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Komparative Analyse: Forschungspraxis und Methodologie dokumentarischer Interpretation

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Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis

Zusammenfassung

Zu einer Sozialwissenschaft, die sich aus der sozialen Praxis heraus erklärt, gehört nicht allein die Rekonstruktion der Handlungspraxis, welche den Gegenstandsbereich der Forschung konstituiert; ihr zu eigen ist auch die Rekonstruktion der Rekonstruktionspraxis, also die methodisch kontrollierte Sichtung und Systematisierung der Art und Weise, wie empirisch geforscht wird. Jene Rekonstruktion will — so Karl Mannheim — „nur ins methodologische Bewußtsein heben, was bereits allenthalben in der Forschung de facto geschieht“ (1964a, 96). In dieser „praxeologischen Methodologie“ (Bohnsack 2000a, 192 ff.) wird also prinzipiell die Praxis der untersuchten Personen in gleicher Weise rekonstruiert wie die Praxis der Forschenden.1 Dies gilt dann auch für die Rekonstruktion der Praxis komparativer Analyse.

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Literatur

  1. Niklas Luhmann, dessen Kybernetik ich u.a. zur methodologischen Reflexion der komparativen Analyse heranziehen werde, spricht hier von einer „naturalistischen Erkenntnistheorie“ und schreibt (1990, 13): „Als empirisch oder naturalistisch kann man… Erkenntnistheorien bezeichnen, wenn sie für sich selbst im Bereich der wissenswerten Gegenstände keinen Ausnahmezustand beanspruchen, sondern sich durch empirische Forschungen betreffen und in der Reichweite der für Erkenntnis offenen Optionen einschränken lassen.“ Dieser Versuch, eine Methodologie im Sozialen zu begründen, findet sich auch im Pragmatismus (z.B. Dewey 1986) und lässt sich nach Elias (1970) bis zu Auguste Comte zurückverfolgen.

    Google Scholar 

  2. Dies schlägt sich allerdings nicht unbedingt in einer Reflexion des Vergleichs nieder. Viele Publikationen zur qualitativen Sozialforschung gehen nicht eigens auf die komparative Methode ein (wie etwa Berg 1989; Bogdan/Taylor 1984; König/Zedler 1995; Flick 1995; Hitzler/Honer 1997). Eine Ausnahme bildet hier das Kompendium von Hopf/Weingarten (1979), in dem ein Aufsatz von Glaser/Strauss zur Grounded Theory abgedruckt ist. Spöhring (1989) und Lindlof (1995) beziehen sich nahezu ausschließlich auf den Ansatz von Glaser/Strauss. Straub (1999) zieht in seinem Entwurf einer interpretativen Psychologie zur methodologischen Begründung der komparativen Analyse sowohl Glaser/Strauss, als auch den Ansatz von Matthes und die dokumentarische Methode (Bohnsack) heran.

    Google Scholar 

  3. Zum besseren Verständnis reichere ich meine Argumentationen mit Beispielen aus der empirischen Untersuchung an. Ein Oberblick über die vergleichende Anlage dieser Studie sowie das ihr zugrunde liegende Forschungsprojekt, seine Fälle und die mit ihnen gebildeten Typen findet sich i. d. Band auch im Beitrag von Bohnsack, der Typenbildung und Generalisierung an ihrem Beispiel erläutert.

    Google Scholar 

  4. Zur Typenbildung siehe die Beiträge von Bohnsack und Nentwig-Gesemann i. d. Band.

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  5. Siehe hierzu die Einleitung zu diesem Band.

    Google Scholar 

  6. Für die formulierende und reflektierende Interpretation siehe die Beiträge von Bohnsack/Nohl und Bohnsack/Schäffer i. d. Band.

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  7. Wenn in zwei Fällen kein gemeinsames Thema gefunden werden kann, lassen sich die beiden Fälle nur noch unter Rückgriff auf die immanenten Vergleichshorizonte, d.h. auf die wechselseitigen Abgrenzungen und Bekundungen von Nähe, als Fälle zueinander in Beziehung stellen. Dies ist für die ethnographische Beschreibung eines Forschungsfeldes sehr wohl relevant. Für die an generalisierbaren Ergebnissen interessierte Forschung ist es aber wichtig, wie die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Fällen durch deren jeweilige Perspektiven bzw. Orientierungen gerahmt sind. Diese Analyse verhindert unter anderem, dass die fallimmanenten Vergleichshorizonte unvermittelt als Erklärung für die Orientierungsunterschiede dienen, die zwischen zwei Fällen vorliegen.

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  8. Zur Unterscheidung von sinngenetischer und soziogenetischer Interpretation siehe Mannheim 1964d und die Beiträge von Nentwig-Gesemann und Bohnsack i. d. Band.

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  9. Daher bezeichnet Straub (1999, 211) die reflektierende als „vergleichende Interpretation“.

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  10. Glaser/Strauss (1969, 24) bezeichnen dies als die Frage nach den „strukturellen Grenzen eines Faktums“. Viele interkulturell vergleichende Untersuchungen weisen in dieser Hinsicht einen Mangel an Validität auf, da sie immer schon eine Dichotomisierung der Kulturen voraussetzen, die eigentlich erst Gegenstand der vergleichenden Analyse sein sollte.

    Google Scholar 

  11. Glaser/Strauss zählen es zu den Grundvoraussetzungen der Grounded Theory, dass „Theorie als Prozess“ (1969, 32) begriffen wird. An diesem Umstand geht die Kritik von Spöhring (1989, 319), die Grounded Theory könne das Ende einer empirischen Forschung nicht exakt bestimmen, vorbei.

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  12. Dies wird allerdings auch von den genannten Autoren nicht überall bedacht. So bringt Matthes das tertium comparationis mit dem „Diskursuniversum“ in Verbindung, welches — folgt man dem Begriffsschöpfer G. H. Mead (1948, 282) — eine „logische“ Gemeinschaft jenseits konkreten sozialen Lebens bezeichnet. Auch Bohnsack betont hauptsächlich die theoretische Fundierung des tertium comparationis in einer präzisen Definition von grundlagentheoretischen Begriffen, die „der begrifflichen Explikation des tertium comparationis auf einer abstrakten Ebene“ dient (2000a, 211).

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  13. Der fallinterne Vergleich ist als Leistung der dokumentarischen Interpretation der Forschenden nicht zu verwechseln mit dem fallimmanenten Vergleich, der im Fall selbst, d.h. von den untersuchten Personen oder Gruppen, erstellt wird.

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  14. Selbstverständlich ist auch die formulierende Interpretation an den Vergleich gebunden, für die die folgenden Gedankenschritte entsprechend gelten.

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  15. Diese Argumentation folgt der Logik der Paarsequenzen. Denn auch die Reaktion auf die erste Sequenz stellt wiederum selbst eine erste Sequenz dar, auf die eine weitere Reaktion folgt.

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  16. Nach Sacks geht es darum, die „Distributionsregel für den ersten Teil von Paarsequenzen“ herauszufinden (1995, 534) bzw. zu rekonstruieren, „aufweiche Weise die Welt funktioniert, die eine solche Art von Sequenz hervorbringt“ (ebd., 538).

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  17. Das Transkript wird hier leicht vereinfacht wiedergegeben. Vgl. für die Originalversion und deren komparativ-sequentielle Analyse den Beitrag von Bohnsack/Nohl i. d. Band und für ihren Kontext Nohl 2001, 181.

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  18. Wie bereits oben angedeutet und unten weiter ausgearbeitet wird, ist der Orientierungsrahmen nicht als fallspezifisch, sondern als spezifisch für eine Erfahrungsdimension zu betrachten, die (innerhalb desselben Falles) von anderen Erfahrungsdimensionen und deren Orientierungsrahmen abgegrenzt werden kann. Aus diesem Grund werden nur solche Textabschnitte innerhalb eines Falles miteinander verglichen, in denen thematisch ähnliche Erfahrungen abgehandelt werden. Der Orientierungsrahmen eines Falles lässt sich hingegen allenfalls auf der Ebene des Individuum identifizieren, wie dies etwa Schütze (1983) im Sinne der „biographischen Gesamtformung“ tut.

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  19. Lässt sich in der Interpretation des zweiten Textabschnitts kein der Interpretation des ersten Abschnitts homologer Orientierungsrahmen finden, muss eine erneute Interpretation entweder des ersten oder des zweiten Abschnitts erfolgen. Der Orientierungsrahmen ist erst dann vollständig rekonstruiert, wenn er sich über alle thematisch ähnlichen Abschnitte des Falles hinweg identifizieren lässt. In der komparativen Analyse der Orientierungskomponenten, die in den einzelnen Textabschnitten interpretiert wurden, werden diese Komponenten also zum homologen Rahmen abstrahiert. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass nicht zwischen zwei Abschnitten, d.h. zwischen Primärquellen, sondern zwischen den Interpretationen zu den beiden Abschnitten verglichen wird. Die komparative Analyse bewegt sich also nie im Bereich des Eigentlichen, Primären, sondern immer im Gebiet der Rekonstruktionen der Forschenden.

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  20. Dieses grundsätzliche Problem des Vergleichens kann auf einer praktischen Ebene bearbeitet werden, wenn man — wie Waldenfels (1994, 17) — Hoffnungen in eine „Ethnologie Europas durch Nichteuropäer“ setzt. Der Kulturvergleich, den die jungen Vertreterinnen einer „ ‚außerwestlichen’Soziologenschaft“ mit ihrer „Abwehr gegen ein integrationalistisches professionelles Selbstverständnis und gegen eine integralistische Sicht von Gesellschaften’und ‚Kulture‘“ (Matthes 1992, 92) anstellen, kann allerdings ebenso wenig die prinzipielle Unsichtbarkeit des tertium comparationis im Zuge des Vergleichs aufheben wie der Vergleich durch den „biographischen Grenzgänger“ (Matthes 1994, 21) zwischen den Kulturen. Hier ist nur auf vom Gehalt her andere tertia comparationis zu hoffen.

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  21. Anders verhält sich dies mit grundlagentheoretischen Kategorien, in denen zentrale Begriffe der Forschung (wie etwa „Gruppe“, „Erfahrungsdimension“ oder „Orientierungsrahmen“) definiert werden, ohne unmittelbare Aussagen zum Gegenstandsbereich zu treffen (vgl. Bohnsack 2000a, 211).

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  22. Zur Mehrdimensionalität der soziogenetischen Typenbildung siehe die Beiträge von Nentwig-Gesemann und Bohnsack i. d. Band.

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  23. Der Vergleich ließe sich hier noch weiter führen. So können (und müssen) innerhalb einer jeden Typik/Erfahrungsdimension unterschiedliche Typen identifiziert werden. Zum Beispiel lassen sich, wie angedeutet, innerhalb der adoleszenzspezifischen Erfahrungsdimension unterschiedliche Bearbeitungsweisen ihrer Problematik rekonstruieren. Darüber hinaus finden sich noch ganz anders geartete Vergleichsmöglichkeiten. So ist der Wechsel der Interpret(inn)en möglich, den Spöhring (1989, 321) „investigator triangulation“ nennt (vgl. hierzu auch Koller 1999). Denn die jeweils angewendeten tertia comparationis „stehen… für einen Beobachter, der auch ein anderer sein könnte“ (Luhmann 1995, 38). Daneben ist auch die Methodentriangulation als ein Vergleich anzusehen (vgl. Spöhring 1989 und insbesondere Bohnsack et al. 1995): Mit unterschiedlichen Methoden wird eine empirische Fragestellung untersucht. Auch in meiner Arbeit habe ich neben dem Gruppendiskussionsverfahren das biographische Interview und die teilnehmende Beobachtung verwendet. Die Methodentriangulation erfordert jedoch ein tertium comparationis, das nicht mehr aus der konjunktiven Abstraktion innerhalb des Verlaufs eines Vergleichs gebildet werden kann. Sie wird durch methodologische und grundlagentheoretische Begriffe strukturiert (Bohnsack et al. 1995, 420).

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  24. Würde das jeweils gebildete tertium comparationis nicht die vorangegangenen tertia comparationis einschließen, sondern nur auf der Homologie zweier Fälle beruhen, dann käme man über eine bloße „Addition“ (im Sinne Mannheims) nicht hinaus. Vgl. hierzu Mannheim 1964a, 121.

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  25. Auch Straub (1999, 340) betont die Notwendigkeit der — rekonstruktiven — Definition des tertium comparationis: „Es gehört bereits zur vergleichenden Interpretation, während der Relationierung von Interpretandum und Vergleichshorizonten geeignete tertia comparationis zuallererst einmal auszumachen. Die genauere Fassung der zu vergleichenden Größen während der bestimmenden [formulierenden; A.-M. N.] und reflektierenden Interpretation ist ein Bestandteil des Vergleichens.“

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  26. Die „Standortgebundenheit“ des Wissens stellt selbstverständlich keinen spezifischen Nachteil der rekonstruktiven Sozialforschung dar, sondern ist als eine „umfassende Verankerung des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses in der sozialen Praxis“ (Bohnsack 2000a, 195) aller Wissenschaft zu eigen. Dies ist nicht nur methodisch zu kontrollierende Fehlerquelle, sondern bietet „Potentiale der Kreativität“ in der Erkenntnis, wie Bohnsack (ebd., 198) im Anschluss an Karl Mannheims Wissenssoziologie schreibt.

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Nohl, AM. (2001). Komparative Analyse: Forschungspraxis und Methodologie dokumentarischer Interpretation. In: Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., Nohl, AM. (eds) Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92213-7_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92213-7_12

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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