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Soziale Ausschließung durch Kriminalisierung: Anforderungen an eine kritische Soziale Arbeit

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Sozialer Ausschluss und Soziale Arbeit

Auszug

Betrachtet man die Entwicklung der Kriminalpolitik der letzten 17 Jahre, dann wird eine deutliche Verschiebung von einer Politik der Integration und „Resozialisierang“ hin zu einer Politik der sozialen Ausschließung erkennbar. Diese Verschiebung nimmt in Deutschland noch lange nicht die Ausmaße amerikanischer Ausschließungspolitik an (vgl. Christie 1993/2000, Wacquant 2000, 2005) — nimmt man etwa die Gefangenenzahlen als Kriterium — doch auf niedrigerem Niveau erleben auch wir einen Wandel weg vom Wohlfahrtsstaat hin zum strafenden Staat (vgl. Sack 2004). Diese Veränderung ist nicht über die Entwicklung der Kriminalität erklärbar, und sie steht auch nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Herstellung von (mehr) Sicherheit. Eher wird deutlich, dass das Strafrecht und das Kriminaljustizsystem für den Staat eine ganz spezifische Bedeutung hat: Weit entfernt davon, über die staatliche Strafe oder ihre Androhung Gesellschaft steuern zu können, demonstriert der Staat über das Kriminaljustizsystem die Möglichkeit und „Rechtmäßigkeit“ von Ausschließung im Rahmen der Staatsbürgerschaft. Die demonstrative Aufwertung einer punitiven Politik ist nicht allein in der Kriminalpolitik erkennbar, sie gewinnt zunehmend auch Dominanz in der Sozialpolitik, wo „welfare“ von „workfare“ abgelöst wird und der „aktivierende Staat“ mit Konzepten wie „Pflicht zur Arbeit“, „Fördern und Fordern“ auf Druck und Zwang setzt und damit Prozesse der Ausschließung weiter vorantreibt. Was die neoliberale Politik im globalisierten Konkurrenzkapitalismus faktisch an sozialen Ausschließungen bewirkt, wird in der Kriminalpolitik noch einmal bestätigend vorgeführt: Mit dem weitgehenden Verzicht auf Resozialisierung und der Abkehr von der wohlfahrtsstaatlichen Philosophie wird auch am Beispiel straffällig gewordener Menschen mitgeteilt, dass sich eine Investition in gesellschaftliche Arbeitsreserven nicht mehr lohnt.

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Stehr, J. (2008). Soziale Ausschließung durch Kriminalisierung: Anforderungen an eine kritische Soziale Arbeit. In: Anhorn, R., Bettinger, F., Stehr, J. (eds) Sozialer Ausschluss und Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90821-2_15

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