Auszug
Seit den 1990er Jahren wird dem Phänomen der (Arbeits—)Erfahrung innerhalb der Berufs—, Betriebs—und auch Erwachsenenpädagogik eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf eine zunehmende Komplexität von Produktionsprozessen, auf das Eintreten unvorhersehbarer Ereignisse im Produktions—und Arbeitsablauf und auf eine begrenzte Planbarkeit von Arbeitstätigkeiten und Qualifikationen. Eingebunden in die Diskussion um nicht formalisiertes Wissen erscheinen Arbeitserfahrungen als Subjektgebundenes Amalgam, das die Lücke zwischen dem in organisierten Lernprozessen erworbenen Wissen und den Anforderungen im Alltag des Produktionsprozesses schließt — und normativ gewandt: schließen soll. Aus der Perspektive der Qualifikationsplanung mutet das Konzept des Erfahrungswissens — nach den Mertens’schen „Schlüsselqualifikationen“ und seinen diversen Auslegungen — wie eine modernisierte Variante der individualisierten Lösung für das Problem der Abstimmung von Qualifikationsangebot und—bedarf an. Aus der Sicht der Berufs—, Betriebs—und Erwachsenenpädagogik gilt die vermeintliche Aufwertung von Erfahrung und Erfahrungslernen in der betrieblichen Praxis als weiterer Beleg für eine Subjektorientierung der Produktions—und Arbeitspolitik, die es durch erfahrungsfördernde personalpolitische und didaktische Maßnahmen zu unterstützen gelte. Spätestens seit Anfang der 1990er Jahre wird die Relevanz von Arbeitserfahrung auch in die Zukunft hinein projiziert: „Die Bedeutung des ‚Erfahrungswissens‘ wird deutlich zunehmen“ prognostizierte Burkhard Lutz (1996).
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Büchter, K. (2009). Arbeitserfahrungen im Kontext von Produktionspolitik und Betriebserziehung — Industrialisierung, Wissenschaftliche Betriebsführung und Arbeitspädagogik der 1920er Jahre. In: Bolder, A., Dobischat, R. (eds) Eigen-Sinn und Widerstand. Bildung und Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91365-0_2
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