Zusammenfassung
Vergegenwärtigt man sich einige grobe Strukturmerkmale des bundesdeutschen Parteiensystems (Tabelle 1), dann wird man mit Blick auf das Jahr 1989/90 nicht gerade von einer Zeitenwende oder von einem revolutionären Umbruch sprechen wollen. Gravierende Veränderungen in den relativen Größenordnungen der Parteien zueinander bei Bundestagswahlen haben sich dadurch nicht ergeben. Die Befunde signalisieren eher Kontinuität. In beiden Entwicklungsabschnitten, 1949 bis 1989 und 1990 bis 1998, erzielten die von Anfang an im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ähnliche Durchschnittsergebnisse2: CDU/CSU 45,1 bzw. 40,1 Prozent; SPD 37,7 bzw. 36,9 Prozent; FDP 9,1 bzw. 8,0 Prozent. Für die in der Tabelle nicht gesondert ausgewiesenen Bündnisgrünen betragen die entsprechenden Werte 5,1 bzw. 6,3 Prozent.3 Der vergleichsweise niedrige Mittelwert der Unionsparteien für die Wahlen 1990 bis 1998 ist weithin ihrem dramatischen Einbruch bei der letzten Bundestagswahl geschuldet und stellt insofern einen „Ausreißer“ dar, der angesichts der wenigen Messpunkte nach 1989 nicht überbewertet werden sollte. An der Rangfolge der Bundestagsparteien hat sich dadurch nämlich nichts geändert. Für die nationalen Wahlen vor und nach der deutschen Einheit gilt übereinstimmend, dass die CDU/CSU stärkste Partei ist, gefolgt von der SPD, der FDP und den Bündnisgrünen, die im Mittelwertvergleich jeweils deutlich hinter den Liberalen rangieren (bis 1987: 5,1 zu 9,1; seit 1990: 6,3 zu 8,0). Die Grundstruktur des deutschen Parteiensystems (Stöss 1983a, S. 163 ff.) hat sich folglich als außerordentlich persistent erwiesen.
Bei der Formulierung des Titels ließ ich mich von Schwarz (1999), inspirieren.
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Stöss, R. (2000). Mehr Kontinuität als Wandel. In: Czada, R., Wollmann, H. (eds) Von der Bonner zur Berliner Republik. Leviathan, vol 19. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89103-7_15
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