Zusammenfassung
Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zum Zusammenhang von Fremd- und Eigenbildern im Kontext von Migration erfolgt zunächst eine kursorische Analyse von Beispielen aus Printmedien während der sog. Flüchtlingskrise, um dann jedoch den Blick in Bezug auf den Konnex Migration und Zunahme von Rechtspopulismus historisch zurück zu wenden. Eine kursorische Re-Lektüre der Medienberichterstattung öffentlicher Debatten zum Thema Migration/Zuwanderung in der Bundesrepublik aus den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren legt nahe, dass rassistische Fremdheitsbilder im Vergleich nicht minder ausgeprägt und die Bedrohung durch rechte Akteure nicht minder beunruhigend waren. Zentral ist folglich die Klärung der Frage, worin einerseits die Kontinuität und worin die neue, problematische Qualität aktueller rechter Bedrohungen besteht. Zugleich geht es um die Kritik einer Logik, nach der Rechtspopulismus als Folge von Migrationszunahme gedeutet wird. Ziel ist die Sensibilisierung dafür, dass gegenwärtige Fremdheitsbilder, das beobachtbare weitere Erstarken der extremen Rechten sowie die Übernahme rechter Ideologeme in der sog. bürgerlichen Mitte nur im engen historischen Zusammenhang mit jenen zurückliegenden Entwicklungen zu interpretieren sind und es sich nicht um das scheinbar plötzlich eintretende, überraschende Ereignis eines „Rechtsrucks“ handelt.
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Notes
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Beispielsweise versuchte die AfD mittels einer Kleinen Anfrage Jahr 2018 im deutschen Bundestag das Thema Migration mit sog. Behinderung zu koppeln (vgl. Deutscher Bundestag 2018).
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Zu dieser Metapher und der Einordnung ihrer Verwendung im Wechselspiel zwischen seinerzeit etablierten Parteien und der extremen Rechten in den 1990er Jahren siehe auch den Beitrag von Cord Pagenstecher „‚Das Boot ist voll‘ – Schreckensvision des vereinten Deutschland“ (Pagenstecher 2008).
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Unter Bezugnahme auf diesen Befund sowie vorherige Einschätzung von Jäger und Wamper (2017, S. 181), die ebenfalls die 1980er Jahre hervorheben, wird im Rahmen der hier angestellten Überlegungen der Zeitraum Anfang der 1980er-Jahre exemplarisch in den Blick genommen werden, um zu sondieren, welche hegemonialen gesellschaftlichen Erzählungen damals identifizierbar waren, ob und – wenn ja – welche Analogien zum heutigen Diskurs gegebenenfalls identifizierbar sind, worin Unterschiede bestehen – und welche Schlussfolgerungen für die Analyse und Einordnung der aktuellen Entwicklung daraus zu ziehen sind.
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Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass bereits im Jahr 2006 eine Nummer des Spiegel mit dem Titel „Ansturm der Armen. Die neue Völkerwanderung“ (Der Spiegel 2006) erschien und sogar noch weitere fünfzehn Jahre früher, d. h. im Jahr 1991, im selben Medium der identische Titel Verwendung gefunden hatte: „Ansturm der Armen. Flüchtlinge – Aussiedler – Asylanten“ (Der Spiegel 1991).
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Kunz, T. (2021). „Fremdheitsbilder“: Alles beim Alten oder neue, problematische Qualität?. In: Farrokhzad, S., Kunz, T., Mohammed Oulad M´Hand, S., Ottersbach, M. (eds) Migrations- und Fluchtdiskurse im Zeichen des erstarkenden Rechtspopulismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32498-8_2
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