Zusammenfassung
Als Moses den Herrn nach seinem Namen fragte, erhielt er bekanntlich die Antwort: „Ego sum qui sum“ (Exod. ,3,14). Das ist eine bemerkenswerte Auskunft. Die Göttlichkeit der Selbstaussage läßt sich nämlich nur durch Tautologie gegen Vermenschlichung retten. Gott hat es leicht. Menschen könnten nicht in gleicher Weise antworten und doch bei der Wahrheit bleiben. Denn wir sind immer auch was wir nicht sind, nämlich was wir waren oder was wir sein werden. Und wenn Luther das hebräische Jahwe nicht wie die Valguta im Präsenz, sondern im Futur übersetzt, so ist der gemeinte Sinn doch derselbe: „Ich werde sein, der ich sein werde“ soll ebenfalls die Immergleichheit der Selbigkeit Gottes ausdrücken, nicht etwa dessen Geschichtlichkeit. Die Probleme der Selbstenthüllung Gottes fangen allerdings in dem „Augenblick“ an, wo er sich über sein Handeln in der menschlichen Geschichte identifiziert. Für Moses ist Jahwe eben nicht nur „Qui est“ (Luther: „Ich werds sein“), sondern auch: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abraham, der Gott Isaac und der Gott Jacob“ (Exod.,3,6). Hier also bestimmt sich Gott über einzelne seiner Wirkungen, die ihn jede für sich gerade nicht erschöpfend bezeichnen. Der Verzicht auf die Tautologie zwingt selbst Gott dazu, seine Selbstaussage in die Form zu bringen: „Ich bin der ich bin, und ich bin der ich nicht bin“. Es besteht also nur die Wahl zwischen Tautologie oder Paradoxie.
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Literatur
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Hahn, A. (1988). Biographie und Lebenslauf. In: Brose, HG., Hildenbrand, B. (eds) Vom Ende des Individuums zur Individualität ohne Ende. Biographie und Gesellschaft, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97182-1_5
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