Die Colitis ulcerosa ist eine weltweit stark zunehmende chronisch-entzündliche Darmerkrankung mit einer kontinuierlichen Entzündung der Kolonmukosa unterschiedlichen Ausmaßes. Am häufigsten manifestiert sie sich als Proktosigmoiditis oder linksseitige Kolitis. Da eine topische Therapie bis zur linken Kolonflexur effektiv sein kann, sind bis zu 75 % der Patienten mit einer topischen Therapie im gesamten befallenen Bereich behandelbar. Aber auch bei einer Pankolitis kann eine topische Therapie zusätzlich zur systemischen Therapie zur Symptomenkontrolle beitragen, weil das klinische Bild der wässrigen und blutigen Durchfälle vor allem auf die Entzündung im distalen Kolon zurückzuführen ist.

Durch Ihr Befallsmuster ist die mukosale Entzündung der Colitis ulcerosa ideal mit topischen Therapien zu behandeln. Etwa 50–60 % der Colitis-ulcerosa-Patienten zeigen eine Proktosigmoiditis, 20–30 % eine linksseitige Kolitis und nur etwa 20–25 % eine Pankolitis. Die stärkste Entzündung findet sich bei der unbehandelten Kolitis immer im Rektum. Da eine topische Therapie je nach Applikationsform und Zubereitung bis zur linken Kolonflexur (und teils darüber hinaus) effektiv sein kann, können also bis zu 75 % der Patienten mit Colitis ulcerosa im gesamten befallenen Bereich mit einer topischen Therapie behandelt werden.

Eine Proktitis kann mit Suppositorien behandelt werden (Abb. 1a). Im Falle der Proktosigmoiditis und der linksseitigen Kolitis eignen sich Schaumpräparationen und Einläufe (Klysmen) besser, da sie sich besser nach proximal verteilen. Die Verteilung der topischen Therapieformen wurde mittels Szintigraphie untersucht und zeigt insbesondere im Stadium der stärkeren Entzündung auch eine Verteilung über die linke Kolonflexur hinaus [1, 3]. Während sich Schaumpräparationen besser und kontinuierlicher im Rektum und Sigma verteilen, können flüssige Formulierungen wie Einläufe sich mehr nach proximal verteilen [2]. Selbst wenn sich aber bei einer Pankolitis durch topische Therapien im proximalen Kolon keine Remission erreichen lässt, wird häufig eine komplette klinische Remission schon durch die Remission im distalen Kolon bewirkt.

Abb. 1
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Übersicht über die Möglichkeiten einer topischen Therapie in verschiedenen klinischen Situationen bei Patienten mit Colitis ulcerosa. a Proctitis ulcerosa, b distale Colitis ulcerosa, c ausgedehnte Colitis ulcerosa, d Remissionserhaltung

Etablierte topische Therapien enthalten neben 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) auch Steroide wie Hydrokortison oder Budesonid. Die genannten Substanzen können für die Induktion einer Remission angewandt werden. Für die Remissionserhaltung eignen sich 5-ASA-Präparationen.

Remissionsinduktion

Bei milder oder mäßiger Ausprägung einer Colitis ulcerosa sollte 5-ASA als Therapie der ersten Wahl zur Remissionsinduktion verwendet werden (Abb. 1).

Proctitis ulcerosa

Die Therapie der ersten Wahl bei Proctitis ulcerosa sind 5-ASA-Suppositorien (Abb. 1; [29]). Bei der Verabreichung von Suppositorien wird die Rektumschleimhaut besser durch die Wirksubstanz benetzt als durch Einlauf (Klysmen) oder Schaumpräparate. Im Rahmen klinischer Studien zur Erreichung einer Remission bei Proctitis ulcerosa erwiesen sich jedoch alle topischen 5-ASA-Präparationen gleich effektiv. Suppositorien mit 1000 mg 5-ASA einmal täglich sind wirksam und können als am besten praktikable topische Therapie empfohlen werden [6, 8, 19, 29]. Bei etwa 2 Dritteln der Patienten mit Proctitis ulcerosa wird eine Remission durch die topische Therapie mit Suppositorien erreicht [17]. Eine Dosis von mehr als 1 g 5-ASA täglich als Suppositorium scheint nicht sinnvoll zu sein.

Die topische 5-ASA-Therapie ist für die Remissionsinduktion effektiver als die topische Verabreichung von Steroiden [18]. Dennoch werden topische Steroide als Second-Line-Therapie bei Patienten eingesetzt, die eine topischen 5-ASA-Therapie nicht tolerieren oder eine Unverträglichkeit zeigen (Abb. 1a). Eine echte Unverträglichkeit für topische 5-ASA-Präparationen ist allerdings selten. Auch eine Unverträglichkeit der oralen Präparationen ist nicht immer auf die Wirksubstanz selbst zurückzuführen, sondern kann auch mit Begleitsubstanzen wie z. B. Eudragit® für die galenische Formulierung zusammenhängen.

Selbst bei einer Unverträglichkeit der oralen Präparation kann daher eine topische Anwendung versucht werden. Bei Vorliegen einer Symptomenpersistenz trotz adäquater topischer Monotherapie mit 5-ASA sollten topische Steroide und topisches 5-ASA kombiniert werden (Abb. 1a). Bei Ineffizienz dieser Maßnahme sollte eine Kombination mit einer oralen Therapie erfolgen (Abb. 1a; [23]). 5-ASA-Suppositorien zu 1000 mg sind gleich gut wie 3 Suppositorien täglich à 500 mg.

Linksseitige Colitis ulcerosa

Die linksseitige Kolitis sollte primär mit Schaumpräparaten oder Klysmen (Einläufen) behandelt werden (Abb. 1b). Die initiale Dosis sollte mindestens 2 g 5-ASA/Tag betragen [26]. Einläufe sind in Dosierungen von 2 und 4 g 5-ASA erhältlich, Schaumpräparate auch in einer Dosierung von 1 g pro Applikation. Das Volumen liegt hier zwischen 30 ml bei Schaumpräparationen und 100 ml bei einzelnen 4-g-Einläufen.

Die Akzeptanz der topischen Therapie durch die Patienten hängt vom Volumen ab, wie entsprechende Studien belegen konnten. Volumina über 60 ml sind mit einer schlechteren Patientenadhärenz verbunden. Daher sollte bei der topischen Therapie immer auch das Volumen der verabreichten Substanz bedacht werden. Je ausgeprägter die Kolitis ist und je entzündeter die Schleimhaut, desto mehr Missempfinden und Stuhldrang löst ein höheres Volumen aus. In dieser Situation folgt sehr schnell nach Applikation wieder eine rektale Entleerung der Substanz, was die Einwirkzeiten zu stark verkürzt, um eine Wirkung erzielen zu können.

Bei ungenügender Wirkung wird topisches 5-ASA mit oralem 5-ASA ergänzt, nicht ersetzt

Bei Symptomenpersistenz trotz adäquater topischer 5-ASA-Monotherapie sollte die topische Therapie bei der linksseitigen Colitis ulcerosa analog zur Proctitis ulcerosa mit einer topischen Steroidtherapie kombiniert werden (Budesonidschäume oder Klysmen und Hydrokortisonschaum, (Abb. 1b; [23]). Falls durch die Kombination dieser topischen Präparate keine Remission erreicht werden kann, sollte orales 5-ASA zur topischen Therapie [26] hinzugefügt werden. Die Kombination von oraler und topischer Therapie erhöht die Chance auf Erreichen einer Remission. Die Kombination von oraler und topischer 5-ASA-Therapie erreicht eine signifikante Symptomenbesserung bei 88 % der Patienten, die alleinige Gabe von 4 g 5-ASA rektal bei nur 54 % der Betroffenen. Die alleinige Gabe von 2,4 g oralem 5-ASA [26] ist deutlich weniger effektiv und kann die Zielkriterien nur etwa bei 30–40 % der Patienten erreichen [21].

Ausgedehnte Kolitis, Pankolitis

Eine topische Therapie ist auch bei ausgedehnter Kolitis oder Pankolitis sinnvoll. Bei Vorliegen einer ausgedehnteren Kolitis oder Pankolitis ist die Behandlungsstrategie zunächst ähnlich der bei linksseitiger Kolitis: Sie besteht in einer Kombinationsbehandlung mit oralem und topischem 5-ASA (Abb. 1c; [21]). Insbesondere für die Entzündung im Rektum ist die Kombinationstherapie günstig und wirkt sich somit auf die Hauptsymptome Blutung und Stuhldrang aus. Allerdings muss einschränkend bemerkt werden, dass Patienten mit ausgeprägter Durchfallsymptomatik eine topische Therapie schlecht tolerieren.

Eine topische Therapie ist auch bei ausgedehnter Kolitis oder Pankolitis sinnvoll

Wenn die Kombination von oralem und topischem 5-ASA bei Pankolitis nicht ausreichend ist, sollten systemische Steroide eingesetzt werden (Abb. 1c). Sicherlich sollte bei der ausgedehnten Kolitis der Einsatz von systemischen Steroiden früher erfolgen als bei der linksseitigen Kolitis [29]. Eine schwere Verlaufsform der Colitis ulcerosa sollte primär mit intravenöser Steroidgabe behandelt werden.

Bei schweren Verlaufsformen einer Colitis ulcerosa wird eine topische Therapie wenig Erfolg haben. Sie kann jedoch begonnen werden, sobald sich die Symptome bessern und die Durchfallfrequenz abnimmt.

Wenn ein Patient eine rektale Applikation als Schaum oder Klysma für mehr als 20 min tolerieren kann, ohne sie wieder entleeren zu müssen, lohnt sich deren Anwendung [29]. In einigen Übersichtsarbeiten wird jedoch bei der schweren Kolitis eine topische Therapie nicht empfohlen, da sie zu einer Symptomenaggravierung (Bauchkrämpfe, Stuhldrang, Durchfälle) beitragen kann. Dies muss individuell bedacht und an die jeweilige Situation angepasst werden.

Remissionserhaltung

Für die Proktitis und linksseitige Kolitis [17, 29] sind topische 5-ASA-Präparationen effektiv und vermutlich sogar effektiver als eine orale 5-ASA-Gabe [29]. Gemäß Studien zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa [29] muss bei den meisten Patienten die topische Therapie nicht täglich angewandt werden (Abb. 1d). Es scheint nicht wesentlich zu sein, ob die topische Therapie 7 Tage pro Monat [5] (über den Monat verteilt oder zum Monatsanfang) oder 2- bis 3-mal pro Woche [20] verabreicht wird. Eine Anwendung an jedem 3. Tag scheint ausreichend zu sein (Abb. 1d). Zudem konnte keine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung für topisches 5-ASA zur Remissionserhaltung nachgewiesen werden [29]. Die Daten sprechen dafür, dass 1 g topisches 5-ASA pro Applikation für die Remissionserhaltung ausreichend ist [11]. In der klinischen Praxis ist es jedoch schwierig, die minimale Dosierung, die zur Remissionserhaltung notwendig wäre, herauszufinden, da dies letztlich nur unter dem Risiko eines erneuten Schubes möglich ist. Hier ist auf die Patientenwünsche und -präferenzen einzugehen, um eine möglichst hohe Adhärenz zu erreichen.

Mukosaheilung?

Lässt sich mittels topischer Therapie eine Mukosaheilung erreichen? Die Mukosaheilung („mucosal healing“) gilt als wichtiges Therapieziel bei der Colitis ulcerosa. Sie geht nicht nur mit einer deutlich niedrigeren Rezidivrate und Kolektomierate einher, sondern reduziert auch das Risiko für kolorektale Karzinome. Eine Mukosaheilung kann bei etwa 50 % der Patienten durch eine rektale 5-ASA-Therapie erreicht werden, ohne signifikante Unterschiede zwischen Schaum- und Einlaufpräparaten (Klysma) [25]. Die Effektivität der Mukosaheilung durch topische 5-ASA-Therapie wurde kürzlich in einer Post-hoc-Analyse bereits publizierter Studien untermauert [27].

Adhärenz bei topischer Therapie

Die Therapieadhärenz bei topischer Therapie wird immer wieder bezweifelt. Eine Vielzahl von Studien konnte jedoch keinen Unterschied bezüglich der Nonadhärenz zwischen topischer und systemischer Therapie bei Patienten mit Colitis ulcerosa nachweisen.

Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung ist die Adhärenz bei topischer Therapie gut.

Die Nonadhärenz kann allerdings bei Patienten mit Colitis ulcerosa bis zu 60 % betragen [14]. Die Mehrheit der Patienten, die bei Colitis ulcerosa einen Rückfall oder Schub erlitten, unterbrachen die remissionserhaltende Therapie [14]. Die Therapieadhärenz ist grundsätzlich im Rahmen der remissionserhaltenden Therapie deutlich schlechter als bei der Schubbehandlung [14, 28], was leicht verständlich ist. Allerdings scheinen die meisten Patienten mit mangelnder Therapieadhärenz schlicht zu vergessen, ihre Medikation einzunehmen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine mittägliche Dosis für die remissionserhaltende Therapie rezeptiert wird.

Gemäß Berichten bevorzugt die Mehrheit der Patienten (80 %) die alleinige orale remissionserhaltende Therapie [22]. Die meisten Colitis-ulcerosa-Patienten wenden jedoch eine topische Therapie an [12, 13], wenn ihnen die Vorteile ausführlich erklärt werden [7, 13, 24]. Der am häufigsten genannte Hinderungsgrund, eine topische Therapie weiter anzuwenden, ist der durch diese Therapieform induzierte Stuhldrang. Eine spanische Studie konnte zeigen, dass 5-ASA-Suppositorien sehr gut toleriert werden und von den meisten Patienten auch für eine remissionserhaltende Therapie über 1 Jahr für gut anwendbar gehalten werden [3].

Für Klysmen wurde – wie bereits erwähnt – berichtet, dass das Ausmaß des Stuhldrangs mit dem applizierten Volumen korreliert. Dies erklärt auch, warum die meisten Patienten Schaumpräparationen mit weniger Volumen bevorzugen [4, 10]. Eine kürzlich publizierte Übersicht berichtete zu diesem Thema zwar widersprüchliche Ergebnisse [19], die tägliche Erfahrung untermauert jedoch die Bevorzugung der Schaumpräparate. Die Auslösung des Stuhldrangs durch die topische Therapie kann leicht durch die erniedrigte rektale Compliance erklärt werden, die bei einer entzündlich-aktiven Colitis ulcerosa vorliegt. In der Klinik hat es sich bewährt (auch wenn es hierfür keine Studienevidenz gibt), dass Patienten vor der topischen Therapie 2 mg Loperamid einnehmen und sich zunächst auf die linke Seite legen oder in Bauchlage begeben, da sich in Rückenlage das applizierte Volumen im Rektum sammelt und vermehrt Stuhldrang erzeugt.

Leider gibt es keine Studien, die exakt untersuchten, wie lange ein topisch angewandtes Medikament wie 5-ASA im Darm verbleiben sollte, um effektiv zu sein. Es darf jedoch angenommen werden, dass, ein relevanter Anteil an der Mukosa haften bleibt [11], selbst wenn ein Teil der topisch verabreichten Substanz wieder abgegeben wird. Daher sollten Patienten motiviert werden, eine topische Therapie anzuwenden, auch wenn relativ rasch wieder entleert werden muss.

Halten sich Ärzte an Behandlungsrichtlinien und Evidenz?

Für eine erfolgreiche topische Therapie bei Colitis ulcerosa ist nicht nur die Therapieadhärenz der Patienten eine unabdingbare Voraussetzung, sondern auch eine Adhärenz der behandelnden Ärzte an die publizierten Therapieleitlinien und die ihnen zugrunde liegende Evidenz. In mehreren Studien konnte eine mangelnde Berücksichtigung topischer Therapieverfahren in der Behandlung von Kolitispatienten nachgewiesen werden. Eine Befragung spanischer Gastroenterologen zeigte, dass nur 12–17 % der Gastroenterologen eine topische Therapie als Therapie der Wahl für die distale Kolitis ansehen [9]. Nur 31 % der Gastroenterologen verwenden eine Kombination von oraler und topischer 5-ASA-Therapie für die ausgedehnte milde bis mäßige Colitis ulcerosa. In einer Studie an einem großen Krankenhaus in den USA zeigte sich, dass 3 Viertel der Patienten keine suffiziente topische Therapie erhalten hatten. Zudem wurden zu viele Steroide bei Patienten eingesetzt, die mit 5-ASA unterversorgt waren. Trotz der vorhandenen Studienevidenz [18] glauben 31–47 % der Gastroenterologen, dass perorale Steroide gleich wirksam sind wie die topische 5-ASA-Therapie [9]. Hier ist definitiv weitere Aufklärungsarbeit notwendig.

Welche topischen Therapiemöglichkeiten gibt es außer 5-ASA und Steroiden?

Neben der topischen Therapie mit 5-ASA und Steroiden konnten einige kleine Studien Hinweise auf die Effizienz weiterer topisch applizierter Substanzen liefern. Die vielversprechendste alternative topische Therapie ist die Anwendung von Tacrolimus. Lawrance [15] hat die innovativen Strategien zusammengefasst.

Bei steroidrefraktärer Kolitis ist Tacrolimus wirksam für die Remissionsinduktion und -erhaltung. Allerdings sind relativ hohe Serumspiegel notwendig, um eine Remission zu erreichen. In Open-Label-Studien mit topischen Tacrolimuspräparationen (Suppositorien, Klysmen) konnte bei linksseitiger Kolitis mit einer Dosis von nur 1,8–4 mg, ohne hohe Serumspiegel und ohne Nebenwirkungen, eine Remission erzielt werden [16, 30]. Die Studienergebnisse sind vielversprechend, müssen jedoch mit standardisierten Präparationen in randomisierten kontrollierten Studien überprüft werden.

Fazit für die Praxis

  • Bei leichter bis mäßiger Proktitis und linksseitiger Kolitis sind topische 5-ASA-Präparationen die Therapie der Wahl.

  • Tipps zur Anwendung erhöhen die Patientenadhärenz und damit den Erfolg.

  • Topische Therapien sollen bei ungenügender Wirksamkeit ergänzt, aber nicht ersetzt werden.