Zusammenfassung
In der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine breite öffentliche und wissenschaftliche Debatte über das Problem der kathartischen Methode. Freud hatte sich mit seiner Verfahrensweise analytischer Deutung von kathartischen Methoden des Abreagierens abgrenzen wollen, weil er sie in ihrem langfristigen Heilungsertrag als instabil ansah. Auch C.G. Jung wiederholt noch 1921 in einem Aufsatz „Der therapeutische Wert des Abreagierens“ (1958 a) die Freudsche Argumentation: er macht darauf aufmerksam, daß das Sich-Aussprechen zwar die Affektivität des traumatischen Erlebnisses „allmahlich abschwächt“, aber daß nur das „Beheben der Dissoziation“ bzw. die Assimilation der Ideen und Emotionen, die sich als autonomer Komplex verfestigt hatten und sich in der Katharsis wieder Gehör verschafften, die langfristige Stabilität der Heilung sichern könnte. Für diesen Schritt aber genügt die (abreaktive) Katharsis allein nicht, obwohl diese die ursprüngliche Ganzheit des Menschen momentan wieder herstellt. Immerhin zeigt ein solches „Bekenntnis des Patienten“, was Heilung überhaupt bedeutet:
„Indem ich mir meines Schattens bewußt werde, erlange ich auch die Erinnerung wieder, daß ich ein Mensch bin wie alle anderen. Auf alle Fälle ist mit dieser zunächst schweigenden Wiederentdeckung der eigenen Ganzheit der frühere Zustand, aus welchem die Neurose, d.h. der abgespaltene Komplex hervorging, wiederhergestellt. Durch Verschweigen kann die Isolierung verlängert werden mit einer teilweisen Besserung der Schäden. Durch das Bekenntnis aber werfe ich mich der Menschheit wieder in die Arme, befreit von der Last des moralischen Exils. Die kathartische Methode bezweckt das völlige Bekenntnis und zwar nicht nur die intellektuelle Feststellung eines Tatbestandes durch den Kopf, sondern auch die Auslösung der zurückgehaltenen Affekte, die Feststellung des Tatbestandes durch das Herz“ (Jung, 1958 b, 64).
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Wartenberg, G., Kienzle, J. (1991). Die Katharsis im psychodramatischen Spiel. In: Buer, F., Kieper-Wellmer, M., Schmitz, U. (eds) Jahrbuch für Psychodrama, psychosoziale Praxis & Gesellschaftspolitik 1991. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93651-6_2
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