 53, 68]. Diese ist nicht Grundlage dieser Leitlinie.

Fazit für die Praxis.

Analabszesse treten überwiegend bei jungen männlichen Erwachsenen auf. Epidemiologische Daten fehlen.

Ätiologie und Klassifikation

Analabszesse haben in den meisten Fällen ihren Ursprung im kryptoglandulären Gewebe (Proktodealdrüsen) des Intersphinktärraums (Abb. 2; [1, 19, 54]).

Mehrere Studien beschreiben eine individuelle Varianz der Anzahl der proktodealen Drüsen und ihrer Ausführungsgänge mit einer posterioren Häufung [102]. Die Zahl der Drüsen ist bei Männern höher als bei Frauen [63]. In einer aktuellen Studie [2] wird die Korrelation zwischen Lokalisation der Drüsen und der Fistelbildung aufgearbeitet. Es wird auf eine mit 65 % deutliche Häufung im dorsalen Bereich verwiesen.

Der Abszess entsteht somit meist zunächst im intersphinktären Raum. Von hier kann sich dieser Abszess direkt in Richtung perianale Region ausbreiten und als subanodermaler oder subkutaner Abszess zeigen. Beim Durchbruch durch den M. sphincter ani externus entsteht der ischioanale Abszess, der ehemals als ischiorektaler Abszess bezeichnet wurde, und durch Extension nach proximal in die Fossa pelvirectalis der supralevatorische Abszess [27, 35, 87]. Ausgehend von dieser Genese werden somit 4 Abszesstypen unterschieden (Abb. 2):

  1. 1.

    subanodermaler Abszess,

  2. 2.

    intersphinktärer Abszess,

  3. 3.

    ischioanaler Abszess,

  4. 4.

    supralevatorischer Abszess.

Die Häufigkeit der einzelnen Typen variiert in den verschiedenen Publikationen ([1, 8, 14, 55, 73, 80, 93, 94, 101, 121]; Tab. 4), wobei oberflächliche Typen die deutliche Mehrheit darstellen. So finden sich subanodermale Abszesse mit einer Häufigkeit von 40–75 %, intersphinktäre von 13–55 %, ischioanale von 5–42 % und supralevatorische von 2–8 %. Die große Spannbreite ist wahrscheinlich auf die unterschiedlichen Klassifikationsformen zurückzuführen. So beschreiben Knoefel et al. [55] lediglich 1 % subanodermale und dagegen 71 % intersphinktäre und 22 % ischioanale Abszesse.

In der Literatur findet sich häufig die Bezeichnung perianaler Abszess. Unter dieser Bezeichnung dürften jedoch in vielen Publikationen auch Abszesse bei Acne inversa oder perianale Haarfollikelentzündungen ohne Verbindung zum Analkanal erfasst worden sein, so dass in diesen Leitlinien bewusst auf diese Bezeichnung verzichtet wurde. Beide Erkrankungen stellen eine wichtige Differenzialdiagnose zum proktodealen Abszess dar [106]. Am nächsten dürfte vielen als perianal bezeichneten Abszessen der subanodermale Abszess kommen. Die Nomenklatur in den zitierten Publikationen wurde dementsprechend angepasst. In der internationalen ICD-10-Klassifikation finden sich folgende Typen: K61.0 (Analabszess), K61.1 (Rektalabszess), K61.2 (Anorektalabszess), K61.3 (Ischiorektalabszess), K61.4 (intrasphinkterer Abszess), K65.0 (Beckenabszess).

Zur Ätiologie des anorektalen Abszesses wurden in den 1970er und 1980er Jahren mehrere Arbeiten vorgelegt, die das Keimspektrum untersuchten. In der Regel findet sich erwartungsgemäß eine Mischflora aus Darmkeimen (v. a. E. coli, Bacteroides) und Hautkeimen (Staphylococcus aureus; [14, 36, 125]). Dieses wird auch von aktuellen Publikationen bestätigt [22]. Mehrere ältere Arbeiten verweisen auf eine höhere Fistelinzidenz bei Nachweis von Darmkeimen [37, 117]. Nicholls et al. [76] konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Nachweis von Bacteroides spec. und einem Fistelnachweis herstellen. Eine Arbeit aus dem Jahr 2010 untersuchte erstmals wieder die Mikrobiologie des Abszesses [118]. Es fand sich überwiegend eine aerobe Mischflora.

Eine weitere Arbeit verweist auf die Gefahr der MRSA-Besiedelung, die mit 34 % an einem selektionierten Patientengut angegeben wird. Ein erhöhtes Risiko wird bei großflächiger Induration und Überwärmung sowie überwiegend phlegmonöser Entzündung gesehen. Das Risikokrankengut sollte speziell betrachtet werden.

Eine aktuelle Arbeit untersucht die Bedeutung von Streptokokken der Gruppe Milleri für die Ausbildung von Analabszessen [108]. Die Autoren beobachteten eine erhöhte Rezidivrate.

Seltene Ursachen eines Abszesses sind die Tuberkulose [6, 11, 18, 104], die Aktinomykose [20, 69] und die Gonorrhöe [28]. Weitere Sonderformen stellen Abszesse durch Fremdkörperingestion dar [23]. Diese Abszesstypen sind nicht Bestandteil der vorliegenden Leitlinie.

Eine Risikogruppe stellen Patienten mit hämatologischen Malignomen dar, bei denen sich ebenfalls Abszesse im anorektalen Bereich ausbilden können [10, 16].

Eine Arbeit aus dem Jahr 2011 beschreibt den Einfluss des Rauchens als Risikofaktor für eine Abszess- bzw. Fistelbildung [24].

Eine chinesische Arbeit sieht einen Zusammenhang zwischen Analabszessen und Diabetes mellitus [122]. In einer Follow-up-Studie beobachteten sie ein erhöhtes Risiko für Diabetes bei Patienten nach Operation eines Analabszesses. Zu gleichen Ergebnissen kommt eine schwedische Studie [4]: Neben dem Morbus Crohn erhöht die Prävalenz von Diabetes und Adipositas das Risiko für die Entstehung eines Analabszesses.

Die ICD-Klassifikation (ICD 10) sieht insgesamt 6 Verschlüsselungsmöglichkeiten vor. Dabei sind die drei ersten K61.0 (Analabszess), K61.1 (Rektalabszess) und K61.2 (Anorektalabszess) nicht zur Differenzierung anwendbar. Speziell verschlüsselbar sind der intersphinktäre Abszess (K61.4, intrasphinktärer Abszess), der ischiorektale Abszess (K61.3, Ischiorektalabszess) und der supralevatorische Abszess (K65.0, Beckenabszess).

Fazit für die Praxis.

Der Analabszess entsteht vorwiegend aus einer akuten Entzündung der Proktodealdrüsen im Intersphinktärraum. Von dieser Genese ausgehend unterscheidet die Klassifikation zwischen subanodermalen, intersphinktären, ischioanalen und supralevatorischen Abszessen. Das Erregerspektrum besteht i. d. R. aus einer Mischflora von Darm- und Hautkeimen. Umgebungsfaktoren wie Rauchen, Diabetes mellitus und Adipositas scheinen mit einer erhöhten Prävalenz assoziiert zu sein.

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Symptomatik und Diagnostik

Die Symptomatik des Analabszesses besteht in der akut über wenige Tage auftretenden schmerzhaften Schwellung im Analbereich. Bei den perianalen und ischiorektalen Abszessen lässt sich i. d. R. eine perianale Rötung und Überwärmung nachweisen. Die Palpation bestätigt die Induration. Insbesondere beim intersphinktären Abszess kann diese oft nur durch eine bidigitale/rektale Untersuchung getastet werden. Wegen der Schmerzen sollte die rektale Untersuchung auf ein Minimum begrenzt werden. Proktoskopie und Rektoskopie liefern nur geringe Zusatzinformationen und belasten den Patienten durch die Schmerzen sehr stark. Anamnestisch sollten vorhergehende Abszessereignisse und die Dauer der Symptomatik erfragt werden. Weiterhin sollte Hinweisen auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung nachgegangen werden. Eine weitergehende, insbesondere bildgebende Diagnostik ist präoperativ bei der Mehrzahl der Patienten nicht erforderlich.

Zu differenzieren ist die Symptomatik des supralevatorischen Abszesses, bei dem die Inspektion keine Informationen liefert. Öfter finden sich hier Allgemeinreaktionen wie Fieber und Krankheitsgefühl. Hier kann die rektale Palpation i. d. R. eine Induration bis hin zur Fluktuation zeigen. Typisch sind dumpfe Schmerzempfindungen im kleinen Becken oder Rückenschmerzen [43]. Bei unklaren Befunden kann eine Endosonographie, Computertomographie [88] oder Magnetresonanztomographie (MRT; [33]) zur Lokalisation beitragen. Zur Wertigkeit der Verfahren wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Leitlinie „Kryptoglanduläre Analfisteln“ [83] verwiesen. Hierbei ist jedoch die Schmerzempfindung des Patienten zu berücksichtigen, die häufig eine Endosonographie nur in Narkose ermöglicht, während durch die MRT auch im Notfall eine schmerzarme Untersuchung möglich ist. Als einfache diagnostische Maßnahme zur Diagnostik eines Abszesses kann eine transperineale Sonographie auch ohne Narkose erfolgen [91]. Mehrere Arbeiten beschreiben die Bedeutung der Endosonographie zur Abklärung des Analschmerzes, der auch durch einen Abszess bedingt sein kann [12, 120]. Auch hier ist die Limitation durch den Schmerz bei der Untersuchung zu berücksichtigen.

Die Labordiagnostik gibt nur indirekte Hilfe bei der Indikationsstellung. Erhöhte Entzündungswerte (Leukozytenzahl, C‑reaktives Protein) können jedoch in Verbindung mit der entsprechenden Klinik Hinweise auf einen supralevatorischen Abszess geben.

Die weiteren Maßnahmen erfolgen intraoperativ in Narkose. Dazu zählt die Inspektion des Analkanals zum Nachweis bzw. Ausschluss einer inneren Fistelöffnung. Vorsichtig kann eine Sondierung mit einer gebogenen Sonde erfolgen. Eine forcierte Untersuchung sollte jedoch vermieden werden. Die Endosonographie erlaubt eine Lokalisation des Abszesses zur Wahl des optimalen operativen Zugangswegs, insbesondere bei supralevatorischen Abszessen.

Die Schließmuskelfunktion sollte vor einer operativen Intervention anhand der Anamnese und ggf. eines Inkontinenzscores, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche primäre Fistelspaltung, eingeschätzt werden. Die Manometrie liefert keine zusätzliche Information und ist, insbesondere im akuten Abszessstadium, nicht aussagekräftig.

Fazit für die Praxis.

Die Diagnostik des Analabszesses erfolgt anhand der klinischen Symptomatik, der Inspektion und der Palpation. Eine bildgebende Diagnostik sollte allenfalls bei supralevatorischen Abszessen und Rezidivabszessen erwogen werden. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Empfehlungsgrad: KKP (klinischer Konsensuspunkt)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Therapie

Operationsindikation

Ziel der Behandlung ist die Entlastung der Abszesshöhle, um ein Fortschreiten der Entzündung mit potenziell lebensgefährlichen Komplikationen (z. B. pelvine Sepsis, Fourniersche Gangrän) [25, 56, 58, 59, 126, 128] zu verhindern. Zu unterscheiden ist zwischen dem akuten Abszess, der zur sofortigen Intervention zwingt, und dem bereits spontan perforierten Abszess (chronischer Abszess), der mit mehr oder weniger dringlicher Indikation elektiv behandelt werden kann.

Auch bei stattgehabter Spontanperforation sollte eine operative Intervention erfolgen. Es liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, ob durch eine Erweiterung der Drainageöffnung nach Spontanperforation eine Fistelentstehung verhindert werden kann. Andererseits kann die unzureichende Drainage Ursache eines Rezidivabszesses oder einer Fistel sein.

Eine spontane Rückbildung des Abszesses ist außerordentlich selten. Konservative Therapieoptionen, insbesondere eine Therapie mit Antibiotika, sind nicht erfolgversprechend und erscheinen nicht sinnvoll. Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema fehlen. Eine aktuelle Studie berichtet über die erfolgreiche endosonographisch-assistierte Punktionsdrainage von intersphinktären Abszessen [29], die jedoch Sonderfällen vorbehalten sein dürfte.

Eine routinemäßige intraoperative Abstrichentnahme erscheint nicht notwendig [66, 76], da i. d. R. keine therapeutischen Konsequenzen entstehen und eine antibiotische Therapie nach Abszessexzision als nicht erforderlich angesehen wird [118]. Ein möglicher Therapiealgorithmus für die Behandlung des Analabszesses ist in der Abb. 3 dargestellt.

Fazit für die Praxis.

Die Therapie des Analabszesses erfolgt operativ, wobei die klinische Symptomatik den Zeitpunkt der operativen Intervention bestimmt. Auch nach Spontanperforation sollte eine semi-elektive operative Intervention erfolgen. Auf eine mikrobiologische Untersuchung kann in den meisten Fällen verzichtet werden, da es keine therapeutische Konsequenz gibt. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Empfehlungsgrad: KKP (klinischer Konsensuspunkt)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Technik der Abszessdrainage

Die operative Technik unterscheidet sich bei den verschiedenen Abszesstypen [77]. In der Regel findet die Abszessoperation in Allgemein- oder Regionalanästhesie statt. Lediglich einige ältere Arbeiten berichten über Serien von Patienten, die ganz [94, 101] oder teilweise [119] in Lokalanästhesie operiert wurden.

Bei den subanodermalen und ischioanalen Abszessen wird entweder eine Inzision oder eine Exzision mit ovaler Ausschneidung der Haut vorgenommen. Unter dem Aspekt der Drainage ist dabei Letzterem der Vorzug zu geben. Der Schnittverlauf sollte parallel zum Faserverlauf des M. sphincter ani externus verlaufen. Vergleichende wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema fehlen, wobei ältere Arbeiten nach reiner Inzision in Lokalanästhesie eine hohe Rate persistierender Fisteln nachweisen [101, 119]. Insbesondere bei den ischioanalen Abszessen, die aus einem Durchbruch des Abszesses durch den M. sphincter ani externus resultieren, finden sich in nicht geringem Maße persistierende Fisteln nach der operativen Intervention.

Der Zugangsweg zum intersphinktären Abszess richtet sich nach der Lokalisation: Bei rein intraanaler Lage mit Verbindung zum Analkanal sollte eine transanale Drainage, ggf. mit Internus-Sphinkterotomie, erfolgen. Bei subanodermaler Lage kann ein perianaler Zugang mit oder ohne Fistelspaltung gewählt werden.

Eine Sonderform des intersphinktären Abszesses stellen Abszesse auf dem Boden einer chronischen Analfissur dar. Gupta [38] fand bei 532 Patienten mit einer chronischen Analfissur in 16,5 % einen Abszess, der in 70 % der Fälle posterior lokalisiert war. Auch in einer aktuellen Arbeit von Naldini et al. [75] wird ein dorsaler Abszess in Verbindung mit einer inter- oder transsphinktären Analfistel als mögliche Ursache für anhaltende Beschwerden identifiziert und der Stellenwert der Endosonographie dargestellt.

Die Drainage des supralevatorischen Abszesses kann transrektal oder perianal erfolgen [7, 130]. Wichtigstes diagnostisches Verfahren ist die Endosonographie, die darstellen kann, ob die Muskelplatte des Musculus levator ani intakt ist. Bei intaktem Levator und Beschränkung des Abszesses auf die Fossa pelvirektalis kann eine transrektale Drainage vorgenommen werden, um eine Fistelbildung zu verhindern. Ist der Abszess bereits durch den Musculus levator in die Fossa ischioanalis durchgebrochen, wird die Drainage transischioanal durchgeführt. Dabei ist darauf zu achten, dass der lange Drainageweg offen bleibt. Gegebenenfalls wird für einige Tage eine Drainage (z. B. Penrose, Easyflow o. Ä.) eingelegt. Häufig stellen sowohl Diagnostik als auch Therapie ein Problem dar [33, 98].

Eine Sonderform stellt der Hufeisenabszess dar. Dieser ist in den meisten Fällen dorsal lokalisiert und involviert beide Fossae ischioanales. Die Arbeit von Tan et al. [113] beschreibt die eigene Erfahrung und sieht Vorteile bei Patienten mit Identifikation der inneren Öffnung und Einlage einer Fadendrainage. Die Häufigkeit von Operationen und die Zeit bis zur definitiven Heilung waren nach Fadeneinlage signifikant niedriger. Interessanterweise wurden nach Einlage einer Fadendrainage 50 % der Fisteln gespalten und 37 % durch ein sog. sphinktersparendes Verfahren behandelt, während bei den Patienten ohne Fadendrainage nur 12 % der Abszesse gespalten und 75 % durch ein sphinkterschonendes Verfahren behandelt wurden. Eine weitere Arbeit desselben Autors [112] beschreibt einen individuell entwickelten intersphinktären Zugang bei 17 Patienten (Follow-up 8 [5–32] Monate). Von diesen konnte 12 erfolgreich auf diese Weise drainiert werden bei nur einem Rezidiv. Bei den 5 Patienten, die sekundär diesem Verfahren unterzogen worden waren, traten bei 4 Patienten Rezidive auf. Insgesamt lag somit die Erfolgsrate bei 70 %.

Es wurden die in Tab. 5 dargestellten Arbeiten identifiziert, welche die Behandlung des anorektalen Abszesses untersuchen. Insgesamt war die Einordnung in eine Tabellenform wegen der sehr heterogenen Aussagen äußerst schwierig. Dabei stammen 10 aus der Zeit vor 1990, weitere 9 erschienen zwischen 1990 und 1999 und lediglich 8 wurden nach 2000 publiziert, davon 4 nach 2010, die in dieser revidierten Leitlinienfassung erstmals Berücksichtigung fanden, jedoch keine neuen Aspekte für die Behandlungsempfehlungen erbringen. Es handelt sich um 19 retrospektive, 3 prospektive und 5 randomisierte Studien. Eine weitere randomisierte Studie [62], die in mehreren Reviews behandelt wird, wurde für die vorliegenden Leitlinien nicht herangezogen, da sie lediglich in chinesischer Sprache vorliegt. Die Zahl der behandelten Patienten schwankt zwischen 38 und 1023, wobei lediglich 6 Arbeiten über mehr als 100 Patienten berichten. Insbesondere 4 der 5 randomisierten Studien beinhalten nur zwischen 40 und 70 Patienten. Lediglich die aktuellste randomisierte Studie [79] vergleicht je 100 Patienten. Es werden alle Abszesstypen, i. d. R. ohne Differenzierung, behandelt. Auffällig ist zum Teil auch eine inkomplette Aufarbeitung des Patientenguts: So wurden in der ersten Arbeit von Akkapulu [5] lediglich 93 von 149 operierten Patienten und in der Arbeit von Stremitzer [111] 173 von 300 Patienten aufgearbeitet. Diese Arbeiten wurden bezüglich Therapieverfahren, Häufigkeit des primären und sekundären Fistelnachweises sowie des Abszessrezidivs, der Rate an beobachteten Kontinenzstörungen sowie der Follow-up-Zeit analysiert.

Gegenüber der Erstfassung der Leitlinie konnte keine weitere randomisierte Studie identifiziert werden, so dass keine relevante Veränderung der Aussagen unter Evidenzgesichtspunkten zu konstatieren ist.

Insgesamt ist die Aussage dieser Studien sehr inhomogen, zumal verschiedene operative Techniken (Inzision/Exzision) mit und ohne Fistelspaltung vorgestellt wurden. In einige Studien erfolgte die Operation in Lokalanästhesie.

In den meisten und speziell in den randomisierten Studien erfolgt ein Vergleich zwischen primärer Fistelspaltung und Abszessexzision in Bezug auf Rezidiv und Kontinenzstörung. Zwei Arbeiten [101, 119] untersuchen die Ergebnisse nach reiner Inzision (z. T. in Lokalanästhesie) und beobachten eine kumulative Rate an persistierenden Fisteln, bzw. Rezidivabszessen von 66 % bzw. 48 %. Nach Abszessexzision lagen die Raten der Rezidivabszesse zwischen 4 und 88 %, wobei in den meisten Fällen keine Differenzierung zwischen Abszessrezidiv und sekundärer Fistel getroffen wurde.

Die vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass die unzureichende Drainage möglicherweise die persistierende Entzündung im Hinblick auf ein Abszessrezidiv oder eine persistierende Fistel unterstützt. Andererseits wird in keiner Studie untersucht, ob die frühzeitige großzügige Drainage eine Fistelentstehung verhindern kann.

Es existiert keine Studie, die zwischen Inzision und Exzision, d. h. dem Ausmaß der Drainage, differenziert. Weiterhin wurde in keiner Studie das Outcome in Bezug auf die einzelnen Abszesslokalisationen mit und ohne Fistelnachweis untersucht.

In älteren Studien findet sich als Alternativverfahren die Inzision in Narkose mit Einlage einer Lasche überwiegend in lokaler Betäubung [51, 52, 60]. Alle Publikationen stammen jedoch aus der gleichen Klinik.

Fazit für die Praxis.

Die Wahl des operativen Vorgehens beim Analabszess richtet sich nach der Lokalisation. Ziel der operativen Intervention soll eine großzügige Drainage des entzündlichen Gewebes ohne relevante Schädigung der angrenzenden gesunden Strukturen, insbesondere des Schließmuskelapparats, sein. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht. Die Evidenzlage ist weiterhin sehr niedrig.

  • Empfehlungsgrad: KKP (Klinischer Konsensuspunkt)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Ursachen des Abszessrezidivs

Der Frage des Frührezidivs gehen Onaca et al. [86] nach. Von 627 Patienten mussten 48 (7,6 %) innerhalb von 10 Tagen nachoperiert werden. Die häufigste Indikation für die Reoperation war die unzureichende Drainage (42 %), v. a. bei Hufeisenabszessen. Bei ausgedehnten Abszedierungen sollte deshalb großzügig die Indikation zur Revision in Narkose gestellt werden.

In einer aktuellen Studie [127], welche die prognostischen Faktoren für das Abszessrezidiv aufarbeitet, konnte lediglich die verspätete Drainage als Risikofaktor für ein Rezidiv dargestellt werden.

Die Ursache des Abszess-Spätrezidivs wird von Charbot et al. [17] aufgearbeitet. In einer prospektiven Studie bei 100 Rezidivabszessen wurden zunächst 32 mit der Diagnose einer Hidradenitis suppurativa ausgeschlossen. Bei den übrigen 68 Patienten bestand die Ursache des Abszesses in einer unzureichenden Vorbehandlung: Bei 37 Patienten (55 %) fanden sich unzureichend drainierte Abszessanteile oder übersehene Nebengänge. Bei den übrigen 31 Patienten (45 %) wurde die sekundär gespaltene Fistel als Abszessrezidiv definiert. Die Autoren fordern die sorgfältige Narkoseuntersuchung bei allen Rezidivabszessen. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass insbesondere in älteren Publikationen beschrieben wird, dass die Primäreingriffe häufig in Lokalanästhesie durchgeführt worden waren [94, 101, 119].

Fazit für die Praxis.

Die ausreichende Drainage eines Analabszesses sollte angestrebt werden, um ein Rezidiv und eine Fistelbildung zu verhindern. Bei ausgedehnten Abszedierungen sollte großzügig die Indikation zur Revision in Narkose gestellt werden. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Evidenzlevel: 4

  • Empfehlungsgrad: B (Begründung: Aus ethischen Gründen ist eine Überprüfung dieser allgemein akzeptierten Aussage durch randomisierte Studien nicht möglich.)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Indikation zur primären Fistelsanierung

Die vorliegende Literatur deutet darauf hin, dass eine im Rahmen der Abszessspaltung nachgewiesene Fistel nicht immer zu einem Folgeeingriff zwingt bzw. dass auch ein Spontanverschluss der Fistel nach großzügiger Drainage möglich ist [40, 80, 96]. So mussten in einer randomisierten Studie von Tang et al. [114] von 24 Patienten mit subanodermalen Abszessen, bei denen im Rahmen der Abszessoperation eine Fistel nachgewiesen wurde, lediglich 14 % wegen einer persistierenden Fistel nachoperiert werden (Follow-up: 12 bis 41 Monate).

Andererseits ist der intraoperative Fistelnachweis auch von der Abszesslokalisation abhängig, da die Ausbreitung des Infekts aus dem intersphinktären Raum den späteren Fistelverlauf [83] bestimmt. So fanden sich in einer prospektiven Studie [80] bei den subanodermalen Abszessen lediglich in 4 % Fisteln (1,5 % intersphinktär, 2,4 % nicht klassifizierbar), bei den intersphinktären Abszessen in 35,7 % Fisteln (26,8 % intersphinktär, 8,9 % transsphinktär), bei den ischioanalen Abszessen in 47,5 % Fisteln (6,3 % intersphinktär, 41,3 % transsphinktär) und bei den supralevatorischen Abszessen in 33,3 % Fisteln (25,0 % transsphinktär, 8,3 % suprasphinktär).

In der Literatur aus Tab. 5 handelt es sich überwiegend um Zusammenstellungen verschiedener Abszesslokalisationen aus einer Klinik mit verschiedenen Operationstechniken und dem Ziel „definitiver Heilung“. Leider klassifizieren die meisten Autoren weder die Lokalisation des Abszesses noch der Fistel. Der Evidenzgrad der vorliegenden Publikationen ist insgesamt sehr niedrig. Neuere Publikationen sind selten. Durch die große Heterogenität der Arbeiten gestaltet sich die Zusammenstellung in einer Übersichtstabelle sehr schwierig. Der primäre Fistelnachweis gelang zwischen 26 % und 100 %. Lediglich 3 Studien unterscheiden im Verlauf zwischen persistierender Fistel und Rezidivabszess. Insgesamt liegt die Rezidivrate nach reiner Drainage höher als nach primärer Fistelspaltung (Rezidivrate nach Drainage: 4–88 % [Median: 34 %], nach Fistelspaltung: 0–32 % [Median: 4 %]). Kontinenzstörungen werden i. d. R. nur kursorisch dargestellt. Die vergleichenden Studien finden höhere Inkontinenzraten nach primärer Fistelspaltung, wobei in einigen Studien auch eine großzügige Spaltung hoher Fisteln erfolgte, was im Hinblick auf inakzeptable Inkontinenzraten vor dem Hintergrund der aktuellen Literatur als obsolet anzusehen ist (s. Leitlinie „Kryptoglanduläre Analfisteln“ [83]).

Eine aktuelle Arbeit [111] aus Wien vergleicht die alleinige Drainage und die Drainage mit Fistelexzision in einer retrospektiven Studie, bei der von 300 operierten Patienten aber nur 173 ausgewertet werden konnten. Das Follow-up war mit 121 (77–171) Monaten sehr hoch. Auffällig und abweichend von anderen Studien war, dass bei 90 % der Patienten initial eine Fistel diagnostiziert wurde. Nach reiner Drainage (n = 10) traten erwartungsgemäß keine Kontinenzstörungen auf, nach Drainage und simultaner Fistelspaltung (n = 45) traten bei 13 % Kontinenzstörungen auf (9 % leicht, 4 % schwer). 68 % der Patienten mussten mehrfach operiert werden. Bei diesen traten in 20 % Kontinenzstörungen auf.

Insgesamt 6 randomisierte Studien vergleichen die reine Exzision mit der primären Fistelspaltung. Hebjorn et al. [41] verglichen 20 vs. 18 perianale Abszesse und sehen keinen Unterschied in Bezug auf Rezidiv- und sekundäre Fistelbildung, wobei die Rate der Kontinenzstörungen nach Spaltung höher war. Ho et al. [45] beobachteten bei 23 bzw. 28 perianalen Abszessen eine höhere Rate persistierender Fisteln nach reiner Exzision ohne Kontinenzstörungen in beiden Gruppen. Fraglich ist in beiden Publikationen die Definition des Begriffs perianal, da nicht klar ist, ob hier nur die subanodermalen Fisteln und nicht auch intersphinktäre Fisteln gemeint sind. Somit ist eine Überschneidung mit der Acne inversa nicht auszuschließen. Relevanter sind die Ergebnisse der randomisierten Studien von Schouten et al. [100] und Tang et al. [114] mit subanodermalen und ischiorektalen Abszessen. Schouten et al. [100] wiesen in der Gruppe mit primärer Spaltung in 94 % der Fälle eine Fistel nach. Die Rezidivrate (Abszess/Fistel) betrug 2,9 %, die Inkontinenzrate 39,4 %. In der Exzisionsgruppe wurde bei 82 % eine nachgewiesene Fistel belassen, davon mussten 40,6 % erneut operiert werden bei einer Rate an Kontinenzstörungen von 21,8 %. Das Follow-up war mit 42,5 Wochen relativ lang. Die Arbeit von Tang et al. wurde oben bereits dargestellt. Die Arbeit von Oliver aus dem Jahr 2003 [79] vergleicht hier 100 unterschiedliche Abszesse (55 % subanodermal, 17 % intersphinktär, 28 % ischioanal). In der Gruppe mit primärer Spaltung wurde bei 83 % eine Fistel nachgewiesen und gespalten. Insgesamt 5 % der Patienten mussten erneut operiert werden, wobei die Rate der Kontinenzstörungen 2,8 % betrug. Dabei wurde eine Spaltung nur bei oberflächlichen Fisteln durchgeführt und bei den hohen Fisteln eine Fadendrainage eingelegt. In der Exzisionsgruppe finden sich keine Angaben über die Häufigkeit des primären Fistelnachweises. Insgesamt 29 % mussten erneut operiert werden, Kontinenzstörungen wurden nicht beobachtet. Eine aktuelle griechische Arbeit [32] fand im Follow-up nach 12 Monaten nach einfacher Exzision und Drainage eine signifikant höhere Rezidivrate als nach Exzision und primärer Fistelbehandlung (44 % vs. 6 %). Die Fistelbehandlung bestand in Spaltung bei intersphinktären Fisteln und Fadeneinlage bei hohen Fisteln. Ob sich bei den Rezidiven in Gruppe 1 um wirkliche Abszessrezidive oder sezernierende Analfisteln handelte wird leider nicht beschrieben. Gleichzeitig war in der Gruppe mit primärer Fisteloperation auch eine signifikante Anzahl von Kontinenzstörungen zu beobachten. Als Kritikpunkte an dieser Studie ist einzuwenden, dass ein Großteil der Eingriffe in Sedierung oder Lokalanästhesie erfolgte, so dass die Frage der ausreichenden Drainage mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Von den nachgewiesenen Fisteln in Gruppe 2 wurden 41 % mit einem schneidenden Faden behandelt. Es ist außerdem unklar, warum in einer randomisierten Studie in der einen Gruppe kein Patient eine Fistel hatte, während sich in der zweiten Gruppe bei 90 % der Patienten eine Fistel zeigte, obwohl z. B. 28 Patienten lediglich einen perianalen Abszess aufwiesen.

Insgesamt deuten die Arbeiten darauf hin, dass die primäre Spaltung die Reoperationsrate senkt, jedoch unter Inkaufnahme einer erhöhten Rate an Kontinenzstörungen. Leider finden sich in keiner Studie Angaben über die Art der gespaltenen Fisteln. Noch wichtiger erscheint jedoch die Tatsache, dass die Mehrzahl der Patienten mit belassener Fistel nicht erneut operiert wurde, so dass grundsätzlich auch eine Spontanheilung nicht unmöglich erscheint.

Bei oberflächlichen Fisteln scheint eine primäre Fistelspaltung sinnvoll zu sein, um Rezidive zu verhindern und den i. d. R. jungen Patienten einen erneuten Eingriff zu ersparen. Wie bei den Analfisteln beschrieben, steigt jedoch die Inkontinenzrate mit der Menge des durchtrennten Schließmuskelanteils und der Anzahl der Voroperationen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass häufig die Abszessexzision notfallmäßig und von weniger erfahrenen Operateuren durchgeführt wird, so dass die Frage der Fistelspaltung in diesen Fällen besser im Rahmen eines Zweiteingriffs durch einen erfahrenen Operateur entschieden werden sollte. Insbesondere bei unklarem Fistelverlauf sollte eine definitive Fistelsanierung immer im Rahmen eines Zweiteingriffs unter optimalen elektiven Bedingungen erfolgen. Der Stellenwert der Fistelspaltung wird in der Leitlinie „Kryptoglanduläre Analfisteln“ [83] umfassend abgehandelt. Die häufigste Indikation zur primären Fistelspaltung ergibt sich wahrscheinlich bei intersphinktären Abszessen, bei denen oberflächliche intersphinktäre Fisteln simultan gespalten werden können. Da dieses Verfahren auch bei Persistenz die Therapie der Wahl wäre, kann dem Patienten so ein zweiter Eingriff erspart werden.

Bei nachgewiesener Fistel kann durch die Einlage einer Fadendrainage eine gute Drainage erzielt und der Fistelkanal für eine sekundäre Operation unter elektiven Bedingungen vorbereitet werden. Andererseits deutet die Literatur jedoch darauf hin, dass sich ein relevanter Teil der nachgewiesenen Fisteln spontan verschließt. Die Wertigkeit der Fadendrainage ist nicht eindeutig geklärt. Aktuelle, z. T. kontrovers diskutierte Arbeiten [3, 34, 74] zeigten keinen Vorteil der liegenden Fadendrainage für den Erfolg eines plastischen Fistelverschlusses. Ein Vorteil dieses Vorgehens scheint jedoch bei komplexen Abszessen, z. B. Hufeisenabszessen, zu bestehen [113].

Fazit für die Praxis.

Bei oberflächlichen Fisteln soll durch den erfahrenen Operateur eine primäre Fistelspaltung erfolgen. Bei unklaren Befunden oder hohen Fisteln soll die Sanierung in einem Zweiteingriff erfolgen. Eine primäre Fistelspaltung ist mit einem erhöhten Inkontinenzrisiko assoziiert. Dies sollte Bestandteil der Operationsaufklärung sein. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Evidenzlevel: 1a

  • Empfehlungsgrad: A

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Häufigkeit des sekundären Fistelnachweises

Neben dem Rezidivabszess stellt die Ausbildung einer Analfistel, die zu einer erneuten Intervention zwingt, die häufigste Folgeerscheinung nach einer Abszessoperation dar. Während in älteren Studien [14] eine Untersuchung zur Fistelsuche 2 Wochen nach einer Abszessspaltung empfohlen wurde, konnte sich dieses Verfahren in neueren Arbeiten nicht durchsetzen. Die beschriebenen Arbeiten zeigen, dass nur ein Teil der wegen eines Abszesses Operierten sekundär wegen einer Fistel reoperiert werden musste. Nach Auswertung der Literatur führen lediglich 30 % der Abszesse zu einer persistierenden Fistel [65, 96, 105].

Im Jahr 1984 untersuchten Vasilevsky et al. [119] den Krankheitsverlauf von 117 Patienten nach Drainage ohne Fistelspaltung. Während nach operativer Behandlung von intersphinktären Abszessen keine Rezidive gesehen wurden, entwickelten von 83 Patienten, die infolge von subanodermalen und ischioanalen Abszessen operiert worden waren, 11 % ein Abszessrezidiv und 37 % eine persistierende Fistel (Follow-up: 106 Monate). Bei der Mehrzahl dieser Patienten (87 %) war ein ischioanaler Abszess behandelt worden, und bei 32 % lag ein Rezidivabszess vor. Scoma et al. [101] beschreiben eine ähnlich hohe sekundäre Fistelrate mit 66 %. Dazu muss jedoch festgehalten werden, dass in beiden Studien lediglich Inzisionen in Lokalanästhesie durchgeführt wurden.

Die Häufigkeit des sekundären Fistelnachweises bei anorektalen Abszessen wurde 1986 von Henrichsen et al. [42] prospektiv untersucht. Von 50 Patienten wurde bei 13 (26 %) entweder im Rahmen der Abszessoperation oder sekundär innerhalb von 6 Monaten eine Fistel nachgewiesen. Insbesondere der intraoperative Nachweis von Darmbakterien war mit einer Fistel assoziiert. Hämäläinen et al. [40] untersuchten 146 Patienten ohne Voroperationen nach Drainage eines anorektalen Abszesses. Im Rahmen eines Follow-up von 99 (22–187) Monaten entwickelten 37 % der Patienten eine Fistel und weitere 10 % einen Rezidivabszess. Frauen bildeten häufiger Fisteln aus. Auch Hämäläinen et al. verweisen auf die häufige E.-coli-Besiedelung von Fisteln, die als ein Hinweis auf eine vom Darm ausgehende Entzündung mit persistierender Verbindung gewertet werden. In einer Literaturübersicht von Arbeiten aus den 1960er bis 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts sahen Hämäläinen et al. ein Rezidiv nach Abszessdrainage ohne Fistelspaltung im Sinne einer persistierenden Fistel zwischen 7 und 66 % (Median: 16 %) und in Form eines Abszesses zwischen 4 und 31 % (Median: 13 %). Diese Ergebnisse weisen die Drainage als eine ausreichende Therapie des Abszesses aus, da nur bei einem kleinen Teil der Operierten eine persistierende Fistel auftritt.

Eine weitere prospektive Studie untersucht anhand von 324 Patienten die Inzidenz des sekundären Fistelnachweises [80]. Dabei fanden sich nach subanodermalen Abszessen in 2,5 % intersphinktäre, in 3,4 % transsphinktäre und in 1,7 % unklassifizierbare Fisteln (gesamt 7,6 %), nach intersphinktären Abszessen in 2,9 % intersphinktäre Fisteln, in 1,4 % transsphinktäre und in 1,4 % suprasphinktäre Fisteln (gesamt 5,7 %). Nach ischioanalen Abszessen fanden sich in 23,5 % transsphinktäre und in 2,9 % unklassifizierbare Fisteln (gesamt: 26,4 %) sowie nach supralevatorischen Abszessen in 12,5 % transsphinktäre und in 6,3 % suprasphinktäre Fisteln (gesamt: 18,8 %). Nach subanodermalen und intersphinktären Abszessen fanden sich somit nur wenige und oberflächliche Fisteln, die überwiegend gespalten werden konnten, während sich nach ischioanalen und supralevatorischen Abszessen wesentlich häufiger Fisteln fanden, die überwiegend trans- und suprasphinktär verliefen. Die Rate der Rezidivabszesse war insbesondere nach supralevatorischen Abszessen mit 25,0 % hoch. Deutlich niedriger war sie nach subanodermalen Abszessen mit 7,3 %, nach intersphinktären Abszessen mit 8,0 % und nach ischioanalen Abszessen mit 10,9 %. Ähnliche Ergebnisse mit höheren Fistelraten nach ischioanalen und intersphinktären Abszessen gegenüber der subanodermalen Lokalisation beschreibt auch eine aktuelle Studie [105] (Fistelrate nach subanodermalem Abszess: 14 %, nach intersphinktärem Abszess: 35 %, nach ischioanalem Abszess: 60 %).

In einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2009 [39] erfolgt die retrospektive Auswertung von 149 Patienten, die wegen der Erstmanifestation eines Analabszesses operiert worden waren. Im Rahmen eines Follow-up von 38 Monaten betrug die kumulative Reoperationsrate für Fistel oder Abszess 36,5 %. Als wichtigster Faktor für ein Rezidiv wurde ein Alter von unter 40 Jahren herausgearbeitet. Nichtsignifikante Unterschiede wurden gesehen für Frauen vs. Männer, Raucher vs. Nichtraucher, perioperative Antibiose ja/nein und HIV ja/nein. Die Lokalisation des Abszesses und das Ausmaß der Drainage werden nicht berücksichtigt.

Zusammenfassend ist die Rate der Rezidivabszesse und persistierenden Fisteln relativ gering. Das heißt, dass nur ein kleiner Teil der Abszesse zu einer persistierenden Fistel führt. Die Wahrscheinlichkeit der Fistelentstehung hängt von der Abszesslokalisation ab. Während sich nach subanodermalen oder intersphinktären Analabszessen selten und überwiegend oberflächliche Fisteln entwickeln, steigt die Rate der komplexen Fisteln bei den ischioanalen und supralevatorischen Abszessen deutlich an. Die Inzidenz ist vom Abszesstyp abhängig und kann bei ischioanalen und supralevatorischen Abszessen bei bis zu 40 % liegen [21, 55, 79, 100].

Fazit für die Praxis.

Ein Teil der Analabszesse resultiert in einer Analfistel. Das Risiko ist von der Abszesslokalisation abhängig. Am häufigsten entwickeln sich Fisteln nach ischioanalen und supralevatorischen Abszessen. Aus diesem Grund sollte keine forcierte Fistelsuche im Rahmen der Erstoperation erfolgen. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Evidenzlevel: 3

  • Empfehlungsgrad: B (Begründung: Aus ethischen Gründen ist eine Überprüfung dieser allgemein akzeptierten Aussage durch randomisierte Studien nicht möglich.)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Operative Therapie: Reviews

Im Vergleich zu den kryptoglandulären Analfisteln ist die Literatur über die Behandlungsoptionen der Analabszesse sehr gering. Überwiegend stammt sie aus der Zeit vor 1990, und nur ein kleiner Teil der hier ausgewerteten Arbeiten wurde nach 2000 veröffentlicht.

Die operative Therapie des Analabszesses wurde bisher in 3 Metaanalysen [92, 95, 123] und in den Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Koloproktologie [124] abgehandelt. Aufgrund des Alters dieser Publikationen ist der Stellenwert für aktuelle Behandlungsrichtlinien gering.

Eine Cochrane-Analyse erschien im Jahr 2010 [71]. Sie beruht erwartungsgemäß auf den gleichen 6 randomisierten Studien, deren aktuellste im Jahr 2003 erschien. Die Autoren folgern aus den Daten, dass die primäre Fistelspaltung die Rate an Rezidiven bzw. persistierenden Fisteln, die eine erneute Operation zur Folge haben, signifikant senkt. Bezüglich der Inkontinenz wurde kein signifikanter Unterschied gesehen, so dass die primäre Fistelspaltung für sorgsam ausgewählte Patienten empfohlen wird. Aktuellere Arbeiten liegen nicht vor.

Im Jahr 2011 wurde von Steele et al. eine Revision der Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Koloproktologie vorgestellt [107].

Folgende Aussagen zu den Analfisteln sind enthalten:

Diagnostik

  • Eine krankheitsspezifische Anamneseerhebung und klinische Untersuchung sollten erfolgen (starke Empfehlung, Evidenzlevel 1c)

  • Untersuchungsmethoden wie Fistulographie, Endosonographie, Computertomographie und MRT sollten bei ausgewählten Patienten zur Diagnostik eingesetzt werden (starke Empfehlung, Evidenzlevel 1c)

  • Patienten mit einem akuten Analabszess sollten zeitnah durch Inzision und Drainage behandelt werden (starke Empfehlung, Evidenzlevel 1c)

  • Antibiotika haben einen limitierten Stellenwert beim unkomplizierten Abszess (starke Empfehlung, Evidenzlevel 1b)

  • Eine Therapie sollte erwogen werden bei Phlegmonen, ausgeprägter Immunsuppression und begleitenden Allgemeinsymptomen (schwache Empfehlung, Evidenzlevel 2c)

  • Eine simultane Fistelspaltung kann bei ausgewählten Patienten im Rahmen der Abszessdrainage erwogen werden (schwache Empfehlung, Evidenzlevel 2b)

2015 erschien ein Konsensuspapier der Italienischen Gesellschaft für Kolorektale Chirurgie (SICCR) von Amato et al. [7]. Hier finden sich folgende Aussagen zur Behandlung des Analabszesses:

  1. 1.

    Bildgebende Techniken können bei ausgewählten Patienten erwogen werden (Empfehlungsgrad 1C)

  2. 2.

    Eine Computertomographie scheint bei komplexen Analabszessen sinnvoll zu sein (Empfehlungsgrad 1C)

  3. 3.

    Eine Antibiotikatherapie ist bei unkomplizierten Abszessen nicht erforderlich (Empfehlungsgrad 1B)

  4. 4.

    Die Standardtherapie beim Analabszess besteht in der Inzision und Drainage (Empfehlungsgrad 1B). Ein supralevatorischer Abszess mit intersphinktärer Fistel sollte transanal drainiert werden, während bei einem infralevatorischen Abszess ein Zugang durch die Fossa ischioanalis gewählt werden sollte.

  5. 5.

    Ursache des Rezidivs stellen die inadäquate Drainage, unzureichende Eröffnung von gekapselten Anteilen und die inadäquate Behandlung des transsphinktären Fistelgangs dar (Empfehlungsgrad 1B)

  6. 6.

    Die Platzierung einer Fadendrainage sollte bei klarer Identifikation des inneren Fistelostiums erwogen werden (Empfehlungsgrad 1B)

  7. 7.

    Die Indikation zur primären Fistelspaltung wird weiterhin kontrovers diskutiert und kann bei ausgewählten Patienten erwogen werden (Empfehlungsgrad 1B)

Perioperatives Management

Narkose

Der Eingriff sollte generell in Allgemein- oder Regionalanästhesie erfolgen. Eine Lokalanästhesie verbietet sich i. d. R. wegen des lokalen entzündlichen Geschehens. Vorteil einer Allgemein- oder Regionalanästhesie ist weiterhin die Möglichkeit der schmerzfreien Untersuchung des Analkanals (Sperrer!) im Rahmen der Fistelsuche.

Darmvorbereitung

Eine spezielle Darmvorbereitung ist nicht erforderlich und in den meisten Fällen auch schmerzbedingt nicht möglich.

Fazit für die Praxis.

Eine spezielle Darmvorbereitung ist nicht erforderlich.

  • Evidenzlevel: 4

  • Empfehlungsgrad: B (Begründung: Aus ethischen Gründen ist eine Überprüfung dieser allgemein akzeptierten Aussage durch randomisierte Studien nicht möglich.)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Reinigung und Wundversorgung nach Analchirurgie

Die postoperative Nachsorge nach Analchirurgie ist fast immer unproblematisch. Die äußere anale Wunde heilt planmäßig stets sekundär. Durch regelmäßiges Austasten der Wunde können Sekretverhalte in der Tiefe vermieden werden. Insbesondere während der Heilungsphase sollte Verstopfung vermieden und darauf geachtet werden, dass der Stuhl weich ist.

Die Reinigung der äußeren Analregion erfolgt in aller Regel durch Ausduschen mit Wasser von Trinkwasserqualität. Für die Reinigung der Analregion sind bei der Routineversorgung weitere oder spezielle Maßnahmen aus Sicht der Autoren dieser Leitlinie weder erforderlich noch üblich, auch existieren keine klinischen Studien zur Behandlung von beabsichtigt offen bzw. sekundär heilenden analen Wunden mit Leitungswasser.

Bereits seit Längerem wird diskutiert, ob Lösungen zur postoperativen Reinigung der Analregion den Anspruch auf Sterilität erfüllen müssen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Leitungswasser von Trinkwasserqualität ebenso effektiv in der Vermeidung von Wundinfektionen sein kann wie die Reinigung und Spülung mit physiologischer Kochsalz- oder Ringerlösung [50]. Eine endgültige Bewertung von Lösungen zur Wundspülung ist aufgrund des fehlenden klinischen Vergleichs mit einheitlichem Studiendesign jedoch zurzeit nicht möglich. Aus der proktologischen Erfahrung ist bekannt, dass für den Dekontaminationserfolg gerade auch die Menge der Spüllösung entscheidend sein dürfte. Dies kann zur Erklärung dienen, warum bei der Anwendung von Trinkwasser regelmäßig klinisch günstige Resultate erzielt werden [50].

Ungeachtet dessen gilt, dass zum Spülen steril zu versorgender Wunden einschließlich infizierter, planmäßig jedoch primär heilender Wunden nur sterile Lösungen verwendet werden [97], z. B. sterile Kochsalz-, Ringer-Laktat-Lösung, physiologische BSS(„balanced salt solution“)- bzw. PBS(„phosphate-buffered saline“)-Lösungen oder sterilgefiltertes Wasser (über endständige Sterilfilter am Wasserauslass).

Fazit für die Praxis.

Es ist Sorge zu tragen, dass sich die äußere Drainageöffnung nicht vorzeitig verschließt (Schnittführung, Austasten der Wunde). Der Analbereich muss regelmäßig durch Spülung gereinigt werden.

  • Evidenzlevel: 4

  • Empfehlungsgrad: B (Begründung: Aus ethischen Gründen ist eine Überprüfung dieser allgemein akzeptierten Aussage durch randomisierte Studien nicht möglich.)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Antibiotikatherapie

Im Rahmen der Eröffnung von Abszessen wird eine einmalige antiseptische Spülung empfohlen [49]. In Frage kommen die Substanzen Polihexanid und ggf. PVP-Jod. Insgesamt wird empfohlen, diese nur nach sorgfältiger Indikationsstellung anzuwenden, da ansonsten Störungen der Wundheilung resultieren können [57]. Auf eine Spülung mit Octenidin (Octenisept®) sollte wegen einer relevanten Gefahr von Gewebsreaktionen verzichtet werden [44, 46].

Der Stellenwert einer begleitenden Antibiotikatherapie zur Abszessdrainage wird von Nunoo-Mensah et al. [78] aufgearbeitet. Die Auswertung der Daten von 56 Patienten mit oder ohne Breitspektrumantibiose ergab einen statistisch nicht signifikanten Vorteil für die Antibiotikatherapie zur Fistelprophylaxe, v. a. bei Patienten mit Komorbidität. Untersuchungen zur begleitenden Antibiotikatherapie nach Eröffnung von Abszessen der Körperoberfläche, die in den 1970er und 1980er Jahren z. T. als randomisierte Studien durchgeführt wurden, ergaben keinen Vorteil für die begleitende Antibiotikatherapie [64, 67, 110]. Eine aktuelle randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie [105] mit jeweils 92 Patienten fand im 1‑Jahres-Follow-up bei 29,8 % eine Fistel (mit Antibiose: 37,3 %, ohne Antibiose: 22,4 %). Somit konnte kein Vorteil für eine perioperative Antibiose dargestellt werden. Im Gegensatz dazu verweist lediglich eine aktuelle thailändische Arbeit auf ein gehäuftes Auftreten von Fisteln bei Patienten ohne Antibiotikatherapie [65]. In diesem Zusammenhang ist auf die weltweit zunehmende Resistenzentwicklung durch den unkritischen Einsatz von Antibiotika zu verweisen [57]. Ähnliches gilt für den Einsatz von sog. Lokalantibiotika, die neben der Resistenzentwicklung auch die Gefahr der lokalen Zytotoxizität in sich bergen [57].

Fazit für die Praxis.

Eine perioperative Antibiotikatherapie ist nur bei ausgeprägter (phlegmonöser) Entzündung und bei Risikopatienten (Diabetes mellitus, Immunsuppression, HIV) sinnvoll. Die Anwendung von lokalen Antiseptika birgt die Gefahr der Zytotoxizität.

  • Evidenzlevel: 4

  • Empfehlungsgrad: 0

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Tamponade

Den Einfluss einer Tamponade auf die Fistelentstehung untersuchten Tonkin et al. [115] in einer vergleichenden Studie. Eine Analfistel bildete sich in 20 % der Fälle nach postoperativer Tamponade und in 10 % der Fälle ohne Tamponade. Die Abszessrezidivrate war mit 5 % in der ersten Gruppe niedriger gegenüber 15 % in der zweiten Gruppe. Die Heilungsdauer war in beiden Gruppen nahezu gleich (24 vs. 21 Tage). Eine randomisierte Studie untersuchte die Notwendigkeit einer regelmäßigen Tamponade nach Abszessinzision [89]. In beiden Gruppen wurde die Abszesswunde intraoperativ zur Blutstillung tamponiert. Es zeigten sich keine Unterschiede in Bezug auf die Rezidivrate, während die Schmerzintensität in der Gruppe ohne Tamponade niedriger war. Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass auf eine regelmäßige Wundtamponade postoperativ verzichtet werden kann.

Eine weitere Studie untersuchte die Notwendigkeit einer Tamponade lediglich bei kindlichen Abszessen [61].

Fazit für die Praxis.

Auf eine wiederholte postoperative Wundtamponade soll verzichtet werden.

  • Evidenzlevel: 1b

  • Empfehlungsgrad: A

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Komplikationen

Komplikationen nach Analabszesseingriffen unterscheiden sich grundsätzlich nicht von anderen Analeingriffen. Im unmittelbaren perioperativen Verlauf sind dabei die lokale Nachblutung, die in einigen Fällen operativ behandelt werden muss, und der Harnverhalt zu erwähnen. Dieser stellt keine prozedurspezifische Komplikation dar und tritt auch häufiger nach Hämorrhoidenoperationen auf. Risikofaktoren für den postoperativen Harnverhalt sind dabei insbesondere die unzureichende Schmerztherapie und eine zu hohe intravenöse Flüssigkeitszufuhr [116, 129].

Inkontinenzerscheinungen sind durch die Analabszessoperation bei sachgerechter Durchführung nicht zu erwarten. Mögliche Ursachen einer postoperativen Kontinenzstörung stellen die verringerte Compliance des Rektums durch Narbenbildung bei ausgedehnter Entzündung und die zu großzügige Durchtrennung von Schließmuskelanteilen im Rahmen der Abszessdrainage unter dem Ziel „Fistelsuche“ dar. Des Weiteren wird auf den entsprechenden Passus der Leitlinie „Kryptoglanduläre Analfisteln“ [83] verwiesen.

Fazit für die Praxis.

Komplikationen nach Analabszessoperationen unterscheiden sich nicht von denen nach anderen Analeingriffen und betreffen insbesondere die Nachblutung und den Harnverhalt. Kontinenzstörungen nach reiner Abszessoperation sind selten und durch ein Schließmuskel schonendes Vorgehen weitgehend vermeidbar. Eine Veränderung der Leitlinienempfehlungen durch neue Studien gegenüber der Erstfassung ergibt sich nicht.

  • Empfehlungsgrad: KKP (klinischer Konsensuspunkt)

  • Konsensusstärke: starker Konsens

Fazit für die Praxis

Evidenzbasierte Behandlung des Analabszesses

  • Analabszesse sind relativ häufig. Sie treten bevorzugt bei jungen männlichen Erwachsenen auf.

  • Den Ursprung des Abszesses bilden i. d. R. die Proktodealdrüsen des Intersphinktärraums. Es wird unterschieden zwischen subanodermalen, intersphinktären, ischioanalen und supralevatorischen Abszessen.

  • In der Diagnostik sind die Anamnese und die klinische Untersuchung für die Operationsindikation ausreichend. Weiterführende Untersuchungen (Endosonographie, MRT) sollten bei Rezidivabszessen oder supralevatorischen Abszessen erwogen werden. Der Vorteil der MRT besteht in der schmerzfreien präoperativen Darstellung.

    (Empfehlungsgrad: KKP; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Der Zeitpunkt der operativen Intervention wird v. a. durch die Symptomatik bestimmt und sollte entsprechend der Sepsisleitlinien behandelt werden, wobei der akute Abszess immer eine Notfallindikation darstellt.

    (Empfehlungsgrad: KKP; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Die Therapie des Analabszesses erfolgt operativ. Der Zugang (transrektal oder perianal) richtet sich nach der Abszesslokalisation. Ziel der Operation ist eine großzügige Drainage des Infektionsherdes unter Schonung der Schließmuskelstrukturen.

    (Empfehlungsgrad: KKP; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Eine intraoperative Fistelsuche sollte allenfalls sehr vorsichtig erfolgen, ein Fistelnachweis nicht erzwungen werden.

    (Evidenzlevel: 3; Epfehlungsgrad: B; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Das Risiko einer Reabszedierung oder sekundären Fistelbildung ist insgesamt gering; die Ursache kann in einer unzureichenden Drainage bestehen. (Evidenzlevel: 4; Empfehlungsgrad: 0; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Eine primäre Fistelspaltung soll nur bei oberflächlichen Fisteln durch einen erfahrenen Operateur erfolgen. Bei unklaren Befunden oder hohen Fisteln soll die Sanierung in einem Zweiteingriff erfolgen.

    (Evidenzlevel: 1a; Empfehlungsgrad: A; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Der Analbereich sollte regelmäßig durch Spülung gereinigt werden. Ein zu frühes Verkleben der Wunde ist zu verhindern.

    (Evidenzlevel: 4; Empfehlungsgrad: B; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Die Anwendung von lokalen Antiseptika birgt die Gefahr der Zytotoxizität. Eine Antibiotikatherapie ist nur in Ausnahmefällen erforderlich.

    (Evidenzlevel: 4; Empfehlungsgrad: 0; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Auf eine wiederholte Wundtamponade soll verzichtet werden.

    (Evidenzlevel: 1b; Empfehlungsgrad: A; Konsensusstärke: starker Konsens)

  • Komplikationen nach Analabszessoperationen unterscheiden sich nicht von denen nach anderen Analeingriffen. Kontinenzstörungen nach reiner Abszessoperation sind selten und durch ein Schließmuskel schonendes Vorgehen weitgehend vermeidbar.

    (Empfehlungsgrad: KKP; Konsensusstärke: starker Konsens)

Tab. 1 Definition von Evidenzlevel und Empfehlungsgrad [99]
Abb. 1
figure 1

Korrelation zwischen Evidenzstärke (Evidenzgrad) und Empfehlungsgrad. (Aus [99])

Tab. 2 Definition von Evidenzlevel und Empfehlungsgrad [90, 99]
Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Lokalisation von Analabszessen (aus [81])

Tab. 3 Mitglieder der Konsensusgruppe
Tab. 4 Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Abszesstypen (Angaben in Prozent)
Abb. 3
figure 3

Therapiealgorithmus beim Analabszess

Tab. 5 Evidenztabelle. Ergebnisse der operativen Therapie (Literaturübersicht). In Bezug auf die möglichen Therapieoptionen wurden neben den randomisierten Studien alle Arbeiten ausgewertet, die Follow-up-Ergebnisse nach operativer Intervention lieferten