Zusammenfassung
Honig im Kopf ist der gewagte und gelungene Versuch einer »Dramödie«, in der großes »Gefühlskino« und die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Demenz verbunden wird. Nach einer Inhaltsangabe und Zusammenfassung der kontroversen Rezeption von Honig im Kopf wird die filmische Darstellung des Zusammenlebens mit einem demenzerkrankten Angehörigen zu Frames, die im sozialen Demenzdiskurs dominieren, sowie alternativen Counter-Frames in Beziehung gesetzt. Die Verwendung von Counter-Frames in Honig im Kopf setzt der Stigmatisierung und negativen Darstellung von Demenz eine optimistische Carpe Diem-Haltung entgegen. Mit der Verankerung von Demenzpflege in sozialen Repräsentationen von Kinderpflege und der guten Mutter sind dagegen überwiegend negative Konsequenzen für die pflegenden Angehörigen verbunden. Insgesamt ist Honig im Kopf ein für den sozialen Diskurs zu Demenz wertvoller Film. Der Teufel steckt allerdings im Detail: im Ideal des häuslichen Engels, der guten Mutter.
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Notes
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Durch die Rollenumkehr kommt den nahestehenden Angehörigen der Menschen mit Demenz die Rolle des Elternteils mit all der damit verbundenen Verantwortung zu. Dadurch werden die mit dem Pflegeideal der guten Mutter verbundenen Rollen- und Verhaltenserwartungen im Kontext der Demenzpflege angewandt, was es nahestehenden Angehörigen erschweren sollte, Verantwortung in der Pflege zu teilen bzw. abzugeben.
- 2.
Mit dem kulturellen Pflegeideal der guten Mutter gehen zwei weitere Verankerungen von Demenzpflege einher, auf die hier nicht genauer eingegangen werden kann: 1.) Aufgrund der traditionellen Rollenverteilung und Vergeschlechtlichung von Kinderpflege wird die Hauptverantwortung für die Demenzpflege Frauen zugeschrieben. Dazu passend ist die emotionale Hauptbezugsperson für Amandus weiblich (Tilda) und gibt die Schwiegertochter (Sarah) ihren Beruf auf, um mehr Zeit für die Pflege von Amandus zu haben, statt des Sohnes (Niko). 2.) Das Mutterideal ist ein christliches Weiblichkeitsideal (Dienst am Kinde als eigentlicher Gottesdienst). Dazu passend lobt die Oberin des Klosters Tildas besonderes Engagement (»Du bist ein gutes Mädchen und der Weg, den du gehst, ist ein besonderer«). Indem Tilda bis zu Amandus Tod fast täglich bei ihm ist, hält sie das Versprechen der unbedingten Liebe, wie es in der Formel »bis dass der Tod euch scheidet« in die christliche Trauliturgie aufgenommen wurde.
- 3.
Sozial geteilte Vorstellungen von Kinderpflege dienten auch interviewten pflegenden Ehefrauen und in den analysierten Zeitungsartikeln zum Thema Demenzpflege dazu, um zu erklären, was es bedeutet und beinhaltet, ein guter pflegender Angehöriger zu sein.
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Töpfer, N., Wilz, G. (2017). Familiäre Demenzpflege zwischen dem Ideal der guten Mutter und einer Carpe Diem-Haltung. In: Strauß, B., Philipp, S. (eds) Wilde Erdbeeren auf Wolke Neun. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-50488-8_27
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