Zusammenfassung
-
1.
Innervierung und Sinnesorgane der Tibia und des Tarsus (zum Teil auch der Palpen) von Leptinotarsa decemlineata werden beschrieben.
-
2.
Nach verhaltensphysiologischen Fraßtesten üben Demissin und Tomatin bei einem Gehalt von 3%. im Kartoffellaub eine 90% ig wirksame Vergällung des Futters aus, was für Solanin und Chaconin nicht zutrifft.
-
3.
Elektrophysiologisch konnten Unterschiede in der Adaptation von 3 Typen von Tangorezeptoren an Tibia und Tarsus von Leptinotarsa festgestellt werden. Es konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß sie auf Unterschieden im Bau des reizleitenden Abschnittes — des Haares — beruhen und nicht auf verschiedenen Leistungskapazitäten der Sinneszellen und ihrer Dendriten.
-
4.
Seltene Erregungsabläufe der 3 Tasthaare haben eine vorübergehende, langsam beginnende und auch allmählich wieder aufhörende Depression zur Folge. Es wird vermutet, daß diese bei Beugung des Haares in Richtung des sichtbaren, punktförmigen Rezeptorendes im Basalring auftreten.
-
5.
Chloride von Natrium, Kalium und Calcium haben bei verschiedenen Konzentrationen jeweils verschiedene Erregungsmuster zur Folge. Sie unterscheiden sich nicht nur in der Frequenz und Adaptation, sondern bei Natrium- und Kaliumchlorid auch in der jeweils gegenläufigen Beteiligung von 2 Sinneszellen. Die Impulse dieser Rezeptoren werden bei Natriumchlorid mit h- und n-Impulsen und bei Kaliumchlorid mit h′- und n′-Impulsen bezeichnet. Es ist vermutet worden, daß die h- und h′-Impulse von einem Anionen-Rezeptor und die n- und n′-Impulse von einem Kationen-Rezeptor stammen. Die Frequenz des Anionen-Rezeptors würde dann nicht nur von der Konzentration des Anions, sondern auch vom Kation bestimmt werden.
-
6.
Reizungen des Chemorezeptors mit Zuckerlösungen ohne Zusatz eines Elektrolyten lösen Impulse niedrigen Potentials aus. Das Vorhandensein eines Zucker-Rezeptors wird damit wahrscheinlich. Reizungen mit Zuckerlösungen + Elektrolyt deuten eine periphere Wechselwirkung an, die mit steigender Konzentration in steigendem Maß das Erregungsmuster auf den Elektrolyten unterdrückt.
-
7.
Die Alkaloidglykoside (Tomatin, Solanin, Demissin und Chaconin) erregen den Chemorezeptor von einer bestimmten Konzentration an in Form von salvenartigen Signalfolgen, die meistens von einer Sinneszelle (h- Salve) stammen, seltener aber auch von einer 2. Sinneszelle (n-Salve). Der Schwellenwert für den Einsatz der Salve liegt für Tomatin etwa 10fach niedriger als für Solanin. Im Bereich des Schwellenwertes ist bei Tomatin das Auftreten der Salve vom pH-Wert abhängig. Bei Reizung mit einer Mischung von Alkaloidglykosid und Elektrolyt wird das für den Elektrolyten typische Erregungsmuster unterdrückt. Die Wirkung der Alkaloidglykoside wird deshalb als die eines Modulators aufgefaßt, der die Frequenzen der für andere Stoffe spezifischen Rezeptoren bestimmt.
-
8.
Die Insektizide E 605 und Aktiv-Gesarol wirken über die Membran des Chemorezeptors nicht vergiftend. Sie haben ein fortlaufendes Erregungsmuster wie auf schwache Salzlösungen zur Folge. Die Schmeckhaare eines mit E 605 vergifteten Käfers antworten auf NaCl mit höherer Frequenz als üblich und bei Vergiftung mit Aktiv-Gesarol mit Impulsgruppen an Stelle von einzelnen Impulsen. Die Impulsgruppen werden als Schädigung der Sinneszellen aufgefaßt.
-
9.
Die Antwort des Chemorezeptors auf Preßsaft von Solanum chacoense in Form einer salvenartigen Signalfolge mit anschließender Inaktivität darf mit großer Wahrscheinlichkeit als Antwort auf einen schlecht schmeckenden Stoff gewertet werden. Das fortlaufende Erregungsmuster auf Solanum tuberosum-Saft kann als Antwort auf eine physiologische Lösung bestimmten Zucker- und Alkaloidglykosidgehalts aufgefaßt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß niedrige Konzentrationen von Alkaloidglykosiden, wie den in Solanum tuberosum vorkommenden, einen attraktiven Geschmacksstoff für den Käfer darstellen.
-
10.
Ein Vergleich zwischen dem afferenten Schwellenwert für das Auftreten einer Salve und dem efferenten Schwellenwert für die Verschmähung eines alkaloidglykosidhaltigen Futters blieb bisher ohne befriedigende Antwort, weil die Bedeutung der verschiedenen salvenartigen Signalfolgen für das Geschmacksempfinden des Käfers noch unbekannt ist.
-
11.
Während der Reizung des Chemorezeptors wurde manchmal das Austreten einer viskosen Sekretsubstanz aus der Haarspitze beobachtet. Nach Ablösung des Sekrets trat eine stark ansteigende Erregung ein (mit 0,1 mol KCl wurde gerade gereizt). Ein Zusammenhang zwischen dem Austreten des Sekrets und der Reizlösung wie auch ihrer Konzentration konnte bisher noch nicht ermittelt werden.
-
12.
Die Beugung des Chemorezeptors hatte anscheinend keine mechanorezeptorischen Impulse mit sofortiger Adaptation, sondern nur Störungen der Ableitung zur Folge.
Article PDF
Avoid common mistakes on your manuscript.
Literatur
Autrum, H.: Über Gehör und Erschütterungssinn bei Locustiden. Z. vergl. Physiol. 28, 580 (1941).
—: Schallempfang bei Mensch und Tier. Naturwiss. 30, 69 (1942).
Barber, S. B.: Chemoreception and proprioception in Limulus. J. exp. Zool. 131, 51 (1956).
Brücher, H.: Cytologische und ökologische Beobachtungen an nordargentinischen Solanum-Arten der Section Tuberarium. Züchter 24, 281 (1954).
Buhr, H., R. Toball u. K. Schreiber: Die Wirkung von einigen pflanzlichen Sonderstoffen, insbesondere von Alkaloiden, auf die Entwicklung der Larven des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say). Ent. exp. appl. 1, 209 (1958).
Bullock, T. H., and F. P. J. Diecke: Properties of an infra-red receptor. J. Physiol. (Lond.) 134, 47 (1956).
Burkhardt, D.: Rhythmische Erregungen in den optischen Zentren von Calliphora erythrocephala, Z. vergl. Physiol. 36, 595 (1954).
—: Die Erregungsvorgänge sensibler Ganglienzellen in Abhängigkeit von der Temperatur. (Untersuchungen an den abdominalen Streckrezeptoren des Sumpfkrebses, Astacus leptodactylus.) Habil.-Schr. Würzburg 1958.
Chauvin, R.: Nouvelles recherches sur les substances qui attirent le Doryphore (Leptinotarsa decemlineata Say). Ann. Inst. nat. Rech. agronom., Sér. C Ann. Épiphyties 3, 303 (1952).
Chin, Ch.-The: Studies on the physiological relations between the larvae of Leptinotarsa decemlineata Say and some solanaceous plants. Diss. Amsterdam 1950.
Dethier, V. G.: The physiology and histology of the contact chemoreceptors of the blowfly. Quart. Rev. Biol. 30, 348 (1955).
—: Chemoreceptor mechanisms. Molecular structure and functional activity of nerve cells. Publ. Amer. Inst. Biol. Sci. 1, 1 (1956).
Eltringham, H.: On the tarsal sense-organs of Leptidoptera. Trans. roy. ent. Soc. London 81, 33 (1933).
Ephrussi, B., and G. W. Beadle: A technique of transplantation for Drosophila. Amer. Naturalist 70, 218 (1936).
Fisher, R. A., and F. Yates: Statistical tables. 5. edit. London and Edinburgh 1957.
Grabowski, C. T., and V. G. Dethier: The structure of the tarsal chemoreceptors of the blowfly, Phormia regina Meigen. J. Morph. 94, 1 (1954).
Grison, P.: Étude succinte de quelques tactismes chez le Doryphore Leptinotarsa decemlineata Say (Col. Chrysomelidae). Physiol, comp. oecol. 4, 172 (1956).
Hodgson, E. S., J. Y. Lettvin and K. D. Roeder: Physiology of a primary chemoreceptor unit. Science 122, 417 (1955).
Hodgson, E. S., and K. D. Roeder: Electrophysiological studies of Arthropod chemoreception. J. cell. comp. Physiol. 48, 51 (1956).
Hopp, H.: Histologische Veränderungen in den Organen der Kleiderlaus (Pediculus vestimenti N.) unter der Einwirkung von Insektiziden. Zool. Jb., Abt. Zool. u. Physiol. 64, 267 (1953).
Kuhn, R., u. A. Gauhe: Über die Bedeutung des Demissins für die Resistenz von Solanum demissum gegen die Larven des Kartoffelkäfers. Z. Naturforsch. 2b, 407 (1947b).
Kuhn, R., u. I. Löw: Über Demissin, ein Alkaloidglykosid aus den Blättern von Solanum demissum. Chem. Ber. 80, 406 (1947a).
Kuhn, R., I. Low u. A. Gauhe: Über das Alkaloid-Glykosid von Lycopersicum esculentum var. pruniforme und seine Wirkung auf die Larven des Kartoffelkäfers. Chem. Ber. 83, 448 (1950).
Kuhn, R., I. Low u. H. Trischmann: Die Konstitution des α-Chaconins. Chem. Ber. 88, 1690 (1955).
Langenbuch, R.: Beitrag zur Klärung der Ursache der Kartoffelkäferresistenz der Wildkartoffel Solanum polyadenium Greenm. Nachrichtenbl. dtsch. Pflanzenschutzdienst 3, 69 (1951).
—: Ist das Fehlen eines „Fraßstoffes“ oder das Vorhandensein eines „Vergällungsstoffes“ die Ursache für die Resistenz der Wildkartoffel Solanum chacoense Bitt. gegenüber dem Kartoffelkäfer. Z. Pflanzenkrkh. 59, 179 (1952).
Meyer, G. F.: Vergleichende Untersuchungen mit der supravitalen Methylenblaufärbung am Nervensystem wirbelloser Tiere. Zool. Jb., Abt. Anat. u. Ontog. 74, 339 (1954/55).
Morita, H., S. Doira, K. Takeda and M. Kuwabara: Electrical response of contact chemoreceptor on tarsus of the butterfly, Vanessa indica. Mem. Faculty Sci. Kyushu Univ., Ser. E, Biol. 2, 119 (1957a).
Morita, H., and K. Takeda: The electrical resistance of the tarsal chemosensory hair of the butterfly, Vanessa indica. J. Faculty Sci. Hokkaido Univ., Ser. VI, Zool. 13, 465 (1957b).
Nijenhuis, E. D., and D. Dresden: A micro-morphological study on the sensory supply of the mesothoracic leg of the American cockroach, Periplaneta americana. Proc. kon. ned. Akad. Wet. Ser. C 55, 300 (1952).
Ogijewicz, B.: Uklad nerwowo-czuciowy i narz(ady zmyslowe odnóży motyli. Trav. Soc. Sci. Wilno, Cl. Sci. math. nat. 10, 337 (1935).
—: Układ nerwowoczuciowy i narządy zmysłowe odnóży błonkówek. Trav. Soc. Sci. Wilno, Cl. Sci. math. nat. 12, 412 (1938).
- Układ nerwowo-czuciowy i narządy zmysłowe odnóży chrząszczy. Stud. Soc. sci. Torunensis, Sect. E, Zool. 1 (3), 1 (1948).
Pringle, J. W. S.: Propriooeption in insects. I. A new type of mechanical receptor from the palps of the cockroach. J. exp. Biol. 15, 101 (1938).
Prüffer, J.: Untersuchungen über die Innervierung der Fühler bei Saturnia pyri L. Zool. Jb., Abt. Anat. u. Ontog. 51, 1 (1929).
Pumphrey, R. J.: Slow adaptation of a tactile receptor in the leg of the common cockroach. J. Physiol. (Lond.) 87, 6P (1936).
Racięcka, M.: Z badan nad unierwieniem kończyn u larw Molanna angustata Curt. (Trich.). Stud. Soc. sci. Torunensis, Sect. E, Zool. 2 (3), 1 (1950).
Richard, G.: La répartition des sensilles sur les pattes du Calotermes flavicollis Fab. Bul. Soc. zool. France 74, 77 (1949).
—: L'innervation et les organes sensoriels de la patte du termite a cou jaune (Calotermes flavicollis Fab.) Ann. Sci. nat. Zool. 12, 65 (1950).
Schanz, M.: Der Geruchssinn des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say.). Z. vergl. Physiol. 35, 353 (1953).
Schneider, D.: Elektrophysiologische Untersuchungen von Chemo- und Mechanorezeptoren der Antenne des Seidenspinners Bombyx mori L. Z. vergl. Physiol. 40, 8 (1957).
Schreiber, K.: Natürliche pflanzliche Resistenzstoffe gegen den Kartoffelkäfer und ihr möglicher Wirkungsmechanismus. Züchter 27, 289 (1957).
Smyth, Th., and Ch. Roys: Chemoreception in insects and the action of DDT. Biol. Bull. 108, 66 (1955).
Stürckow, B.: Über die Wirkung der Alkaloidglykoside (Demissin und Tomatin) auf die Larve des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say). Biol. Zbl. 78, 142 (1959).
Stürckow, B., u. G. Quadbeck: Elektrophysiologische Untersuchungen über den Geschmackssinn des Kartoffelkäfers Leptinotarsa decemlineata Say. Z. Naturforsch. 13b, 93 (1958).
Torka, M.: Die Resistenz von Solanum chacoense Bitt. gegen Leptinotarsa decemlineata Say und ihre Bedeutung für die Kartoffelzüchtung. Z. Pflanzenzücht, 28, 63 (1949).
Unna, P. G.: Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. Eine histochemische Studie. Arch. mikr. Anat. 87, 96 (1915).
Weber, H.: Lehrbuch der Entomologie. Jena 1933.
Wiersma, C. A. G., E. Furshpan and E. Florey: Physiological and pharmacological observations on muscle receptor organs of the crayfish, Cambarus clarkii Girard. J. exp. Biol. 30, 136 (1953).
Wittig, G.: Untersuchungen am Thorax von Perla abdominalis Burm. (Larve und Imago) unter besonderer Berücksichtigung des peripheren Nervensystems und der Sinnesorgane. Zool. Jb., Abt. Anat. u. Ontog. 74, 491 (1954/55).
Zawarzin, A.: Histologische Studien über Insekten. III. Über das sensible Nervensystem der Larven von Melolontha vulgaris. Z. wiss. Zool. 100, 447 (1912).
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Die Experimente wurden im Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg durchgeführt. Für die Beschaffung der Apparatur und die Überlassung eines Arbeitsplatzes bin ich Herrn Prof. Dr. R. Kuhn zu großem Dank verpflichtet, Herrn Dr. G. Quadbeck für die Einführung in die elektrophysiologische Arbeitsweise. Herrn Dr. R. Wette (Zoologisches Institut der Universität Heidelberg) danke ich sehr für die statistische Auswertung der Fraßteste. Herrn Prof. Dr. H. Autrum danke ich sehr für sein stetes Interesse und die sorgfältige Diskussion der Ergebnisse.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Stürckow, B. Über den Geschmackssinn und den Tastsinn von Leptinotarsa decemlineata say (Chrysomelidae). Z. vergl. Physiol. 42, 255–302 (1959). https://doi.org/10.1007/BF00333613
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF00333613