Zusammenfassung
1978, in einer Zeit des Aufbegehrens gegen asymmetrische Verhältnisse auf allen gesellschaftlichen Ebenen; gegen den Kolonialismus, gegen die Unterdrückung und beständige Abwertung von Frauen — und gegen das Webersche Postulat der Weitfreiheit der Wissenschaft, formulierte Maria Mies, eine inzwischen emeritierte Professorin für Soziologie der Kölner Fachhochschule, methodische Postulate zur Frauenforschung. Sie gelten, wie Andrea Baier (1996: 142) schreibt, als unbestrittener Ausgangspunkt für die bundesdeutsche Auseinandersetzung um Methoden und Methodologie in der Frauenforschung und lauten wie folgt:
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1.
Das Postulat der Wertfreiheit, der Neutralität und Indifferenz gegenüber den Forschungsobjekten ist durch bewusste Parteilichkeit zu ersetzen.
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2.
Die vertikale Beziehung zwischen Forschern und Erforschten ist durch die gemeinsame „Sicht von unten“ auszutauschen.
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3.
Die kontemplative, uninvolvierte „Zuschauerforschung“ ist in die Forschungsmethode der aktiven Teilnahme an emanzipatorischen Aktionen zu transformieren.
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4.
Die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse wird zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Erkenntnis.
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5.
Die Wahl des Forschungsgegenstands wird abhängig gemacht von den allgemeinen Zielen sowie den strategischen und taktischen Erfordernissen der Frauenbewegung.
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6.
Der Forschungsprozess wird zu einem Bewusstwerdungsprozess für die bisherigen „Subjekte“ wie auch „Objekte“ der Forschung.
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7.
Orte der Entwicklung einer feministischen Gesellschaftstheorie sind nicht die Forschungsinstitute, sondern die Aktionen und Kämpfe der Bewegung sowie die theoretische Auseinandersetzung über deren Ziele und Strategien, (vgl. Mies 1978)
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Literatur
Baier, Andrea (Hrsg.) (1996): Lesebuch Frauenstudien. Grundlagentexte der Frauenforschung. Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld
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Mies, Maria 1984b: Frauenforschung oder feministische Forschung? In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 11, 7. Jahrgang, S. 40–60
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Werlhof, Claudia von 1984: Wenn die Bauern wiederkommen. Frauen, Arbeit und Agrobusiness in Venezuela. Bremen: edition con
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Werlhof, Claudia von/Maria Mies/ Veronika Bennholdt-Thomsen 1983: Frauen, die letzte Kolonie. Reinbek: Rowohlt
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Müller, C. (2004). Parteilichkeit und Betroffenheit: Frauenforschung als politische Praxis. In: Becker, R., Kortendiek, B. (eds) Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Geschlecht & Gesellschaft, vol 35. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99461-5_35
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