Auszug
Die Devise, der zufolge es besser sei, erst nachzudenken und dann zu handeln, warnt vor Unbedachtheiten und soll deren Kosten vermeiden. Diese sprichwörtliche Devise, in der die aufklärerische Überzeugung der Möglichkeit rationalisierbaren Handelns kommuniziert wird, ist für die individuelle Alltagspraxis ebenso plausibel und unbestreitbar wie einfach. Merkwürdigerweise scheint sie sich der Übertragung auf die Ebene politischen Handelns zu widersetzen. Wenn es darum geht, dass Regierende und Parlamente sich, bevor sie eine Entscheidung treffen, zunächst der Voraussetzungen und der möglichen Folgen dieser Entscheidung vergewissern, scheint sie nicht zu gelten. Politiker lassen sich zwar gern beraten, aber sie haben ein ambivalentes Verhältnis zu dem Wissen, das Berater ihnen offerieren. Für sie besteht ein Dilemma zwischen sachlich gebotenen und demokratisch vertretbaren Entscheidungen. Was demokratisch vertretbar ist, können sie kraft ihrer Rolle als gewählte Repräsentanten selbst sagen, was sachlich geboten ist, müssen sie sich von Beratern sagen lassen. Hören sie nur auf diese, verlieren sie möglicherweise die Stimmen ihrer Wähler, folgen sie nur den Interessen jener, entsprechen ihre Entscheidungen vielleicht nicht dem Stand des Wissens.
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Weingart, P. (2006). Erst denken, dann handeln? Wissenschaftliche Politikberatung aus der Perspektive der Wissens(chaft)soziologie. In: Falk, S., Rehfeld, D., Römmele, A., Thunert, M. (eds) Handbuch Politikberatung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90052-0_4
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