Zusammenfassung
Das Verhältnis von Raum und Zeit beschäftigt die Sozialwissenschaften schon seit ihrer Entstehung. Während die Auseinandersetzung mit dem Thema in den letzten Jahren weiter in den Vordergrund gerückt ist, hat die Kommunikations- und Medienwissenschaft es bis jetzt nur bedingt für sich entdeckt. Umgekehrt haben die Soziologie und die Humangeografie das Verhältnis von Raum und Zeit als zentral thematisiert, nicht aber die Rolle der digitalen Medien darin. Soziale Medien bringen neue Charakteristika und Nutzungsweisen mit sich, welche Raum und Zeit noch einmal neu in Szene setzen. Dieser Beitrag hat zwei Ziele: Erstens sollen einige der zentralen Debatten zur Frage von Raum und Zeit (und auch Medien) zusammengefasst, zweitens sollen diese anhand konkreter Bespiele aus dem Bereich der sozialen Medien auf ihre Aktualität hin diskutiert werden. Zur Rahmung dienen dabei drei Modi von Raum-Zeit-Bezügen: das Ephemere, das Stabile und das Situative.
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Notes
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Aus Gründen der Lesbarkeit verwendet dieser Beitrag sowie alle anderen Beiträge im Handbuch ausschließlich die maskuline Form; es sind jedoch stets beide Geschlechter gemeint.
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Lefebvre geht zunächst von einer Trennung zwischen dem intellektuellen Vorstellungsraum und dem alltäglichen Erfahrungsraum aus. Er fügt wiederum den sozialen Raum hinzu. Dieser ist dann entsprechend in drei Elemente geteilt: als wahrgenommen, konzipiert und gelebt. Sie wiederum hängen eng mit der Repräsentation, der Produktion und den räumlichen Praktiken zusammen.
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Bei Großklaus (2003, S. 36) findet sich eine andere Trias: Er unterscheidet zwischen medialem Gedächtnis (dem elektronischen Speicher), medialer Vorstellung und Erwartung (der elektronischen Simulation) und medialer Wahrnehmung (der elektronischen Aufzeichnung).
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Das Besondere der Time Machine, einer Datensicherungssoftware von Apple, die inzwischen in das Betriebssystem integriert wurde, ist vor allem das Erscheinungsbild der Sicherungen, welches das gesicherte System so zeigt, wie es vor ein paar Tagen oder Wochen aussah – eine Reise in die Vergangenheit des Rechners sozusagen.
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Die bereits erwähnte Betonung der Flüchtigkeit in der Moderne war ursprünglich nicht auf die Frage der Kommunikation bezogen. Denn Kommunikation war ohnehin nicht das, was sich leicht festhalten ließ – auch wenn bereits die Verschriftlichung ein Medium darstellt, welches seine eigene mögliche Archivierung gleich impliziert (dank seiner materiellen Struktur). Ähnliches galt in der Moderne zunehmend ebenso für die Bilderwelten, die zudem begannen, bewegt und zugleich vervielfältigbar zu sein. Auch andere Speichermedien kamen nach und nach hinzu (von der Schallplatte über Lochkarten bis hin zu Tonbändern und anderem mehr). Dennoch gab es immer wieder Kommunikationsformen, insbesondere alltäglicher Art, die nicht zur Speicherung gedacht waren (vom gewöhnlichen Gespräch zum Telefonat). Ein Großteil der Kommunikation in sozialen Medien ähnelt diesen.
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Hartmann, M. (2017). Soziale Medien, Raum und Zeit. In: Schmidt, JH., Taddicken, M. (eds) Handbuch Soziale Medien. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03765-9_20
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