Zusammenfassung
Nachdem in den vorangegangenen Versuchen die elektronenmikroskopische Darstellung der durch Röntgen-Kleinwinkelstrahlung aufgezeigten großen Längsperioden bei Zellulose- und PVA-Fasern in der besonders eindrucksvollen Streifenform möglich war, wobei neben der im KLW-Diagramm erkennbaren kleineren Längsperioden (≈ 80–200 Å) auch die bei Kollagen hervortretende Großperiode ≈ 500–800 Å so prägnant ausgebildet ist, daß diese Bilder zum Teil mit denen des Kollagens zum Verwechseln ähnlich sind, hat die vorliegende Untersuchung an Perlon als weiteres Modell für Kollagen unsere Erwartungen nur teilweise erfüllt.
Infolge eines difform dispersen Zustandes der zur Verfügung gestandenen technischen Perlonfasern (Farbwerke Bayer/Dormagen) sind nach Anfärbung mit PWS und Aufschlagen im EM nur Feinstfibrillen (Ø ≈ 50 bis 100 Å) erkennbar, in denen jede einzelne nur die kleinere Periode aufweist, die in ihrer Größe mit der aus dem KLW-Diagramm errechneten praktisch übereinstimmt. Wenn auch bei getemperten Perlonfäden, in denen sich nachweislich die Feinstfibrillen zu gröberen Fibrillen vereinigt haben, gelegentlich eine Seitenordnung erkennbar ist, die der charakteristischen „Streifenform“ zu Grunde liegt, so kann das Bild wegen seiner Unregelmäßigkeiten, die wahrscheinlich auf Deformationen infolge der bei der Temperung auftretenden starken Schrumpfung zurückgehen, auch nicht näherungsweise mit z. B. den schönen EM-Aufnahmen von Fortisan, Colvadur u. a. verglichen werden. Dasselbe gilt auch für die vereinzelt in den getemperten Fäden angedeutete Überperiode von 500–600 Å.
Die technischen Perlonfäden können eher nur mit dem Ordnungszustand in den Fibrillen des Prokollagens vor ihrer Vereinigung zur Kollagenfibrille verglichen werden. Unter Berücksichtiugng dieser Befunde kann allerdings vermutet werden, daß im allgemeinen sich die große Überperiode (500–800 Å) bei allen bisher untersuchten Fasern erst im Verlauf der Aggregierung der Feinstfibrillen (Mizellarstränge) ausbildet (vermutlich durch Überlagerung von zwei Arten von Feinstflbrillen mit etwas abweichender Periodengröße).
Im übrigen bleiben die großen Perioden in allen untersuchten Fasern nach wie vor immer noch rätselhaft. Sie sind bisher nur bei den natürlichen und aus Lösungen gefällten Faserproteiden röntgenographisch bestätigt, wo sie Anlaß zu hohen Ordnungen der Basis geben, die wir bisher in unseren Aufnahmen bei keinem Faserpräparat beobachten konnten.
Der Nachweis, daß die nach der PWS-Einlagerung in Perlon im Röntgen-KLW-Diagramm auftretenden Perioden (d ≈ 70–100 Å,d ≈ 40–50 Å,d ≈ 25 Å) auch im EM zum Ausdruck kommen (P ≈ 70–100 Å,P ≈ 40–50 Å), läßt die wichtige Folgerung vermuten, daß die drei Röntgenreflexe, die nach derBraggschen Gleichung die 1., 2. und 4. Ordnung eines einzigen Interferenzsystems sein könnten, tatsächlich drei verschiedenen in Perlon nebeneinander vorkommenden Strukturperioden mit jeweils einer charakteristischen Frequenz entsprechen, die im Verhältnis von Grundfrequenz zu höheren Ordnungen zu stehen scheinen.
Durch den Nachweis der Einlagerung von PWS in Perlon und durch die Ergebnisse der kombinierten Untersuchung mit Röntgen-KLW-Strahlung und im EM, die nur im Rahmen der für Perlon nachgewiesenen Struktur mit regelmäßigem periodischen Wechsel geordneter und ungeordneter Fasersegmente verständlich sind, bieten die Möglichkeit, eine Reihe von Argumenten zu entkräften, die früher gegen die Übertragung einer derartigen Struktur auf Kollagen und andere Proteidfasern als Begründung für die Streifenstruktur geltend gemacht worden sind. Durch den monotonen Aufbau von Perlon aus einer einzigen Aminosäureart (ɛ-Aminocapronsäure), die ihre Anordnung in der Kette eindeutig festlegt, scheint nunmehr bewiesen, daß das Auftreten von Perioden bei Proteidfasern nach dem Anfärben mit optisch-dichtem Material nichts mit periodischen Aminosäuresequenzen zu tun hat, sondern durch das auch für diese Fasern gültig scheinende Strukturprinzip mit der Wechselfolge geordneter und ungeordneter Abschnitte begründet ist, die mit verschiedenen Frequenzen auftreten können.
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Schrifttum
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Laboratorium für Mehl- und Eiweißforschung, Abtlg. Strukturchemie, Hannover, Am Kleinen Felde 12. Wir danken Frl.D. Peix für die wertvolle Hilfe bei der Durchführung der Arbeit. Frl.E. Roth hat dankenswerterweise die chem. Präparierung der Fasern ausgeführt.
Abtlg. f. Elektronenoptik der Firma Carl Zeiss, Oberkochen. Die elektronenmikroskopischen Untersuchungen wurden mit finanzieller Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft für Elekronenoptik durchgeführt, wofür bestens gedankt sei.
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Hess, K., Gütter, E. & Mahl, H. Die elektronenmikroskopische Darstellung der großen Längsperiode bei Perlon und ihre Beziehungen zur Kollagenstruktur. Kolloid-Zeitschrift 168, 37–49 (1960). https://doi.org/10.1007/BF01513552
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF01513552