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Videoanalysen des Schulalltags. Die dokumentarische Interpretation schulischer Übergangsrituale

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Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis

Auszug

Rekonstruktive Verfahren der qualitativen Forschung zeichnen sich durch ihre Bezugnahme auf die Alltagswirklichkeit der Erforschten, deren (Ethno-) Methoden und kommunikativen Regelsysteme in situ aus. Einen entscheidenden Beitrag leisten hier die Textinterpretativen Erhebungsmethoden, vor allem, wenn sie — wie etwa die Gruppendiskussion (vgl. Bohnsack 2007a; Loos/Schäffer 2001) oder das narrative Interview (Schütze 1987) — das jeweilige atheoretische (Mannheim 1980), handlungsleitende Wissen und den spezifischen Habitus der Akteure aufzuspüren suchen. Diese Methoden werden zunehmend mit weiteren, auf die Beobachtung von Alltagssituationen gerichteten Verfahren trianguliert, vor allem mit der teilnehmenden Beobachtung (vgl. Bohnsack et al. 1995; Nohl 2001). Dieses ursprünglich in der Ethnologie entwickelte Verfahren hat im Unterschied zu den o.g. die audiovisuell strukturierten Wahrnehmungen und Eindrücke des Forschers im Feld zur Grundlage für die Rekonstruktion der Beobachtungen der Alltagswirklichkeit der Erforschten. Die teilnehmende Beobachtung kann deshalb bereits als Vorläufer einer sich gegenwärtig allmählich etablierenden visuellen Sozialforschung bezeichnet werden.

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Literatur

  1. Auch das der videogestützten Beobachtung zugrunde liegende Medium Film wurde in der Ethnologie bereits frühzeitiger, und zwar als „ethnographischer Film“ eingesetzt. Der ethnographische Film wird jedoch weniger als Datengrundlage zur weiteren empirischen Analyse eingesetzt, vielmehr erhält er den Stellenwert eines wissenschaftlichen Endprodukts mit dem Anspruch, die während der Feldforschung gewonnenen Erkenntnisse in bewegte Bilder umzusetzen (vgl. Ballhaus 1995).

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  2. Dies gilt nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern auch für die anglo-amerikanische Forschungslandschaft. Diese Einschätzung teilen Knoblauch et al. in der Einleitung zu ihrem 2006 erschienenen Band, der erstmals eine Sammlung von internationalen Beiträgen zu Methodologie und Methoden der Videoanalyse enthält (vgl. auch: Wagner-Willi 2006). Innerhalb der deutschsprachigen Schulforschung bildet die oben zitierte Publikation von Krummheuer/Naujok (1999) jedoch eine Ausnahme: Dort wird das methodische Vorgehen bei der Analyse expliziert. Allerdings dominiert hier die Auswertung des Diskurses gegenüber den nonverbalen Aspekten der untersuchten Interaktionen im Klassenraum.

    Google Scholar 

  3. Es_handelt sich um ein 2003 abgeschlossenes Dissertationsprojekt mit dem Titel: Rituale und Ritualisierungen des übergangs im Schulalltag von Kindern — Vergleichende Analyse in einer Berliner Grundschule (vgl. Wagner-Willi 2005). Dieses Projekt ist im Rahmen des seit 1999 eingerichteten Sonderforschungsbereichs: „Kulturen des Performativen“, Teilprojekt: „Die Herausbildung des Sozialen in Ritualen und Ritualisierungen“ (Projektleiter Christoph Wulf), Arbeitsgruppe: Schule und Rituale an der Freien Universität Berlin entstanden (vgl. Göhlich/Wagner-Willi 2001; Wulf et al. 2001). Die Erhebung wurde von der Arbeitsgruppe (Michael Göhlich, Monika Wagner-Willi sowie — zeitweise — Heinz Schlöttke) und Anja Tervooren vorgenommen.

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  4. Vgl. auch die von Klambeck 2006 vorgelegte Dissertation zu psychogenen Gangstörungen, in der die Möglichkeiten der dokumentarischen Mikroanalyse noch stärker ausgeschöpft werden als hier, sowie die Forschungsarbeit von Nentwig-Gesemann (2006), in der videogestützte Gruppendiskussionen mit Kindern dokumentarisch interpretiert werden.

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  5. Der Begriff des Mimetischen bezeichnet die kreative Anähnlichung in sozialen, interaktiven Prozessen, die insbesondere in Ritualen wirksam wird (Wulf 1998).

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  6. Turner rekurriert auf die ethnologischen Untersuchungen zu Übergangsritualen von van Gennep (1986), der selbst bereits die Bedeutsamkeit der Schwellen-bzw. Umwandlungsphase betonte.

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  7. Der Begriff des Performativen geht auf Austin (1985) und seine Theorie der Sprechakte zurück. Er betont den Aspekt des Vollzugs von Handlungen im (performativen) Sprechakt sowie die Wirkungen und den Verweischarakter performativer Äußerungen. Hier gibt es Parallelen zur Ethnomethodologie, insbesondere zum Konzept der Indexikalität (vgl. Garfinkel 1973).

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  8. Die im Folgenden verwendeten Begriffe Box und Besitzterritorium sind Goffman (1974) entlehnt. Dabei bezeichnet die Box solches Territorium, auf das das Individuum einen temporären Anspruch hat, wie hier der Sitz-und Tischplatz.

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  9. Der Begriff der Distanz wird im Sinne des von Goffman geprägten Begriffs der Rollendistanz gebraucht, der die Markierung von Distanz als Teil der Rolle definiert (vgl. Goffman 1973). Dementsprechend gehören zur Rolle des Schülers sowohl kommunikative Ritualisierungen als auch — in Auseinandersetzung mit diesen — zu einem gewissen Grad konjunktive, Distanz markierende Ritualisierungen. Dazu korrespondiert die Terminologie Turners, in der die Antistruktur der liminalen Phase in einem dialektischen Verhältnis zur (gesellschaftlichen bzw. institutionellen) Struktur steht.

    Google Scholar 

  10. Zu Fragen der Videographie als Erhebungsmethode, die in diesem Beitrag nicht im Zentrum stehen, vgl. weiterführend auch Brauer/ Dehn (1995) sowie Huhn et al. (2000).

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  11. So ist auch nachvollziehbar, dass die Photographie (vgl. Bateson/ Mead 1942) und der Film (vgl. Ballhaus/Engelbrecht 1995) innerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung zuerst in der (ethnologischen) Feldforschung zum Einsatz kamen.

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  12. Die formulierende Interpretation liegt methodisch auf der Ebene der Berichte aus teilnehmender Beobachtung (vgl. Bohnsack 2000a, 147 f.).

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  13. Innerhalb der Schul-und Kindheitsforschung sind verschiedene Wege beschritten worden, die selektive Wahrnehmung des teilnehmenden Beobachters unter methodische Kontrolle zu bringen. Ein Beispiel bietet die Studie von Krappmann/ Oswald (1995) zu Aushandlungsprozessen unter Kindern, die nach dem von ihnen entwickelten formalisierten Verfahren der „Doppelten Überkreuz-Fokussierung“ arbeiten. Hierbei haben zwei Beobachter jeweils eine Unterrichtsstunde zwei nebeneinander sitzende Kinder im Fokus und tauschen in der folgenden Stunde sowohl die Perspektiven als auch die „Fokuskinder“ (1995, 32). Ein anderes Beispiel liefert die ethnographische Untersuchung zum Geschlechteralltag von Schulkindern von Breidenstein/Kelle (1998). Die Autoren suchen die „(unabdingbare) Selektivität als (gewollte) Fokussierung von Beobachtungen zu gestalten“ (1998, 140), indem sie nach dem Verfahren des Theoretical Sampling (Glaser/Strauss 1969) allmählich Kategorien entwickeln, welche die Fokussierung der Beobachtungen lenken. Diese sehr verschiedenen Versuche der kontrollierten Fokussierung können jedoch — im Unterschied zur videogestützten Beobachtung — nicht die Hauptschwierigkeit der teilnehmenden Beobachtung überwinden, da sie für diese konstitutiv ist: die Gleichzeitigkeit der Sammlung und Analyse von Daten schon im Prozess der Erhebung selbst.

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Ralf Bohnsack Iris Nentwig-Gesemann Arnd-Michael Nohl

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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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Wagner-Willi, M. (2007). Videoanalysen des Schulalltags. Die dokumentarische Interpretation schulischer Übergangsrituale. In: Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., Nohl, AM. (eds) Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90741-3_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90741-3_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-15316-2

  • Online ISBN: 978-3-531-90741-3

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