Zusammenfassung
‚Macht‘ und ‚Herrschaft‘ zählen zu den zentralen Kategorien der Sozialwissenschaften. In der Hierarchie „unverzichtbarer Grundbegriffe“ rangieren sie unter den top five (Alemann 1995: 144). Diesen Begriffen eignet dabei wie anderen — etwa Konflikt, Gesellschaft, Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit — ein hohes Maß an Charme zu, der daraus resultiert, daß jedermann sie benutzt und offensichtlich eine genaue Vorstellung davon hat, was mit ihnen gemeint ist oder bezeichnet wird, somit eine Verständigung über ihre inhaltlichen Aspekte voraussetzungslos möglich zu sein scheint. Dennoch hat Galbraith mit Recht geschrieben: „Das Wort Macht gehört zu der nicht allzu großen Zahl von Begriffen, die zwar häufig benutzt werden, bei denen aber nur ein geringes Bedürfnis besteht, darüber nachzudenken, was sie eigentlich bedeuten.“ (Galbraith 1987: 13) Bei etwas genauerer Betrachtung offenbart sich nicht nur eine unendliche Vieldeutigkeit der mit Macht und Herrschaft bezeichneten Phänomene (etwa Autorität, Einfluß, Zwang, Gewalt etc.) und ein teils synonymer, wenig voneinander geschiedener Wortgebrauch, sondern auch unterschiedliche, teils sogar konträre Einschätzungen und Bewertungen ihrer inhaltlichen Ausprägungen. Zudem scheinen Alltagsverständnis und Wissenschaftsverständnis in bezug auf Macht und Herrschaft in besonderem Maße auseinander zu fallen: Gilt es im Alltag als weitgehend ausgemacht, daß Macht etwas Negatives ist — was sich z.B. in Assoziationen wie ‚Machtmensch‘, ‚Machtbesessenheit‘, ‚Machthunger‘ und ‚Machtergreifung‘ zeigt — und Herrschaft häufig mit Zwang und Unterdrückung in eins gesetzt wird, so ist das wissenschaftliche Verständnis um einiges differenzierter, wenn auch bis heute Uneinigkeit und Streit über ein angemessenes Verständnis von Macht und Herrschaft, ihrer Grundlagen, Quellen, Träger etc. fortbesteht.
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