Auszug
Das Bild eines „gestörten“ Verhältnisses zwischen Vertretern der Werbeindustrie und Marktforschern scheint auf den ersten Blick zu wenig Fragen Anlaß zu geben. Bei aller Unterschiedlichkeit der Definitionen, was „gute“ Werbung ausmacht, wird von kaum jemandem in Frage gestellt, daß ein gewisses Maß an Kreativität dazu gehört. Im Gegenteil: Kreativität wird vielmehr als notwendige Voraussetzung für den Wettlauf um die Aufmerksamkeit des Publikums angesehen und als eine der grundlegenden Erfolgsstrategien der Werbung allgemein akzeptiert. Hierbei erscheinen alle externen Einflüsse, die der Kreativität Grenzen setzen — wie z.B. geringe Budgets für die Kommunikationsmaßnahmen, durch Wissenschaft oder Marktforschung generierte „qualitative“ und „quantitative“ Erkenntnisse oder gar Zielvorgaben — auf den ersten Blick als ein Hemmnis der Kreativität (vgl. Leven 1996; Schnierer 2002a), und die in diesem Zusammenhang operierenden Akteure werden schnell, wie z.B. der Berufsstand der Marktforscher, zu einem „Feindbild“ der Werber stilisiert (vgl. Nerdinger 1990: 118). Dieser erste Eindruck wird durch immer neue (und doch gleiche) Aussagen von Praktikern aus dem Bereich der Werbung genährt, die sich wechselseitig über Testverfahren oder über die angeblich „mangelnde Risikobereitschaft“ ihrer Auftraggeber beklagen. Wirft man einen Blick auf vorhandene Studien zur Durchdringung der Werbewirtschaft mit Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung, scheint sich das Bild einer allgemein kritischen Haltung der Werber gegenüber den Methoden empirischer Forschungsarbeit auch auf den zweiten Blick zu bestätigen. So kommt Thomas Schierl im Rahmen einer qualitativen Grundlagenstudie zu der Erkenntnis, daβ es zwar Anzeichen für die Durchdringung der Werbung mit Erkenntnissen der Kommunikations- und Werbeforschung gibt, die „Diffusion strukturalen Wissens“ sich aber als ein langfristiger und zäher Prozeβ darstellt, der zudem nicht auf der aktiven Aneignung der Werbeakteure basiert (Schierl 2002a: 478f.).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Baudrillard, Jean (1998 [1970]), The Consumer Society. Myths and Structures, London.
Beninde, Lara (2000), Planning. Verbraucherorientierte strategische Planung in der Wer-beagentur, Bonn.
Bergmann, Jens (2007), Der Schönheitswettbewerb, in: Brand Eins 05/07, S. 20–28.
Brose, Hans Walter (1958), Die Entdeckung des Verbrauchers, Düsseldorf.
Cooper, Alan (1997), How to plan advertising, London.
Esch, Franz-Rudolf (2005), Aufbau starker Marken durch Integrierte Kommunikation, in: ders. (Hg.): Moderne Markenführung, Wiesbaden, S. 707–746.
Fortini-Campbell, Lisa (1999), Consumer Insight. Getting into Character, in: Journal of integrated Communication (Online-Publikation), Jg. 1998/99 (http://www.medill. northwestern.edu/imc/studentwork/pubs/jic/journal/1998-1999/fortini%20campbell.htm, 30.10.02).
Fortini-Campbell, Lisa (2001), Hitting the Sweet Spot. How Consumer Insights Can Inspire Better Marketing and Advertising, Chicago.
Galtung, Johan (1967), Theory and Methods of Social Research, Oslo.
Glaser, Barney G./ Anselm L. Strauss (1979), The Discovery of the Grounded Theory. Strategies for Qualitative Research, New York.
Hellmann, Kai-Uwe (2003), Soziologie der Marke, Frankfurt/M.
Hellmann, Kai-Uwe (2004), Werbung und Konsum: Was ist die Henne, was ist das Ei? Konzeptionelle Überlegungen zu einem zirkulären Verhältnis, in: ders./Dominik Schrage (Hg.), Konsum der Werbung. Zur Produktion und Rezeption von Sinn in der kommerziellen Kultur, Wiesbaden, S. 33–46.
Hedges, Alan (1974), Testing to Destruction, London.
Heun, Thomas/ Soheil Dastyari (2002), Menschen, Marken und alles dazwischen, in: Mediagramm, Ausgabe 04/2002, S. 22–24.
Hölscher, Barbara (1998), Lebensstile durch Werbung? Zur Soziologie der Life-Style Werbung, Opladen/Wiesbaden.
Hölscher, Barbara (2002a), Das Denken in Zielgruppen. Über die Beziehungen zwischen Marketing, Werbung und Lebensstilforschung, in: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Opladen, S. 465–480.
Hölscher, Barbara (2002b), Werbung heißt: Kreativität, Idealismus, Gestaltung. Zum schillernden Weltbild von Werbern, in: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Opladen, S. 465–480.
Horkheimer, Max/ Theodor W. Adorno (1986), Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/M.
Hunziker, Peter (1972), Erziehung zum Überfluß. Soziologie des Konsums, Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz.
Jones, John P. (1991), Macht sich Werbung bezahlt? Die Praxis erfolgreicher Werbung: 19 beispielhafte Kampagnen, Frankfurt/New York.
Jung, Holger/ Jean-Remy von Matt (2002), Momentum. Die Kraft die Werbung heute braucht, Berlin.
Jung von Matt (2006):häWillkommen in Deutschlands häufigstem Wohnzimmer‘, www.jvm.de/wozikonfi/htm_de, 20.02.2007.
Kleining, Gerhard (1995), Lehrbuch Entdeckende Sozialforschung. Band I: Von der Hermeneutik zur Qualitativen Heuristik, Weinheim.
Klemp, Henning (1959), Psychogene Produktgestaltung, in: Der Markenartikel, Jg. 21 H. 11, S. 781–789.
Koppetsch, Cornelia (2004), Die Werbebranche im Wandel. Zur Neujustierung von Ökonomie und Kulturimneuen Kapitalismus, in: Kai-Uwe Hellmann/ Dominik Schrage (Hg.), Konsum der Werbung. Zur Produktion und Rezeption von Sinn in der kommerziellen Kultur, Wiesbaden, S. 147–162.
Kover, Arthur J./ William L. James/ Brenda S. Sonner (1997), To Whom Do Advertising Creatives Write? An Inferential Answer, in: Journal of Advertising Research, Jg. 37 H. 1, S. 41–53.
Kroeber-Riel, Werner (1992), Konsumentenverhalten, 5. Auflage, München.
Lazarsfeld, Paul F. (1962), Die Panel-Befragung, in: René König (Hg.), Das Interview, 3. Aufl., Köln, S. 253–268.
Leven, Wilfried (1996), Werbewirkungsforschung aus der Sicht der Praxis, in: Werbeforschung & Praxis, Jg. 12 H. 4, S. 31–35.
Luckmann, Benita (1978), The Small Life-Worlds of Modern Man, in: Thomas Luckmann (Hg.), Phenomenology and Sociology, Harmondsworth, S. 275–290.
Luhmann, Niklas (1996), Die Realität der Massenmedien, Opladen.
Mataja, Viktor (1913), Vorwort, in: Paul Ruben (Hg.), Die Reklame. Ihre Kunst und Wissenschaft, 1. Band, Berlin, S. VII-XI.
Matthäus, Carsten (2004), Wie Deutsche, Schweizer und Österreicher wohnen, in: Spiegel Online, 27.2.2004 (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,288099,00.html).
Nerdinger, Friedemann W. (1990), Lebenswelt Werbung. Eine sozialpsychologische Studie über Macht und Identität, Frankfurt/New York.
Nerdinger, Friedemann W. (1991), Die Welt der Werbung. Werbung aus Sicht der Werber, Frankfurt/New York.
Ogilvy, David (2005 [1963]), Geständnisse eines Werbemannes, München.
Packard, Vance (1958), Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in Jedermann, Düsseldorf
Pfadenhauer, Michaela (1998), Das Problem zur Lösung. Die Inszenierung von Professionalität, in: Herbert Willems/ Martin Jurga (Hg.), Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, Opladen, S. 291–304.
Plassmann, Hilke (2006), Der Einfluss von Emotionen auf Markenproduktentscheidungen, Wiesbaden.
Rainey, Mary T. (1997), The Planning Context, in: Alan Cooper (Hg), How to plan advertising, London, S. 1–14.
Reinhard, Dirk (1993), Von der Reklame zum Marketing. Die Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland, Berlin.
Schäfer, Erich (1961), Marktforschung, in: Erwin v. Beckrath (Hg.), Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Stuttgart, S. 147–161.
Schaper, Eva von (2004), Werber an Kleinhirn, in: NZZ Folio Nr. 11/04 (http://www. nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/e4ce6c89-410 b-4e61-bald-alb3a5eObee.aspx, 5.11.2007)
Schierl, Thomas (2002a), Grau mein Freund, ist alle Theorie... Die Diffusion kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse in der werblichen Kommunikationspraxis, in: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Opladen, S. 465–480.
Schierl, Thomas (2002b), Der Werbeprozess aus organisatorischer Perspektive, in: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Opladen, S. 121–138.
Schindelbeck, Dirk (2001), Illustrierte Konsumgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1990, Erfurt.
Schnell, Rainer/ Paul B. Hill/ Elke Esser (1993), Methoden der empirischen Sozialforschung, München/Wien/Oldenbourg.
Stehr, Nico (2007), Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie, Frankfurt/M.
Suthoff, Karl (1960), Marktforschung und Gesellschaftsstruktur, in: Der Markenartikel Jg. 22 H. 10, S. 86–88.
Willems, Herbert/ York Kautt (2003), Theatralität der Werbung. Theorie und Analyse massenmedialer Wirklichkeit: Zur kulturellen Konstruktion von Identitäten, Berlin.
Zurstiege, Guido (2002), Die Gesellschaft der Werbung — was wir beobachten, wenn wir die Werbung beobachten, wie sie die Gesellschaft beobachtet, in: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Opladen, S. 121–138.
Zurstiege, Guido (2005), Zwischen Kritik und Faszination. Was wir beobachten, wenn wir die Werbung beobachten, wie sie die Gesellschaft beobachtet, Köln.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Heun, T. (2008). Zwischen Schein und Sein. In: Schrage, D., Friederici, M.R. (eds) Zwischen Methodenpluralismus und Datenhandel. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91056-7_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91056-7_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15470-1
Online ISBN: 978-3-531-91056-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)